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Drohung mit Rechtsanwalt, obwohl kein Vertragsverhältnis besteht 

Landgericht Limburg: Bedrohung mit Rechtsanwalt durch Versicherungsunternehmen als unlautere Geschäftspraxis

In einer zunehmend digitalisierten Geschäftswelt tauchen immer wieder juristische Fragestellungen um irreführende Geschäftspraktiken und die Legitimität von Vertragsabschlüssen auf. Dadurch entstehen oft komplexe rechtliche Probleme, bei denen sowohl Verbraucher als auch Unternehmen vor Herausforderungen gestellt werden. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn bringt beispielsweise die Thematik der Bedrohung mit einem Rechtsanwalt trotz fehlendem Vertragsverhältnis erneut ins juristische Rampenlicht. Unternehmen wird dadurch vor Augen geführt, wie wichtig eine korrekte Handhabung ihrer Geschäftspraktiken, gerade in Bezug auf Vertragsabschlüsse und Mitgliedsbeiträge, ist. Dieses Urteil bringt zudem wichtige Aspekte des Verbraucherschutzes ans Licht und verdeutlicht, warum rechtliche Beratung in solchen Fällen für alle Beteiligten ein wichtiger Schritt sein kann. Es erinnert sowohl Verbraucher als auch Unternehmen daran, dass irreführende Geschäftspraktiken rechtliche Konsequenzen haben können.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 O 12/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Urteil des Gerichts verbietet es der Beklagten, Verbrauchern, die keine vertragskonstitutive Erklärung zum Abschluss eines entgeltlichen Schutzpakets abgegeben haben, bei Nichtzahlung mit einem Rechtsanwalt zu drohen.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Die Beklagte wurde verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Verbrauchern, die keine vertragskonstitutive Erklärung zum Abschluss eines entgeltlichen Schutzpakets abgegeben haben, bei Nichtzahlung mit einem Rechtsanwalt zu drohen.
  2. Es wurde der Beklagten bereits zuvor untersagt, Verbrauchern, die ein Gratis-Schutzpaket als Treuebonus versprochen wurde, ohne Anforderung des Verbrauchers ein Schreiben zuzuleiten.
  3. Die Klägerin stellte in der Folge mehrere Ordnungsmittelanträge basierend auf Vorfällen, in denen Verbraucher im Rahmen eines Zeitschriftenabonnements kontaktiert wurden.
  4. Die Klägerin beantragt, der Beklagten weiterhin zu untersagen, bei Nichtzahlung eines entgeltlichen Schutzpakets mit einem Rechtsanwalt zu drohen.
  5. Eine irreführende geschäftliche Handlung, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte, handelt nach UWG unlauter.
  6. Die Zahlungsaufforderung / Mahnung der Beklagten ist eine geschäftliche Handlung, da sie mit der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.
  7. Auch eine im Jahr 2021 erfolgte Überweisung von 89,00 € kann nicht als Annahme eines Angebots auf Abschluss eines Versicherungsvertrages gesehen werden.
  8. Die unwahre Angabe in dem Schreiben der Beklagten ist auch geeignet, den Verbraucher tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Umstrittene Geschäftspraktiken: Ein Fall von irreführenden Methoden

Ein Fall, der vor dem Landgericht Limburg a. d. Lahn verhandelt wurde, stellt erneut die Frage, wann eine Geschäftspraktik als irreführend angesehen werden kann und wann nicht. In diesem Fall hatte eine Firma für Versicherungsdienstleistungen einem Kunden gegenüber schriftlich mit einem Anwalt gedroht, obwohl es Streitigkeiten darüber gab, ob überhaupt ein Vertragsverhältnis bestand oder nicht. Der Kunde hatte ein Hörzu-Abonnement abgeschlossen und zusammen mit diesem eine „Testmitgliedschaft“ in einer Versichertengemeinschaft für Auslandskranken- und Rückholversicherungen angeboten bekommen.

Im Zentrum des Streits stand eine Rechnung in Höhe von 89 Euro, die der Kunde nach Beendigung der Testphase erhalten hatte. Das Unternehmen behauptete, dass der Kunde diese Summe schulde, weil er die Testmitgliedschaft nicht fristgemäß gekündigt habe und diese sich somit automatisch in eine kostenpflichtige Mitgliedschaft umgewandelt habe. Der Kunde hingegen behauptete, dass er nie die Absicht hatte, die Testmitgliedschaft in eine kostenpflichtige Mitgliedschaft umzuwandeln und sie nur deshalb nicht fristgerecht gekündigt hat, weil er sich durch die Drohung mit einem Anwalt unter Druck gesetzt fühlte.

Komplexes rechtliches Terrain: Vertragsabschluss oder nicht?

Die Kernfrage, die das Landgericht Limburg a. d. Lahn in diesem Fall zu beantworten hatte, war, ob tatsächlich ein wirksamer Vertragsabschluss zustande gekommen war oder nicht. In den deutschen Gerichtssälen ist das eine sehr komplexe Frage, da sie auch in Betracht zieht, ob das Verhalten des Unternehmens als irreführend oder unter Zwang darstellt.

Sollte man nämlich der Argumentation des Unternehmens folgen, dass die Überweisung des Mitgliedsbeitrags als konkludentes Verhalten (stilles Einverständnis) zu werten sei, könnte dies bedeuten, dass tatsächlich ein wirksamer Vertragsabschluss zustande gekommen ist. Allerdings würde diese Annahme den Kunden nur dann zur Zahlung des Mitgliedsbeitrags verpflichten, wenn er die Zahlung freiwillig und ohne jeglichen Druck geleistet hat. Hierüber jedoch gab es zwischen den Parteien unterschiedliche Ansichten.

Überlegungen des Gerichts: Die Entscheidungsgründe

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin, eine qualifizierte Einrichtung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), berechtigt war, Klage zu erheben. Außerdem erklärte es, dass dem Unternehmen eine irreführende Geschäftspraxis vorzuwerfen sei. Nach § 5 UWG handelt nämlich unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die dazu geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.

Klarstellung der Sachlage: Das Urteil

Das Landgericht Limburg a. d. Lahn verurteilte die Firma schließlich dazu, es zu unterlassen, Verbraucher, die keine Erklärung zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages abgegeben haben, mit der Drohung eines Rechtsanwaltsschreibens zu unter Druck zu setzen. Weiterhin wurde das Unternehmen zur Zahlung der Anwaltskosten verurteilt.

Safer Consumer Transactions – Urteil im Rundblick

Dieses Urteil zeigt deutlich die Komplexität von Rechtsfragen, die in Bezug auf vermeintliche Vertragsabschlüsse und irreführende Geschäftspraktiken auftreten können. Es unterstreicht aber auch die Rolle, die qualifizierte Einrichtungen wie die Klägerin in der Wahrung von Verbraucherrechten spielen können und das Urteil selbst könnte dabei helfen, mehr Klarheit in Bezug auf die Grenzen dessen zu schaffen, was Unternehmen in ihrer Kommunikation mit Verbrauchern tun dürfen und was nicht. Für Konsumenten liefert es auf jeden Fall eine entscheidende nachricht: Wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden, kann es ratsam sein, rechtlichen Rat einzuholen.

Die Bedeutung des Verbraucherschutzes bei Vertragsabschlüssen

Der Gerichtsfall wirft ein Schlaglicht auf die angespannte Balance zwischen Unternehmensinteressen und Verbraucherschutz. Während Unternehmen natürlich ein Interesse daran haben, ihre Dienstleistungen zu verkaufen und dafür zu sorgen, dass Verträge eingehalten werden, haben Verbraucher ein Recht darauf, nicht durch irreführende oder aggressive Geschäftspraktiken unter Druck gesetzt zu werden. Diese Balance zu wahren ist für ein funktionierendes Wirtschaftssystem von größter Bedeutung. Es gewährleistet, dass Verbraucher das Vertrauen in den Markt behalten und dass Unternehmen daran gehindert werden, unfaire oder irreführende Praktiken einzusetzen, um ihre Ziele zu erreichen. Es bleibt die Hoffnung, dass Urteile wie das vorliegende dazu beitragen, mehr Klarheit zu schaffen und sowohl Verbraucher als auch Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre rechtlichen Verpflichtungen und Rechte besser zu verstehen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet eine „vertragskonstitutive Erklärung“?

Eine „vertragskonstitutive Erklärung“ bezieht sich auf eine Willenserklärung, die einen Vertrag begründet, ändert oder aufhebt. Sie ist ein zentraler Bestandteil des Vertragsrechts und hat eine konstitutive Wirkung, was bedeutet, dass sie ein Recht oder Rechtsverhältnis schafft, aufhebt oder gestaltet.

Eine solche Erklärung kann in verschiedenen Formen abgegeben werden, da in Deutschland das Prinzip der Formfreiheit gilt. Das bedeutet, dass der Erklärende frei wählen kann, ob er seine Erklärung mündlich oder schriftlich abgeben will, es sei denn, das Gesetz schreibt eine bestimmte Form vor oder die Parteien haben etwas Abweichendes vereinbart.

Die Willenserklärung besteht aus zwei Teilen: dem objektiven Tatbestand und dem inneren Tatbestand. Der objektive Tatbestand bezieht sich auf das äußere Verhalten des Erklärenden, das für einen objektiven Dritten als die Äußerung eines Rechtsfolgenwillens erscheinen muss. Der innere Tatbestand beinhaltet das Erklärungsbewusstsein, also das Bewusstsein der Person, etwas rechtlich Erhebliches zu erklären.

Es ist zu beachten, dass eine Willenserklärung nichtig sein kann, wenn sie unter bestimmten Umständen abgegeben wird. Beispielsweise ist eine Willenserklärung nichtig, wenn sie nur zum Schein abgegeben wird, also wenn der Erklärende eine Willenserklärung mit Einverständnis des Erklärungsempfängers nur zum Schein abgibt und die damit verbundenen Rechtsfolgen nicht gewollt sind. Ebenso kann eine Willenserklärung nichtig sein, wenn der Erklärende sich in einem Zustand der Bewusstlosigkeit oder einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befindet.

Die vertragskonstitutive Erklärung ist also ein wesentliches Element des Vertragsrechts, das die Gestaltung von Rechtsverhältnissen ermöglicht. Sie erfordert sowohl ein äußeres Verhalten, das den Willen zur Herbeiführung einer Rechtsfolge zeigt, als auch ein inneres Bewusstsein für die Bedeutung dieser Erklärung.


Das vorliegende Urteil

Landgericht Limburg a. d. Lahn – Az.: 5 O 12/22 – Urteil vom 17.03.2023

In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Limburg a. d. Lahn – 5. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) – auf die mündliche Verhandlung vom 18.01.2023 für Recht erkannt:

I.  Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Verbrauchern, die eine vertragskonstitutive Erklärung zum Abschluss eines entgeltlichen Schutzpaketes nicht abgegeben haben, bei nachfolgender Nichtzahlung ein Schreiben zuzuleiten, in dem behauptet wird, sie seien bei weiterhin fehlender Zahlung gezwungen, einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung des Mitgliedsbeitrages zu beauftragen. Dies hätte zusätzliche erhebliche Kosten für Sie zur Folge.“ wie geschehen mit Schreiben vom 31.03.2022 gemäß Anlage K2 gegenüber Herrn

Sie benötigen eine rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an: 02732 791079 und vereinbaren einen Beratungstermin oder fordern Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung online an.

II. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten, angedroht.

III.  Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 243,51 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus p.a. seit dem 13.07.2022 zu bezahlen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des

Tenors zu I. in Höhe von 5.000 € und im Übrigen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

VI. Der Streitwert wird auf 30.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine qualifizierte Einrichtung gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG. Die Beklagte bietet Dienstleistungen an im Zusammenhang mit einer angeblich bewährten Versicherungsgemeinschaft für Auslandskranken- und Rückholversicherungen.

In der Vergangenheit gab es bereits mehrere Rechtstreitigkeiten zwischen den Parteien vor der hiesigen Kammer:

So wurde der Beklagten mit Urteil vom 25.11.2016 (Az: 5 O 30/2016) unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, Verbrauchern, denen ein dreimonatiges Gratis-Schutzpaket für Urlaubsreisen als Treuebonus versprochen wurde, ohne Anforderung des Verbrauchers ein Schreiben zuzuleiten, in dem mitgeteilt wird, dass die dreimonatige kostenlose Testmitgliedschaft sich nach Ablauf in ein entgeltliches Schutzpaket verlängert, sofern der Verbraucher nicht bis zu sechs Wochen vor Ablauf der kostenlosen Testphase eine Mitteilung zuleitet, dass er die Verlängerung nicht wünscht, wie geschehen mit Schreiben vom 1.2.2016 gemäß Anlage K3 der Klageschrift gegenüber einem Herrn………

Die Klägerin stellte in der Folge mehrere Ordnungsmittelanträge. Dem lagen verschiedene Vorfälle zugrunde, die sich jeweils wie folgt abgespielt haben: Verbraucher wurden telefonisch im Rahmen eines Zeitschriftenabonnements kontaktiert- Bei Abschluss eines Abonnements wurden sie erneut von einer Person „von der Qualitätskontrolle“ unter dem Hinweis kontaktiert, man wolle nochmal die Daten durchgehen, damit der Kunde „die Unterlagen“ richtig bekomme. Die Gespräche wurden jeweils aufgezeichnet- Nachdem verschiedene Daten abgefragt worden waren, sagte die Person „von der Qualitätskontrolle“:

„Und zusätzlich bekommen Sie noch oben darauf die limitierte Sonderaktion, eine zunächst dreimonatige kostenlose Mitgliedschaft für eine Auslandskrankversicherung mit Reiserückholversicherung. Diese streng limitierte Kampagne erhalten Sie für Familien mit dem Hotelgutschein und der dreimonatigen Testmitgliedschaft unseres Kooperationspartners, der Flight Ambulance Services International Agency GmbH. Es freut uns, Ihnen dieses einmalige Angebot machen zu können. Sollten Sie nach drei Monaten weiterhin Interesse an dieser Mitgliedschaft haben, so lehnen Sie sich ganz bequem zurück, wir buchen die Gebühren einfach von oben genanntem Konto ab. Diese Auflage gilt sogar bis 4 Personen, würde Sie später lediglich 89,- € pro Jahr kosten und falls Sie es doch nicht haben möchten, dann können Sie uns einen Zweizeiler per Mail senden. Und sind Sie ja auch damit einverstanden, dass ich Ihnen alles so zukommen lasse, wie wir das auch besprochen haben, also per Post kommt?“

Die angerufenen Personen antworteten jeweils mit „ja“.

In der Folge wurden die Angerufenen von der Firma Wolfgang Klenk Abonnentenverwaltung angeschrieben. In den Schreiben heißt es u.a.:

„Wie bereits telefonisch besprochen, erhalten Sie im Rahmen unserer streng limitierten Sonderaktion zusätzlich die Test-Mitgliedschaft zur Auslandsreisekranken- und Rückholversicherung bei unserem Kooperationspartner, der F.A.S.I. Flight Ambulance Services International Agency GmbH, für Sie und Ihre Familie, kostenlos für zunächst drei Monate. …“

Es folgte jeweils ein Schreiben der Beklagten, in welchem es heißt:

„Wie im Begrüßungsschreiben unseres Kooperationspartners, der Firma Wolfgang Klenk e.K. Abonnentenverwaltung angekündigt, freuen wir uns, Ihnen die dreimonatige kostenlose Test-Mitgliedschaft in unserer bewährten Versichertengemeinschaft für Auslandskranken- und Rückholversicherung für Sie und Ihre Familie bestätigen zu dürfen. Ihr umfassender Leistungsanspruch beginnt mit dem heutigen Datum. … wenn Sie die vielfältigen Vorteile Ihres Urlaubs-Schutzpakets nach Ablauf von drei Monaten weiter nutzen wollen, brauchen Sie nichts weiter zu unternehmen. Sollten Sie dies nicht wünschen, so genügt eine kurze Mitteilung sechs Wochen vor Ablauf der kostenlosen Testphase. Im Rahmen unserer streng limitierten Sonderaktion und in Verbindung mit Ihrer Zeitschriftenbestellung erhalten Sie dann dieses umfassende Schutzpaket, für Sie und Ihre Familie, zum Vorzugspreis von nur € 89,00 statt € 120,99 jährlich. Das Schutzpaket verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn es nicht mit einer Frist von 3 Monaten zum Ablauftermin schriftlich gekündigt wird. . „

Mit Urteil vom 10.12.2021 in dem Verfahren 5 O 19/21 wurde der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, gegenüber Verbrauchern, denen eine kostenlose Testmitgliedschaft in der Versichertengemeinschaft für Auslandskranken- und Rückholversicherung bestätigt wird, auszuführen:

„Das Schutzpaket verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn es nicht mit einer Frist von 3 Monaten zum Ablauftermin schriftlich gekündigt wird.“

wie geschehen gegenüber Frau              unter dem 22.03.2021.

Auch hier lag ein Geschehen wie oben beschrieben zugrunde.

Vorliegend wurde – wie in den zuvor beschriebenen Geschehen – ein Herr….im Anschluss an ein Gewinnspiel mit einem Hörzu-Abonnement konfrontiert, verknüpft mit einer solchen „Testmitgliedschaft“ in der Versichertengemeinschaft. Nach Ablauf der „kostenlosen Testmitgliedschaft“ mahnte die Klägerin die Zahlung des „Mitgliedsbeitrages“ an.

Am 23.02.2021 kündigte die Beklagte an, dass der Erst-Mitgliedsbeitrag vom Konto des in Höhe von 89,- € eingezogen werde. Am 26.02.2021 zog die Beklagte mittels Lastschrift die 89,00 € ein.

In der Folge kam es zunächst zu einer Rücklastschrift und anschließend zu einer Überweisung von 89,00 € durch den an die Beklagten. Die genauen Daten sind insoweit zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 31.03.2022 (Anlage K2) teilte die Beklagte dem Zeugen folgendes mit:

„obwohl Ihr Mitgliedsbeitrag seit längerem fällig ist und wir Sie bereits mit einer Zahlungserinnerung zur Zahlung Ihres Mitgliedsbeitrags aufgefordert hatten, ist bisher kein Zahlungseingang festzustellen.

Die Flight Ambulance Services International Agency GmbH hält für Sie ein umfangreiches Leistungsangebot bereit und ist deshalb auf die Beitragszahlung der Mitglieder angewiesen.

Sollte auch auf diese Mahnung bis zum 10.04.2022 keine Zahlung eingehen, sieht sich die Flight Ambulance Services International Agency GmbH gezwungen, einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung des Mitgliedsbeitrages zu beauftragen. Die hätte zusätzliche erhebliche Kosten für Sie zur Folge. …“

Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.04.2022 (Anlage K3) forderte die Klägerin die Beklagte zur Vorlage einer „vertragskonstitutiven Erklärung“ des Zeugen …. zum 04.05.2022 auf. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.05.2022 (Anlage K4) teilte die Beklagte mit, dass ein Vertragsverhältnis zwischen ihr und Herrn  zustande gekommen sei, was sich aufgrund vorliegender Unterlagen und der Gesprächsaufzeichnung ergebe. Gleichwohl teile man mit, dass man im Rahmen eines bloßen Erledigungsinteresses ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, jedoch mit Rechtsbindungswille, auf den Jahresmitgliedsbeitrag verzichte und die Mitgliedschaft, insbesondere auch aufgrund der schriftlichen Kündigungserklärung vom 02.04.2022 sofort beenden werde.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.05.2022 (Anlage K5, Bl. 10 ff d.A.) mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 27.05.2022 sowie zur Zahlung der Abmahnkosten von 243,51 € bis zum 02.06.2022 auf.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27.05.2022 (Anlage K6) teilte die Beklagte mit, dass sich an ihrer rechtlichen Einschätzung nichts geändert habe, woraufhin die vorliegende Klage erhoben wurde.

Die Klägerin behauptet, der …….habe nicht „freiwillig“ den ersten Beitrag von 89,00 € gezahlt, sondern erst nachdem er mit Weiterungen bedroht worden sei, wenn keine Zahlung erfolge. Insofern bezieht er sich auf ein an ihn übersandtes Kontaktformular der Ehefrau des , in dem ausgeführt wird, ihr Ehemann habe „letztes Jahr, weil ihm gedroht wurde, die Versicherungssumme bezahlt“ (Anlage K7, Bl. 122 Rs d.A.).

Die Klägerin beantragt,

1. der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Verbrauchern, die eine vertragskonstitutive Erklärung zum Abschluss eines entgeltlichen Schutzpaketes nicht abgegeben haben, bei nachfolgender Nichtzahlung ein Schreiben zuzuleiten, in dem behauptet wird, sie seien bei weiterhin fehlender Zahlung“… gezwungen, einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung des Mitgliedsbeitrages zu beauftragen. Dies hätte zusätzliche erhebliche Kosten für Sie zur Folge.“ wie geschehen mit Schreiben vom 31.03.2022 gemäß Anlage K2 gegenüber Herrn.

2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten) anzudrohen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 243,51 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus p.a. seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, dass keinen Vertrag mit der Beklagten geschlossen habe bzw. schließen wollte. Sie ist der Meinung, dass es jedenfalls durch konkludentes Handeln zu einem wirksamen Vertragsschluss gekommen sei. Die vom gewollte und veranlasste Überweisung sei unzweifelhaft zumindest als konkludentes Verhalten im Sinne eines Vertragsschlusses zu werten. Sie bestreitet, dass er vor Überweisung des Erst-Mitgliedsbeitrages mit Mahnungen unter Druck gesetzt worden sei. Insoweit behauptet die Beklagte, dass der vor Überweisung des Erst-Mitgliedsbeitrages nicht gemahnt worden sei. Dies sei schon im Hinblick auf den Zeitablauf nicht möglich. Insofern behauptet sie, dass die Rücklastschrift am 02.03.2021 und die Überweisung am 04.03.2021 erfolgt sei.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt. Sie ist eine qualifizierte Einrichtung, die in die Liste nach § 4 UklaG eingetragen ist.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 1 und 2 UWG zu.

Gem. § 5 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über – nachfolgend aufgezählte – Umstände enthält.

Die erneute Zahlungsaufforderung / Mahnung der Beklagten vom 31.03.2022 ist eine geschäftliche Handlung, da sie ein Verhalten bei oder nach einem Geschäftsabschluss darstellt, die mit der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

Die Beklagte hat mit der Zahlungsaufforderung / Mahnung eine unwahre Angabe im Sinne von § 5 Abs. 1 und 2 UWG getätigt.

Angaben sind Geschäftshandlungen mit Informationsgehalt, die sich auf Tatsachen und zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignete Meinungsäußerungen beziehen. Gegenstand einer solchen Angabe kann die Erweckung des Eindrucks sein, eine Ware oder Dienstleistung sei vom Verbraucher bereits bestellt worden (vgl. BGH, Urteil vom 06.06.2019, I ZR 216/17). Damit liegt hier eine Angabe vor. Die Beklagte hat mit der Zahlungsaufforderung / Mahnung gegenüber dem angeschriebenen Verbraucher jedenfalls sinngemäß behauptet, es sei zu einem Vertragsschluss über das „Schutzpaket“ gekommen.

Eine Angabe ist unwahr, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für die Beurteilung kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft. Danach ist die Angabe der Beklagten, der angeschriebene Verbraucher, habe einen Vertrag über das „Schutzpaket“ abgeschlossen, unwahr, denn zu einem solchen Vertragsschluss ist es nicht gekommen.

Dass der hier angeschriebene Verbraucher ein Angebot zum Abschluss eines Versicherungsvertrages beispielsweise im Rahmen eines Telefonats mit der „Qualitätskontrolle“ angenommen hätte, trägt nicht einmal die Beklagte vor. Angesichts des Wortlauts der aufgezeichneten Telefongespräche in den bisherigen Verfahren vor der Kammer besteht hierfür auch keinerlei Anhaltspunkt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann auch in der im Jahr 2021 erfolgten Überweisung von 89,00 € keine Annahme eines Angebots auf Abschluss eines Versicherungsvertrages gesehen werden, wobei es auf den genauen Zeitpunkt der Daten von Rücklastschrift und erfolgter Überweisung nicht ankommt.

Entsprechend den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen reicht selbst der bloße Entschluss, einen Antrag anzunehmen, als rein innere Tatsache nicht aus, um eine vertragliche Bindung zu begründen. Vielmehr erfordert auch die Annahme nach § 151 BGB einen objektiven, äußeren Erklärungstatbestand, also ein Verhalten, in dem sich der endgültige Annahmewille des Angebotsempfängers manifestiert. Da der Zugang entbehrlich ist, braucht zwar niemand eine Möglichkeit der Kenntnisnahme zu bekommen. Gleichwohl muss der Annahmewille in dem Sinne „nach außen“ hervortreten, dass er für einen hypothetischen Dritten als Beobachter wahrnehmbar ist. Diesen Anforderungen können nicht nur ausdrückliche, sondern auch konkludente Annahmeerklärungen genügen. Ob ein bestimmtes Verhalten auf den endgültigen Annahmewillen des Angebotsempfängers schließen lässt, ist nicht aus Perspektive des objektiven Empfängerhorizontes, sondern vom Standpunkt des hypothetischen, unbeteiligten Dritten zu beurteilen.

Dies ist vorliegend bei der Überweisung der 89,00 € im Jahr 2021 vom Standpunkt eines hypothetischen, unbeteiligten Dritten nicht der Fall. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem zuvor mit „Weiterungen“ gedroht worden ist oder nicht. Bereits in dem Schreiben, in dem die Beklagte die „im Begrüßungsschreiben“ ihres Kooperationspartners angekündigte „Testmitgliedschaft“ bestätigt, suggeriert die Beklagte den jeweils angeschriebenen Verbrauchern das Bestehen eines Vertragsverhältnisses, bei dem es dem angesprochenen Verbraucher obliege, hinsichtlich einer Beendigung des Vertragsverhältnisses tätig werden zu müssen. Vor diesem Hintergrund versteht ein unbeteiligter Dritter eine erfolgte Überweisung des Verbrauchers nicht als konkludente Vertragsannahme. Der so angeschriebene Verbraucher handelt nämlich in dem Bewusstsein, zur Zahlung aufgrund eines unterlassenen Tätigwerdens bereits verpflichtet zu sein, weshalb eine gleichwohl erfolgte Überweisung nicht als Ausdruck eines Annahmewillens zu verstehen ist.

Die unwahre Angabe in dem Schreiben vom 31.03.2022 ist auch geeignet, den Verbraucher tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte, nämlich zur erneuten Überweisung der 89,00 €.

Die Wiederholungsgefahr wird vermutet.

Die Androhung von Ordnungsmitteln beruht auf § 890 BGB. Die Kammer hat den Antrag sachgerecht dahin ausgelegt, dass die Vollstreckung etwaiger Ordnungshaft an dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu erfolgen hat.

Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten folgt aus § 13 Abs. 3 UWG. Als qualifizierte Einrichtung kann die Klägerin Abmahnkosten in Form einer Kostenpauschale verlangen, die hier angemessen erscheint.

Die Kostenentscheidung beruht auf §   91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen

Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Der Streitwert wurde gem. § 51 Abs. 2 GKG entsprechend der sich aus dem Antrag der Klägerin ergebenden Bedeutung der Sache bestimmt. Vorliegend ist das wahrgenommene Interesse der Verbraucher maßgebend. Es kommt also auf die gerade den Verbrauchern drohenden Nachteile an. Dieses Interesse kann unter Umständen erheblich höher liegen als das Interesse des Mitbewerbers (OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.01.2020, 6 W 119/19, GRUR-RR 2020, 512). Der Streitwertangabe eines Klägers zu Beginn des Verfahrens kommt zudem eine erhebliche indizielle Bedeutung für das tatsächlich verfolgte Interesse zu. Da er zum Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift nicht sicher wissen kann, ob sein Antrag Erfolg haben wird, ist er von sich aus gehalten, sein wirtschaftliches Interesse an der Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes realistisch einzuschätzen. In der Gesamtschau erscheint danach ein Streitwert von 30.000 €, wie von der Klägerin angegeben, hier angemessen.

 

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