Hessischer Verwaltungsgerichtshof
Az.: 2 UZ 702/02
Beschluss vom 08.07.2002
Vorinstanz: VG Wiesbaden, Az.: 7 E 1960/01 (V)
In dem Verwaltungsstreitverfahren wegen Einrichtung einer Bushaltestelle hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof – 2. Senat – am 8. Juli 2002 beschlossen:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 17. Januar 2002 wird abgelehnt.
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 4.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
Der fristgerecht gestellte und begründete Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 VwGO) bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt. Insbesondere bestehen entgegen der Ansicht der Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (Nr. 1) und hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (Nr. 3).
Die Klägerin legt dar, das der Straßenverkehrsbehörde durch § 45 Abs. 3 StVO eingeräumte Ermessen sei vorliegend deshalb auf Null reduziert – so dass vor ihrem Wohnhaus …straße in … unter keinen Umständen eine Bushaltestelle habe eingerichtet werden dürfen -, weil von dem Grundstück Nr. bis zum Grundstück Nr. ein gesetzliches Haltverbot, und zwar auch für Linienomnibusse, bestehe. Daran ist richtig, dass das Halten in diesem Bereich der als Einbahnstraße ausgestalteten …straße gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 6d i.V.m. § 41 Abs. 3 Nr. 5 Satz 3 und 4 StVO wegen der dort zwischen Fahrtrichtungspfeilen (Zeichen 297) auf der Fahrbahn angebrachten Leitlinien (Zeichen 340) unzulässig ist. Dieses Haltverbot schließt aber die Einrichtung einer Haltestelle nach Zeichen 224 zu § 41 Abs. 2 Nr. 4 StVO in diesem Straßenabschnitt -und damit auch vor dem Anwesen der Klägerin – nicht zwingend aus. Das Halten von Linienomnibussen zum Fahrgastwechsel richtet sich nämlich nicht allein nach den Anforderungen an Sicherheit und Leichtigkeit des allgemeinen Verkehrs, sondern zusätzlich auch nach den Bedürfnissen des öffentlichen Personenverkehrs. Dies ergibt sich aus § 32 Abs. 1 BOKraft, wonach bei der Bestimmung über die Anbringung der Haltestellenzeichen nach § 45 Abs. 3 StVO dem genehmigten Fahrplan entsprechend den Erfordernissen des Betriebs und des Verkehrs Rechnung zu tragen ist (vgl. zu dieser Problematik die Senatsurteile vom 29. April 1986-2 UE 757/84 -, NJW 1986 S. 2781, und vom 6. September 1988 – 2 UE 2621/84 -; Urteil des OVG Münster vom 6. Februar 1979 – XII A 276/76 -, VRS 57, 396; Urteil des VGH Mannheim vom 20. Oktober 1994 – 5 S 474/94 -, NZV 1995, 333). Dies schließt auch die Möglichkeit ein, dass im Einzelfall je nach den konkreten Straßen- und Verkehrsverhältnissen eine Haltestelle in einem Bereich eingerichtet wird, in dem der allgemeine Verkehr nicht halten darf, z. B. an engen Straßenstellen (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO) oder im Bereich eines Haltverbots nach Zeichen 283 zu § 41 Abs. 2 Nr. 8 StVO (vgl. insoweit die Klarstellung in Abschnitt IV der Verwaltungsvorschrift zu diesem Verkehrszeichen). Eine abwägende Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde, die im Ergebnis den Bedürfnissen des öffentlichen Personenverkehrs den Vorrang vor dem allgemeinen Interesse an der Leichtigkeit des Verkehrs einräumt, erweist sich daher nicht schon deshalb, wie die Klägerin mit ihrem Hinweis auf einen „permanenten Verstoß gegen die StVO“ meint, als rechtsfehlerhaft, weil Verkehrsteilnehmer ggfs. hinter einem zwecks Fahrgastwechsels haltenden Linienomnibus warten müssen; denn hierin liegt auch dann kein verbotswidriges Halten, wenn im Bereich der eingerichteten Haitestelle ansonsten mit Rücksicht auf den fließenden Verkehr nicht gehalten werden darf (vgl. zum Begriff des „verbotswidrigen Haltens“ das Urteil des OLG Hamm vom 9. November 1998 – 6 U 147/98) -, NZV 1999, 291).
Dass die von der Straßenverkehrsbehörde der Beklagten hinsichtlich der Anbringung des Haltestellenzeichens vor dem Anwesen …straße getroffene Ermessensentscheidung rechtlich nicht beanstandet werden kann, hat das Verwaltungsgericht mit von der Klägerin im Übrigen nicht entsprechend dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO angegriffenen Erwägungen im Einzelnen dargelegt.
Abgesehen davon wäre aus einem – hier insoweit unterstellten – Verstoß von Verkehrsteilnehmern (einschließlich der Fahrer von Linienomnibussen) gegen ein tatsächlich bestehendes Haltverbot nichts zugunsten der Klägerin herzuleiten. Ein derartiges Verbot dient nämlich der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr und nicht dem Schutz von Anliegerbelangen. Der Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den konkreten Standort der in Rede stehenden Haltestelle umfasst nur den Anspruch auf eine hinreichende Berücksichtigung ihrer Anliegerinteressen, nicht jedoch auch der allgemeinen Verkehrsbelange. Um ein unzulässiges Parken vor Grundstücksein- und -ausfahrten, auf schmalen Fahrbahnen auch ihnen gegenüber (§12 Abs. 3 Nr. 3 StVO), geht es hier aber nicht. Das kurzfristige „Blockieren“ der Grundstücksein- und -ausfahrt ihres Anwesens durch zwecks Fahrgastwechsels haltende Linienomnibusse hat die Klägerin wie jeder Grundstückseigentümer in vergleichbarer Situation hinzunehmen.
Eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO misst die Klägerin schließlich der Rechtssache im Hinblick auf die Frage zu, „ob die Straßenverkehrsbehörde berechtigterweise eine Haltestelle einrichten darf, bei der bei Anfahren der Haltestelle ein Verstoß gegen § 12 StVO ständig wiederholt wird“. Zur Klärung dieser Frage bedarf es indessen nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens der Klägerin. Es ist nämlich bereits fraglich, ob diese als rechtsgrundsätzlich bedeutsam erachtete Frage entscheidungserheblich ist, weil das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung keineswegs zugrunde gelegt hat, beim Anfahren der vor dem Anwesen der Klägerin eingerichteten Haltestelle werde ständig – sei es von den Fahrern der Linienomnibusse, sei es von dahinter wartenden Kraftfahrern – gegen das Haltverbot aus § 12 Abs. 1 Nr. 6d StVO verstoßen. Im Übrigen aber ist die von der Klägerin aufgeworfene Frage entsprechend den vorstehenden Ausführungen ohne weiteres dahin zu beantworten, dass die Einrichtung einer Haltestelle für Linienomnibusse in einem Bereich, in dem der allgemeine Verkehr nicht halten darf, jedenfalls nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, sondern je nach dem konkreten Bedürfnis des öffentlichen Personenverkehrs sowie unter Berücksichtigung der Straßen- und Verkehrsverhältnisse durchaus in Betracht kommt. Ob gerade vor dem Anwesen …straße eine Haltestelle für (Niederflur-)Busse eingerichtet werden durfte, ist typischerweise eine Frage der Rechtsanwendung im konkreten Fall, die nicht mit Auswirkungen über den Einzelfall hinaus in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden kann.
Nach allem ist der Zulassungsantrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§14 Abs. 1 und 3 sowie 13 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO,*25 Abs. 3 Satz 2 GKG).