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Deckungszusage Rechtschutzversicherung – Kosten der Einholung

AG Bühl

Az: 7 C 345/09

Urteil vom 29.04.2010


In dem Rechtsstreit wegen Forderung hat das Amtsgericht Bühl am 29.04.2010 auf die mündliche Verhandlung vom 15.04.2010 für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 145,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 17.09.2009 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von ihrer Zahlungsverpflichtung hinsichtlich der Honorarnote der AWK vom 07.10.2009 in Höhe von 46,01 EUR freizustellen.

3. Die Kosten des Rechtsstreites hat die Beklagte zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Berufung wird nicht zugelassen.

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet. Der klagenden Partei stehen die geltend gemachten weiteren Gutachterkosten (hierzu l.) als auch die Freistellung von den Kosten, die im Rahmen der Einholung der Deckungszusage (sodann ll.) entstanden sind, zu.

lm Einzelnen:

I) Weitere Gutachterkosten

Die Klage ist diesbezüglich gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG in Höhe von 145,20 EUR begründet.

Im Rahmen der Prüfung, ob dem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten zusteht, kommt es auf die Frage, ob der Sachverständige in zulässiger Weise abgerechnet hat, insbesondere, ob er seinen Zeitaufwand im Einzelnen hätte darlegen müssen, nicht an. Denn es ist der Beklagten im Verhältnis zum Geschädigten und damit auch im Verhältnis zur Klagepartei verwehrt, sich auf die vermeintliche Überhöhung der Sachverständigengebühren zu berufen.

Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen.

Er hat hierzu den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags zu befriedigen und nicht zwingend in jedem Fall vom Geschädigten bezahlte Rechnungsbeträge zu erstatten (vgl. BGHZ 61, 346, 347 f.; 63, 182, 184). Der tatsächliche Aufwand des Geschädigten bzw. im Gutachten ausgewiesenen Kosten bildet freilich bei der Schadensschätzung nach § 267 ZPO einen starken Anhalt zur Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. lndes bleibt festzuhalten, dass der tatsächlich aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch sein muss. Nach zutreffender Auffassung des BGH in dem Verfahren VI ZR 164/07 kann die Berechnung des Schadens grundsätzlich nicht von etwaigen rechtlichen Mängeln der zu seiner Beseitigung tatsächlich eingegangenen Verbindlichkeiten (z.B. einer überhöhten Honorarforderung des Sachverständigen) abhängig gemacht werden (vgl. auch BGHZ 61, 346, 348). Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (vgl. BGH vom 29. Juni 2004 – Vl ZR 211/03). Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars (vgl. AG Essen VersR 2000, 68 f.).

Hier hat die Geschädigte den Rahmen des Erforderlichen gewahrt.

Ebenso wie bei der gleich gelagerten Problematik der Ersatzfähigkeit von Mietwagenkosten ist es einem Geschädigten vor Erteilung des Gutachtenauftrags gerade nicht zuzumuten, „Marktforschung“ zu betreiben und in jedem Fall (mehrere) Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen (vgl. zu Mietwagenkosten BGH, Urteil vom 07.05.1996, Az.: VI ZR 138/95). Ein Preisvergleich dürfte ohne vorherige Begutachtung des Fahrzeugs durch mehrere Sachverständige auch nur schwer möglich sein. Zudem fehlen Tarifübersichten, anhand derer der Kunde sich informieren könnte. Der Streit über die Höhe der geltend gemachten Sachverständigenkosten kann und darf daher nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden.

Der Sachverständige ist, ebenso wie der Mietwagenunternehmer, auch kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, dessen etwaiges Verschulden ihm nach §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB zugerechnet werden kann. Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. So lange für ihn allein als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen (Grunsky, Zur Ersatzfähigkeit unangemessen hoher Sachverständigenkosten, NZV 2000, 4, 5; OLG Hamm, VersR 2001, 249, 250). Die Gegenmeinung (vgl. AG Hagen, NZV 2003, 144 f.) berücksichtigt insoweit nicht, dass es dem Geschädigten bei Sachverständigengutachten mangels Vergleichsmöglichkeiten noch weniger als bei Mietwagenkosten überhaupt möglich ist, vor der Auftragserteilung die Angemessenheit einer Vergütung zu beurteilen. Es ist dem Geschädigten auch nicht zuzumuten, die Schadensabwicklung stets in die Hände des Schädigers bzw. dessen Versicherung zu legen.

Vorliegend sind keine Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden des Geschädigten bei der Beauftragung des Gutachters ersichtlich. Auch steht die Höhe des geltend gemachten Honorars nicht derart in einem Missverhältnis zur Schadenshöhe, dass dem Geschädigten ein offenkundiges Missverhältnis hätte auffallen müssen. Aus einer Relation von etwa 27 % zwischen der Sachverständigenrechnung und dem Schaden laut dessen Gutachten ergibt sich ebenfalls (noch) kein Anhaltspunkt für eine Überhöhung der geltend gemachten Kosten.

Die Beklagte ist insoweit auch nicht rechtlos gestellt, da sie sich gegebenenfalls die Rechte des Geschädigten gemäß §§ 315 Abs. 3 bzw. 280, 631 Abs. 1, 812 BGB analog § 255 BGB hätte abtreten lassen und z. B. im Wege der Aufrechnung geltend machen können (vgl. hierzu Grunsky, a. a. O; OLG Nürnberg, OLG-R 2002, 471). Dann wäre es jedoch Sache der Beklagten gewesen, darzulegen und zu beweisen, dass und aus welchen Gründen das Honorar tatsächlich zu hoch bemessen ist.

Die Beklagte hat daher die Gutachterkosten in der geltend gemachten Art und Weise auszugleichen.

ll) Einholung der Deckungszusage

Aufgrund des materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruches der Klagepartei stehen ihr auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu, da diese in einem inneren Zusammenhang mit dem Schadenseintritt stehen. Von diesen ist sie durch die Beklagte freizustellen, vgl. § 257 BGB.

Das Einholen einer Deckungszusage gegenüber der Rechtsschutzversicherung stellt eine eigene Angelegenheit (vgl. § 15 RVG) dar (LG München l, 30. Zvilkammer, 30 O 16917/07, 06.05.2008; zur BRAGO noch: AG Hannover AZ 512 C 3229/00). Das Gericht ist der Auffassung, dass die Kosten für die Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung immer dann geltend gemacht werden können, wenn sich die beklagte Partei in Verzug befunden hatte und daher als Verzugsschaden diese Kosten anzusetzen waren (LG Nürnberg-Fürth AZ 2 O 9658/08 vom 08.09.2009 – Anlage AS 273 zur Akte -; AG Schwandorf AZ 2 C 189/08 vom 11.06.2008; vgl. AG Karlsruhe AZ 5 C 185/08 vom 10.06.2008). Hier liegt Verzug vor.

Nachdem die Beklagte als Haftpflichtversicherer mit am 17.09.2009 eingegangenem ablehnendem Schreiben eine Regulierung abgelehnt hat, durfte die Klagepartei ihren Prozessbevollmächtigten mit der Einholung einer Deckungszusage (Schreiben vom 07.10.2009) beauftragen. Dies war erforderlich, um die Ansprüche der Klagepartei durchsetzen zu können, zumal die Beklagte weiterhin eine Regulierung des Unfallschadens ablehnte.

Der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei hat daraufhin auftragsgemäß einen Klageentwurf zur Vorlage bei der Rechtschutzversicherung eingereicht. Als Gegenstandswert für die Kosten erster Instanz, die die Rechtschutzversicherung übernehmen sollte, sind 142,50 EUR zu Grunde zu legen (Verfahrensgebühr von 1,3, Terminsgebühr von 1,2 sowie Gerichtskosten Kosten für zwei Anwälte).

An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass die Einholung der Deckungszusage erst nach Erteilung der Prozessvollmacht und somit Erteilung des Prozessauftrages erfolgte. Der erforderliche Zurechnungszusammenhang wird hierdurch nicht unterbrochen. Die Gegenansicht verkennt, dass ein erteilter Prozessauftrag zum einen jederzeit widerrufen werden kann und zum anderen die Einholung der Deckungszusage als noch vorprozessuale Tätigkeit nach lebensnaher Betrachtung in der erteilten (weitergehenden) „Prozess“vollmacht enthalten ist,

Mit der nach §286 Abs. 1 ZPO erforderlichen Gewissheit steht für das Gericht auch fest, dass die Klägerin gegenüber Herrn RA x den Auftrag zur Einholung der Deckungszusage erteilte und zuvor über die zu Grunde liegenden Umstände ausreichend aufgeklärt wurde. All das folgt aus der uneingeschränkt plausiblen und nachvollziehbaren Aussage des Zeugen Herrn RA x, der in der Verhandlung spontan und ohne Vorbereitung zu diesem Komplex vernommen wurde. Er konnte zu den entscheidenden Punkten – zum Teil nach Einblick in die von ihm mitgeführten Aktennotizen – klare Angaben machen.

Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin das Vorgehen intellektuell nicht verstanden haben könnte. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagtenseite stellt eine Behauptung ins Blaue dar.

Von daher ist die Klägerin auch von den diesbezüglichen Kosten freizustellen.

lll) Nebenentscheidungen

1. Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286, 288 BGB.

2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

IV) Berufungszulassung

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichtes erfordert (§ 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Insbesondere sind zu dem strittigen Punkt der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Einholung einer Deckungszusage schon in ausreichendem Maße auch landgerichtliche Entscheidungen (vgl. die obigen Zitate) vorhanden.

 

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