DisagiofälleUrteil: OLG Stuttgart
Az.: 8 REMiet 1/83
vom: 26.04.1984
Leitsätze:
Wir anläßlich einer Zinssatzänderung statt eines variablen ein fester Zinssatz in Verbindung mit einem Disagio vereinbart, so kann das Disagio in entsprechender Anwendung des § 5 MGH anteilig auf den Mieter umgelegt werden.
Gründe:
Das Landgericht Tübingen hat mit Beschluß vom 22.4.1983 nach Art. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften die folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt: Ist ein Vermieter berechtigt, ein zur Vermeidung eines höheren variablen Zinssatzes gezahltes Disagio als Kapitalkosten nach § 5 Abs. 1 MHG zu behandeln und anteilig auf die Mieter umzulegen?
Dabei geht es um folgenden Sachverhalt:
Ein am Mietgrundstück hypothekarisch gesichertes Darlehen war bis 31.3.1982 zu 6 % verzinslich. Für die Zeit danach wurde den Vermietern angeboten:
a) Zinssatz 11,5 % variabel, 100% Auszahlung, oder
b) Zinssatz 9 % für 2 Jahre fest, 96,5 % Auszahlung.
Die Vermieter entschieden sich für das 2. Angebot. Die Mieter haben der Mieterhöhung durch Umlage der Zinsen zugestimmt. Im Streit ist, ob auch das Disagio von 3,5 % anteilig umgelegt werden kann. Das Landgericht möchte diese Frage bejahen.
Die Vorlage ist zulässig.
Die Entscheidung des Senats über die vorgelegte Rechtsfrage beruht auf folgenden Erwägungen:
Nach § 5 Abs. 1 MHG (Gesetz zur Regelung der Miethöhe, Bgbl. 1974 I 3603,
zuletzt geändert in BGBl. 1982 I 1912) ist der Vermieter unter den dort näher
festgelegten Voraussetzungen berechtigt, „Erhöhungen der Kapitalkosten, die
… infolge einer Erhöhung des Zinssatzes aus einem dinglich gesicherten
Darlehen fällig werden, .. anteilig auf den Mieter umzulegen“.
Die Umlegung des im Zusammenhang mit einer solchen Zinserhöhung vereinbarten
Disagios wird in der Literatur, soweit sie auf die Frage eingeht, abgelehnt:
Staudinger/Sonnenschein, 12. Aufl., Art. 3 WKSchG, § 5 MHRG, Rdn. 11,
Emmerich/Sonnenschein, Miete, 1983, Art. 3 WKSchG, § 5 MHRG, Rdn. 11, Münchner
Kommentar-Voelskow, Anhang zu § 564 b BGB, § 5 MHG, Rdn. 11, Köhler, Handbuch
der Wohnraummiete, 2. Aufl., § 166, Rdn. 2, Schmidt-Futterer/Blank,
Wohnraumschutzgesetze, 4. Aufl., C 311.
Der Senat vermag diese Auffassung nicht zu teilen. Richtig ist zwar, daß eine
unmittelbare Anwendung des § 5 MHG ausscheidet, weil das Disagio nicht unter
den Begriff der Zinsen zu bringen ist. Der Senat hält aber eine entsprechende
Anwendung der Vorschrift für geboten, wenn anläßlich einer Zinssatzänderung
statt eines variablen Zinssatzes für eine bestimmte Zeit in Verbindung mit
einer einmalig zu entrichtenden Vergütung ein fester Zinssatz vereinbart wird.
Denn die regelmäßige Verknüpfung von festem Zinssatz und Disagio als
Alternative zum veränderlichen Zinssatz ohne eine solche einmalige Zahlung
zeigt, daß das Disagio hier, wirtschaftlich betrachtet, an die Stelle höherer
Festzinsen tritt. Deshalb wäre es eine mit dem Zweck des § 5 MHG nicht zu
vereinbarende Differenzierung, wenn man dem Vermieter zwar erlauben würde, die
gestiegenen variablen Zinsen voll auf die Mieter umzulegen, nicht aber das
zusätzlich zu einem festen Zinssatz zu tragende Disagio. Dem kann nicht
entgegengehalten werden, daß es dem Vermieter ja freistehe, den variablen
Zinssatz zu wählen. Denn es läßt sich im voraus kaum je sicher beurteilen,
welche Möglichkeit günstiger ist und es wird deshalb oft angemessen
erscheinen, statt einer ungewissen eine feste, kalkulierbare Verpflichtung
einzugehen. Dies sollte dem Vermieter möglich bleiben, ohne daß er dabei durch
eine enge Anwendung des § 5 MHG benachteiligt wird.
Aus den Gesetzesmaterialien (BT.-Drucksache 7/2011, 2629 und 2638) lassen sich
keine Gründe gegen die nach Auffassung des Senats gebotene Analogie entnehmen,
die hier anstehende Frage ist in ihnen nicht angesprochen.
Köhler (aaO). verweist für seine gegenteilige Meinung auf den Rechtsentscheid
des OLG Hamburg (WuM 1981, 152 = ZMR 1981, 245). Dieser Rechtsentscheid
betrifft aber die Auslegung des § 3 MHG und befaßt sich mit
Kapitalbeschaffungskoten, nicht mit einem zinsvertretenden Disagio. Er gibt
deshalb keinen Anlaß zur Vorlage der Sache an den BGH.