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Beweisverwertungsverbot im Zivilprozess – Mithören von Telefongesprächen durch Dritte

LG Heilbronn – Az.: 5 O 462/11 WU – Urteil vom 25.07.2012

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.914,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2011 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Rennrades …, bestehend aus Rahmenset II, 2 Räder 24 Zoll, Campagnolo Schaltgruppe Super Record, Vorbau Zeuss Carbon, Lenker Kompakt AX 4100, Sattel Endurance Straße und Pedale Speedplay Zero Nanogramm.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Rennrades …, bestehend aus Rahmenset II, 2 Räder 24 Zoll, Campagnolo Schaltgruppe Super Record, Vorbau Zeuss Carbon, Lenker Kompakt AX 4100, Sattel Endurance Straße und Pedale Speedplay Zero Nanogramm, im Verzug befindet.

3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 1.034,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2011 zu bezahlen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

6. Der Gegenstandswert wird auf 13.914,65 EUR festgesetzt.

Die Beklagte wird verurteilt,

I. es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,

Verbrauchern im Rahmen eines Vertrages über die Belieferung mit Gas die Abrechnung erst zu einem Zeitpunkt, der länger als sechs Wochen nach der Beendigung des abzurechnenden Zeitraums liegt, zu erteilen;

II. an den Kläger 250,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 12.12.2012 zu zahlen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung hinsichtlich des Tenors zu 1. In Höhe von € 10.000,– und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Vertragsverhältnisses.

Beweisverwertungsverbot im Zivilprozess - Mithören von Telefongesprächen durch Dritte
Symbolfoto: Von pathdoc /Shutterstock.com

Der Kläger einigte sich mit der Beklagten im Februar 2011 auf den Erwerb des streitgegenständlichen Rennrades, welches nach individuellen Anforderungen hergestellt werden sollte, zu einem Kaufpreis von 13.914,65 EUR. Die Beklagte erstellte später eine Rechnung in Höhe dieses Betrags mit Datum vom 21.02.2011. Daraufhin bezahlte der Kläger den Kaufpreis und holte das Fahrrad bei der Beklagten selbst ab.

Das Fahrrad ist – abweichend zu der in der Rechnung angegebenen Ausstattung – mit einer „Campagnolo – Schaltgruppe Super Record“ ausgestattet. Der vorgesehene Flaschenhalter „Nasdorowje“ wurde beklagtenseits nicht montiert. Das Rennrad ist weiter mit speziellen Speichen ausgestattet, die sich von gängigen handelsüblichen Speichen unterscheiden.

Bis Mitte Mai 2011 brachen am Fahrrad mehrere Speichen. Da dem Kläger Ersatzspeichen in ausreichender Zahl nicht zur Verfügung standen, konnte das Rad ab diesem Zeitpunkt nicht mehr genutzt werden.

Der Kläger wandte sich an die Beklagte und forderte sie zur Lieferung von Ersatzspeichen auf. Zum Zeitpunkt der Reklamation hatte die Beklagte die gegenständlichen Speichen nicht mehr vorrätig auf Lager. Es fanden mehrere Telefongespräche statt, deren Inhalt im Einzelnen streitig ist. Am 18.05.2011 bestellte die Beklagte beim Hersteller Ersatzspeichen, die erst am 28.07.2011 bei der Beklagten eingingen.

Der Kläger behauptet, dass bei einem Fahrrad dieser Preisklasse die Speichen länger halten müssen als dies tatsächlich der Fall war. Er ist der Ansicht, dass die Speichen mangelhaft seien. Ferner habe er die Beklagte mit Faxschreiben vom 15.09.2011 erfolglos zur Lieferung der Speichen bis zum 30.09.2011 aufgefordert. Der Zugang des Schreibens ergebe sich bereits aus dem vorgelegten Absendevermerk. Der Rücktritt vom Kaufvertrag sei daher wirksam erklärt worden.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 13.914,65 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes, seit Klagezustellung zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Rennrades …, bestehend aus Rahmenset II, 2 Räder 24 Zoll, Campagnolo Schaltgruppe Super Record, Vorbau Zeuss Carbon, Lenker Kompakt AX 4100, Sattel Endurance Straße, Pedale Speedplay Zero Nanogramm.

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrags Ziffer 1 genannten Rennrades im Annahmeverzug befindet.

3. die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger 1.034,11 EUR vorgerichtliche Mahnkosten nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes, seit Klagezustellung zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Einbau einer abweichenden Ausstattung sei mit Zustimmung des Klägers erfolgt. Ferner habe man dem Kläger angeboten, zeitnah andere Laufräder mit anderen Speichen zu liefern, die gegenständlichen Speichen selbst im Handel zu beschaffen oder aber auf den Eingang der bestellten Speichen zu warten. Der Kläger habe sich zu diesen verschiedenen Möglichkeiten jedoch nicht geäußert. Das Faxschreiben des Klägers vom 15.09.2011 (Anlage K 2 und 5) sei bei der Beklagten nicht eingegangen. Ferner sei der Speichenbruch auch nicht auf ein Mangel am Fahrrad, sondern auf einen Fehlgebrauch der Sache zurückzuführen. Die Beklagte ist der Ansicht, die Aussage der Zeugin … sei aufgrund eines Beweisverwertungsverbots ohnehin nicht zu berücksichtigen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Frau … und Frau …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Wegen des Vortrags der Parteien wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, die Rechte der Verbraucher wahrzunehmen und bei Verstößen u. a. gegen das Wettbewerbsrecht oder das AGB-Recht gegebenenfalls gerichtliche Maßnahmen einzuleiten.

Die Beklagte schließt Verträge mit Verbrauchern über die Lieferung von Energie, nämlich Gas und Strom, ab.

Der Kunde R F hatte mit der T d GmbH, die seit dem 24.2.2012 mit der Beklagten verschmolzen ist, einen Gasliefervertrag (Anlage K 1) abgeschlossen. Da der Vertrag mit dem Vorlieferanten erst zum 30.4.2011 beendet werden konnte, belieferte die Beklagte den Kunden ab dem 1.5.2012. Mit Schreiben vom 16.4.2012 forderte die Beklagte den Kunden unter Fristsetzung zum 8.5.2012 auf, die aktuellen Zählerstände mitzuteilen. Der Zeuge F informierte am 30.4.2012 die Beklagte über seinen Zählerstand. Mit Schreiben vom 2.8.2012 (Anlage K 5) wandte sich der Zeuge an die Beklagte und mahnte die Vorlage der Abrechnung mit Fristsetzung zum 15.8.2012 an. Unter dem 7.8.2012 ließ die Beklagte mitteilen, dass das Schreiben an die Rechnungsabteilung weitergeleitet worden sei. Wegen der verzögerten Abrechnung wandte sich der Zeuge mit Schreiben vom 18.8.2012 (Anlage K 7) erneut an die Beklagte. Am 29.8.2012 erhielt der Zeuge die Jahresabrechnung für den Zeitraum 1.5.2011 bis 30.4.2012. Inzwischen hat er eine Zahlungserstattung, einen Gutschein über 30 € und nach dem Vortrag der Beklagten auch Zinsen für den Verzug erhalten.

Der Kläger mahnte die Beklagte am 29.8.2012 (Anlage K 8) ab, diese verweigerte aber die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung.

Der Kläger macht Unterlassungsansprüche aus §§ 4, 2 UKlaG und aus §§ 8 I, III Nr. 3, 3, 4 Nr. 11 UWG jew. i. V. m. § 40 IV EnWG geltend. Nach § 40 IV EnWG müssen Lieferanten sicherstellen, dass der Letztverbraucher die Abrechnung nach Absatz 3 spätestens sechs Wochen nach Beendigung des abzurechnenden Zeitraums erhält.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Beklagte gegen die in § 40 IV EnWG stehende Vorschrift der fristgerechten Abrechnung verstoßen habe. § 40 EnWG sei eine verbraucherschützende Norm im Sinne des § 2 UKlaG; die Regelungen von UWG und UKlaG seien nebeneinander anwendbar.

Mit § 40 EnWG sei die Richtlinie 2009/73/EG über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt umgesetzt worden. Aus dem Anhang I „Maßnahmen zum Schutz der Kunden“ Ziffer 1 lit. i) mit dem Wortlaut

„dass die Kunden häufig genug in angemessener Form über ihren tatsächlichen Verbrauch und ihre Kosten informiert werden, um ihren eigenen Verbrauch regulieren zu können (…)“ und Ziffer 1 lit. j) mit dem Wortlaut

„dass die Kunden spätestens sechs Wochen nach einem Wechsel des Erdgasversorgers eine Abschlussrechnung erhalten“

ergebe sich, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber die Maßgaben der Richtlinie bei der Bestimmung des § 40 IV EnWG eingehalten habe. Dass die Sechswochenfrist eine Art Höchstfrist sei, ergebe sich daraus, dass der Unionsgesetzgeber bei einem Anbieter-Wechsel auch die Abschluss-Rechnung spätestens sechs Wochen nach einem Wechsel vorschreibe.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt, Urteil vom 12.4.2011 (Az. 11 U 5/11, Anlage B 2), passe vorliegend nicht. Das Gericht habe zu berücksichtigen gehabt, dass der Bereich der irreführenden Handlungen von Art. 6 und 7 UGP-Richtlinie erfasst werde. Es gehe dort um Informationen, die im Hinblick auf die Entscheidung des Verbrauchers über einen Geschäftsabschluss zu erteilen seien. Auf diesen Zusammenhang beziehe sich § 42 I, II EnWG, nicht aber der § 40 IV EnWG.

Der Kläger meint schließlich, dass der Verstoß gegen § 40 EnWG 2005 ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG sei.

Der Zahlungsanspruch zu II. ergebe sich aus § 5 UKlaG i. V. m. § 12 I 2 UWG.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

I. es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,

Verbrauchern im Rahmen eines Vertrages über die Belieferung mit Gas die Abrechnung erst zu einem Zeitpunkt, der länger als sechs Wochen nach der Beendigung des abzurechnenden Zeitraums liegt, zu erteilen;

II. an den Kläger 250,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass § 40 IV EnWG nur eine Obliegenheit und keine Verpflichtung begründe.

Zudem könne § 40 IV EnWG keinen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach §§ 8, 4 Nr. 11 UWG begründen, weil § 40 IV EnWG über die Vorgaben der durch das EnWG umgesetzten Richtlinie 2009/72/EG (Elektrizitätsrichtlinie) bzw. RL 2009/73/EG (Richtlinie über gemeinsame Vorschriften des Erdgas Binnenmarkts) hinausgehe. Denn die Richtlinie 2009/73/EG sehe eine Sechswochenfrist nur für die Abschlussrechnung im Fall des Wechsels des Erdgasversorgers vor und im Übrigen häufige Informationen über den Gasverbrauch, wobei dieses „häufig genug“ in Buchstabe i) des Anhangs der RL 2009/73/EG nicht zeitlich konkret bemessen sei.

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In einem nach Auffassung der Beklagten vergleichbaren Fall habe das Oberlandesgericht Frankfurt mit Urteil vom 12.4.2011 (Az. 11 U 5/11, Anlage B 2) zu § 42 I Nr. 2, II EnWG entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß gemäß §§ 8 I, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 42 I Nr. 2, II EnWG nicht in Betracht komme, weil die UGP-Richtlinie keinen dem § 4 Nr. 11 UWG vergleichbarem Unlauterkeitstatbestand kenne, so dass die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 11 UWG nach der jeweiligen Marktverhaltensregelung zu beurteilen sei. Da § 42 I Nr. 1 und 2 EnWG über die Anforderungen des Art. 3 VI der Elektrizitätsrichtlinie hinausgehe, könne die Vorschrift keinen Unlauterkeitstatbestand begründen. Die Mitgliedstaaten dürften zwar Informationspflichten festlegen, die über europäische Vorgaben hinausgehen. Eine Verletzung dieser weitergehenden Informationspflichten sei dann aber nicht wettbewerbswidrig.

Nach Auffassung der Beklagten sind die Erwägungen des OLG Frankfurt (Anlage B 2) auf den vorliegenden Fall übertragbar.

§ 40 IV EnWG sei auch keine Regelung i. S. d. Art. 3 IV UGP-RL mit dem Wortlaut Kollidieren die Bestimmungen dieser Richtlinie mit anderen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, so gehen die Letzteren vor und sind für diese besonderen Aspekte maßgebend. Denn § 40 IV EnWG sei keine Rechtsvorschrift der Gemeinschaft, sondern nationales Recht, welches über die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts gemäß der Richtlinie 2009/73/EG über den Erdgas Binnenmarkt hinausgehe.

Auch ein Anspruch nach dem UKlaG bestehe nicht. Dies ergebe sich aus Art. 1 II Unterlassungsklagenrichtlinie 2009/22/EG, nach dem ein Verstoß im Sinne dieser Richtlinie jede Handlung sei, die den in Anhang I aufgeführten Richtlinien in der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten umgesetzten Form zuwiderlaufe und die die in Abs. 1 genannten kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtige. Zu diesen Richtlinien gehöre auch die UGP-Richtlinie. Daraus folge, dass das UWG, das der Umsetzung der UGP-Richtlinie diene, ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne des § 2 I 2 UKlaG sei. Da die UGP-Richtlinie keine dem § 4 Nr. 11 UWG vergleichbarem Unlauterkeitstatbestand kenne, sei die Anwendbarkeit dieser Vorschrift wiederum nach der jeweiligen Marktverhaltensregelung zu beurteilen. Soweit es um Abrechnungsobligationen gehe, könne deren Verletzung die Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG nur begründen, wenn sie ihre Grundlage im Unionsrecht hätte, was vorliegend nicht der Fall sei. Daher könne über den Umweg des UKlaG nicht die Tatsache umgangen werden, dass vorliegend keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche geltend gemacht werden könnten, weil das nationale Recht strenger sei als das Gemeinschaftsrecht.

Schließlich meint die Beklagte, dass dem Kläger ein Anspruch auf Kostenerstattung nicht zustehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I. Das Landgericht Heilbronn ist insbesondere sachlich und örtlich zuständig. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 71, 23 Nr. 1 GVG. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 29 ZPO, da die streitige Verpflichtung am Wohnort des Klägers und damit in hiesigen Gerichtsbezirk zu erfüllen ist. Nach der in der Rechtsprechung und in der Literatur herrschenden Meinung ist einheitlicher Erfüllungsort für die bei einem Rücktritt bestehenden wechselseitigen Pflichten der Ort, an dem sich die zurückzugewährende Sache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet (vgl. schon RGZ 55, 105, 112 f.; BGHZ 87, 104, 109 ff.; BayObLG MDR 2004, 646 f; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 29 Rdnr. 25, Stichwort: „Kaufvertrag“ und Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 269 Rn. 16 m. w. N.). Dieser Ansicht schließt sich das erkennende Gericht an; schließlich hat gerade der vom Vertragspartner zu vertretende Mangel zu dem Rücktritt geführt und der Zurückgetretene schuldet nach § 346 Abs. 1 BGB nur das Zurückgewähren der Leistung, mithin lediglich den Vertragspartner in die Lage zu versetzen, über die Ware zu verfügen.

II. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Rennrades gem. §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 323, 433 BGB zu.

Der Kläger ist mit Anwaltsschreiben vom 17.10.2011 wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten. Ein Rücktrittsrecht folgt aus § 323 Abs. 1 BGB, da die Beklagte ihrer Pflicht zur Nacherfüllung gem. §§ 439, 437 Nr. 1 BGB trotz angemessener Fristsetzung nicht nachgekommen ist.

1.) Das gelieferte Rennrad wies zum Zeitpunkt der Übergabe einen Mangel auf. Eine Sache ist gem. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung nicht eignet oder eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art nicht üblich ist. Dies ist vorliegend der Fall, da die Beklagte die Behauptung des Klägers, die Speichen dürften bei einem Fahrrad dieser Preisklasse nicht in derart kurzer Zeit brechen, nicht rechtzeitig bestritten hat. Zwischen den Beteiligten war es zunächst unstreitig, dass der Bruch der Speichen auf eine Schlechtleistung der Beklagten zurückzuführen ist. Die Beklagte räumte dies in der Klageerwiderung vom 20.01.2012 (Rz. 4) auch ausdrücklich ein. Die gegenteilige Behauptung der Beklagten, der Speichenbruch sei nicht auf einen Mangel am Fahrrad, sondern auf einen Fehlgebrauch der Sache zurückzuführen, erfolgte erst im Anschluss an die – im Fortsetzungstermin – durchgeführte Beweisaufnahme im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 04.07.2012. Dieser Vortrag ist gem. §§ 296 Abs. 2, 282 ZPO verspätet, da die Berücksichtigung des Einwands zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits führen würde. Ein Grund zur Widereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 ZPO ist weder ersichtlich noch beklagtenseits glaubhaft gemacht worden.

2.) Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Kläger die Beklagte mit Faxschreiben vom 15.09.2011 wirksam zur Nacherfüllung gem. § 439 BGB bis zum 30.09.2011 auffordert hat.

Die Beweisaufnahme hat insofern ergeben, dass die als Anlagen K 2 und 5 vorgelegten Schreiben am 15.09.2011 per Fax an die Beklagte übersandt und bei dieser auch eingegangen sind.

a.) Dies folgt das Gericht aus den Angaben des Klägers im Rahmen der Parteianhörung und der Aussage der Zeugin ….

Der Kläger gab im Zuge seiner Anhörung an, dass er am 15.09.2011 ein zweiseitiges Fax – die Anlage K2 und K5 – an die Beklagte versandt habe. Im Anschluss habe er seine Sekretärin, die Zeugin … gebeten, bei der Beklagten anzurufen und ihn mit der Zeugin … zu verbinden. Er habe der Zeugin … sogleich mitgeteilt, dass er das Telefon auf „laut stelle“ und nachgefragt, ob sie das Faxschreiben vom gleichen Tag erhalten habe. Dies habe die Zeugin … ausdrücklich bestätigt.

Die Zeugin … sagte aus, dass der Kläger sie am 15.09.2011 gebeten habe am Telefon zu bleiben. Sie bestätigte, dass der Kläger sodann das Faxgerät bedient habe und zwei Seiten übermittelte. Im Anschluss habe er die Beklagte angerufen und mit der Zeugin Frau … gesprochen. Er habe sogleich mitgeteilt, dass er das Telefon auf laut gestellt habe und eine Mitarbeiterin mithöre. Der Kläger habe schließlich gefragt, ob das Fax vom heutigen Tag angekommen sei. Dies habe die Zeugin … ausdrücklich bestätigt.

b.) Das Gericht ist im Rahmen der ihm nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung zu der Überzeugung gelangt, dass die streitige Behauptung des Klägers als bewiesen anzusehen ist. Nach diesem Grundsatz ist ein Beweis erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit der Tatsachenbehauptung überzeugt ist und vernünftige Zweifel ausgeräumt sind.

Dies ist vorliegend der Fall.

Die Angaben des Klägers sind glaubhaft, lebensnah und plausibel. Nach dem persönlichen Eindruck den das Gericht vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, ist das Gericht davon überzeugt, dass sich der Kläger so verhalten hat, wie von ihm geschildert. Dass der Kläger im ersten Termin zunächst Bezug nahm auf ein Faxschreiben vom 05.09.2011 sowie auf ein weiteres Fax, stellt die Glaubhaftigkeit der Angaben nicht in Frage. Das Gericht geht davon aus, dass es sich insofern um ein sprachliches Missverständnis handelt, das der Aufregung in der Prozesssituation geschuldet war. Im Fortsetzungstermin hat der Kläger seine Angaben auf Nachfrage ausdrücklich klargestellt. Der Vortrag stimmt nunmehr auch mit der aus den Anlagen ersichtlichen Zeitabfolge überein und ist insgesamt stimmig. Die Angaben des Klägers decken sich auch im Wesentlichen mit der Aussage der Zeugin …, die insbesondere bestätigte, dass der Kläger zwei Faxseiten versandte. Das Gericht erachtet die Aussage der Zeugin ebenfalls als glaubhaft. Die Ausführungen waren sachlich und frei von jedem Belastungseifer. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich diese von der beruflichen Situation und der bedingten Abhängigkeit zum Kläger habe leiten lassen. Die Zeugin räumt offen ein, dass sie den Inhalt der übersandten Faxseiten nicht zur Kenntnis genommen habe und dazu keine Angaben machen könne. Für die Glaubhaftigkeit der Aussage spricht auch, dass sie angab, der Inhalt des Gesprächs sei gerade deshalb in Erinnerung geblieben, da dieses am Tag des Geburtstages des Klägers stattgefunden habe und sich insofern besonders einprägte. Für die Glaubhaftigkeit der Aussage spricht ferner die Wahrnehmungsbereitschaft der Zeugin. Nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und der Zeugin vernahm diese den Inhalt des Gesprächs in Kenntnis des Umstands, ggf. später darüber berichten zu müssen. Angesichts dessen ist Gericht davon überzeugt, dass der Kläger die zu den Anlagen gereichten Schreiben am 15.09.2011 an die Beklagte per Fax übersandte. Vernünftige Zweifel daran, dass es sich bei den übersandten Faxschreiben um die vorgelegten Anlagen handelt, verbleiben nach dem Gesamteindruck des Gerichts nicht.

Das Gericht ist weiter davon überzeugt, dass die übersandten Schreiben bei der Beklagten eingegangen sind. Dies folgt aus der Aussage der Zeugin …, die angab, die Zeugin … habe ihrerseits telefonisch bestätigt, dass sie das Fax vom gleichen Tag erhalten habe. Die gegenbeweislich benannte Zeugin … hatte hingegen keine konkrete Erinnerung mehr an den Inhalt des Telefonats und des vorgehaltenen Faxschreibens, sie konnte weder ausschließen, dass sich der Sachverhalt so zugetragen hat, wie klägerseits vorgetragen, noch diesen widerlegen. Das Gericht ist auch aufgrund des persönlichen Eindrucks von der Zeugin … davon überzeugt, dass die – nach Auffassung des Gericht bewiesene – telefonische Mitteilung des tatsächlichen Faxeingangs durch die Zeugin … auch sachlich zutreffend war. Eine Verwechselung mit anderen Faxschreiben erscheint dem Gericht ausgeschlossen, da der Name und das Anliegen des Klägers der Zeugin bereits hinreichend bekannt war.

Angesichts dessen kann dahinstehen, ob die Einwände der Beklagten gegen die Echtheit des nachträglich zu den Akten gereichten Faxprotokolls, dass bereits im Termin in Augenschein genommen und unwidersprochen thematisiert worden war, als verspätet gem. § 296 ZPO anzusehen sind. Für die Überzeugungsbildung bedarf es dessen nicht, da das Gericht bereits von der Richtigkeit der klägerischen Behauptung überzeugt ist.

c.) Die Aussage der Zeugin … unterliegt keinem Beweisverwertungsverbot. Das Mithören von Telefongesprächen durch Dritte ohne Bekanntgabe dieses Umstands an den Gesprächspartner verletzt dessen Persönlichkeitsrecht und führt zu einem Beweisverwertungsverbot, sofern nicht höherrangige Interessen bestehen (vgl. BVerfG NJW 2002, 3619; BGH NJW 2003, 1727). Das Gericht geht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, dass die Zeugin ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass der Lautsprecher des Telefons angestellt sei und eine Mitarbeiterin des Klägers mithöre. Die Zeugin … hat dies ausdrücklich bestätigt. Das Gericht hält die Aussage der Zeugin … aus den dargelegten Gründen für glaubhaft. Die Zeugin … konnte mangels Erinnerung keine Abgaben zur Sache machen.

d.) Da die Beklagte der – im Faxschreiben vom 15.09.2011 – enthaltenen Aufforderung zur Lieferung der Ersatzspeichen nicht binnen der gesetzten Frist nachgekommen ist, stand dem Kläger ein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag zu. Die Beklagte greift insofern mit ihrem Einwand, der Kläger habe trotz Aufforderung nicht mitgeteilt, ob er angesichts der Lieferschwierigkeiten der Speichen auch mit der Lieferung eines Ersatzrades einverstanden sei, nicht durch. Aus dem Faxschreiben vom 15.09.2011 ergibt sich zweifelsfrei, dass der Kläger die Lieferung von Ersatzspeichen wünscht (Anlage K2 „… Sollten die Speichen nicht geliefert werden, trete ich vom Kaufvertrag zurück. …“). Da die Speichen zum Zeitpunkt des Faxeingangs auch vorrätig waren, vermag ist der Einwand der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beachtlich.

III. Die Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des Fahrrades im Verzug gem. § 286 BGB, da sie der Aufforderung vom 17.10.2011 nicht nachgekommen ist und der Kläger die Gegenleistung seinerseits in Annahmeverzug begründender Weise angeboten hat.

IV. Dem Kläger steht des Weiteren ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe eines Satzes von 1,5 aus einem Streitwert von 13.914,65 EUR zuzüglich einer Umlagenpauschale und Mehrwertsteuer zu. Der Anspruch beziffert diesen Anspruch insgesamt mit einem Betrag in Höhe von 1.034,11 EUR. Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass die Tätigkeit unterdurchschnittlich war, sind nicht ersichtlich. Da sich der Anwalt mit dem Ansatz einer 1,5 Gebühr innerhalb der Toleranzgrenze von 20 Prozent hält, ist die von ihm festgelegte erhöhte Gebühr jedenfalls nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und daher auch von dem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen (Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.05.2012, Az. VI ZR 273/11 m. w. N. <juris>).

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 2 ZPO.

 

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