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Verkehrsunfall – durch Unfall hervorrufende Vorerkrankungen

OLG Frankfurt, Az.: 13 U 154/13, Beschluss vom 07.01.2015

Die Parteien werden auf die Absicht des Senats hingewiesen

1.) die Berufung der Beklagten gegen das am 05.11.2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen;

2.) den Gegenstandswert für das Berufungsverfahren auf 13.756,- Euro festzusetzen (Zahlungsantrag 11.756,- € und Feststellungsantrag 2.000,- €).

Gründe

Der Senat ist in seiner Beratung zu der einstimmigen Überzeugung gelangt, dass sich die Berufung der Beklagten nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand als offensichtlich unbegründet erweist und daher gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlusswege zurückzuweisen sein wird.

Die weiteren Zurückweisungsvoraussetzungen gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 – 4 ZPO liegen ebenfalls vor, da der Rechtssache in Ermangelung besonderer Umstände keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil weder zur Fortbildung des Rechts, noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist und schließlich auch eine mündliche Verhandlung mangels existentieller Bedeutung der Berufungssache nicht geboten erscheint.

Die angefochtene Entscheidung ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Landgericht hat der Klage sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach mit überzeugender Begründung völlig zu Recht stattgegeben. Der Senat tritt der Bewertung des Streitfalles durch das Landgericht daher in vollem Umfang bei.

Das Vorbringen der Beklagten im zweiten Rechtszug zeigt weder auf, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung in der Sache rechtfertigen könnten (§ 513 ZPO).

Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 11.756,00 € gemäß §§ 7, 18,11 StVG, §§ 823Abs. 1, 842,843,253 Abs. 2 BGB zu.

Verkehrsunfall – durch Unfall hervorrufende Vorerkrankungen
Symbolfoto: Von Photographee.eu /Shutterstock.com

Die grundsätzliche Haftung der Beklagten für die von der Klägerin unstreitig erlittenen unfallbedingten Verletzungen und die hieraus resultierenden materiellen und immateriellen Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig. Entgegen der Ansicht der Beklagten decken die vorgerichtlich von der Beklagten zu 2) – zum Ausgleich der von der Klägerin erlittenen Schäden – gezahlten 6.500,00 € die tatsächlich entstandenen Schäden nicht ab.

Die mit der Berufungsbegründung einzig erhobene Einwendung gegen die erstinstanzliche Annahme der Unfallursächlichkeit des von der Klägerin erlittenen Bandscheibenvorfalls verhilft dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg

Der Senat schließt sich auch nach seiner eigenen tatrichterlichen Würdigung der landgerichtlichen Bewertung zur unfallbedingten Ursächlichkeit des Bandscheibenvorfalls der Klägerin auf der Grundlage des vom Gericht des ersten Rechtszugs eingeholten Sachverständigengutachtens des A vom 31.05.2012 (Bl. 97 – 127 d.A.) einschließlich des Ergänzungsgutachtens vom 12.11.2012 (Bl. 150 – 158 d.A.) in vollem Umfang an.

Nach dem Inhalt der Gutachten und der weiteren erhobenen Beweise steht auch nach Überzeugung des Senats mit der hierfür erforderlichen Sicherheit die zwischen den Parteien streitige Kausalität zwischen dem Unfallereignis und der bei der Klägerin aufgetretenen Beschwerdesymptomatik im Lendenwirbelsäulenbereich fest.

Hinsichtlich der an den Nachweis der Kausalität zu stellenden Anforderungen ist zwischen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität zu unterscheiden. Die Frage, ob sich die Klägerin bei dem Unfall überhaupt eine Verletzung zugezogen hat (Primärverletzung), deren Nachweis nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den strengen Anforderungen des Vollbeweises gemäß § 286 ZPO unterliegt (vgl. BGH-Urteil vom 28.01.2003 – Az. VI ZR 139/02, veröffentlicht in VersR 2003, 474 = NJW 2003, 1116 ), steht zwischen den Parteien nicht im Streit, da die Beklagten ihre – grundsätzliche – 100prozentige Eintrittspflicht aufgrund der schuldhaften Herbeiführung des Unfalles durch den Beklagten zu 1) nicht in Abrede stellen. Die Primärverletzung steht daher zur vollen Überzeugung des Senats im Sinne des § 286 ZPO nach dem hierfür erforderlichen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit zweifelsfrei fest.

Für Anspruchsvoraussetzungen die nicht den Grund, sondern den Haftungsumfang betreffen, unterliegt der Tatrichter hingegen nicht den strengen Anforderungen des Wahrheitsbeweises gemäß § 286 ZPO (vgl. Zöller/Greger, ZPO 30. Aufl., § 287 Rz. 1 mit Rechtssprechungsnachweisen). Vielmehr gelten nach ständiger Rechtsprechung für die Frage der Kausalität zwischen dem konkreten Haftungsgrund und der Schadensfolge Beweiserleichterungen gemäß § 287 ZPO (BGH in NJW 92, 3298 ). Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität genügt für die Überzeugungsbildung des Gerichts eine – je nach Lage des Einzelfalles – höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit eines kausalen Schadens.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz geht der Senat von einer seine Überzeugungsbildung tragenden hohen Wahrscheinlichkeit der Unfallursächlichkeit – auch – des von der Klägerin erlittenen Bandscheibenvorfalles aus.

Der Sachverständige hat es als sehr wahrscheinlich angesehen, dass bei der Klägerin ein klinisch „stumm“ gebliebener Bandscheibenvorfall vor dem Unfall vorgelegen und das unfallbedingte Trauma die streitgegenständlichen Beschwerden ausgelöst hat.

Entgegen der Annahme der Beklagten hat der Sachverständige A die „Behauptung der Verschlechterung“ auch nicht „allein mit deren Auftreten“ begründet. Vielmehr hat er den Ursachenzusammenhang ausführlich und für den Senat gut nachvollziehbar zum einen damit begründet, dass der konkrete Unfall geeignet sei, bei einem bereits vorbestehenden – keine Beschwerden verursachenden – Bandscheibenvorfall, nach dem Unfallereignis Beschwerden hervorzurufen. Darüber hinaus hat der Sachverständige ebenfalls nachvollziehbar dargelegt, dass die bei der Klägerin bestehenden Vorerkrankungen (verengter Spinalkanal und beginnende Ostheochondrose), welche oft „klinisch stumm“ blieben und keine Beschwerden verursachten, auch für die vorliegend erst mehrere Wochen nach dem Unfallereignis aufgetretene Beschwerdesymptomatik ursächlich sein können. In seiner Einschätzung sieht sich der Sachverständige auch durch die weiteren in den Akten befindlichen anamnestischen Erhebungen bestätigt.

Doch selbst dann, wenn der Senat zu der Überzeugung gekommen wäre, dass der Bandscheibenvorfall nicht – unmittelbar – durch das Unfallereignis ausgelöst worden ist, so stünde doch mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit fest, dass der vom Beklagten zu 1) verschuldete Unfall, den bei der Klägerin bereits „angelegten“ Gesundheitsschaden erst hervorgerufen bzw. erheblich verschlimmert hat (zur Haftungsgrenze einer derartigen Verschlimmerung, auch bei bloßer Mitursächlichkeit, vgl. BGH NJW-RR 2005, 945 ).

Zu Recht hat es das Landgericht nach Vernehmung des Zeugen B und auf Grund mit den Anlagen K 9 und 10 vorgelegten Bescheinigungen der Hausärztin der Klägerin sowie deren Krankenkasse als erwiesen angesehen, dass die Klägerin vor dem Unfallereignis im Lendenwirbelbereich absolut beschwerdefrei gewesen ist und gegenüber den behandelnden Ärzten niemals über Rückenprobleme geklagt hat. In ihrer Haushaltsführung war die Klägerin zuvor nicht eingeschränkt. Die Beeinträchtigungen traten vielmehr erstmals nach dem streitgegenständlichen Unfall auf. Bereits dieser zeitliche Zusammenhang lässt mit der nach § 287 ZPO zu fordernden Sicherheit darauf schließen, dass der Unfall die Beschwerden ausgelöst oder zumindest mitverursacht hat.

Völlig zu Recht hat die Klägerin daher auch darauf hingewiesen, dass ein Schädiger auch für bereits vor einem Schadensereignis vorhandene – symptomlose – Verletzungen oder Verschleißerscheinungen haftet, wenn nach dem anzulegenden Beweismaß im Sinne des § 287 ZPO von der unfallbedingten Kausalität für den erstmaligen – späteren – Beschwerdeeintritt auszugehen ist.

Nach Aktenlage sind für den Senat keine konkreten anderweitigen Ursachen für die aufgetretenen Bandscheibenbeschwerden zu erkennen. Die rein theoretisch bestehende Möglichkeit eines anderweitigen Auslösers steht der Überzeugung des Senats von dem vorliegend bestehenden – konkreten – unfallbedingten Ursachenzusammenhang nicht entgegen.

Die mit der Berufungsbegründung im zweiten Rechtszug von den Beklagten aufgestellten Behauptungen, dass es bei einem „stummen“ Bandscheibenvorfall grundsätzlich so sei, dass dieser entweder unmittelbar nach dem streitgegenständlichen Trauma zu Beschwerden führe, ansonsten das erlittene Trauma nicht Ursache der Verschlimmerung gewesen sein könne, und die „medizinische Erfahrung zeige“, dass je länger das Trauma vom ersten Auftreten der Beschwerden auf Grund eines „stummen“ Bandscheibenvorfalls zeitlich entfernt sei, es umso unwahrscheinlicher erscheinen lasse, dass das Trauma die Verschlechterung verursacht habe, sind als verspätet anzusehen, da sie erstmalig im 2. Rechtszug vorgetragen worden sind. Dem auf die Erforderlichkeit der Einholung eines Obergutachtens abzielenden Vorbringen, dem die Klägerin mit der Berufungserwiderung vom 19.05.2014 (Bl. 72 d.A.) entgegen getreten ist, muss der Senat daher nicht nachgehen. Es handelt sich insoweit um neue – nicht zuzulassende – Verteidigungsmittel, welche die Beklagten, auf Nachlässigkeit beruhend, im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht haben (§ 531 Abs. 2 Ziff. 3. ZPO). Nach Erhalt des Sachverständigengutachtens einschließlich des Ergänzungsgutachtens hätten die Beklagten vor Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug hinreichend Gelegenheit gehabt, entsprechend ergänzend vorzutragen.

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Ebenfalls aus Verspätungsgründen nicht zu berücksichtigen ist das nach Ablauf der – verlängerten – Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz der Beklagten vom 6.3.2014 (Bl. 266/267 d.A.) enthaltene – streitige – neue Vorbringen zum Haushaltsführungsschaden und dem von der Klägerin ebenfalls geltend gemachten Feststellungsanspruch.

Dies gilt entgegen der Ansicht der Beklagten unabhängig davon, dass sie im Rahmen der Berufungsbegründung vom 13.2.2014 auf ihren erstinstanzlichen Vortrag – pauschal – Bezug genommen haben. Nach der herrschenden Ansicht in der Rechtsprechung stellt die pauschale Bezugnahme auf Sachvortrag oder Rechtsausführungen im ersten Rechtszug keine ausreichende Berufungsbegründung dar (BGHZ 7, 170; NJW-RR 91, 1186; NJW 93, 3333; 95, 1560; NJW-RR 96, 572).

Den Parteien wird Gelegenheit gegeben, sich zu der beabsichtigten Berufungszurückweisung und zur Streitwertfestsetzung schriftsätzlich bis zum 05.02.2015 zu äußern.

Die Beklagten werden zusätzlich auf die Möglichkeit einer kostenprivilegierten Berufungsrücknahme (2 statt 4 Gerichtsgebühren) vor einer abschließenden Entscheidung des Senats im Beschlusswege hingewiesen.

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