Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 11 U 72/16 – Urteil vom 11.12.2018
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24.05.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Cottbus – 6 O 52/11 – abgeändert und die Klage im verbliebenen Umfange insgesamt abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen und die durch die Nebenintervention veranlassten Kosten fallen der Klägerin zur Last.
III. Das Berufungsurteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung im Umfange von 120 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder deren Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Als Sicherheit genügt die schriftliche unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes oder Kreditversicherers.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin ist Alleinerbin ihres während des Rechtsstreits am 11.09.2017 verstorbenen Ehemannes J… W…. Der Erblasser, der am ….01.1960 geboren worden war und zuletzt als Berufskraftfahrer für Lastwagen im internationalen Fernverkehr tätig gewesen ist, hat die Beklagte, einen Lebensversicherer, aus einer am 21.04. 2006 beantragten (ausgefülltes Formular in Kopie GA I 29 ff.), vom Zeugen M… G… vermittelten und laut Police Nr. 33788527 vom 01.06.2006 (Kopie GA III 556 ff.) zu den Allgemeinen Bedingungen für die Selbstständige Berufsunfähigkeits-Versicherung (GA III 584 ff.), künftig zitiert als AB SBUV, abgeschlossenen selbständigen Berufsunfähigkeitsversicherung auf Zahlung einer monatlichen Rente ab 01.02.2009 wegen Berufsunfähigkeit in Anspruch genommen. Im Zuge der Leistungsprüfung erklärte die Rechtsmittelgegnerin mit Schreiben vom 05.11.2009 (Kopie GA I 25 f.) den Rücktritt von dem Versicherungsgeschäft und mit Schreiben vom 24.08.2010 (Kopie GA I 27 f.) dessen Anfechtung, wobei sie sich jeweils auf eine – im Rahmen ihrer Nachforschungen zutage getretene – Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht berief. Zur näheren Darstellung sowohl des Sachverhaltes als auch der erstinstanzlichen Prozessgeschichte wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (LGU 2 ff.) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). In der Berufungsinstanz steht der Eintritt der Berufsunfähigkeit der versicherten Person an sich zwischen den Parteien nicht mehr im Streit.
Vom Landgericht Cottbus, das in der Eingangsinstanz erkannt hat, ist dem früheren Kläger – nach Beweisaufnahme – eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von € 529,80 p.m. für die Zeit vom 01.06.2014 bis längstens 31.01.2020 zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen worden. Begründend hat die Zivilkammer im Kern ausgeführt: Das Versicherungsgeschäft sei zwar durch die Rücktrittserklärung der Beklagten vom 05.11.2009 beendet worden; deren Leistungspflicht bestehe aber gemäß § 21 Abs. 2 VVG fort, weil es keinen Zusammenhang zwischen den nicht angezeigten gesundheitlichen Umständen und der zur Berufsunfähigkeit führenden Neurosyphillis des Versicherten gebe. Im Ergebnis der Vernehmung des Zeugen M… G…, der als Agent des Versicherers und nicht als Makler des Kunden anzusehen sei, weil die Berufungsgegnerin anderes weder konkret dargetan noch bewiesen habe, stehe unter Berücksichtigung des Vorbringens im Klageentwurf vom 17.01.2011 (GA I 3 ff.) fest, dass der Erblasser Behandlungen wegen Beschwerden im Knie, Gicht, im Ellenbogen und Stressreaktionen bei der Antragstellung nicht erwähnt habe. Dagegen sei hinsichtlich des Krankenhausaufenthalts im Jahre 1998 von dem Versuch auszugehen, diesen anzugeben, selbst wenn sich die Erklärungen dazu als schwammig, unklar und ungenau erwiesen hätten. Arglist, die die Anfechtung rechtfertigen könne, sei zu verneinen. Denn zum einen müsse sich die Berufungsgegnerin ein Mitverschulden anrechnen lassen, weil ihrem Vermittler die Ungenauigkeit und Unsicherheit des inzwischen Verstorbenen bei den Angaben zum Krankenhausaufenthalt nicht verborgen geblieben sei; zum anderen habe es danach – bestätigt durch die Zeugenaussage der Hausärztin I… E… – keine ärztlichen Behandlungen wegen Depressionen oder Alkoholproblemen mehr gegeben. Die Behandlung im Jahre 1998 als einmalige Angelegenheit wegen einer persönlichen Lebenskrise zu werten, sei deshalb nachvollziehbar und indiziere keine Arglist. Entsprechendes gelte für die nicht angegebenen Kniebeschwerden, Ellenbogenschmerzen und Stressreaktionen, die lediglich als grob fahrlässig anzusehen und der Beklagten selbst zunächst nur Anlass zum Rücktritt gewesen seien. Als Lkw-Fahrer habe der Erblasser nicht mehr arbeiten können, weil er gemäß dem Gutachten des Sachverständigen MR Dr. med. H… R… aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zum Führen von Lastwagen geeignet gewesen sei; dieser Zustand lasse sich jedoch erst ab dem Begutachtungszeitpunkt konstatieren. Wegen der weiteren Details wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils verwiesen (LGU 4 ff.).
Dieses ist der Beklagten – zu Händen ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten nach dessen Empfangsbekenntnis – am 27.05.2016 (GA II 429) zugestellt worden. Sie hat am 17.06.2016 (GA III 434) mit anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel mit einem am 25.07.2016 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht in Brandenburg a.d.H. eingegangenen Anwaltsschriftsatz begründet (GA III 448 ff.). Die Streithelferin hat am 30.06.2016 (GA III 440) mit anwaltlichem Schriftsatz Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel mit einem am 01.08.2016 beim Berufungsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz begründet (GA III 455 ff.).
Die Beklagte ficht, unterstützt von ihrer Streithelferin, das landgerichtliche Urteil – im Kern ihre bisherigen Darlegungen wiederholend, ergänzend und vertiefend – in vollem Umfange ihrer Beschwer an. Dazu wird insbesondere Folgendes vorgetragen:
Die Zivilkammer hätte die Klage insgesamt abweisen müssen, weil das Versicherungsgeschäft erfolgreich angefochten worden sei. Die Angaben des Erblassers zu den Gesundheitsfragen hätten sich als objektiv falsch erwiesen; er sei mehrfach ambulant und im Mai 1998 stationär auf der psychiatrischen Abteilung des … Krankenhauses ärztlich behandelt worden. Aus dem Einschätzungsrichtlinien des Rückversicherers (Kopie Anlage B2/GA I 126 ff.) ergebe sich, dass er als Berufskraftfahrer speziell mit zumindest befristetem Alkoholismus und einer zeitweiligen depressiven Symptomatik nicht versicherbar gewesen wäre. Den Zeugen M… G… als „Auge und Ohr“ des Versicherers anzusehen, lasse ihr – der Berufungsführerin – Vorbringen zu seiner Maklerfunktion und das Ergebnis der Beweisaufnahme außer Betracht; zudem stehe es im Gegensatz zu den Hinweisen im landgerichtlichen Beschluss vom 11.10.2012 (GA II 240 f.). Bei der Streithelferin handele es sich um einen Makler-Pool, der für seine Vertragspartner – selbstständige Versicherungsmakler wie den Zeugen – die Provisionsabwicklung mit den Versicherungsgesellschaften übernehme. Im Übrigen habe der inzwischen Verstorbene damals bekundet, der Krankenhausaufenthalt liege länger als zehn Jahre zurück. Eine Nachfrageobliegenheit des Versicherers sei unter den hier gegebenen Umständen zu verneinen; selbst wenn eine solche bestanden hätte und verletzt worden wäre, bliebe das Recht zur Arglistanfechtung unberührt. Seine objektiven Falschangaben habe der Erblasser nicht plausibel erklären können; die Antragsfrage Nr. 2 beziehe sich eindeutig nicht auf akute oder aktuelle Erkrankungen, sondern allein auf ärztliche Behandlungen in der Vergangenheit. Die vorhandenen Indizien, speziell das Verschweigen von Alkoholproblemen und Depressionen durch einen Berufskraftfahrer, ließen auf Arglist des Versicherten schließen.
Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt – im Kern die erstinstanzlichen Darlegungen ebenfalls wiederholend, ergänzend und vertiefend – die ihr günstige Entscheidung des Landgerichts. Dazu trägt sie speziell Folgendes vor:
Die Zivilkammer habe zutreffend Gründe festgestellt, die – trotz falscher beziehungsweise unvollständiger Beantwortung von Gesundheitsfragen – der Bejahung von Arglist entgegenstünden. Dass ein Krankenhausaufenthalt stattgefunden habe, sei dem Zeugen M… G… mitgeteilt worden. Ohnehin beziehe sich die Antragsfrage Nr. 3 nur auf die fünf vorangegangenen Jahre; objektiv habe der stationäre Aufenthalt damals bereits mehr als acht Jahre zurückgelegen. Warum er erforderlich gewesen sei, hätte der Zeuge aufklären müssen. Ein gegen die Interessen des Versicherers gerichtetes Verhalten könne dem Erblasser nicht unterstellt werden; er selbst sei von einer leichten Erkrankung ausgegangen, die seit Jahren keine Rolle mehr für ihn gespielt habe und deren Relevanz für ihn nicht zu erkennen gewesen sei. Mehr als eine fahrlässige Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten könne nicht angenommen werden, wobei ohnehin kein Zusammenhang mit der zur Berufsunfähigkeit führenden Erkrankung bestehe. Seine vorläufige Auffassung, wonach M… G… als Makler anzusehen sei, habe das Landgericht im Laufe des Rechtsstreits ändern dürfen. In der Tat genüge das entsprechende Vorbringen der Beklagten dazu nicht. Jedenfalls sei der Zeuge damals wie ein Versicherungsagent aufgetreten. Im Übrigen bestünden auch zwischen einem Makler und dem Versicherer rechtliche und finanzielle Beziehungen.
Der Senat hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 06.11.2018 (GA III 579) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Im Termin der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz ist die Sach- und Rechtslage mit den Erschienenen erörtert worden. Die Klägerin hat – mit Zustimmung der Beklagten – die Klage zurückgenommen, soweit Ansprüche auf Rentenzahlung für die Zeit nach dem Monat September 2017, in dem der Erblasser verstorben ist, geltend gemacht wurden (GA III 580, 581). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie der Prozessgeschichte wird ergänzend auf die Anwaltsschriftsätze aller Prozessbeteiligten nebst Anlagen, auf sämtliche Terminsprotokolle und auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
A. Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft und auch im Übrigen zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517 ff. ZPO). Dagegen waren die Rechtsmittelschrift der Streithelferin vom 30.06.2016 (GA III 440 ff.) und deren Rechtsmittelbegründung vom 01.08. 2016 (GA III 455 ff.) nicht mehr geeignet, die Fristen gemäß § 517 ZPO und § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu wahren. Nach ständiger höchstrichterlicher Judikatur, der sich der Senat angeschlossen hat, kann ein – einfacher (nichtstreitgenössischer) – Nebenintervenient wie hier Berufung lediglich innerhalb der für die von ihm unterstützte Hauptpartei laufenden Rechtsmittelfrist einlegen, was völlig unabhängig davon gilt, ob und wann dem Streithelfer selbst die anzufechtende Entscheidung zugestellt worden ist; bei dessen Berufung handelt es sich stets um ein Rechtsmittel für die Hauptpartei, mit dem er fremde Rechte wahrnimmt (so u.a. BGH, Beschl. v. 24.05.2012 – VII ZR 24/11, LS und Rdn. 3 m.w.N., juris = BeckRS 2012, 15082). Im Streitfall erweist sich die Fristversäumnis der Nebenintervenientin jedoch als unschädlich. Legen die Hauptpartei und ihr Streithelfer eigenständig Berufung ein, so handelt es sich prozessual nur um ein Rechtsmittel (vgl. BGH aaO; ferner Schellhammer, Zivilprozess, 14. Aufl., Rdn. 1650). Dessen Form- und Fristerfordernisse sind hier bereits durch die Beklagte erfüllt worden.
B. In der Sache selbst hat die Berufung Erfolg. Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage insgesamt, soweit – nach deren rechtskräftiger Teilabweisung in der Vorinstanz und nach deren Teilrücknahme im zweiten Rechtszug – noch darüber zu entscheiden ist. Als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes rückte die Klägerin mit dem Eintritt des Erbfalles nach § 1922 Abs. 1 BGB generell im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in alle bisherigen Rechtspositionen des Erblassers ein, wozu nicht nur (potenzielle) vertragliche Ansprüche aus dem in Rede stehenden Versicherungsverhältnis gehören, sondern auch das durch die Klageerhebung begründete Prozessrechtsverhältnis (arg. § 239 Abs. 1 i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO; vgl. Jauernig/Stürner, BGB, 17. Aufl., § 1922 Rdn. 8, m.w.N.; ferner dazu Große-Boymann in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Aufl., BGB § 1922 Rdn. 87). Ob die Anspruchstellerin, die zum Zeitpunkt des Todes mit dem Versicherten in gültiger Ehe lebte und somit laut Police vom 01.06.2006 (Kopie GA III 556, 557) zugleich Bezugsberechtigte im Todesfall ist (§§ 159 f. i.V.m. § 176 VVG), ihre Rechtsposition als Teil des Nachlasses oder außerhalb davon erworben hat (vgl. dazu BeckOGK-BGB/Preuß, Stand 01.10.2018, § 1922 Rdn. 262; Langheid in Langheid/Rixecker, VVG, 5. Aufl., § 159 Rdn. 30; jeweils m.w.N.), wirkt sich im Streitfall nicht aus und kann deswegen offen bleiben. Dem Umstand, dass der Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente gemäß § 1 Abs. 6 Satz 1 AB SBUV erlischt, wenn die versicherte Person verstirbt, hat die Berufungsführerin mit einer Rücknahme der Klage betreffend die Zeit von Oktober 2017 bis einschließlich Januar 2020 Rechnung getragen. Für die verbliebenen 40 Monate von Juni 2014 bis einschließlich September 2017 besteht indes ebenfalls kein Anspruch auf (rückständige) Rentenzahlungen (§ 1 Abs. 1 lit. a AB SBUV i.V.m. § 172 Abs. 1 VVG). Denn der Versicherungsvertrag ist gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen, weil er von der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 24.08.2010 (GA I 27 f.) erfolgreich wegen arglistiger Täuschung angefochten wurde (§ 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB i.V.m. § 22 VVG). Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Der Ehemann der Klägerin hat bei Beantragung des Berufsunfähigkeitsschutzes gefahrerhebliche Umstände verschwiegen. Da der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Streitfall vor dem Inkrafttreten der VVG-Novelle 2008 liegt, beurteilt sich die Frage, ob der Versicherungsnehmer gegen seine vorvertragliche Anzeigeobliegenheit verstoßen hat, noch nach altem Recht; für die Folgen gilt indes bereits das neue (sog. intertemporales Spaltungsmodell; vgl. dazu die Begründung zum Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, BT-Drucks. 16/3945, S. 47, 118; ferner BeckOK-VVG/Spuhl, 4. Edition, § 19 Rdn. 18 f.; Langheid in Langheid/Rixecker, VVG, 5. Aufl., § 19 Rdn. 16; jeweils m.w.N.). Gemäß § 16 Abs. 1 VVG a.F. hatte ein Versicherungsnehmer dem Versicherer bei Vertragsabschluss alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, anzuzeigen, wobei als relevant die Gefahrumstände anzusehen waren, die sich dazu eigneten, den Entschluss des Versicherers zu beeinflussen, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, und ein Umstand, nach dem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, im Zweifel als erheblich galt. Hier wollte die Beklagte laut der im Antragsformular enthaltenen Gesundheitsfrage Nr. 2 wissen, ob die zu versichernde Person in den letzten zehn Jahren wegen dort näher bezeichneter Erkrankungen, Beschwerden oder Leiden in ärztlicher Behandlung war, darunter wegen Beschwerden der Wirbelsäule und Gelenke (z. B. Bandscheibenvorfall, Rheuma, Gicht), psychischer Leiden/Nerven- oder Geisteskrankheiten (z. B. Depressionen, Selbstmordversuch) oder Suchterkrankungen. Außerdem hat sie generell nach ärztlichen oder anderen Behandlungen, Krankenhaus-, Heil- oder Kuraufenthalten in den zurückliegenden fünf Jahren gefragt (Antragsfrage Nr. 3). Beide Fragen sind im Formular am 21. 04.2006 mit Nein beantwortet worden. Nach den insoweit nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), ist der Antragsteller in den Jahren von 2000 bis 2005 – zum Teil wiederholt – wegen Kniebeschwerden, Stressreaktionen, einem Gichtanfall und Ellenbogenschmerzen behandelt worden, was er dem Zeugen M… G… auch nicht mündlich mitgeteilt hat (LGU 5 f.). Es ist zwar zutreffend, dass der frühere Krankenhausaufenthalt des Erblassers an sich schon rein objektiv nicht mehr in den Fünfjahreszeitraum der Gesundheitsfrage Nr. 3 fiel; im Rahmen der Antragsfrage Nr. 2 hätte der Ehemann der Klägerin damals aber angeben müssen, dass er im Jahre 1998 wegen depressiver Stimmungen stationär behandelt wurde, die er selbst auf seinen vermehrten Alkoholkonsum zurückführte; dies gilt unabhängig davon, ob bei ihm tatsächlich eine – zumindest zeitweilige – Alkoholabhängigkeit bestand und ob er als Ursache für die seinerzeitigen Probleme eine besondere Lebenssituation sah, die durch kürzliche Scheidung, Arbeitslosigkeit und finanzielle Schwierigkeiten geprägt war. Deshalb kommt es an dieser Stelle nicht mehr darauf an, dass speziell der laut dem Entlassungsbericht der Psychiatrischen Abteilung des … Krankenhauses vom 26.05.1998 (GA I 35, 36) mit 2,07 µkat/l festgestellte und somit deutlich erhöhte Gamma-GT-Wert (ein Leberwert) für ein ernsteres Problem spricht. Die Zivilkammer ist jedenfalls nach ihrer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass im Antragsgespräch nur von dem Krankenhausaufenthalt als solchem die Rede war, wobei die Angaben des Erblassers dazu schwammig, unklar und ungenau geblieben sind (LGU 6 f.). Hierdurch konnte er seiner Anzeigeobliegenheit nicht gerecht werden.
2. Die weiteren Anfechtungsvoraussetzungen gemäß § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB i.V.m. § 22 VVG sind ebenfalls erfüllt.
a) Eine lediglich grob fahrlässige Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit zu bejahen und Arglist zu verneinen, wie vom Landgericht angenommen, überzeugt unter den hier gegebenen Umständen nicht.
aa) Freilich obliegt dem Versicherer der Nachweis der arglistigen Täuschung, wofür Falsch- oder unvollständige Angaben als solche, deren Vorsätzlichkeit vom Gesetz vermutet wird (arg. § 19 Abs. 3 Satz 1 VVG und § 17 Abs. 2 Alt. 2 VVG a.F.), nicht genügen; vielmehr setzt Arglist in subjektiver Hinsicht ferner voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, der Versicherer werde seinen Antrag in Kenntnis des wahren Sachverhalts entweder gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.2010 – IV ZR 252/08, Rdn. 19, juris = BeckRS 2011, 21; ferner Langheid in Langheid/ Rixecker, VVG, 5. Aufl., § 22 Rdn. 10; jeweils m.w.N.). Allerdings handelt es sich bei der Arglist um eine innere Tatsache, die sich – wenn sie nicht (ausnahmsweise) zugestanden worden ist – allein mithilfe von Indizien nachweisen lässt; dabei spielen – jeweils im Kontext der konkreten Umstände – eine wichtige Rolle die Art, Schwere und Zweckrichtung der Falschangaben, der Umfang der verschwiegenen Tatsachen, die Dauer der Störungen, die Auswahl der genannten und nicht genannten Befunde sowie die zeitliche Nähe zur Antragstellung (so Langheid aaO; MünchKommVVG/Müller-Frank, 2. Aufl., § 22 Rdn. 76; jeweils m.w.N.). Steht fest, dass Angaben beim Vertragsabschluss objektiv falsch gewesen sind, trifft den Versicherungsnehmer eine sekundäre Darlegungslast, in deren Rahmen er substantiiert und nachvollziehbar vortragen muss, wie und weshalb es dazu gekommen ist (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 11.05.2011 – IV ZR 148/09, Rdn. 16, juris = BeckRS 2011, 1436; ferner Langheid aaO Rdn. 11; jeweils m.w.N.). In diesem Zusammenhang geht es um eine Erläuterung der – regelmäßig in der Sphäre des Antragstellers liegenden – Gründe für die Falschangabe wie beispielsweise von Irrtümern, Missverständnissen oder spezifischen Motivationen; kommt der Versicherungsnehmer dem nicht nach, weil er diesbezüglich entweder gar nichts vorträgt oder falsche respektive gänzlich unplausible Erklärungen abgibt, so ist seine Arglist als bewiesen anzusehen (so MünchKommVVG/Müller-Frank aaO Rdn. 78).
bb) Im Streitfall ist der Versicherte in den Jahren von 2000 bis 2005 dreimal wegen Knieproblemen, zweimal wegen Stressreaktionen sowie je einmal wegen eines Gichtanfalls in der rechten Großzehe und wegen Ellenbogenschmerzen in ärztlicher Behandlung gewesen, was er auf die – ihm vorgelesene – Gesundheitsfrage Nr. 2, die unter anderem Gelenkprobleme und psychische Leiden betraf, nach den Feststellungen des Landgerichts dem Zeugen M… G… im Antragsgespräch nicht mitgeteilt hat. Selbst wenn er den Gichtanfall als einmaliges Ereignis angesehen haben mag, weil ein solcher nach einer Ernährungsumstellung nicht wieder aufgetreten ist, fehlt eine (plausible) Erklärung dafür, warum die (wiederholten) Knieprobleme und die Ellenbogenschmerzen nicht angegeben wurden. Es lag auf der Hand, dass derartige Gelenkbeschwerden gerade die berufliche Leistungsfähigkeit eines Kraftfahrers für Lastwagen im internationalen Fernverkehr beeinträchtigen, der den weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit – bewegungsarm in einer kleinen Fahrerkabine sitzend – hinter dem Lenkrad verbringt, immer sofort auf das jeweils aktuelle Verkehrsgeschehen reagieren und dabei erforderlichenfalls rasch die Steuerungselemente des Kraftwagens wie etwa das Gas-, Kupplungs- und Bremspedal oder das Steuerrad bedienen muss. Entsprechendes gilt erst recht für (akute) Stressreaktionen (mit Blutdruckerhöhung), die Anlass waren, sich in medizinische Behandlung zu begeben, und sich nicht ohne Weiteres mit der Erklärung des Ehemannes der Klägerin bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht relativieren lassen, er habe schlicht und einfach mal eine Auszeit respektive ein paar freie Tage benötigt und deswegen beim Arzt eine Erschöpfung angegeben (GA I 137, 138); medizinisches Fachpersonal vermag es durchaus zu erkennen, wenn ein Patient simuliert oder aggraviert. Sollte der Erblasser indes den Behandler in der Tat über seinen wahren Gesundheitszustand getäuscht haben, um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten, so spräche dies auch im Rahmen der hier vorzunehmenden Beurteilung seines Verhaltens bei der Beantragung des Versicherungsschutzes deutlich gegen ihn; es wäre ein Beleg dafür, dass ihm eine solche Verfahrensweise nicht persönlichkeitsfremd gewesen ist.
Dem Zeugen M… G…, den das Landgericht als glaubwürdig angesehen hat, ist – wie er in seiner erstinstanzlichen Vernehmung am 16.08.2012 bekundete (GA I 216, 219) – beim Beratungsgespräch aufgefallen, dass sich der Ehemann der Klägerin als positiv gesund darstellte, was für ihn – den Zeugen – Anlass war, betreffend den Gesundheitszustand mehrfach nachzufragen und die entsprechenden Antragsfragen Wort für Wort vorzulesen. Hierzu passt es, dass der Erblasser nach den Feststellungen der Zivilkammer zwar schwammige, unklare und ungenaue Angaben zu dem Krankenhausaufenthalt an sich, nicht aber zu den Gründen dafür gemacht hat. Auch insoweit lag es allerdings auf der Hand, dass eine stationäre Behandlung wegen einer depressiven Symptomatik, die der Antragsteller selbst auf vermehrten Alkoholkonsum zurückführte, für die Risikobeurteilung durch den Versicherer bei einem Berufskraftfahrer im internationalen Güterverkehr von erheblicher Bedeutung ist, und zwar unabhängig davon, ob später tatsächlich eine Alkoholsucht mit Krankheitswert in Erscheinung trat und ob weitere Behandlungen wegen Depressionen stattgefunden haben. Ein Mitverschulden, das die Anzeigepflichtverletzungen des Ehemanns der Berufungsgegnerin in milderem Licht erscheinen lässt, muss sich die Berufungsführerin – entgegen der Auffassung der Vorinstanz (LGU 7) – im Streitfall nicht anrechnen lassen. Ob unter den gegebenen Umständen überhaupt eine Nachfrageobliegenheit des Versicherers bestand, kann offen bleiben; deren Verletzung führt nach der neueren höchstrichterlichen Judikatur, die der Senat teilt, nicht automatisch zum Verlust des Rechtes zur Arglistanfechtung (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 11.05.2011 – IV ZR 148/09, Rdn. 15 m.w.N., juris = BeckRS 2011, 14362).
Ebenso wenig war der Zeuge M… G… bei der Antragsaufnahme als „Auge und Ohr“ der Beklagten anzusehen. Denn dieses in der Rechtsprechung entwickelte Bild, das zu der jetzt in § 70 Satz 1 VVG enthaltenen Regelung über die Kenntniszurechnung geführt hat, bezieht sich – was von der Zivilkammer keineswegs verkannt wurde – lediglich auf (empfangsbevollmächtigte) Versicherungsagenten (vgl. BGH, Beschl. v. 05.07.2017 – IV ZR 508/ 14, Rdn. 16, juris = BeckRS 2017, 117400). Selbst wenn man – mit dem Landgericht (LGU 6 f.) – annimmt, der Versicherer trage nicht allein eine sekundäre Darlegungslast betreffend die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen ihm und dem Versicherungsvermittler, sondern müsse nachweisen, dass Letzterer als Makler des Versicherungsnehmers gehandelt habe, ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung insoweit aus tatsächlichen Erwägungen nicht tragfähig; sie lässt sowohl das entsprechende Parteivorbringen der Berufungsführerin als auch das Ergebnis der Beweisaufnahme außer Acht. Bereits mit anwaltlichen Schriftsatz vom 22.03.2012 (GA I 153 ff.) hatte die Beklagte zum Nachweis, dass ihre Streithelferin als Versicherungsmaklerin tätig ist, eine Kopie des Impressums von deren Internetseite (Anlage B3) und einen Auszug aus dem Versicherungsvermittlerregister (Anlage B4) eingereicht sowie sich betreffend das konkret in Rede stehende Versicherungsgeschäft auf das Zeugnis von P… L… und M… G… berufen. Außerdem wurde von ihr eine Ablichtung der Courtagezusage vom 07./18.10.1996 (GA I 159 f.) vorgelegt. Bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung im Termin am 16.08.2012 (GA I 216 f.) hat der Zeuge M… G… ausgesagt, er sei selbstständiger Versicherungsmakler und vermittle eigenständig von ihm gewonnene Kunden – ohne Agenturverträge – zu Versicherungsgesellschaften; bei der Streithelferin handele es sich um einen Maklerpool, der die organisatorische Abwicklung und insbesondere die Abrechnung übernehme. Nach der Beweisaufnahme wurden die Parteien durch das Landgericht im Beschluss vom 11.10.2012 (GA II 240) darauf hingewiesen, es gehe davon aus, dass der Vermittler als Makler gehandelt habe. In der Tat liegen somit die Voraussetzungen der Versicherungsmaklerdefinition des § 42a Abs. 3 Satz 1 VVG a.F. vor. Hinzu kommt, dass der Erblasser von sich aus den Zeugen M… G… bestellt hatte, um seinen Versicherungsbedarf insgesamt prüfen zu lassen, unter anderem mit Blick auf die Berufsunfähigkeitsvorsorge (GA I 137 und 276, 278).
b) Die Gefahrerheblichkeit der verschwiegenen Umstände wird vom Gesetz vermutet, liegt zudem auf der Hand und ist im Übrigen von der Berufungsführerin durch Auszüge aus den Einschätzungsrichtlinien ihres Rückversicherers (Kopie Anlage B2/GA I 126 ff.) untermauert worden. Es geht dabei keineswegs um gesundheitliche Beeinträchtigungen, die offenkundig belanglos sind und die alsbald von selbst wieder vergehen. Dass sie sich nicht auf den Eintritt des Versicherungsfalles ausgewirkt haben, ist unerheblich, weil § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB allein die Willensfreiheit des Getäuschten schützen soll. Eingetreten ist die Täuschung, weil – im Vertrauen der Beklagten auf die Richtigkeit der Angaben des Ehemannes der Klägerin – das Rechtsgeschäft (speziell die Risikoübernahme) zustande kam.
C. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 269 Abs. 3 Satz 2 und § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Danach fallen der Klägerin die gesamten Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zur Last. Sie hat die Klage teilweise zurückgenommen und ist im Übrigen, soweit eine streitige Entscheidung ergeht, die unterlegene Prozesspartei. Gemäß dem in § 101 Abs. 1 ZPO zum Ausdruck kommenden Grundsatz der sogenannten Kostenparallelität hat sie ferner alle durch die Nebenintervention veranlassten Kosten der Streithelferin der Beklagten zu tragen (vgl. dazu BeckOK-ZPO/Jaspersen, 30. Edition, § 101 Rdn. 6 f., m.w.N.).
D. Der Ausspruch betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit des Berufungsurteils beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO sowie auf § 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO. Art und Umfang der Sicherheitsleistung hat der Senat gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung der in § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO und in § 239 Abs. 2 BGB enthaltenen Rechtsgedanken bestimmt. Zu Sicherungszwecken gegebene Zahlungsversprechen von Kreditversicherern sind – insbesondere nach Auffassung des Gesetzgebers selbst (vgl. etwa den Bericht des Rechtsausschusses zum BRegEntw für ein Bauhandwerkersicherungsgesetz, BT-Drucks. 12/4526, S. 9, 11) – denen der Kreditinstitute gleichwertig (arg. § 648a Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. = § 650f Abs. 2 Satz 1 BGB n.F.; § 31 Abs. 3 Nr. 1 EEG 2017; § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ElektroG; § 14 Abs. 1 Satz 3 WBVG; § 17 Abs. 2 VOB/B).
E. Die Revision wird vom Senat – in Ermangelung der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG – nicht zugelassen. Denn die vorliegende Rechtssache hat weder grundsätzliche – über den Streitfall hinausgehende – Bedeutung (für eine unbestimmte Vielzahl zu erwartender Streitigkeiten, in denen sich die gleichen Fragen als klärungsbedürftig erweisen) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Judikatur eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht. Das Berufungsurteil des erkennenden Senats beruht im Kern auf der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall und auf der Würdigung von dessen tatsächlichen Umständen. Divergenzen zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder zu Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte, die höchstrichterlich bisher noch ungeklärte Fragen mit Relevanz für den Ausgang des hiesigen Streitfalls betreffen, sind nicht ersichtlich.
F. Den Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren hat der Senat bereits durch Beschluss vom 07.11.2018 (GA III 580, 581) festgesetzt, wobei es verbleibt. Grundlage ist § 9 Satz 1 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG (€ 529,80 p.m. x 12 m. x 3,5 = € 22.251,60). Als maßgeblich für die Wertbestimmung erweist sich das – im Streitfall mit dem Rechtsmittelantrag vom 22.07.2016 (GA III 448) zum Ausdruck gebrachte – wirtschaftliche Interesse der Berufungsführerin an ihrer – weiteren – Rechtsverteidigung in zweiter Instanz (vgl. hierzu BeckOK-KostR/Schindler, 23. Edition, GKG § 47 Rdn. 1; BDPZ/Dörndorfer, GKG/FamGKG/JVEG, 3. Aufl., GKG § 47 Rdn. 2 f.).