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Coaching-Vertrag im Internet ohne Zulassung der stattlichen Zentralstelle für Fernunterricht nichtig

Die rechtliche Gültigkeit von Coaching-Verträgen, die im Internet abgeschlossen werden, steht im Fokus der Betrachtung, wenn die Anbieter solcher Dienste keine entsprechende Zulassung für Fernunterricht vorweisen können. Hierbei stellt sich die Frage, ob solche Verträge als Fernunterrichtsverträge im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) zu betrachten sind und somit einer Zulassung bedürfen. Die zentrale Problemstellung dreht sich um den Schutz der Teilnehmenden vor möglichen unseriösen Angeboten und die Sicherstellung der Qualität von Online-Lehrgängen.

Dabei spielt auch die Rolle des Vertragspartners, ob als Verbraucher oder Unternehmer, eine entscheidende Rolle in der rechtlichen Bewertung. Das Kernthema umfasst somit die rechtliche Einordnung von Coaching-Verträgen im Internet, die Anforderungen an die Zulassung und die damit verbundenen Konsequenzen für die Vertragsparteien.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 304 O 277/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Coaching-Verträge im Internet stehen rechtlich in Frage, wenn die Anbieter solcher Dienste keine Zulassung für Fernunterricht vorweisen können.
  • Entscheidend ist die Frage, ob diese Verträge als Fernunterrichtsverträge im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) einzustufen sind.
  • Eine Zulassung für Fernlehrgänge erfolgt durch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) und bedarf einer Überprüfung alle drei Jahre.
  • Ein Fernunterrichtsvertrag ohne die erforderliche Zulassung ist laut § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig.
  • Es spielt keine Rolle, ob der Vertragspartner bei Vertragsschluss als Verbraucher oder Unternehmer auftritt.
  • Ein Urteil hat festgestellt, dass ein „Coaching“-Vertrag als Fernunterrichtsvertrag eingestuft wurde und daher eine Zulassung nach dem FernUSG erforderlich ist.
  • Auch wenn die Technologien und Methoden des Unterrichts sich verändert haben, bleibt die rechtliche Situation und Bewertung eines Vertrags Sache des Gerichts.

Streit um Online-Coaching-Vertrag

Im Mittelpunkt des Urteils des Landgerichts Hamburg (LG Hamburg) steht ein Streit um Ansprüche aus einem sogenannten „Coaching„-Vertrag, der über das Internet abgeschlossen wurde. Die Klägerin, die das Coaching anbot, verfügt nicht über eine Zulassung gemäß § 7 Abs. 1 des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG). Der Beklagte hatte bei Vertragsschluss angegeben, als Unternehmer tätig zu werden. Später wurde ein Vollstreckungsbescheid gegen ihn erlassen, gegen den er Widerspruch einlegte. Er argumentierte, dass der Vertrag nichtig sei, da die Klägerin keine Zulassung nach dem FernUSG habe und das Angebot eine unseriöse Coaching-Falle darstelle.

Die rechtliche Problemstellung

Fernunterricht Coaching Zulassung
(Symbolfoto: stoatphoto /Shutterstock.com)

Die rechtliche Auseinandersetzung wurde durch die Klage der Klägerin ausgelöst, die Ansprüche aus dem Coaching-Vertrag geltend machen wollte. Das rechtliche Problem liegt in der Frage, ob der Vertrag als Fernunterrichtsvertrag einzustufen ist und ob die Klägerin die erforderliche Zulassung benötigt. Hierbei sind die Bestimmungen des FernUSG und die Definition von Fernunterricht zentral. Es galt zu klären, ob der Vertrag trotz der Behauptung des Beklagten, als Unternehmer gehandelt zu haben, unter das FernUSG fällt und somit nichtig ist.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht entschied, dass die Klage abgewiesen wird. Es stufte den Coaching-Vertrag als Fernunterrichtsvertrag ein und stellte fest, dass die Klägerin nicht über die erforderliche Zulassung gemäß dem FernUSG verfügte. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass das Angebot der Klägerin den Kriterien für Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG entspricht. Es betonte, dass es irrelevant sei, ob der Beklagte bei Vertragsschluss als Verbraucher oder Unternehmer gehandelt hat, da die Nichtigkeit des Vertrages kraft Gesetzes eintritt.

Fazit und Auswirkungen des Urteils

Die Entscheidung berücksichtigt auch den Schutz der Verbraucher vor unseriösen Angeboten und die Intention des Gesetzgebers, die Qualität von Online-Lehrgängen sicherzustellen. Das Gericht wies darauf hin, dass die Anwendbarkeit des FernUSG nicht von der Verbrauchereigenschaft des Lernenden abhängig ist und dass die Klägerin die Nichtigkeit des Vertrages nicht umgehen kann.

Die Auswirkungen des Urteils könnten weitreichend sein, insbesondere für Anbieter von Online-Lehrgängen und Coaching-Programmen. Es unterstreicht die Notwendigkeit einer Zulassung gemäß dem FernUSG und betont den Schutz der Lernenden vor unseriösen Angeboten, selbst wenn sie als Unternehmer auftreten.

Das Fazit des Urteils ist, dass Coaching-Verträge, die über das Internet abgeschlossen werden und die Kriterien des Fernunterrichts erfüllen, einer Zulassung gemäß dem FernUSG bedürfen. Das Urteil betont die Bedeutung des Verbraucherschutzes und stellt klar, dass die Anforderungen des FernUSG auch dann gelten, wenn der Lernende angibt, als Unternehmer zu handeln.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Welche Voraussetzungen müssen für eine Zulassung gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG erfüllt sein?

Die Zulassung eines Fernlehrgangs gemäß § 7 Abs. 1 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) ist erforderlich, um einen Fernunterrichtsvertrag in Deutschland rechtswirksam abzuschließen. Die Voraussetzungen für eine Zulassung sind in § 12 FernUSG geregelt. Ein Fernunterrichtsvertrag ohne die erforderliche Zulassung ist nichtig.

Die Zulassung eines Fernlehrgangs erfolgt durch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) . Um eine Zulassung zu erhalten, müssen Anbieter von Fernlehrgängen einen Antrag bei der ZFU stellen und dabei eine abgeschlossene Lehrgangsplanung, das im Fernlehrgang verwendete Lernmaterial, den Entwurf eines Vertragsformulars sowie die vorgesehenen Informationsschriften einreichen.

Die Zulassung erfolgt in der Regel unbefristet, aber alle drei Jahre findet eine Überprüfung des Fortbestands des Fernunterrichtsangebots durch die ZFU statt. Wesentliche Änderungen an bereits zugelassenen Fernlehrgängen erfordern ebenfalls eine Zulassung.

Ein Fernunterrichtsvertrag, der von einem Veranstalter ohne die erforderliche Zulassung des Fernlehrgangs geschlossen wird, ist gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig. Dies hat zur Folge, dass der Veranstalter die vereinbarte Vergütung für den Lehrgang nicht durchsetzen kann und diese ggf. an den Teilnehmer zurückzahlen muss, wenn der Teilnehmer die bereits gezahlte Vergütung zurückfordert.


Das vorliegende Urteil

LG Hamburg – Az.: 304 O 277/22 – Urteil vom 19.07.2023

Das Urteil des LG Hamburg  befasst sich mit einem Streit um Ansprüche aus einem „Coaching“-Vertrag. Hier sind die wichtigsten Punkte des Urteils, gegliedert nach den Hauptabschnitten:

Tatbestand:

Die Klägerin bietet Online-Lehrgänge an, durch die hohe Gewinne im „print on demand“ Bereich versprochen werden. Die Klägerin verfügt nicht über eine Zulassung gemäß § 12 FernUSG. Der Beklagte meldete sich für ein Beratungsgespräch an und wurde telefonisch von „B. H.“ (Pseudonym des Vorstands der Klägerin) beraten. Der Beklagte schloss einen Vertrag über ein sechsmonatiges Coaching für 6.366,50 Euro. Der Beklagte widerrief den Vertrag, aber die Klägerin buchte weiterhin Beträge von seinem Konto ab. Die Klägerin behauptet, sie benötige keine Zulassung nach dem FernUSG.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag wird als Fernunterrichtsvertrag qualifiziert. Der Vertrag ist gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 FernUSG nichtig, da die Klägerin nicht über die erforderliche Zulassung verfügt.

Das Gericht stellt fest, dass der Vertrag Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG darstellt. Es ist irrelevant, ob der Beklagte bei Vertragsschluss als Verbraucher oder Unternehmer gehandelt hat. Die Klägerin verfügt nicht über eine Zulassung gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG. Zusammenfassend wurde die Klage abgewiesen, da der zwischen den Parteien geschlossene „Coaching“-Vertrag als Fernunterrichtsvertrag eingestuft wurde und die Klägerin nicht über die erforderliche Zulassung gemäß dem FernUSG verfügte.

Urteil:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem sog. „Coaching“-Vertrag.

Die Klägerin bewirbt unter der Internetadresse “www. h..de“ Lehrgänge, durch die für die Teilnehmenden horrende Gewinne im Bereich „print on demand“ zu erzielen seien. Hierfür bietet die Klägerin verschiedene Coachings an. Über eine Zulassung nach § 12 FernUSG verfügt die Klägerin indes nicht.

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Am 21. März 2022 meldete sich der Kläger für ein unverbindliches Beratungsgespräch zum Thema „Erfolgreiche Online Shops“ unter der Internetadresse „www. h..de“ an. Noch am 21. März 2022 bekam der Beklagte einen Anruf von „B. H.“. Unter diesem Pseudonym agiert der Vorstand der Klägerin im Rahmen ihrer nach außen gerichteter Geschäftstätigkeit. „B. H.“ erläuterte dem Beklagtem in einem längeren Telefonat die Inhalte des Coachings und legte diesem nahe, dass sechsmonatige Coaching „S. M. L. 5“ zu buchen. In diesem sollte der Beklagte in einem „eins-zu eins“-Mentoring den Aufbau eines erfolgreichen E-C.-Unternehmens, welches T-Shirts verkaufen sollte, lernen.

Während des Telefonats einigte sich der Beklagte mit „B. H.“ über den Vertragsschluss zum Preis von 6.366,50,- Euro. Zudem sandte der Vorstand der Klägerin während des Telefonats folgende Nachricht an den Beklagten:

„Möchtest du M. die Masterclass bewusst als Unternehmer zum Aufbau deines online Shops und Gewerbes neben deinem Angestellten Job kaufen?“

Der Beklagte antwortete hierauf:

„Ja“

Der Beklagte schloss dabei mit der C. GmbH einen Vertrag ab. Diese bestätigte gegenüber dem Beklagten mit E-Mail vom 21. März 2022 die Bestellung und ließ dem Beklagten eine Rechnung in Höhe von 6.366,50,- Euro mit Ratenzahlungsplan zukommen.

Der wesentliche Vertragsinhalt des sechsmonatigen Programms bestand aus dem Zugang zu einem Videokursbereich mit 235 Schulungsvideos mit etwa 40 Stunden Videomaterial. Zudem gibt es das Angebot von drei wöchentlichen Zoom-Meetings á 2 Stunden mit dem „B. H.“, dem Vorstand der Klägerin. Zu einem Zoom-Meeting der Parteien kam es indes nicht.

Mit E-Mail vom 3. April 2022 erklärte der Beklagte gegenüber der C. GmbH den Widerruf des Vertrags. Die C. GmbH wies den Widerruf zurück und buchte bis zum 31. Mai 2022 weiterhin Beträge vom Konto des Beklagten ab. Anschließend kam es zu keinen weiteren Abbuchungen, stattdessen trat die C. GmbH ihre Ansprüche an Frau K. ab. Diese beauftragte daraufhin einen Inkasso Dienst zur Durchsetzung der Forderung. Hierdurch entstanden der Klägerin Kosten in Höhe von 421,40,- Euro. Auch auf mehrere Mahnungen seitens des Inkassounternehmens zahlte der Beklagte indes nicht.

Die Klägerin ist der Meinung, eine Zulassung nach dem FernUSG sei für ihr Angebot nicht erforderlich. Schließlich finde das Fernunterrichtsgesetz auf den vorliegenden Vertrag keine Anwendung. Dies habe ihr auch ein Mitarbeiter der stattlichen Zentralstelle für Fernunterricht bestätigt. Zudem überwiege hier vorliegend – auf sechs Monate hochgerechnet – der Anteil des Coachings mit (angebotenen) 144 Stunden dem angebotenen 40stündigen Videomaterial erheblich. Daher seien der Lehrende und der Lernende auch nicht überwiegend räumlich getrennt.

Zudem sei es widersprüchlich, dem Beklagten, der bei Vertragsschluss angegeben habe, als Unternehmer tätig zu werden, in Form des FernUSG Verbraucherschutz zu gewähren. Schließlich habe sich der Beklagte als Existenzgründer in den unternehmerischen Geschäftsverkehr begeben und habe damit nicht mehr als Verbraucher agiert. Hierfür spreche auch, dass das streitgegenständliche Coaching vom Titel und Inhalt her objektiv auf Unternehmer und nicht auf Verbraucher zugeschnitten sei.

Am 03. November 2022 hat zunächst Frau K. beim Amtsgericht W. einen Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids in Höhe von 7.710,01,- Euro gestellt. Am 4. November 2022 hat das Mahngericht im betriebenen Mahnverfahren sodann einen Vollstreckungsbescheid erlassen, der dem Beklagten am 8. November 2022 zugestellt wurde. Mit bei dem Mahngericht am 18. November 2022 eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte einen (verspäteten) Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt, der vom Mahngericht als Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid gewertet wurde.

Mit Schreiben vom 23. März 2023 teilte Frau K. sodann mit, dass sie ihr Einzelunternehmen mit (Rück-)Wirkung zum 16. Mai 2022 in die Klägerin eingebracht habe, woraufhin antragsgemäß das Rubrum berichtigt wurde.

Die Klägerin beantragte zunächst den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts W. vom 04. November 2022 mit der Nummer … aufrechtzuerhalten.

Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2023 nahm die Klägerseite – in Hinblick auf eine Zahlung des Beklagten in Höhe von 357,00 Euro – den Vollstreckungsbescheid in dieser Höhe zurück und beantragt nunmehr,

den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts W. vom 04. November 2022 mit der Nummer … unter Reduzierung von 357,00 Euro aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte beantragt:

Der Vollstreckungsbescheid wird aufgehoben und die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

Der Beklagte behauptet, er sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses arbeitslos gewesen. Zudem habe er keine Kenntnis davon gehabt, dass der Vertragsschluss mit der C. GmbH erfolgte. Mit dieser habe er keinen Vertrag schließen wollen.

Die Beklagte ist der Meinung, der Vertrag sei bereits nichtig, da die Klägerin über keine Zulassung nach dem FernUSG verfüge. Zudem handele es sich vorliegend um eine unseriöse Coaching-Falle, da das Angebot tatsächlich kein echtes Coaching umfasse, sondern ein Videokurs mit Inhalten umfasse, die man auch ohne Weiteres im Internet erhalte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Rechtsstreit war infolge des Einspruchs des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid vom Amtsgericht W. nach §§ 700 Abs. 1, 342 ZPO im streitigen Verfahren fortzusetzen. Der Einspruch ist gem. §§ 700 Abs. 1, 338 ZPO statthafter Rechtsbehelf gegen den Vollstreckungsbescheid. Er erfolgte auch fristgerecht, denn er ist nach §§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist bei dem Mahngericht eingegangen.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch aus dem „Coaching“ Vertrag zu, da dieser Vertrag gem. § 7Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 FernUSG nichtig ist. Schließlich handelt es sich bei dem Angebot der Klägerin um einen Fernunterrichtsvertrag (hierzu 1.), für den die Klägerin nicht über die erforderliche Zulassung gem. § 7 Abs. 1 FernUSG verfügt (hierzu 2.)

1.

Bei dem von der Klägerin angebotenen Coaching handelt es sich – entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin – um Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG.

a) Nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 FernUSG ist Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind (Nr. 1) und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen (Nr. 2).

b) Bei der Auslegung des Gesetzes und der Qualifikation des streitgegenständlichen Lehrgangs war die Intention des Gesetzgebers beim Erlass des FernUSG zu berücksichtigen. Dieser wollte wegen eines gestiegenen Interesses an Fernlehrgängen den Verbraucherschutz in diesem Bereich stärken. Insbesondere waren Mängel beim Angebot von Fernlehrgängen dergestalt festgestellt worden, dass Angebote von geringer methodischer und fachlicher Qualität angeboten wurden, die nicht geeignet waren, das in der Werbung genannte Lehrgangsziel zu erreichen.

Die bislang geltenden Rechtsvorschriften waren als nicht hinreichend angesehen worden, da sie nicht die besondere Situation eines Fernunterrichtsinteressenten berücksichtigten, der immer Schwierigkeiten haben wird, seine eigenen Fähigkeiten, die Qualität des angebotenen Fernlehrgangs und dessen Eignung für seine Bedürfnisse einzuschätzen. Insbesondere konnten sie zur Verhinderung des für den Fernunterricht typischen „Schadens“, nämlich Enttäuschung der Bildungswilligkeit, weniger beitragen (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2009, NJW 2010, 608).

Diese Intention des Gesetzgebers findet auch in der Formulierung des FernUSG ihren Niederschlag. So regelt § 8 FernUSG ein Umgehungsverbot, wonach §§ 2 bis 7 des Gesetzes auf Verträge, die darauf abzielen, die Zwecke eines Fernunterrichtsvertrages in einer anderen Rechtsform zu erreichen, entsprechende Anwendung finden. Die Kammer war daher gehalten, das Gesetz weit auszulegen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 15. Februar 2022 – 102 O 42/21 –, Rn. 29 – 30, juris). Hiervon ausgehend war der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag als Fernunterrichtsvertrag zu qualifizieren.

c) Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 FernUSG waren erfüllt. Schließlich sah das gesamte „Kurskonzept“ der Klägerin vor, dass der Lehrende und er Lernende räumlich getrennt sind, da das Coaching ausschließlich Online – mittels Video-Coaching und Lernvideos – stattfinden sollte.

Dem steht insbesondere die Rechtsmeinung der Beklagten entgegen, dass die Coachingmodule – die einen deutlichen Schwerpunkt des „Kurskonzepts“ ausmachen, trotz der Videoübertragung keinen Fall der räumlichen Trennung darstellen.

Zwar sieht die Kammer, dass Teile der (spärlichen) Literatur und Rechtsprechung zum FernUSG die Teilnahme mittels Videokonferenz nicht als Fall einer räumlichen Trennung i.S.d. § 1 FernUSG ansehen, da es auf den direkten Kontakt zwischen Lehrendem und Lernendem bei der Wissensvermittlung ankomme (vgl. VG München, Urt. v. 14.0 September 1988 – M 6 K 86.7044 – NVwZ-RR 1989, 473; Nomos-BR/Vennemann FernUSG/Michael Vennemann, 2. Aufl. 2014, FernUSG § 1 Rn. 10).

Hiergegen spricht jedoch bereits der Wortlaut des § 1 FernUSG, welcher einzig und allein auf eine räumliche Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden abstellt. Auch das OLG Köln geht in einer Entscheidung in einer Bußgeldsache dann von einer räumlichen Trennung aus, wenn weniger als die Hälfte des Lehrgangsstoffes im herkömmlichen Nah- oder Direktunterricht vermittelt würde (OLG Köln, Beschl. v. 24. November 2006 – 81 Ss-OWi 71/06 – 210 B Rn. 10).

Auch der Gesetzesbegründung ist keine derartig weite Auslegung des Wortlauts und damit einhergehende Einschränkung des Anwendungsbereichs des FernUSG zu entnehmen. So heißt es dort hinsichtlich der überwiegenden Trennung von Lernenden und Lehrenden, dieses Merkmal grenze

„den Fernunterricht einerseits gegenüber dem herkömmlichen Unterricht ab, der sich nur ausnahmsweise eines Mediums bedient, um eine ebenfalls nur in Ausnahmefällen vorhandene, unerhebliche räumliche Trennung von Lehrer und Schüler zu überbrücken (z. B. Tonübertragung in einen anderen Unterrichtsraum oder ein anderes Gebäude), und der jedenfalls weniger als die Hälfte des gesamten Lehrstoffs einer Unterrichtseinheit ohne die genannte räumliche Trennung anbietet“ (BT-Drs. 7/4245, S. 14).

Ein Fall der räumlichen Trennung war somit auch etwa eine Tonübertragung in einen anderen Unterrichtsraum bzw. ein anderes Gebäude. Dabei ist zwar zu sehen, dass Techniken der Videokonferenz zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu erahnen waren. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass die Gesetzesbegründung auf eine räumliche Trennung im Wortsinne abstellt, ungeachtet technischer Möglichkeiten der Teilnahme am Unterricht – wenn auch nur durch Audioübertragung – aus Nebenräumen.

Dabei sieht das Gericht zwar auch, dass die Zeit augenscheinlich über das FernUSG hinweggegangen ist. Gleichzeitig ist hier – erneut – der bereits geschilderte Sinn und Zweck des FernUSG in den Blick zu nehmen. Schließlich war es insbesondere auch ein – augenscheinlich auch in der Gegenwart bedeutsames – Anliegen des Gesetzes, die teilweise mangelnde Seriosität der Fernlehrinstitute zu beheben (Fernunterrichtsschutzgesetz, Einleitung Rn. 7, beck-online).

d) Zudem sieht der streitgegenständliche Vertrag Lernerfolgskontrollen im Sinne des § 1 Nr. 2 FernUSG vor. Dabei handelt es sich um ein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zu reinen Selbstlernmaterialien. Lernerfolgskontrolle ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der vom BGH in seiner Entscheidung vom 15. Oktober 2009 (III ZR 310/08, NJW 2010, 608) konkretisiert wurde. Danach sind nur geringe Anforderungen an die Lernerfolgskontrolle zu stellen. Es reicht die Möglichkeit aus, dass Teilnehmende im Rahmen der von dem Anbieter z.B. organisierten Informationsveranstaltungen oder begleitenden Unterrichtsveranstaltungen Fragen stellen und anhand der Antworten ihren Lernfortschritt feststellen können, um eine Lernerfolgskontrolle zu bejahen. Für die Lernerfolgskontrolle waren dabei die Zoom-Calls mit dem Vorstand der Klägerin persönlich vorgesehen.

Hierfür ist auch gerade nicht notwendig, dass innerhalb des Gesprächs eine gezielte Wissensabfrage durch den Lernenden vorgesehen ist, beispielsweise durch vorbereitete Kontrollfragen. Es genügt bereits, dass ein persönlicher Austausch zwischen Lernendem und Lehrendem vorgesehen ist, in dessen Rahmen die Möglichkeit zu Rückfragen im Kontext der Lerninhalte besteht. Es muss davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der Gespräche mit dem Vorstand der Klägerin auch Themen im Kontext des Coaching-Programms besprochen werden, die sich (un-)mittelbar auf Lerninhalte beziehen und in diesem Rahmen auch die Möglichkeit zu Verständnisfragen besteht. Durch den Vergleich der Antwort auf die eigenen Nachfragen können die Coaching-Teilnehmer den eigenen Wissensstand überprüfen und nachvollziehen, ob sie bestimmte Inhalte entsprechend dem Coaching-Konzept bereits im Sinne des Vorstandes der Klägerin hinreichend verstanden haben. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit einer (wenn auch nicht als solchen deklarierten) Lernerfolgskontrolle.

e) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für die Anwendbarkeit des FernUSG zudem weder darauf an, ob der Beklagte bei Vertragsschluss als Verbraucher oder Unternehmer gehandelt hat, noch darauf, ob er sich durch seine Aussagen als Unternehmerin gerierte (vgl. OLG Celle 3. Zivilsenat, Urteil vom 01. März 2023 – 3 U 85/22 – noch nicht rechtskräftig).

Der Wortlaut des FernUSG macht seine Anwendbarkeit nämlich an keiner Stelle von der Verbrauchereigenschaft des Lernenden abhängig. Soweit die Klägerin behauptet, dem Beklagten sei der Schutz durch das FernUSG zu verwehren, da das Gesetz dem Verbraucherschutz diene und der Beklagte sich an dem Rechtsschein halten lassen müsse, den er durch seine Aussage vor dem Vertragsschluss am 21. März 2022 gesetzt habe, verkennt die Klägerin, dass die Rechtsfolge des § 7 Abs. 1 FernUSG, die Nichtigkeit des Vertrages, ohne Geltendmachung eines Gestaltungsrecht durch die Beklagte kraft Gesetzes eintritt. Die Rechtsfolge steht nicht zur Disposition der Parteien; es fehlt damit der Anknüpfungspunkt für den Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens.

f) Zudem erfordert die Subsumtion des streitgegenständlichen Vertrages unter des FernUSG insbesondere auch nicht die Einvernahme des Herrn T. G. von der staatlichen Zulassungsstelle für Fernunterricht als sachverständigen Zeugen. Schließlich liegt die rechtliche Bewertung und Würdigung des streitgegenständlichen Vertrages in den Händen des Gerichts.

2.

§ 7 Abs. 1 FernUSG schreibt eine generelle Zulassungspflicht für alle Fernlehrgänge mit Ausnahme sog. Hobbylehrgänge vor, die lediglich anzeigepflichtig sind (Abs. 1 Satz 3). Die Behauptung des Beklagten, die Klägerin verfüge nicht über eine entsprechende Zulassung, wurde nicht bestritten und ist damit gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen. Auch fehlt von Klägerseite jeder Vortrag dazu, der eine Ausnahme von dem Zulassungserfordernis gem. § 12 Abs. 1 S. 2 in Betracht kommen ließe.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 2 ZPO.

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