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Herausgabeklage kann nicht mit Klage auf Nutzungsuntersagung kombiniert werden

AG Hamburg-Blankenese, Az.: 531 C 44/12, Urteil vom 17.12.2014

1. Der Beklagte wird verurteilt, den vom Sachverständigen B. in dessen Gerichtsgutachten vom 14.1.2014 … 4 qm beschriebenen Teil des Grundstücks der Klägerin, Flurstück …13; gem. Lageplan zum Gutachten um Süden durch die Grundstücksgrenze des Flurstücks … 13 und …5 im Norden durch die Stützmauer der Klägerin und im Osten durch den Sichtschutz aus Schilfrohrmatten begrenzt frei von beweglichen Einrichtungsgegenständen herauszugeben, sowie den auf dem Grenzstück der Klägerin errichteten Sitzschutzzaun aus Schilfrohrmatten zu entfernen.

2. Im Übrigen werden die Klaganträge – soweit nicht zurückgenommen – abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 3/4 der Beklagte 1/4.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Herausgabe- und Beseitigungsverpflichtung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,– Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in selber Höhe leistet. Die wechselseitige Vollstreckung wegen der Kosten kann der jeweilige Vollstreckungsschuldner durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in selber Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien sind seit Jahrzenten zerstrittene Grundstücksnachbarn … .

Die Klägerin ist Eigentümerin der Flurstücke … 13 und 15…

Seit 2002 ist der Beklagte Eigentümer des zwischen den beiden klägerischen Grundstücken liegenden Flurstücks … 5.

Hinsichtlich der Grundstückslage wird auf den als Anlage K 3 (Bl. 8 d.A.) vorgelegten Auszug aus dem Liegenschaftskataster verwiesen.

Der Beklagte betreibt auf seinem – früher auf dem im Eigentum seiner Mutter … stehenden – Nachbargrundstück das Café „S.“.

In Herbst 2003 wurde das Gebäude des „S.“ durch eine Terrassenüberdachung auf einem Holzständerwerk mit flach geneigtem Pultdach erweitert. Auf die als Anlagenkonvolut K 4 (Bl. 99 ff d.A.) vorgelegten Fotos wird verwiesen.

Im Rahmen eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Hamburg, Aktenzeichen 9 K 824/07 wurde vom Sachverständigen B. am 18.11.2009 der als Anlage K 1 vorgelegte Lageplan erstellt.

Die Klägerin hat der Errichtung der Terrassenkonstruktion niemals zugestimmt. Eine Baugenehmigung hatte der Beklagte nicht.

Mit Anordnung vom 3.6.2010 wurde zur Herstellung ordnungsgemäßer Zustände nach der HBauO gegen die Mutter des Beklagten eine Beseitigungsanordnung erlassen. Wegen des Inhalts wird auf die Anlage K 6 (Bl. 17 ff d.A.) verwiesen.

Der Widerspruchsbescheid vom 21.7.2011 richtet sich an den Beklagten. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen und die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufrecht erhalten. Wegen des Inhalts des Bescheids wird auf die Anlage K 7 (Bl. 20 ff d.A.) verwiesen.

Die Klägerin behauptet, ein Rückbau sei trotz des Widerspruchsbescheids bis zur Zustellung der Klage am 7. Mai 2012 nicht erfolgt.

Die in den ursprünglichen Klaganträgen 1 – 3 genannten Überbauten des Beklagten sollten vielmehr noch am Tag der mündlichen Verhandlung (7.11.2012) vorhanden sein.

Die Klägerin verweist ergänzend darauf, dass bereits 2006 der Vermesser H. und Partner (vgl. Anlage K 14, Bl. 79 d.A.) die Überbauung des Beklagten festgestellt habe.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe nicht nur die nichtüberbaubare Abstandsfläche, sondern auch noch die Grenze zum Grundstück der Klägerin überbaut. Dies sei zumindest grob fahrlässig, wenn nicht gar vorsätzlich geschehen.

Die Klägerin werde – sobald der Rückbau erfolgt sei – schon aus Sicherheitsgründen dort einen eigenen Zaun setzen.

Die Klägerin hat den ursprünglichen Klagantrag 1 vom 3.2.2012 am 21.2.2014 für erledigt erklärt.

Die ursprünglichen Klageanträge 2 und 3 vom 3.2.2012 hat die Klägerin am 23.6.2014 zusammengefasst und beantragt nunmehr den Beklagte zu verurteilen, den vom Sachverständigen B. in seinem Gutachten vom 14.1.2014 mit ca.4 qm beschriebenen Teil des Grundstücks der Klägerin (Flurstück … 13), der von dem Beklagten als nichtüberdachte Terrasse genutzt wird (gemäß Lageplan zum Gutachten im Süden durch die Grundstücksgrenze des Flurstücks … 13 und … 5, im Norden durch die Stützmauer der Klägerin und im Osten durch den vom Beklagten errichteten Sichtschutz aus Schilfrohrmatten begrenzt) nach Beseitigung der dort befindlichen Bepflasterung sowie der dort befindlichen Einrichtungsgegenstände herauszugeben sowie den insgesamt auf dem Grundstück der Kläger errichteten Sichtschutz aus Schilfrohrmatten zu entfernen.

Der ursprüngliche Klagantrag 4 wurde, soweit er sich auf den ursprünglichen Klagantrag 1 vom 3.2.2012 bezog, für erledigt erklärt. Des Weiteren beantragt die Klägerin nunmehr den Beklagten zu verurteilen, den Betrieb des Kaffeegartens einzustellen, soweit dieser unter Nutzung der nach dem Klagantrag zu 2 (neu) herauszugebenden Grundstücksfläche des Flurstücks … 13 stattfindet.

Der ursprüngliche Antrag 5 wurde vor Zustellung der Klage am 5.4.2012 zurückgenommen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist darauf, dass ein erledigendes Ereignis seit Anhängigkeit der Klage nicht stattgefunden habe. Zumindest seien seit Rechtshängigkeit (7.5.2012) keine baulichen Veränderungen im Grenzbereich durch oder auf Veranlassung des Beklagten erfolgt.

Der Handwerker F. habe seine Arbeiten ausgehend von der Vermessung B. bereits am 24./26.1.2012 durchgeführt (vgl. Sitzungsprotokoll vom 7.11.2012, Bl.82 d.A.).

Der Beklagte behauptet, ein von der Klägerin veranlasster Überbau auf dem Flurstück … 5 des Beklagten durch die Stützmauer aus Natursteinen sei nach wie vor vorhanden.

Der Beklagte ist der Auffassung, das Verhalten der Klägerin sei schikanös. Es handele sich hier um eine Bagatellsache. Die Klägerin könne die herausverlangte Fläche aufgrund der örtlichen Gegebenheiten gar nicht selbst nutzen.

Da die Klägerin nach der Grenzüberschreitung durch die Terrassenbebauung nicht sofort Widerspruch erhoben habe, müsse sie den Überbau nunmehr gemäß § 912 BGB dulden.

Aus dem Lageplan des Sachverständiges H. (Anlage B 3, Bl. 67 d.A.) ergäbe sich im Übrigen, dass die Klägerin ihr Grundstück unterhalb des Steilhangs bereits vollständig eingezäunt habe, d.h. nicht erst noch einen Zaun setzen müsse.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 7.11.2012 durch Einholung eines Vermessungsgutachtens durch den Sachverständigen B..

Insoweit wird auf das Gutachten vom 14.1.2014 iVm dem am 19.12.2013 ergänzenden Lageplan vom 18.11.2009 verwiesen (Bl. 90 ff d.A.).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie die Erörterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung.

Mehrfache Einigungsversuche zwischen den Parteien sind nicht unerwartet gescheitert.

Entscheidungsgründe

1.

Die Klage ist unzulässig, soweit mit Klagantrag 4 eine gegenständlich beschränkte Nutzungsuntersagung hinsichtlich einer mit dem neuen Antrag 2 herausverlangten Teilfläche vom Beklagten beansprucht wird.

Insoweit fehlt das Rechtsschutzinteresse. Mit dem erfolgreichen und in der Zwangsvollstreckung durchgesetzten Herausgabeverlangen endet automatisch – insoweit muss nicht erneut das Gericht bemüht werden – die Nutzung als Teil des Kaffeegartens. Insoweit fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.

Wäre die Auffassung der ursprünglichen Klägervertreter richtig, dann könnte bei jedem Räumungsprozess in Mietesachen zugleich auch noch verlangt werden, dass der Mieter die Fortsetzung der Nutzung als Mieträume unterlässt. Auf diese Idee ist zum Glück noch niemand gekommen.

Im Übrigen ist die Klage zulässig; dies gilt auch für die Erledigungserklärungen.

Auch eine nur teilweise einseitige Erledigungserklärung ist bei Teilbarkeit des Klaganspruchs möglich (vgl. Prütting/Gehrlein ZPO 6. Aufl. § 91 a Rn. 63).

Herausgabeklage kann nicht mit Klage auf Nutzungsuntersagung kombiniert werden
Symbolfoto: Von Koldunova Anna /Shutterstock.com

Die einseitige Erledigungserklärung des ursprünglichen Klagantrags 1 bedeutet in der Sache eine Klagänderung im Sinne des § 264 Nr.2 ZPO, die zulässig ist. Die Klägerin konnte hier vom ursprünglichen Leistungsantrag auf einen Feststellungsantrag der darauf gerichtet ist, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, umstellen. Diese Behandlung der einseitigen Hauptsacheerledigungserklärung entspricht der ganz herrschenden Meinung (vgl. Prütting/Gehrlein ZPO § 91 a Rn. 46).

2.

Die Klage ist jedoch nur im tenorierten Umfange begründet.

2.1 Die Klägerin kann gestützt auf § 985 BGB die im Gutachten vom 14.1.2014 erwähnte und zeichnerisch dargestellte ca.4 qm große Fläche vom Beklagten herausverlangen.

Die Klägerin ist Grundstückseigentümerin der herausverlangten Fläche. Der Beklagte ist – unabhängig von der Nutzung als Teil des Kaffeegartens – Besitzer im Rechtssinne, und zwar ohne ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB zu haben.

Herausgabe kann die Klägerin unabhängig davon beanspruchen, ob und wie der kleine Grundstücksteil vom Beklagten genutzt wird.

Herausgabe bedeutet die Übertragung des unmittelbaren Besitzes der Grundstücksfläche. § 985 BGB beinhaltet keine Beseitigungsansprüche.

Gestützt auf § 985 BGB kann die Klägerin die „Auskehrung“ der Grundstücksteilfläche dergestalt verlangen, dass der Beklagte den unmittelbaren Besitz an dieser Fläche aufgibt und aktiv dafür sorgt, dass die Klägerin den unmittelbaren Besitz erhält.

Gestützt auf § 1004 BGB kann die Klägerin vom Beklagten verlangen, dass dieser die Teilfläche geräumt durch von ihm aufgestellte beweglichen Sachen herausgibt.

 

Die Ansprüche aus den §§ 985, 1004 BGB sind hier weder verwirkt noch gemäß § 197 Abs.1 Nr.1 BGB verjährt.

Soweit die Klägerin vom Beklagten auch die Beseitigung der Pflasterung verlangt, ist nicht dargelegt, dass insoweit der Beklagte als Handlungsstörer – obwohl er erst 2002 das Eigentum erlangt hat – passivlegitimiert ist.

Als Rechtsnachfolger wäre der Beklagte lediglich Zustandsstörer. Dies bedeutet, er müsste allenfalls die Entfernung der Pflasterung durch die Klägerin nach Besitzrückgabe/Eigentumsherausgabe dulden. Dies ist aber vorliegend nicht beantragt.

Schon deshalb musste der Satzteil „nach Beseitigung der dort befindlichen Bepflasterung“ der Klagabweisung anheimfallen.

2.2 Die übrigen Anträge der Klägerin sind unbegründet.

Der ursprüngliche Antrag 1 in der Fassung als Feststellungsantrag vom 21.2.2014 hat sich nicht nach Rechtshängigkeit durch Rückbau in der Hauptsache erledigt. Der Beklagte hat noch in der Sitzung vom 7.11.2012 unwiderlegt vorgetragen, dass es die Handwerkerfirma F., die in Anlage B 2 (Bl.46 d.A.) abgerechneten Arbeiten Ende Januar 2012 d.h. vor Fertigung der Klageschrift erbracht hat. Hierfür spricht auch das Rechnungsdatum vom 5.2.2012.

Die Leistungsbeschreibung deutet im Übrigen darauf hin, dass hier zwischen dem 24.1. und 26.1.2012 aufgrund des ersten Vermessungsgutachtens B. ein Rückbau der Überdachung erfolgte, der insgesamt mit Euro 2.320,53 abgerechnet wurde.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92, 269 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708Nr.11, 711 ZPO.

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