AG Wuppertal – Az.: 391 C 23/19 – Urteil vom 14.08.2019
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin, einen Betrag von 1.040,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.01.2018 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 5,00 Euro und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 52 % und die Beklagte zu 48 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Beklagte wurde vom 13.09.2016 bis zum 01.12.2016 im Krankenhaus in O von dem Chefarzt der Klinik, Herrn Dr. L, privatärztlich behandelt. Die Klinik trat ihre Vergütungsansprüche an die Klägerin ab. Die Klägerin rechnete die erbrachten Leistungen mit Rechnung vom 19.12.2017 über insgesamt 3.321,04 Euro ab. Auf den Rechnungsbetrag zahlte die Beklagte am 23.04.2018 einen Betrag von 1.155,00 Euro. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 17.09.2018 und vom 03.10.2018 zur Zahlung des Restbetrages von 2.166,04 Euro auf. Die Beklagte zahlte nicht. Die Klägerin beauftragte sodann ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten, die die Beklagte mit Schreiben vom 24.10.2018 erneut erfolglos zur Zahlung des Restbetrages aufforderten.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von 2.166,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.01.2018 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 7,00 Euro und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie meint, sie habe die Rechnung zu Recht um die in Ansatz gebrachten Ziffern 861, 849, 847, 250, 719, 862, 801 und 804 GOÄ gekürzt.
Die Ziffern 861 (10 x 69,37 Euro) und 849 (12 x 23,12 Euro) seien nicht abrechenbar, weil die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die psychotherapeutischen Behandlungen – unstreitig – nicht von dem Chefarzt persönlich durchgeführt, sondern vollständig delegiert worden seien. Die Leistungen seien deshalb nicht als chefärztliche Leistungen abrechenbar.
Die Ziffer 847 GOÄ (9 x 4,52 Euro) sei ebenfalls nicht abrechenbar. Denn die Teilnahme an einer Sport- oder Yoga-Gruppe sei schon keine wahlärztliche Leistung, weil der Chefarzt hierbei nicht seine besondere Qualifikation einbringe.
Die Ziffer 250 GOÄ (2 x 3,15 Euro) sei nicht abrechenbar, weil die Blutentnahmen nicht durch den Chefarzt persönlich erbracht worden seien.
Die Ziffer 719 GOÄ (26 x 25,24 Euro) sei ebenfalls nicht abrechenbar. Denn der Chefarzt habe – unstreitig – die Ergotherapie nicht selbst durchgeführt. Die Ergotherapie sei schon keine wahlärztliche Leistung, weil der Chefarzt nicht Ergotherapeut sei und daher seine besondere Qualifikation nicht einbringe.
Die Ziffer 862 (2 x 34,69 Euro) sei nicht abrechenbar, weil die Leistungen nicht erbracht worden seien. Aus der Behandlungsdokumentation ergebe sich nicht, dass am 25.10.2016 und am 08.11.2016 eine tiefenpsychologisch fundierte Gruppentherapie stattgefunden habe. Die Beklagte könne sich auch nicht mehr daran erinnern, an welchen Tagen welche Leistungen im Einzelnen erbracht worden seien.
Die Ziffern 801 (9 x 25,12 Euro) und 804 (13 x 15,08 Euro) seien ebenfalls nicht abrechenbar, weil die Leistungen nicht erbracht worden seien. Die Leistungen entsprächen vielmehr lediglich dem Leistungsinhalt einer Visite nach § 45 GOÄ.
Die Klägerin meint hingegen, die Ziffern 861, 849, 847, 250, 719, 862, 801 und 804 GOÄ seien zu Recht in Ansatz gebracht worden.
Sie behauptet, der Chefarzt Herr Dr. L besuche die psychiatrisch-psychotherapeutische Privatstation der Klinik täglich und bespreche jeden einzelnen Patienten mit dem gesamten Ärzte- und Psychologenteam. Er entwerfe das therapeutische Konzept für jeden Patienten individuell und überwache es engmaschig. Zudem führe er regelmäßige selbst Therapien, Visiten, Behandlungen und Supervisionen des gesamten Teams durch.
Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (Ziffer 861 GOÄ) und die psychotherapeutische Behandlung (Ziffer 849 GOÄ) seien stets unter der Supervision von Herrn Dr. L erfolgt.
Die übenden Verfahren (Ziffer 847 GOÄ) seien durch die behandelnden Ärzte angeordnet worden und daher als ärztliche Leistungen anzusehen.
Herr Dr. L habe im Rahmen der Visite zwei Venenblutentnahmen (Ziffer 250 GOÄ) bei der Beklagten durchgeführt.
Die Ergotherapie (Ziffer 719 GOÄ) sei von Herrn Dr. L angeordnet und nach seiner Aufsicht und Weisung durchgeführt worden. Der Facharzt für Psychotherapie erwirke im Rahmen seiner Fachausbildung auch Fähigkeiten im Bereich der Ergotherapie und sei daher durchaus qualifiziert, diese Leistungen anzuordnen und zu überwachen.
Die tiefenpsychologisch fundierte Gruppentherapie (Ziffer 862 GOÄ) habe am 25.10.2016 und am 08.11.2016 stattgefunden.
An den jeweils in der Rechnung angegebenen Behandlungstagen seien psychiatrische Untersuchungen (Ziffer 801 GOÄ) und psychiatrische Behandlungen durch eingehende therapeutische Gespräche (Ziffer 804 GOÄ) durchgeführt worden. Diese seien deutlich über die Durchführung einer Visite hinausgegangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 15.05.2019 (Bl. 66 d. A.) durch Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 15.05.2019 (Bl. 66 ff. d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist nur in dem tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 1.040,52 Euro gemäß § 630a BGB.
a) Die Ziffern 861 GOÄ (10 x 69,37 Euro) und 849 GOÄ (12 x 23,12 Euro) sind zu Recht abgerechnet worden. Dem steht nicht entgegen, dass der Wahlarzt der Beklagten, Herr Dr. L, nicht sämtliche Behandlungen selbst durchgeführt hat. Ausreichend, aber auch erforderlich war vielmehr, dass er der Behandlung sein persönliches Gepräge gegeben hat, d.h. dass er das Behandlungskonzept entwickelt und überwacht hat, selbst regelmäßig Therapiemaßnahmen durchgeführt hat und die Behandlung im Übrigen durch Supervisionen, Nachbesprechungen und Übergabegespräche koordiniert und gesteuert hat (OLG Celle, Urteil vom 15.06.2015, Az. 1 U 98/14, zitiert nach juris). Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Gerichts erfüllt. Der Zeuge Dr. L hat glaubhaft bekundet, dass er die Behandlung der Beklagten durch zwei- bis dreimal wöchentlich stattfindende Gespräche mit der Psychologin und durch tägliche Gespräche mit dem behandelnden Oberarzt umfassend begleitet und engmaschig überwacht und koordiniert hat. Er hat außerdem bekundet, dass er zwei- bis dreimal wöchentlich persönlich mit der Beklagten gesprochen hat und sich so – über die ohnehin geschuldeten allgemeinen Krankenhausleistungen hinaus – persönlich intensiv mit der Beklagten befasst hat.
b) Die Ziffer 862 GOÄ (2 x 34,69 Euro) ist ebenfalls zu Recht abgerechnet worden. Das Gericht ist davon überzeugt, dass am 25.10.2016 und am 08.11.2016 eine tiefenpsychologisch fundierte Gruppentherapie mit der Beklagten stattgefunden hat. In den Behandlungsunterlagen (Anlage K4) ist vermerkt, dass an den genannten Tagen jeweils um 9:30 Uhr eine 75-minütige Gruppenpsychotherapie stattgefunden hat. Zwar konnte der Zeuge F sich nicht mehr an die konkreten Termine erinnern. Das war aufgrund des Zeitablaufs und der Vielzahl der Patienten jedoch auch nicht anders zu erwarten. Der Zeuge hat jedoch bekundet, dass die Therapie immer dienstags stattfindet, und sowohl der 25.10.2016 als auch der 08.11.2016 waren in der Tat ein Dienstag. Die Beklagte selbst hat nach ihrem eigenen Vortrag keine Erinnerung mehr daran, ob und wann eine tiefenpsychologisch fundierte Gruppentherapie stattgefunden hat. Vor dem Hintergrund, dass die Termine in den Behandlungsunterlagen vermerkt sind, ist die pauschale Behauptung der Beklagten, die Leistungen seien in den Behandlungsunterlagen nicht vermerkt, was bedeute, dass sie nicht erbracht worden seien, unsubstantiiert und damit unbeachtlich.
Darüber hinaus steht der Klägerin indes keine Vergütung zu.
a) Die Ziffer 250 GOÄ (2 x 3,15 Euro) ist nicht abrechenbar. Denn der Wahlarzt Dr. L hat in seiner Vernehmung bekundet, dass er keine Blutentnahmen bei der Beklagten durchgeführt hat.
b) Die Ziffern 719 GOÄ (26 x 25,24 Euro) und 847 GOÄ (9 x 4,52 Euro) sind ebenfalls nicht abrechenbar. Zwar muss der Wahlarzt die Leistungen (hier Ergotherapie und Yogaübungen) nicht persönlich erbringen. Es reicht jedoch nicht aus, dass er lediglich die grundlegenden Entscheidungen einer Behandlung – also die Frage, ob eine Ergotherapie oder Yogaübungen durchgeführt werden oder nicht – selbst trifft (OLG Celle aaO). Erforderlich ist vielmehr, dass er der Behandlung sein persönliches Gepräge gibt. Daran fehlt es hier. Denn es ist nicht ersichtlich, dass Herr Dr. L die Behandlung über die -ohnehin geschuldete- Entscheidung, ob und welche Ergotherapie und Yogaübungen die Beklagte bekommt, hinaus durch Supervisionen, Nachbesprechungen und Übergabegespräche koordiniert und gesteuert hat. Zwar hat er nach seinem Bekunden gemeinsam mit Herrn F einen Wochenplan für die Beklagte erstellt; darin war jedoch -soweit ersichtlich- nur geregelt, ob und wie oft eine Ergotherapie bzw. Yogaübungen stattfinden. Die direkte Supervision oblag hingegen in beiden Fällen dem Oberarzt Herrn F, weshalb die Leistungen nach Auffassung des Gerichts nicht als eigene ärztliche Leistungen des Herrn Dr. L zu qualifizieren sind. Es ist außerdem nicht ersichtlich, dass Herr Dr. L über die erforderliche Qualifikation in diesen Bereichen verfügt. Herr Dr. L ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Dass er über Zusatzqualifikationen in den genannten Bereichen verfügt, die es rechtfertigen würde, die – durch nichtärztliches Personal durchgeführten – Ergotherapien und Yogaübungen als ärztliche Leistungen zu qualifizieren, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
c) Die Ziffern 801 GOÄ (8 x 25,14 Euro) und 804 GOÄ (13 x 15,08 Euro) sind ebenfalls nicht abrechenbar. Der Zeuge F hat nicht bestätigt, dass an den genannten Tagen eine psychiatrische Untersuchung bzw. eine psychiatrische Behandlung stattgefunden hat. Er hat vielmehr bekundet, dass er gar nicht zwischen Visite, psychiatrischer Untersuchung und psychiatrischer Behandlung differenziert, sondern die drei Leistungen in der Behandlungsdokumentation stets als „Visite“ dokumentiert.
2. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 1.040,52 Euro seit dem 23.01.2018 gemäß §§ 286, 288 BGB.
Die Beklagte befindet sich seit dem 23.01.2018 mit der Zahlung der berechtigten Forderung der Klägerin in Verzug; denn sie ist gemäß § 286 Abs. 3 BGB automatisch 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung vom 19.12.2017 in Verzug geraten. Die Zinshöhe entspricht dem gesetzlichen Zinssatz.
3. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung vorgerichtlicher Mahnkosten in Höhe von 5,00 Euro gemäß §§ 280, 286 BGB.
Die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der Zahlungsaufforderungen vom 17.09.2018 und vom 03.10.2018 mit der Zahlung der berechtigten Forderung der Klägerin in Verzug.
Das Gericht schätzt in ständiger Rechtsprechung die Mahnkosten in Ermangelung eines abweichenden konkreten Vorbringens auf 2,50 Euro je Mahnschreiben. Soweit die Klägerin einen Betrag von 3,50 Euro je Mahnschreiben für erstattungsfähig erachtet, vermag das Gericht dem nicht zu folgen, weil nicht ersichtlich ist, welche erstattungsfähigen Kosten im Zusammenhang mit der Abfassung eines Mahnschreibens entstehen, die eine Schätzung von Kosten in dieser Höhe rechtfertigen würden. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Kosten für Porto und Papier für eine Mahnung einen Betrag von 2,50 Euro übersteigen.
4. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 Euro gemäß §§ 280, 286 BGB.
Die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt des Tätigwerdens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 24.10.2018 mit der Zahlung der berechtigten Forderung der Klägerin in Verzug.
Da der geltend gemachte Anspruch nur in Höhe von 1.040,52 Euro begründet ist, errechnen sich die erstattungsfähigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr in Höhe von 149,50 Euro zzgl. der Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 Euro und der Mehrwertsteuer in Höhe von 32,21 Euro.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf 2.166,04 EUR festgesetzt.