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Fahrradmietvertrag – Wirksamkeit Klausel zum Verbot der Gebrauchsüberlassung an Dritte

LG Frankfurt – Az.: 2-24 O 181/18 – Urteil vom 15.08.2019

Die Klage wird, soweit sie nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 9% und die Beklagte zu 91% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch für den Kläger nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Rechte der Verbraucher wahrzunehmen. Er ist als qualifizierte Einrichtung i.S.d. § 4 UKlaG anerkannt.

Die Beklagte betreibt in verschiedenen Städten ein Fahrradvermietungssystem. Mieter können von der Beklagten online Fahrräder anmieten.

Im Rahmen von Verträgen mit ihren Kunden verwendet sie Allgemeine Geschäftsbedingungen. Wegen des Wortlauts der AGB wird auf Bl. 15 – 33 d.A. verwiesen.

Mit Schreiben vom 14.6.2018 beanstandete der Kläger einige Klauseln der AGB und forderte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Wegen des Wortlauts des Schreibens wird auf Bl. 34 – 46 d.A. verwiesen. Die Beklagte reagierte auf dieses Schreiben zunächst nicht.

Nach Zustellung der Klage an die Beklagte, mit der der Kläger die Unterlassung von 11 Klauseln der AGB begehrte, gab die Beklagte mit Schreiben vom 7.7.2019 wegen 10 Klauseln eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab (Bl. 93 – 96 d.A.). Die Parteien erklärten daraufhin den Rechtsstreit wegen dieser Klauseln übereinstimmend für erledigt. Die Beklagte erklärte insoweit Kostenübernahme.

Der Kläger ist der Ansicht, die Klausel in Ziffer 1.1 der AGB benachteilige den Verbraucher unangemessen, weil nach der verbraucherfeindlichsten Auslegung dem Kunden auch der unselbständige Mitgebrauch, der auch ohne Erlaubnis des Vermieters zulässig sei, verboten werde.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an dem Geschäftsführer, zu unterlassen, in Bezug auf Verträge über die Vermietung von Fahrrädern, die mit Verbrauchern geschlossen werden, die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Bestimmungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmung bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen:

a) „[1.1] Fahrer ist alleiniger Benutzer […] Sie erklären sich damit einverstanden, dass das Fahrrad nur von Ihnen verwendet werden darf, nachdem Sie das Fahrrad an seinem Standort aktiviert haben. Sie dürfen anderen nicht erlauben, ein Fahrrad zu verwenden, welches Sie an seinem Standort aktiviert haben.“

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Regelung in Ziffer 1.1 gehe nicht über die gesetzliche Regelung in § 540 Abs. 1 S. 1 BGB hinaus.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist, soweit sie nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, nicht begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Unterlassung der in Ziffer 1.1 der AGB der Beklagten enthaltenen Regelung verlangen.

Zwar ist der Kläger aktivlegitimiert.

Fahrradmietvertrag - Wirksamkeit Klausel zum Verbot der Gebrauchsüberlassung an Dritte
(Symbolfoto: Von Dragan Mujan/Shutterstock.com)

Er ist eine qualifizierte Einrichtung i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 UKlaG und als solche in die Liste des Bundesamts der Justiz eingetragen. Das ist gerichtsbekannt und wird von der Beklagten auch nicht bezweifelt.

Gleichwohl steht dem Kläger kein Unterlassungsanspruch zu, weil die in Ziffer 1.1 der AGB enthaltene Klausel nicht gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verstößt. Sie ist auch nicht überraschend i.S.d. § 305 c BGB.

Maßstab für die Auslegung von AGB-Klauseln ist dabei die sog. kundenfeindlichste Auslegung. Diese Auslegung hat nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so zu erfolgen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind (st. Rspr., siehe nur BGH Urteil vom 21. April 2009 – XI ZR 78/08 –, BGHZ 180, 257-272, Rn. 11; BGHZ 106, 259, 264 f.; 176, 244, Tz. 19; BGH, Urteil vom 15. November 2006 – VIII ZR 166/06, WM 2007, 1142, Tz. 19). Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Nach ständiger Rechtsprechung führt diese Auslegungsregel dazu, dass bei einer mehrdeutigen Klausel von den möglichen Auslegungen diejenige zugrunde zu legen ist, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt (siehe nur BGHZ 139, 190, 199; 158, 149, 155). Denn damit ist die scheinbar „kundenfeindlichste“ Auslegung im Ergebnis regelmäßig die dem Kunden günstigste (BGHZ 158, 149, 155; 176, 244, Tz. 19; BGH, Urteile vom 21. September 2005 – VIII ZR 38/05, WM 2005, 2335, 2337, vom 11. Oktober 2007 – III ZR 63/07, WM 2007, 2202, Tz. 25 und 31, vom 15. November 2007 – III ZR 247/06, WM 2008, 308, Tz. 28). Außer Betracht zu bleiben haben insoweit nur solche Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fern liegend und nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind (BGHZ 150, 269, 275 f.; 152, 262, 265; BGH, Urteil vom 21. April 2009 – XI ZR 78/08 –, BGHZ 180, 257-272, Rn. 11).

Auch gemessen an diesen Grundsätzen stellt die Klausel in Ziffer 1.1 keine Abweichung von Grundgedanken der gesetzlichen Regelung dar und erweist sich deshalb auch nicht als überraschend.

Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Mieter einer Sache nicht berechtigt, ohne Erlaubnis den Gebrauch einer Sache einem Dritten zu überlassen. Nach dieser Vorschrift steht es im Ermessen des Vermieters, ob er einen Gebrauch an Dritte zulassen oder diesen Gebrauch untersagen will (Lützenkirchen in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 540 BGB, Rn. 12).

Hier hat die Beklagte von ihrem Ermessen insoweit Gebrauch gemacht, dass sie die Nutzung ihrer Fahrräder durch andere Personen als den Mieter untersagt. Nach dem Inhalt dieser Klausel, die auch sprachlich nicht mehrdeutig ist, steht die Nutzung des Fahrrades nur dem jeweiligen Mieter zu, der es anderen Personen nicht erlauben darf, das aktivierte Fahrrad zu verwenden. Diese Entscheidung der Beklagten, dass eine Gebrauchsüberlassung an Dritte nicht zulässig ist, benachteiligt die Kunden nicht unangemessen. Denn üblicherweise kann ein Fahrrad nur von einer Person gefahren werden. Die Überlassung des Fahrrades an eine andere Person zu deren Benutzung beinhaltet zugleich, dass der Mieter an der Nutzung gehindert ist. Die gleichzeitige Nutzung eines Fahrrades von zwei Personen ist nur unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 3 StVO zulässig. Es ist nicht ersichtlich, dass Fahrräder der Beklagten über Einrichtungen zur Beförderung von Kindern verfügen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihren Kunden auch Tandems zur Verfügung stellt.

Die Beklagte hat auch ein berechtigtes Interesse daran, dass Fahrräder nur von den Mietern benutzt werden. Denn nur die Person des Mieters ist der Beklagten bekannt. Überlässt der Mieter das Fahrrad zur Nutzung einer anderen Person und beschädigt diese das Fahrrad, kann sich die Beklagte nicht an diese Person wegen eines Schadensersatzes wenden, weil ihr diese Person nicht bekannt ist. Auch muss sie damit rechnen, dass sie von Geschädigten in Anspruch genommen werden kann, falls ein Dritter mit diesem Fahrrad einen Schaden verursacht und hätte dann keine Möglichkeit, den Dritten in Regress zu nehmen.

Demgegenüber besteht kein Bedürfnis des Mieters an einer Gebrauchsüberlassung an einen Dritten. Denn wenn der Mieter das Fahrrad nicht mehr benötigt, aber an seiner Stelle ein Dritter, kann der Mieter das Mietverhältnis beenden und der Dritte kann das Fahrrad nunmehr seinerseits anmieten.

Soweit im Rahmen des § 540 Abs. 1 S. 1 BGB ein unselbständiger Mitgebrauch auch ohne Zustimmung des Vermieters für zulässig erachtet wird, betrifft dies Fallgestaltungen, die vorwiegend bei der Gebrauchsüberlassung von Räumen auftreten. Hier geht es um die Frage, ob der Aufenthalt von anderen Personen als der Mieter in den Räumen eine Gebrauchsüberlassung darstellt. Diese Fallgestaltung tritt bei der Miete von beweglichen Sachen, die von ihrer Natur her nur zur Nutzung durch eine Person bestimmt sind, nicht auf.

Die von dem Kläger angeführte Fallkonstellation, dass ein Dritter das Fahrrad für den Mieter nur ein kurzes Stück schiebt, wird von der Klausel in Ziffer 1.1 der AGB erkennbar nicht erfasst. Denn die gewöhnliche Nutzung eines Fahrrades ist das Fahren, nicht das Schieben. Die Verwendung eines Fahrrades ist das Fahren durch die Person, die das Fahrrad angemietet hat. Erkennbar soll die Klausel das Fahren des Fahrrades durch eine dritte Person verhindern, nicht das Halten oder kurzfristige Schieben.

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Hätte die Beklagte in der Klausel den Gesetzestext des § 540 Abs. 1 S. 1 BGB verwendet, könnte der Beklagten eine unangemessene Benachteiligung ihrer Kunden nicht vorgeworfen werden, auch wenn die gleiche Fallkonstellation vorliegen würde, weil keine Abweichung von einer gesetzlichen Bestimmung vorliegen würde. Der Wortlaut der Klausel lässt auch unter kundenfeindlichster Auslegung keine Abweichung vom Gesetzestext und dem Sinn und Zweck der Regelung erkennen. Ein begrifflicher Unterschied zwischen „Gebrauch“ und „Verwendung“ besteht im allgemeinen Sprachgebrauch nicht.

Die Kosten des Rechtsstreits sind im Verhältnis des jeweiligen Unterliegens zu verteilen (§§ 91 Abs. 1, 91a Abs. 1 ZPO). Im Hinblick auf den noch streitigen Teil der Klage ist der Kläger unterlegen. Wegen des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, nachdem sie Kostenübernahme erklärt hat. Die Kostenverteilung berücksichtigt, dass der Kläger wegen einer Klausel unterlegen ist, während er in Bezug auf 10 Klauseln obsiegt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. Der Kostenerstattungsanspruch des Klägers übersteigt 1.500 €, der der Beklagten nicht. Da auch über die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage einheitlich im Urteil zu entscheiden ist, richtet sich auch die Vollstreckbarkeit nach den für ein Urteil maßgeblichen Regeln.

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