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Private Krankenversicherung: Notwendige Angaben zur Vorerkrankungen – auch bei Verdacht auf Erkrankungen?

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

Az.: 10 U 187/00

Verkündet am: 16. März 2001

Vorinstanz: LG Trier – Az.: 6 O 289/98


IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

– abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO –

Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2001 für R e c h t erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 17. Januar 2000 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Rücktritt der Beklagten von dem Krankenversicherungsvertrag mit dem Kläger gemäß Versicherungsscheinnummer: 29/1828 rechtsunwirksam ist und das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien fortbesteht.

Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Der im Jahre 1954 geborene Kläger stellte am 24.08.1996 bei der Beklagten den Antrag auf Abschluss einer Krankenversicherung (MB/KK94), den die Beklagte mit Versicherungsschein vom 29.8.1996 annahm. In dem formularmäßigen Versicherungsantrag beantwortete er sämtliche Fragen nach seinem Gesundheitszustand sowie einer ärztlichen Behandlung in den zurückliegenden Jahren mit „Nein“. Das Antragsformular enthielt u.a. folgende Frage (Ziffer 2):

„Bestanden in den letzten drei Jahren oder bestehen gegenwärtig Krankheiten, Unfallfolgen, Beschwerden oder sonstige Gesundheitsstörungen?“.

Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 02.07.1998 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag mit der Begründung, der Kläger habe die Fragen im Antragsformular über seinen Gesundheitszustand nicht wahrheitsgemäß beantwortet. Der Kläger habe nicht angegeben, dass bei einer ärztlichen Untersuchung vom 9.7.1996 das Vorhandensein einer Fettleber und Anzeichen für eine chronische Pankreopathie festgestellt worden seien. Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass das Versicherungsverhältnis fortbesteht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Die Berufung ist begründet.

1) Der von der Beklagten erklärte Rücktritt vom Krankenversicherungsvertrag ist unwirksam. Der Krankenversicherungsvertrag besteht fort. Nach § 16 Abs. 1 – VVG hat der Versicherungsnehmer bei Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind die Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluss auszuüben. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich (Prölss/Martin, VVG Komm., 26. Aufl. 1998, §§ 16, 17 Rn. 10). Der Versicherer ist zum Rücktritt vom Versicherungsvertrag berechtigt, wenn der Versicherungsnehmer für die Übernahme der versicherten Gefahr erhebliche Umstände bei Abschluss des Vertrages verschweigt. Im Falle ausdrücklicher und schriftlicher Befragung kommt es nicht einmal darauf an, ob der Versicherungsnehmer Kenntnis von der Erheblichkeit des Gefahrumstandes hatte. Es ist Sache des Versicherers, das Risiko von Beschwerden, Krankheiten und Gesundheitsstörungen, ggf. unter Einschaltung der Gesellschaftsärzte oder nach Rückfrage bei den behandelnden Ärzten zu beurteilen. Da ein Versicherungsnehmer in der Regel mangels medizinischer Kenntnisse nicht in der Lage ist, die Gefahrerheblichkeit körperlicher Beschwerden zu beurteilen, muss er alle, auch die als, belanglos empfundenen Krankheiten oder Beschwerden anzeigen.

2) Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe die Fragen im Antragsformular, ob in den letzten drei Jahren Krankheiten, Beschwerden oder sonstige Gesundheitsstörungen vorgelegen hätten, mit „Nein“ beantwortet, obwohl wenige Wochen vor Abschluss des Versicherungsvertrages bei einer ärztlichen Untersuchung beim Hausarzt Dr. B Gesundheitsstörungen festgestellt worden seien.

a) Zu Recht rügt die Berufung, dass diese Würdigung des Sachverhalts einer Prüfung nicht standhalten kann. Anlässlich der ärztlichen Untersuchung. im Juli 1996 durch den Hausarzt Dr. B sind bei dem Kläger weder Krankheiten noch Gesundheitsstörungen im Sinne einer offenkundig nicht belanglosen Gesundheitsbeeinträchtigung festgestellt worden. Auch klagte der Kläger nicht über Beschwerden. Das Landgericht hat bei seiner Würdigung nicht beachtet, dass es sich bei der Beurteilung einer Fettleber und einer chronischen Pankreopathie nur um einen sonomorphologischen Befund und letztlich nur um einen Verdacht handelte, der sich aufgrund der anschließenden Untersuchung im Labor nicht bestätigte. Dieser bei der Ultraschalluntersuchung der Oberbauchorgane aufgetretene Zufallsbefund hat lediglich den Hausarzt veranlasst, den Kläger darauf hinzuweisen, dass er die Ernährung umstellen und weniger Fett, Süßspeisen essen und Alkohol trinken möge. Eine medikamentöse Behandlung ist nicht erfolgt, da sich nach Angaben des Zeugen eine Fettleber vollständig regenerieren kann, wenn sie durch Ernährungsfehler zustande gekommen ist.

b) Das Landgericht meint hingegen, auch wenn Dr. B auf Grund der sonographischen Untersuchung der Oberbauchorgane im Juli 1996 keinen Anlass zu therapeutischen Maßnahmen gesehen habe, zeigten die Erklärungen über die Befunde sowie der Rat, die Ernährung umzustellen, dass die regelmäßige Funktion des Stoffwechsels beeinträchtigt gewesen sei. Die vom Hausarzt im Juli 1996 erhobenen Befunde hätten daher nach Ziffer 2 des Antragsformulars dem Versicherer mitgeteilt werden müssen. Dabei sei unerheblich, ob der Kläger als medizinischer Laie den erhobenen Befunden einen „Krankheitswert“ beigemessen habe. Ann auch wenn mit dem Begriff Fettleber im allgemeinen Sprachgebrauch keine Erkrankung oder Krankheit verbunden werde, so ergebe sich daraus doch für jedermann eindeutig, dass im Bereich des Stoffwechsels etwas nicht in Ordnung sei. Die Untersuchung bei Dr. B im Juli 1996 hätte daher vom Kläger nicht verschwiegen werden dürfen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass ein Versicherungsnehmer Krankheitssymptome, die bei einer ärztlichen Untersuchung festgestellt worden seien, bei einer allgemeinen Trage nach Beschwerden oder Gesundheitsstörung unabhängig davon anzugeben habe, ob diese Symptome aus seiner Sicht als Laie Krankheitswert hätten. Denn die medizinische Bewertung der anzeigepflichtigen Beschwerden und Gesundheitsstörungen sei grundsätzlich Sache des Versicherers, der durch die Angaben im Versicherungsvertrag – gegebenenfalls nach Einholung weiterer ärztlicher Auskünfte – die Möglichkeit erhalten solle, sich Klarheit über etwaige Gesundheitsrisiken zu verschaffen. Bei den vom Kläger verschwiegenen Befunden handele es sich um erhebliche Gefahrumständeim Sinne des § 16 Absatz 1 VVG. Schließlich habe der Sachverständige Dr. Zeitz in seinem Gutachten vom 18.08.1999 im einzelnen dargetan, dass nach den Untersuchungsergebnissen von Dr. B im Juli 1996 beim Kläger Stoffwechselstörungen vorgelegen hätten, die mit nicht unerheblichen Gesundheitsrisiken verbunden seien. Der Sachverständige komme demnach in seiner Zusammenfassung auch zum Ergebnis, dass der Kläger im Antragsformular die Diätempfehlung des Hausarztes sowie die Fettstoffwechselerkrankung als sogenannte Fettleber hätte erwähnen müssen.

a) Der Senat vermag trotz der grundsätzlich zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zur medizinischen Bewertung der anzeigepflichtigen Beschwerden und Gesundheitsstörungen gegenüber dem Versicherer, dem Landgericht nicht zu folgen. Aus dem fachgastroenterologischen Gutachten des Sachverständigen Dr. Z vom 18.8.1999 ergibt sich zwar einerseits, dass aufgrund des Songraphiebefundes, der laborchemischen Untersuchungen und des Ergebnisses des oralen Glukosetoleranztestes eindeutig das Vorliegen eines sogenannten metabolischen Syndroms (Stoffwechselerkrankung) anzunehmen ist. Damit sind Gesundheitsrisiken wie die Entwicklung eines Diabetes mellitus‘ die Entwicklung einer Gicht, eiIr arteriellen Hypertonie oder etwa einer Arteriosklerose verbunden. Der Sachverständige führte andererseits jedoch einschränkend hinzu, dass es sich bei den im Juli 1996 erhobenen Befunden – auf die nach Abschluss der Krankenversicherung erhobenen Befunde kommt es nicht an – um eine Erstdiagnose gehandelt habe. Zur endgültigen Diagnose hätte es noch einer Verlaufskontrolle bedurft. Der Sachverständige Dr. Z stimmt letztlich mit der Beurteilung des Hausarztes Dr. B. überein, dass es sich bei den im Juli 1996 erhobenen Befunden lediglich um den Verdacht des Vorliegens eines metabolischen Syndroms gehandelt habe. Soweit., der Sachverständige die Auffassung vertrat, der Kläger hätte die Befundergebnisse der Beklagten mitteilen müssen, da man davon ausgehen könne, dass die meisten Patienten mit dem Begriff Fettleber eine Fettstoffwechselerkrankung verbinden, kann der Senat dieser Auffassung nicht folgen. Zum einen handelte es lediglich um den Verdacht des Vorliegens einer Fettleber. Zum anderen weist die Berufung zutreffend daraufhin, dass dem Kläger die Diagnose „metabolisches-Syndrom“ vom Hausarzt nicht mitgeteilt und bei Antragstellung unbekannt war, der Sachverständige diesen Aspekt jedoch mit in seine Begutachtung einbezogen hatte. Den bloßen, aus Sicht eines Sachverständigen indes hochgradigen Verdacht einer Fettleber musste der Kläger bei Antragstellung nicht mitteilen.

Die Berufung hatte aus den dargelegten Gründen Erfolg. Das angefochtene Urteil war auf die Berufung abzuändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 16.054,08 DM (42 x 477,80 DM x 80 %) festgesetzt. Er entspricht der Beschwer der Beklagten.

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