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Dieselskandal – Bestreiten der Verwendung einer Abschalteinrichtung in einem Dieselmotor EA 189

LG Oldenburg, Az.: 6 O 3426/18, Beschluss vom 08.07.2019

Gründe

Zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung am 11.07.2019 wird ergänzend auf folgendes hingewiesen.

1. Mit Beschluss vom 19.03.2019 war der Beklagten u.a. aufgegeben worden, sich ausdrücklich dazu zu erklären, dass keinem gegenwärtigen Vorstandsmitglied eine schriftliche oder mündliche Erklärung eines Mitarbeiters vorliegt oder bekannt ist, in welcher die Kenntnis des damaligen Vorstandes (Zeitpunkt Kaufentscheidung der Klägerseite) von der „Betrugssoftware“ konkret behauptet wird. Am 13.04.2019 hat die Beklagte vorgetragen:

Die Beklagte hat dargelegt, dass sie Ermittlungen, welche unter anderem durch externe Kanzleien geführt werden, zur genauen Entstehung der in den EA 189- Motoren zum Einsatz kommenden Software, welche die NOx-Werte auf dem Prüfstand optimiert, eingeleitet hat und diese aufwändigen und kostenintensiven Untersuchungen noch andauern. Sie hat zudem das relevante Ergebnis des jeweils aktuellen Ermittlungsstandes preisgegeben und dargelegt, dass keine Erkenntnisse dafür vorliegen, dass Vorstandsmitglieder der Beklagten im aktienrechtlichen Sinne von der Entwicklung und Verwendung der hier streitgegenständlichen Software in Fahrzeugen mit einer EU-Typengenehmigung Kenntnis hatten oder ihre Entwicklung veranlasst haben.

Dieselskandal
Symbolfoto: Von Lightspruch / Shutterstock.com

In einem Parallelverfahren hat die Beklagte am 20.04.2019 vorgetragen:

Die Beklagte stellt klar, dass nach derzeitigem Ermittlungsstand keine Erklärungen von Mitarbeitern vorliegen, aus denen sich die gesicherte Erkenntnis einer positiven Kenntnis Vorstandes von der Implementierung, der Entwicklung und dem Einsatz der Motorsteuerungssoftware … im maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses ergeben würde.

2. In der Zeit danach wurde gerichtsbekannt, dass die Beklagte die Kanzlei J D schon vor Jahren mit umfangreichen Ermittlungen betraute, was zu Anhörungen zahlreicher Mitarbeiter und zur Sicherstellung von umfangreichen Dokumenten geführt hatte. Auf dieser Grundlage hatte der Aufsichtsratsvorsitzende P in der Hauptversammlung am 11.5.2017 erklärt, es werde insoweit keinen Abschlussbericht geben, weil es für die Beklagte unvertretbar riskant sei. Am 18.6.2019 hat der Vorstandsvorsitzende der Beklagten in der ZDF-Fernsehsendung L – offenkundig i.S.v. § 291 ZPO – erklärt: „Das was wir gemacht haben war Betrug, ja“. Dem Resümee von Herrn L „Vorsätzlicher Betrug.“ stimmte Herr Dr. D durch betontes Schweigen sinngemäß zu (s. dazu die Begründung im Beschluss vom 03.07.2019). Mit Beschluss vom 20.06.2019 wurde ergänzend aufgegeben, zumindest mitzuteilen, wer aus der Sicht von Herrn Dr. D „den“ Betrug begangen habe. In ihrer Stellungnahme vom 02.07.2019 führt die Beklagte aus:

Bezugnehmend auf die Äußerung des Herrn H D … teilt die Beklagte mit, dass diese nicht im rechtstechnischen Sinne zu verstehen ist. Herr D ist kein Jurist und hat sich hier daher gerade nicht juristisch verbindlich positioniert. Die Beklagte weist vorsorglich darauf hin, dass die Aussage außerhalb des Prozesses getätigt wurde und deshalb nicht als Geständnis oder Sachvortrag behandelt werden kann.

Weiterhin ist die Äußerung auch für den hiesigen Rechtsstreit nicht erheblich. Es wird keine Aussage hinsichtlich der Kenntnis bestimmter Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt getroffen….

3. Mit Beschluss vom 3.7.2019 hat das Gericht u.a. ausgeführt, dass in der vordergründig laienhaften rechtlichen Äußerung von Herrn Dr. D zumindest sinngemäß mitgeteilt worden sei, er verfüge über tatsächliche Informationen, die aus seiner Sicht die Schlussfolgerung rechtfertigen, das KBA sei von Mitarbeitern der Beklagten über die Konformität der Abgasreinigungsanlage des Motors gezielt getäuscht worden. Dieses tatsächliche Wissen stehe in Widerspruch zu dem Tatsachenvortrag im Prozess, die Abschalteinrichtung sei (gutgläubig) legal gewesen. Ferner habe Herr Dr. D „den Betrug“ ohne jede Einschränkung dem Unternehmen zugerechnet („wir“). Damit habe er sich in tatsächlicher Hinsicht auch in Widerspruch gesetzt zu dem Prozessvortrag, lediglich die „Programmierer“ der Arbeitsebene hätten – haftungsrechtlich für die Beklagte nicht bindend – „betrogen“.

4. Die Beklagte hat bislang ergänzend nicht vorgetragen, welche „einfachen“ Mitarbeiter anlässlich welcher konkreten Handlung (Entwicklung/Kauf der Software? Implementierung der Software? Entscheidung über Entwicklung/Kauf/Implementierung der Software? Vormalige Antragstellung beim KBA?) betrogen haben. Insoweit steht zu Lasten der Beklagten die „Zurechnung“ einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung über § 831 BGB in Rede. Das Gericht sieht die Beklagte jedenfalls insoweit sekundär darlegungsbelastet. Im Hinblick auf die Exkulpationsmöglichkeit nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB wäre die Beklagte ohnehin darlegungsbelastet.

5. Bezogen auf frühere Vorstandsmitglieder (Zurechnung über § 31 BGB) hat die Beklagte vorgetragen, es lägen keine „gesicherten“ Erkenntnisse vor.

6. Soweit die Beklagte der Auffassung sein sollte, sie müsse lediglich „gesicherte“ Erkenntnisse vortragen, trifft dies nicht zu. Die klagende Partei als primär darlegungspflichtige Partei für beide (Ziff. 4./5.) in Rede stehende Tatsachen hat zu beurteilen, ob sie auf Grundlage des zu substantiierenden „ungesicherten“ Vortrages der Beklagten weiter vorträgt (evtl. nach weiteren eigenen Ermittlungen) und ob sie Beweismittel benennt. Ihr dies zu ermöglichen, ist gerade der zivilprozessual zulässige und gebotene Sinn und Zweck der sekundären Darlegungslast bezogen auf interne Vorgänge bei der Beklagten. Das Prozessrecht strebt trotz des Beibringungsgrundsatzes an, möglichst über den wahren Sachverhalt zu entscheiden und nicht über einen fiktiven. Dies wird bereits daran deutlich, dass die Parteien der Wahrheitspflicht unterliegen, § 138 Abs. 1 ZPO, was sich selbstredend auch auf die Beklagtenseite im Rahmen ihrer Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 2 ZPO bezieht. Auf Beklagtenseite ist für den Prozessvortrag in tatsächlicher Hinsicht Herr Dr. D als Vorstandsvorsitzender verantwortlich. Und dieser hat öffentlich sinngemäß eingeräumt, tatsächliche Informationen zu haben, dass Mitarbeiter in seinem Unternehmen das KBA getäuscht haben. Die Beklagte wird auf diesem Hintergrund nicht ernsthaft erwarten können, öffentlich von einem Betrug „der Firma“ reden zu können, ohne den Namen des konkreten „Betrügers“ im Prozess nennen zu müssen, damit dann nach Nennung des Namens und der „Tatumstände“ unter Umständen durch das Gericht geklärt werden kann, ob tatsächlich „als gesicherte Erkenntnis“ eine Täuschung vorlag und ob die Beklagte sich dies rechtlich „zurechnen“ lassen muss.

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