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Berufsunfähigkeitsversicherung – Pflicht zur Beibringung von Arztberichten

Arztberichte in der Berufsunfähigkeitsversicherung – Unverzichtbar für Leistungsansprüche?

Das Landgericht Hamburg hat entschieden, dass die Versicherungsgesellschaft zur Zahlung von Berufsunfähigkeitsrenten und zur Übernahme von Prämienzahlungen verpflichtet ist, da der Kläger weiterhin als berufsunfähig gilt und seine Mitwirkungspflichten nicht verletzt hat.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 306 O 252/14  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Anerkennung der Berufsunfähigkeit: Der Kläger wurde aufgrund eines Hirntumors und einer hypertensiven Herzkrankheit als berufsunfähig anerkannt.
  2. Versicherungsleistungen: Der Kläger erhielt ursprünglich Leistungen aus den Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen.
  3. Nachprüfungsverfahren: Die Versicherung führte ein Nachprüfungsverfahren durch, um den Status der Berufsunfähigkeit zu überprüfen.
  4. Streitpunkt Arztberichte: Die Versicherung forderte Arztberichte vom Kläger, die dieser nicht beibrachte, was zum Streitpunkt wurde.
  5. Mitwirkungspflichten und Vertragsbedingungen: Das Gericht stellte fest, dass der Kläger nicht zur aktiven Beibringung von Arztberichten verpflichtet war, sondern nur zur Ermächtigung der Ärzte zur Auskunftserteilung.
  6. Unwirksamkeit der Sanktionsregelung: Die Sanktionsregelung der Versicherung bei Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht verstieß gegen das Versicherungsvertragsgesetz und war daher unwirksam.
  7. Fortdauer der Berufsunfähigkeit: Das Gericht erkannte an, dass der Kläger weiterhin berufsunfähig ist und die Beklagte keinen hinreichenden Beweis für einen Wegfall der Berufsunfähigkeit lieferte.
  8. Urteil zur Leistungszahlung: Die Versicherung wurde verurteilt, rückständige Berufsunfähigkeitsrenten und zukünftige Renten sowie die Übernahme der Prämienzahlungen zu leisten.

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BU-Versicherung Arztberichte
(Symbolfoto: Stock-Asso /Shutterstock.com)

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann im Leistungsfall die Vorlage von Arztberichten fordern. Doch wann müssen Versicherte tatsächlich Arztberichte vorlegen? Und wie wirkt sich die Nichtvorlage auf die Leistungen aus? Diese Fragen sind von großer Bedeutung, da die Vorlage von Arztberichten im Nachprüfungsverfahren dazu dient, den Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Antragstellung zu überprüfen. Im folgenden Beitrag werden wir ein konkretes Urteil zum Thema Berufsunfähigkeitsversicherung und Pflicht zur Beibringung von Arztberichten vorstellen und besprechen.

Streit um Berufsunfähigkeitsrente: Der Fall des Immobilienmaklers

In einem bemerkenswerten Rechtsstreit am Landgericht Hamburg stand die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente im Mittelpunkt. Ein Immobilienmakler, Bauträger und Hausverwalter, der seit dem Jahr 2000 an einem Hirntumor und einer hypertensiven Herzkrankheit leidet, forderte von seiner Versicherung, der Beklagten, Leistungen aus zwei Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen. Die Versicherungsnummer T 8…4…7 spielte hierbei eine zentrale Rolle, da unter dieser Nummer die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung lief, die nun Gegenstand des Rechtsstreits war.

Konflikt um die Mitwirkungspflichten und Arztberichte

Der Kern des Konflikts lag in den Mitwirkungspflichten des Klägers und der Pflicht zur Beibringung von Arztberichten. Die Beklagte hatte den Kläger aufgefordert, im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens einen Fragebogen von seinem Arzt ausfüllen zu lassen. Der Kläger argumentierte jedoch, dass nach den Versicherungsbedingungen er nicht verpflichtet gewesen sei, aktiv eine fachärztliche Stellungnahme beizubringen. Die Beklagte behauptete, der Kläger habe sich wiederholt geweigert, seine Mitwirkungspflichten zu erfüllen, und stellte daraufhin die Zahlungen einer Berufsunfähigkeitsrente ein.

Gerichtsurteil: Ein Sieg für den Kläger

Das Gericht entschied zugunsten des Klägers. Es urteilte, dass der Kläger weiterhin Anspruch auf die Berufsunfähigkeitsrente habe, da die Beklagte die Voraussetzungen für einen Leistungsausschluss nicht hinreichend dargelegt bzw. bewiesen hatte. Das Gericht stellte klar, dass der Kläger nach den Bedingungen der Versicherung nicht zur Eigeninitiative bei der Beibringung von Arztberichten verpflichtet war. Weiterhin wurde festgestellt, dass die Sanktionsregelung in § 8 B-BUZ gegen die halbzwingende Vorschrift des § 28 VVG verstößt und somit unwirksam ist.

Rechtliche Implikationen und Weiterführung des Falles

Das Urteil wirft ein Licht auf die Komplexität der Mitwirkungspflichten in Versicherungsverträgen und die Bedeutung der klaren Formulierung von Vertragsbedingungen. Der Kläger hat nicht nur das Recht auf Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente bis zum 31.10.2023, sondern auch auf die Rückzahlung der zu Unrecht erhobenen Prämiennachzahlungen. Dieses Urteil unterstreicht die Wichtigkeit der genauen Prüfung und Einhaltung von Versicherungsbedingungen sowohl für Versicherungsnehmer als auch für Versicherer.

Das vorliegende Urteil setzt somit einen bedeutenden Meilenstein für ähnliche Fälle in der Zukunft und unterstreicht die Wichtigkeit einer fairen und gesetzeskonformen Handhabung von Versicherungsansprüchen.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Welche Rolle spielen Arztberichte im Kontext einer Berufsunfähigkeitsversicherung und inwieweit ist der Versicherte zur Beibringung dieser Berichte verpflichtet?

Arztberichte spielen eine wichtige Rolle im Kontext einer Berufsunfähigkeitsversicherung, da sie dazu beitragen, das Risiko des Versicherers zu bewerten. Bei der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsversicherung müssen in der Regel Gesundheitsfragen im Antragsformular wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden. Hierbei sind aktuelle oder frühere Symptome und Beschwerden, chronische Erkrankungen, medizinische Behandlungen und Medikamenteneinnahmen relevant.

Für die spätere Risikovoranfrage werden regelmäßig Arztberichte benötigt. Diese Berichte sollten dabei immer im „W“-Schema verfasst sein: WAS war WANN, WARUM, WIE wurde BEHANDELT, WANN war WIEDER GUT.

Der Versicherte ist zur Beibringung von Arztberichten im Erstprüfungsverfahren bei der Beantragung von Leistungen wegen des Eintritts der Berufsunfähigkeit verpflichtet. Im Nachprüfungsverfahren nach anerkannter Leistungspflicht bei der Überprüfung des Versicherers, ob die Berufsunfähigkeit nach wie vor besteht, ist der Versicherte jedoch nicht zur Beibringung von Arztberichten verpflichtet.

Sollten bei bestimmten Themen oder Untersuchungen keine Berichte vorliegen, muss der Versicherte den Arzt darum bitten, einen kurzen Behandlungs- oder Befundbericht zu erstellen.

Falsche oder fehlende Angaben können dazu führen, dass der Versicherer im Ernstfall die Leistung verweigert. Sollte es sich um relevante Falschangaben handeln, sollte der Versicherte von dem behandelnden Arzt vorbeugend eine Korrektur oder einen Arztbericht einholen.

Es ist auch zu beachten, dass der Versicherungsnehmer im Leistungsfall verpflichtet ist, Therapeuten und Krankenversicherungen von ihrer Schweigepflicht zu entbinden.

In welchen Fällen kann eine Versicherung die Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente einstellen und welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein?

Eine Versicherung kann die Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente einstellen, wenn die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliegt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich der Gesundheitszustand des Versicherten verbessert hat und er wieder in der Lage ist, seinen Beruf oder eine vergleichbare Tätigkeit auszuüben.

Die Voraussetzungen für die Einstellung der Leistungen sind in den Versicherungsbedingungen festgelegt. Eine formelle Voraussetzung ist, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer mitteilt, dass und aufgrund welcher Umstände er die Leistungen einstellen möchte.

In einigen Fällen kann der Versicherer die Rentenzahlung auch einstellen, wenn er sich auf eine sogenannte Verweisungsklausel im Versicherungsvertrag beruft. Diese Klausel ermöglicht es dem Versicherer, die Rentenzahlungen auszusetzen oder sogar ganz einzustellen, wenn der Versicherte in der Lage ist, eine andere Tätigkeit auszuüben, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

Es ist jedoch zu beachten, dass der Versicherer die Beweislast für den Wegfall der Berufsunfähigkeit trägt. Das bedeutet, dass er nachweisen muss, dass der Versicherte wieder in der Lage ist, seinen Beruf oder eine vergleichbare Tätigkeit auszuüben.

Sollte der Versicherer die Leistungen einstellen, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind, kann der Versicherte rechtliche Schritte einleiten. In diesem Fall muss der Versicherer weiter leisten, selbst wenn die Berufsunfähigkeit tatsächlich entfallen ist.


Das vorliegende Urteil

LG Hamburg – Az.: 306 O 252/14 – Urteil vom 27.02.2015

1. Die Beklagte wird verurteilt, aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer T 8…4…7 an den Kläger € 104.979,20 zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils € 2.425,05 ab dem 02.04., 3.05., 2.06., 02.07., 02.08., 02.09., 04.10., 02.11., 02.12.2011, 03.01., 02.02., 02.03., 03.04., 03.05., 02.06., 03.07., 02.08., 04.09., 02.10., 02.11., 04.12.2012, 03.01., 02.02., 02.03., 02.04., 03.05., 02.06., 02.07., 02.08., 03.09., 02.10., 02.11., 03.12.2013., 03.01., 04.02., 04.03., 02.04., 03.05., 03.06., 02.007.2014, sowie auf € 7.977,20 seit dem 05.08.2014.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer T 8…4…7 beginnend ab August 2014 bis längstens zum 31.10.2023 bis jeweils zum 1. Werktag eines jeden Monats im Voraus eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von jeweils € 2.425,05 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Prämienzahlungspflicht für die Lebensversicherung und für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer T 8…4…7 ab dem 01.08.2014 bis längstens zum 31.10.2023 freizustellen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Prämienzahlungspflicht für die Lebensversicherung und für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer T 8…1…7 über den 31.03.2011 hinaus bis längstens zum 31.10.2023 freizustellen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf € 221.971,46 festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Ansprüche aus zwei Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen geltend.

Der Kläger ist seit langer Zeit Versicherungsnehmer zweier bei der Beklagten abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen mit jeweils einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Den Verträgen liegen die von dem Kläger als Anlage K 2 vorgelegten Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (B-BUZ) zugrunde.

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Nach dem Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungsvertrag T 8…4…7 ist im Falle des Eintritts einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente (ab März 2011 monatlich € 2.425,05) sowie die Beitragsbefreiung von den Prämien zu dieser Versicherung und der entsprechenden Lebensversicherung (ab März 2011 in Höhe von € 199,43) versichert. Nach dem Vertrag T 8…1…7 ist im Falle des Eintritts einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit nur die Beitragsbefreiung von den Prämien zu dieser Versicherung und der entsprechenden Lebensversicherung (in Höhe von € 161,05) versichert.

Der Kläger war als Immobilienmakler, Bauträger und Hausverwalter tätig. Im Jahr 2000 erkrankte er an einem Hirntumor. Darüber hinaus leidet er an einer hypertensiven Herzkrankheit. Im Jahre 2002 beantragte der Kläger Leistungen aus den Berufsunfähigkeits-Zusatzbedingungen wegen des Eintritts der Berufsunfähigkeit. Die Beklagte erkannte den bedingungsgemäßen Eintritt der Berufsunfähigkeit sowie ihre Leistungspflicht an. Sie erbrachte anschließend Leistungen aus den jeweiligen Versicherungen.

Im Jahr 2007 schloss die Beklagte ein Nachprüfungsverfahren ab. Sie teilte dem Kläger mit Schreiben vom 08.11.2007 (Anlage K 4) mit, dass sie weiterhin unverändert die Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung erbringen werde. Darüber hinaus kündigte sie ein weiteres Nachprüfungsverfahren zum 01.01.2010 an. In den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen finden sich hierzu unter anderem folgende Regelungen:

§ 4 (Mitwirkungspflichten, wenn Leistungen wegen Berufsunfähigkeit verlangt werden)

(3.) Wir können außerdem – dann allerdings auf unsere Kosten – weitere ärztliche Untersuchungen durch von uns beauftragte Ärzte sowie notwendige Nachweise – auch über die wirtschaftlichen Verhältnisse und ihre Veränderungen – verlangen, insbesondere zusätzliche Auskünfte und Aufklärungen. Die versicherte Person hat Ärzte … zu ermächtigen, uns auf Verlangen Auskunft zu erteilen.

§ 7 (Nachprüfung der Berufsunfähigkeit)

(1) … Zur Nachprüfung können wir auf unsere Kosten jederzeit sachdienliche Auskünfte und einmal jährlich umfassende Untersuchungen der versicherten Person durch von uns zu beauftragende Ärzte verlangen. Die Bestimmungen des § 4 Ziff. 3 geltend entsprechend.

(3) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50 % vermindert, stellen wir unsere Leistungen ein. …

§ 8 (Regelungen bei Verletzung der Mitwirkungspflicht)

Solange eine Mitwirkungspflicht nach § 4 oder § 7 von Ihnen, der versicherten Person oder dem Ansprucherhebenden vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht erfüllt wird, sind wie von der Verpflichtung zur Leistung frei. Bei grob fahrlässiger Verletzung einer Mitwirkungspflicht bleiben die Ansprüche aus der Zusatzversicherung jedoch insoweit bestehen, als die Verletzung ohne Einfluß auf die Feststellung oder den Umfang unserer Leistungspflicht ist.

Mit Schreiben vom 09.11.2009 (Anlage K 10) forderte die Beklagte für das Nachprüfungsverfahren von dem Kläger, einen Fragebogen von seinem Facharzt oder seinem Hausarzt ausfüllen zu lassen und zurück zusenden.

Mit Schreiben vom 18.06.2010 (Anlage B 4) bat der Kläger um Übersendung eines Vordrucks für den Arzt, um dort einen Termin zu vereinbaren und auf das von dem Arzt ausgefüllte Schreiben zu warten.

Mit Schreiben vom 06.07.2010 (Anlage K 11) übersandte die Beklagte dem Kläger erneut einen Fragebogen und bat um Rücksendung des vom Arzt ausgefüllten Bogens.

Mit Schreiben vom 09.08.2010 (Anlage K 12) übersandte der Kläger der Beklagten eine Kopie seines Schwerbehindertenausweises. In diesem Schreiben drückte er seine Hoffnung aus, dass die Beklagte den Fragebogen inzwischen von dem Arzt erhalten habe.

Mit Schreiben vom 22.11.2010 (Anlage B 5), 04.01.2011 (Anlage B 6) und 15.02.2011 (Anlage B 7) erinnerte die Beklagte den Kläger an die Übersendung des ausgefüllten Arztberichtes. Sie kündigte eine Leistungseinstellung zum 01.04.2011 an, sofern der Arztbericht bis dahin nicht bei ihr eingehen sollte.

Die Beklagte stellte schließlich zum 01.04.2011 die bis dahin erbrachten Zahlungen einer Berufsunfähigkeitsrente ein.

Mit Schreiben vom 27.09.2011 teilte sie dem Kläger mit, dass nach wie vor der Arztbericht fehle.

Mit Schreiben vom 21.11.2011 (Anlage K 6) forderte sie den Kläger auf. Den an ihn übersandten Fragebogen durch einen Facharzt, und zwar einem behandelnden Orthopäden, vorzulegen.

Mit Schreiben vom 20.09.2012 (Anlage K 7) teilte der Kläger der Beklagten mit, dass sein Hausarzt nicht in der Lage sei, den Fragebogen auszufüllen. Laut dessen Aussage sei er kein Gutachter, der eine Berufsunfähigkeit feststellen könne.

Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 20.09.2012, dass der Hausarzt den Fragebogen auch nicht habe ausfüllen sollen, sondern der behandelnde Orthopäde.

Zuletzt teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 11.02.2013 mit, dass die Überprüfung der Berufsunfähigkeit abgeschlossen sei. Die Fortdauer der Berufsunfähigkeit sei nicht nachgewiesen.

Die Beklagte forderte von dem Kläger die Versicherungsprämien hinsichtlich des Vertrages 8…4…7 ab dem 01.04.2011 nach, die der Kläger auch an die Beklagte nachzahlte.

Der Kläger ist der Ansicht, dass sich die Beklagte nicht zu einer Einstellung ihrer Leistungen berechtigt gewesen sei. Seine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit dauere fort. Er habe auch nicht gegen eine Mitwirkungsobliegenheit verstoßen. Nach den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen sei er nicht zur aktiven Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme verpflichtet gewesen. Hierum hätte sich die Beklagte selbst kümmern müssen. Er sei lediglich zu einer Gestattung zur Auskunftseinholung und der Duldung von Untersuchungen verpflichtet gewesen. Im Übrigen habe er eine etwaige Mitwirkungsobliegenheit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. Er habe sich bemüht, der Forderung der Beklagten nachzukommen. Im Übrigen habe die Beklagte ihre Versicherungsbedingungen auch nicht an das seit dem 01.01.2008 geltende VVG angepasst, so dass sie sich nicht auf die in den Bedingungen geregelten Rechtsfolgen einer etwaigen Obliegenheitsverletzung berufen könne.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer T 8…4…7 an den Kläger € 104.979,20 zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils € 2.624,48 ab dem 02.04., 3.05., 2.06., 02.07., 02.08., 02.09., 04.10., 02.11., 02.12.2011, 03.01., 02.02., 02.03., 03.04., 03.05., 02.06., 03.07., 02.08., 04.09., 02.10., 02.11., 04.12.2012, 03.01., 02.02., 02.03., 02.04., 03.05., 02.06., 02.07., 02.08., 03.09., 02.10., 02.11., 03.12.2013., 03.01., 04.02., 04.03., 02.04., 03.05., 03.06., 02.007.2014.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer T 8…4…7 beginnend ab August 2014 bis längstens zum 31.10.2023 bis jeweils zum 1. Werktag eines jeden Monats im Voraus eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von jeweils € 2.425,05 zu zahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf und zwar ab dem auf den ersten Werktag eines jeden Monats folgenden Tag für den Fall, dass die Zahlung durch die Beklagten nicht am ersten Werktag eines jeden Monats erfolgt.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Prämienzahlungspflicht für die Lebensversicherung und für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer T 8…4…7 ab dem 01.08.2014 bis längstens zum 31.10.2023 freizustellen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Prämienzahlungspflicht für die Lebensversicherung und für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zur Versicherungsnummer T 8…1…7 über den 31.03.2011 hinaus bis längstens zum 31.10.2023 freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Beklagte habe sich hartnäckig sowie wiederholt – und insoweit vorsätzlich – geweigert, seine Mitwirkungspflichten im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens zu erfüllen. Es hätte dem Kläger oblegen, die von ihr angeforderten Arztberichte einzureichen. Sie sei daher nach § 8 B-BUZ leistungsfrei. Der Kläger habe sich zudem durch eine Umorganisation ein Betätigungsfeld verschafft, dass es ihm ermögliche, wieder seiner selbstständigen Tätigkeit zu weitaus mehr als 50 % nachzugehen. Er sei wieder vollschichtig für seinen Betrieb „B.H.“ tätig, wobei er jetzt ausschließlich planerische, organisatorische, bürokratische und führende Tätigkeiten im „Innendienst“ ausführe.

Der Kläger trägt hierzu vor, dass er keineswegs im Rahmen seines Betriebes eine mehr als 50 %ige Berufstätigkeit ausübe. Er sei lediglich zur Ableistung von Unterschriften wiederkehrend in der Firma, und zwar in einem zeitlichen Umfang von 1 bis maximal 2 Stunden pro Woche. Sein Vater führe im Wesentlichen das Hausverwaltungsgeschäft fort.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist ganz überwiegend begründet.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Aus- bzw. Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente aus dem Vertrag 8…4…7 aufgrund einer fortbestehenden Berufsunfähigkeit gemäß § 1 VVG i.V.m. §§ 1, 2 B-BUZ.

Der ursprüngliche Eintritt der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat die Voraussetzungen für einen Leistungsausschluss nicht hinreichend dargelegt bzw. bewiesen.

Soweit sich die Beklagte auf eine Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit des Klägers gemäß § 7 B-BUZ beruft, muss sie sich entgegen halten lassen, dass der Kläger nach diesen Bedingungen nicht verpflichtet ist, eine Eigeninitiative zur Beibringung von Arztberichten zu entfalten. Zu einer Beibringung von Berichten ist der Versicherungsnehmer nach § 4 (2) b) lediglich für den Fall der Beantragung von Leistungen wegen des Eintritts der Berufsunfähigkeit verpflichtet. Die Regelungen des Nachprüfverfahrens in § 7 B-BUZ verweisen jedoch gerade nicht auf diese Vorschrift sondern auf § 4 (3) B-BUZ, wonach die Beklagte lediglich ärztliche Untersuchungen „durch von ihr beauftragte Ärzte“ verlangen kann. Der Versicherungsnehmer ist danach lediglich verpflichtet, seine Ärzte zu ermächtigen, Auskünfte zu erteilen. Eine Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur selbstständigen Einholung von Arztberichten, wie sie im vorliegenden Fall seitens der Beklagten verlangt wird, enthält diese Regelung dagegen nicht.

Im Übrigen verweist der Kläger zu Recht darauf, dass die Sanktionsregelung in § 8 B-BUZ gegen die halbzwingende Vorschrift des § 28 VVG verstößt und damit unwirksam ist, weil sie auch im Falle eines grob fahrlässigen Verstoßes gegen eine Mitwirkungsobliegenheit eine vollständige Leistungsfreiheit regelt, sofern dem Versicherungsnehmer nicht der Kausalitätsgegenbeweis gelingen sollte. Auch wenn der Versicherungsfall hier vor dem 01.01.2008 eingetreten ist, so beziehen sich die Mitwirkungsobliegenheiten auf Handlungen, die nach dem 01.01.2008, d.h. nach Geltung des neuen VVG, erfolgen, sodass sich die nach dem 01.01.2008 für den Versicherungsnehmer ergebenden Mitwirkungsobliegenheiten nach „neuem Recht“ regeln. Insofern wäre eine Anpassung der Vertragsbedingungen an das geänderte Gesetz erforderlich gewesen.

Die Beklagte hat letztendlich auch einen Wegfall der Berufsunfähigkeit i.S.d. § 7 (3) B-BUZ nicht hinreichend konkret dargelegt, geschweige denn einen Beweis hierfür angetreten. Soweit sie in dem vorliegenden Rechtsstreit vorgetragen hat, dass der Kläger angeblich wieder vollschichtig für seinen Betrieb tätig sei, ist der Kläger dem entgegen getreten. Er hat insoweit (hinreichend substantiiert) angegeben, lediglich für 1-2 Stunden pro Woche in der Firma Unterschriften zu leisten. Dieser Vortrag ist im Rahmen der sekundären Darlegungslast des Klägers zur Entkräftung der gegenteiligen Behauptung der Beklagten ausreichend. Denn es obliegt im konkreten Fall nicht dem Kläger, den Eintritt oder die Fortdauer seiner Berufsunfähigkeit darzulegen und zu beweisen, sondern vielmehr der Beklagten, den Wegfall der Berufsunfähigkeit des Klägers nachzuweisen. Soweit die Beklagte zur vermeintlichen Darlegungs- und Beweislast auf die Entscheidung BGH VersR 1995, 159 ff. verweist, übersieht sie, dass es im vorliegenden Fall gerade nicht um die erstmalige Feststellung des Eintritts der Berufsunfähigkeit geht (für die der Kläger darlegungs- und beweispflichtig wäre), sondern um den Wegfall der Berufsunfähigkeit. Insofern hätte die Beklagte hier darlegen und beweisen müssen, dass die Angaben des Klägers zu der nur eingeschränkten Tätigkeit in seinem Betrieb unzutreffend sind. Es wird damit von ihr auch nichts Unmögliches verlangt, weil sie im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen von dem Klägers Auskünfte und Nachweise verlangen kann, mittels derer sie die entsprechenden Angaben des Klägers überprüfen und gegebenenfalls anhand konkreter Umstände in Zweifel ziehen könnte.

Aufgrund der fortdauernden Leistungspflicht schuldet die Beklagten dem Kläger die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von € 2.425,05 für den Zeitraum vom 01.04.2011 bis zum 31.07.2014 (= 40 Monate, d.h. € 97.002,00), sowie gemäß § 812 BGB die Rückzahlung der zu Unrecht erhobenen Prämiennachzahlungen auf den Vertrag T 8…4…7 (40 Monate, d.h. €7.977,20), mithin insgesamt € 104.979,20.

Der Zinsanspruch folgt in dem tenorierten Umfang in Bezug auf die geschuldete Berufsunfähigkeitsrente aus §§ 286, 288 BGB. Soweit es dagegen die von dem Kläger nachgezahlten Versicherungsprämien betrifft, ist ein Verzugseintritt vor Rechtshängigkeit nicht dargelegt. Insofern können lediglich Rechtshängigkeitszinsen gemäß §§ 288, 291 BGB beansprucht werden.

Darüber hinaus kann der Kläger von der Beklagten die Verpflichtung zur zukünftigen Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von € 2.425,05 monatlich bis längstens zum 31.10.2023, dem Ende der vertraglichen Leistungsdauer, beanspruchen. Soweit der Kläger mit dem Klagantrag zu 2) jedoch auch einen Zinsanspruch für zukünftige Leistungen geltend macht, ist die Klage unbegründet. Ein solcher Anspruch wäre im vorliegenden Fall nur unter Verzugsgesichtspunkten gegeben. Die Feststellung des zukünftigen Verzugseintritts kann aber nicht bereits jetzt erfolgen. Mit der von dem Kläger beantragten Formulierung hätte ein Urteil in Bezug auf etwaige verzugsbedingte Zinsansprüche darüber hinaus auch keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, weil die Formulierung eine Bedingung (“für den Fall, dass die Zahlung … nicht am ersten Werktag eines jeden Monats erfolgt“) enthält.

Schließlich hat der Kläger aufgrund der fortdauernden Berufsunfähigkeit auch einen Anspruch auf Freistellung von der Zahlungspflicht in Bezug auf die hier zugrunde liegenden Versicherungsverträge bis längstens zum Ende der vertraglich vereinbarten Leistungsdauer, d.h. bis zum 31.10.2023.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Wegen der Streitwertfestsetzung wird auf die Berechnung in der Klagschrift verwiesen.

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