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Fortbestand einer Einziehungs-Ermächtigung trotz Scheidung?

OLG Nürnberg

Az. 4 U 3957/00

Urteil vom 04.04.2001


Leitsätze:

Die dem Ehegatten eingeräumte Befugnis, Mieten aus einem beiden Ehegatten gehörenden Haus allein einzuziehen und zu verwerten, steht jedenfalls bei Gütertrennung unter dem Vorbehalt, dass die Ehe fortbesteht.
Die Scheidung der Ehe lässt die Geschäftsgrundlage einer solchen Absprache entfallen mit der Folge, dass jeder Miteigentümer fortan vom Mieter die Hinterlegung der geschuldeten Miete verlangen kann.


Hinweis zu den nachfolgenden Entscheidungsgründen:

„Kläger“ ist der Ex-Ehemann,
„Streithelferin“ (auch als „Nebenintervenientin“ bezeichnet) ist die Ex-Ehefrau,
„Beklagte“ ist die Mietpartei, die in dem beiden Ex-Gatten gemeinsam gehörenden Haus Räume gemietet hat und darauf besteht, die Miete – so wie bisher – an die Frau allein zu zahlen statt, wie vom Mann gefordert, an beide Ex-Eheleute gemeinsam (bzw. an die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts).


Endurteil

…..

Die Beklagte wird verurteilt, zu Gunsten des Klägers und der Streithelferin den Betrag von 25.957,32 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 4. Mai 2000 beim Amtsgericht X- Hinterlegungsstelle – unter Verzicht auf das Rücknahmerecht zu hinterlegen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe (Auszug):

… Gemäß § 432 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Kläger von der Beklagten die Hinterlegung des streitgegenständlichen Betrages verlangen.

1. Durch den Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück …. ist der Kläger in den Mietvertrag mit der Beklagten eingetreten (§ 571 BGB). Hierdurch wurde er – zusammen mit der bisherigen Alleineigentümerin und jetzigen Streithelferin – Mitgläubiger des von der Beklagten geschuldeten Mietzinses. Dieser stellt eine unteilbare Leistung i.S.d. § 432 BGB dar (BGH NJW 1958, 1723; BayObLG NJW-RR 1999, 310).

Als Mitgläubiger kann der Kläger von der Mieterin die Hinterlegung des Mietzinses für alle Gläubiger verlangen (§ 432 Abs. 1 S. 2 BGB). Mag der Kläger während seiner Ehe mit der Streithelferin von diesem Recht auch keinen Gebrauch gemacht haben, – spätestens seit der Scheidung stand es ihm frei, auf der Hinterlegung des beiden Mitgläubigern zustehenden Mietzinses zu bestehen.

2. Die Beklagte vermochte nicht zu beweisen, dass der Streithelferin auch noch nach der Ehescheidung – nur um nach der Scheidung angefallene Mietzinsen geht es hier – das alleinige Zugriffsrecht auf die streitgegenständlichen Mietzinsen zustand.

Hierbei kann zu Gunsten der Beklagten als wahr unterstellt werden, dass – wie von der Beklagten behauptet und unter Beweis gestellt (Zeugen ….) – der Kläger sich geraume Zeit vor der Scheidung, insbesondere bei einem Versöhnungsversuch … im Oktober 1996, zunächst bereit erklärt hatte, die von der Beklagten geschuldeten Mietzinsen wie bisher von der Streithelferin über deren Konto einziehen zu lassen.

Selbst wenn dies zuträfe, so wäre doch spätestens durch die Scheidung am …1999 eine völlig neue Lage eingetreten. Mit der gerichtlichen Scheidung war das Fehlschlagen früherer Versöhnungsversuche und das Scheitern der Ehe endgültig besiegelt. Zugleich war damit auch die Grundlage der bisher einvernehmlichen Einziehungs-Ermächtigung entfallen (vgl. 4).

Die neue Entwicklung veranlasste den Kläger, schon während der Trennung und verstärkt nach der Ehescheidung seine Rechte als Mitgläubiger geltend zu machen. Er verlangte deshalb mehrfach von der Beklagten und auch von der Streithelferin, die Miete zu seinen und der Streithelferin Gunsten zu hinterlegen bzw. ein Konto einzurichten, auf das beide Mitgläubiger Zugriff haben. Spätestens seit der unmissverständlichen Aufforderung des Klägers vom …1999, einige Wochen nach der Ehescheidung, musste für die Beklagte ein für allemal klar sein, dass der Kläger mit der einseitigen Forderungseinziehung durch seine Ex-Ehefrau nicht länger einverstanden war, sondern auf seinem gesetzlichen Hinterlegungsrecht bestand.

3. Dem Wegfall der Geschäftsgrundlage steht nicht entgegen, dass die beiden Mitgläubiger zum Zeitpunkt der Absprache miteinander verheiratet waren.

Der Kläger und die Nebenintervenientin führten ihre Ehe im Stand der Gütertrennung. Anders als bei Beendigung einer Zugewinngemeinschaft können hier die Vorschriften über den Wegfall der Geschäftsgrundlage eingreifen. Für vermögensrechtliche Dispositionen zwischen den Ehegatten bildet der Fortbestand der Ehe in solchen Fällen grundsätzlich die Geschäftsgrundlage (BGH FamRZ 1990, 975, 977, wo das Scheitern der Ehe als Grund für den Entfall von § 743 BGB abweichender Vereinbarungen gesehen wird).

Deshalb können die Beklagte und ihre Streithelferin aus dem Umstand, dass der Kläger vor Scheidung der Ehe die Fortführung der Zahlungen auf das Konto seiner damaligen Ehefrau duldete, nichts für sich herleiten. Immerhin hat der Kläger bereits in der Trennungsphase eine Änderung des Inkasso verlangt.

4. Das Erstgericht führt zwar zutreffend aus, dass das Miteigentum zwischen Kläger und Streithelferin die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Einziehung der Mietzinsen darstellt. Es unterscheidet aber nicht hinreichend klar zwischen dem bloßen Inkasso der Mietzinsen und einer weitergehenden Vereinbarung darüber, wem die Mietzinsen im Ergebnis zustehen sollen. Vielmehr scheint es davon auszugehen, dass der Kläger dadurch, dass er die weitere Mietzins-Einziehung über das Konto seiner damaligen Ehefrau duldete, zugleich sein Einverständnis gab, dass sie die Gesamtsumme auch noch nach der Scheidung einziehen und für sich behalten dürfe. Eben hierfür ist die Beklagte aber beweisfällig geblieben.

5. Den Nachweis, dass eine eventuelle Vereinbarung zu Gunsten der Streithelferin über die Ehescheidung hinaus fortgelten sollte, könnte die Beklagte mit den angebotenen Beweismitteln auch dann nicht führen, wenn man den unter Beweis gestellten Sachvortrag als wahr unterstellt. Sämtliche Beweisangebote beziehen sich auf die – hier unerhebliche – Rechtslage bis zur Ehescheidung.

Im Gegenteil spricht der Umstand, dass bei der notariellen Übertragung der Grundstückshälfte an den Kläger keine schriftliche Vereinbarung über die Zuweisung der Erträge aus dem Grundstück getroffen wurde, eher dafür, dass die gesetzlichen Regelungen gelten sollten. Der Güterstand der Gütertrennung ist eine bewusste und besonders formal dokumentierte Entscheidung der Beteiligten. Diese Entscheidung hat ganz erhebliche rechtliche Auswirkungen gerade für den Fall der Ehescheidung. Schon deshalb wäre zu erwarten gewesen, dass abweichende Rechtsfolgen mit Wirkung über die Scheidung hinaus – wenn sie denn vereinbart worden wären – hinreichend deutlich herausgestellt worden wären.

Dazu hätte vorliegend umso mehr Anlass bestanden, als nach dem Vortrag der Streithelferin, auf den sich auch die Beklagte stützt, die Grundstücksübertragung gerade deshalb vorgenommen wurde, um familiäre Streitigkeiten beizulegen, also bereits in einer krisenhaften Situation, in der eine Scheidung als durchaus realistische Möglichkeit im Raume stand.

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6. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage für die Einziehungsermächtigung der Streithelferin bewirkte, dass fortan die gesetzlichen Vorschriften galten. Dies wiederum hatte zur Folge, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Mietzinsen in der vom Kläger beantragten Weise hätte hinterlegen müssen.

7. Der Hinweis der Streithelferin auf die Schriftformklausel in § 23 des Mietvertrags führt im Hinblick auf die Zahlungsmodalitäten nicht weiter. Zum einen werden dort mehrere Zahlungsvarianten genannt. Zum anderen könnte die Angabe eines konkreten Kontos allenfalls insoweit zum Vertragsinhalt gehören, als die Beklagte bis zum Erhalt neuerer Informationen befreiend auf dieses Konto leisten konnte.

Keinesfalls aber sollte die Angabe eines bestimmten Empfänger-Kontos die Rechte künftiger Mitgläubiger aus § 432 Abs. 1 S. 2 BGB aushebeln. Diese Vertragsbestimmung ist ersichtlich nicht für den Fall des Eintritts in den Mietvertrag nach § 571 BGB gedacht.

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