Arbeitsgericht Frankfurt am Main
Az.:18 Ga 155/01
Verkündet am 02.10.2001
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kammer 18 auf die mündliche Verhandlung vom 02.10.2001 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 7.500,- festgesetzt.
TATBESTAND
Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung die Erteilung von Erholungsurlaub.
Die als schwerbehindert anerkannte Klägerin ist seit dem 01.09.1971 bei der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) bzw. deren Rechtsvorgängerin in Frankfurt am Main in deren Niederlassung in der Heerstraße beschäftigt. Die Klägerin arbeitet in Teilzeit mit einer Arbeitszeit von 25 Stunden pro Woche.
Seit dem 16.07.1999 bis zum 14.12.2000 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem 09.02.2001 ist die Klägerin abermals arbeitsunfähig erkrankt.
Die Beklagte hat die Klägerin durch einseitige Weisung vom 15.02.2000 nach Offenbach in das dortige Schulungszentrum versetzt. Hiergegen hat sich die Klägerin erfolgreich mit einer Beschäftigungsklage gewehrt. Die Beklagte wurde nämlich durch Urteil des erkennenden Gerichts vom 28.08.2001 – 18 Ca 1251/01 – dazu verurteilt, die Klägerin an ihrem bisherigen Arbeitsplatz in der Niederlassung der Beklagten in Frankfurt in der Heerstraße zu unveränderten Arbeitsbedingungen zu beschäftigen.
Unter dem 20.09.2001 hat der die Klägerin behandelnde Arzt unter anderem bescheinigt, dass aus gesundheitlichen Gründen vor Aufnahme der Arbeitstätigkeit ein Erholungsurlaub von mindestens sechs Wochen zu empfehlen sei. Wegen des Inhalts und der Gestaltung dieses neurochirurgischen Attests wird auf die Anlage zur Klageschrift (Bi. 6 d. A.) Bezug genommen. Die Klägerin hat sodann bei der Beklagten um die Erteilung von Erholungsurlaub einschließlich des gesetzlichen Zusatzurlaubes für Schwerbehinderte nachgesucht. Dies wurde seitens der Beklagten abgelehnt.
In der mündlichen Verhandlung vom 02.10.2001 hat die Klägerin an Eides Statt versichert, dass sie ab sofort arbeitsfähig ist. Wegen des Inhalts dieser eidesstattlichen Versicherung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 02.10.2001 (BI. 14 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass ein Verfügungsgrund offensichtlich gegeben sei.
Der Verfügungsanspruch ergebe sich aus den gesetzlichen Pflichten zur Urlaubserteilung, ihrer Arbeitsfähigkeit und den fehlenden betrieblichen Gründen auf Seiten des Arbeitgebers.
Die Klägerin beantragt, die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, der Verfügungsklägerin Erholungsurlaub von 35 Arbeitstagen ab sofort bzw. der Verkündung einer Entscheidung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte behauptet, eine Urlaubsgewährung zu Gunsten der Klägerin würde zu Überschneidungen mit anderen Mitarbeitern in der Heerstraße führen. Dies würde zu organisatorischen Schwierigkeiten führen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die Klage ist unbegründet.
Die Klage ist im Wege der einstweiligen Verfügung unbegründet, weil der Klägerin kein Verfügungsgrund zusteht. Dieser Verfügungsgrund ist aber als besondere Sachurteilsvoraussetzung im einstweiligen Verfügungsverfahren vom Gericht nachzuprüfen und der Entscheidung zugrunde zu legen.
Es kann deshalb dahinstehen, ob der ursprünglich angekündigte Klageantrag, den Arbeitgeber zur Gewährung einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen ohne Festlegung des Urlaubszeitraumes zu verurteilen, gegen das Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO verstößt oder nicht. Gleichfalls kann dahinstehen, ob der Klägerin ein Verfügungsanspruch zur Seite steht. Dieser Verfügungsanspruch würde die Fähigkeit der Beklagten voraussetzen, Urlaub zu erteilen. Dies könnte die Beklagte nur, wenn die Klägerin arbeitsfähig wäre. Auch wenn Rechtsprechung und Schrifttum im Arbeitsrecht nahezu einhellig davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer die Gewährung des Urlaubes im Verfahren der einstweiligen Verfügung durchsetzen kann (BAG, NZA 1994, S. 548; BAG, NZA 1998, S. 708; LAG Berlin, LAGE § 7 BUriG Nr. 9; LAG BadenWürttemberg, BB 1968, S. 1330; LAG Hamm, DB 1976, S. 1726; LAG Köln, NZA 1991, S. 396; Leinemann/Linck, § 7 Rz 74; Dersch/Neumann, § 7 Rz 54; Corts, NZA 1998, S. 357; Germelmann/Matthes/Prütting, § 62 Rz 81), so besteht doch Einigkeit dahingehend, dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Gewährung von Erholungsurlaub einen Verfügungsgrund voraussetzt.
Dieser zu fordernde Verfügungsgrund liegt vorliegend aber nicht vor bzw. die Klägerin hat diesen nicht dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht.
Eine einstweilige Verfügung auf Verurteilung des Arbeitgebers zur Gewährung von Erholungsurlaub setzt nämlich als Verfügungsgrund voraus, dass der Arbeitnehmer auf die sofortige Erfüllung des Anspruches zur Abwendung wesentlicher Nachteile dringend angewiesen ist (LAG Köln, NZA 1991, S. 396; Münchener Kommentar – ZPO – Heinze § 935 Rz 43; Hiekel, NZA Beilage 2/1990, S. 32 (39); Lakies, AuA 1995, S. 15). Ein wesentlicher Nachteil kann sich dabei aus einem ansonsten eintretenden Rechtsverlust bzw. einer Rechtsverweigerung ergeben, so etwa, wenn das Ende des Arbeitsverhältnisses unmittelbar bevorsteht, der Freizeitanspruch also untergehen und lediglich ein Urlaubsabgeltungsanspruch, auf den sich der Arbeitnehmer nicht verweisen lassen muss, entstehen würde. Ein Verfügungsgrund läge auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer auf Grund einer Zusage des Arbeitgebers eine feste Buchung vorgenommen hätte, deren Nichteinhaltung für ihn mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist. An einem Verfügungsgrund würde es allerdings fehlen, wenn der Arbeitnehmer ohne Vorgabe eines Zeitraumes Urlaubsgewährung in Höhe von 35 Tagen begehren würde. Dasselbe gilt, wenn lediglich wegen Ablaufs des Urlaubsjahres Urlaubsgewährung im Eilverfahren durchgesetzt werden soll. Der Fristablauf bleibt nämlich bei rechtzeitiger Geltendmachung ohne Bedeutung, weil bei unbegründeter Weigerung des Arbeitgebers an die Stelle des erlöschenden Urlaubsanspruches als Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe ein Ersatzanspruch mit der Folge treten würde, dass der Freizeitanspruch erhalten bleibt (BAG, NZA 1997, S. 151; NZA 1995, S. 1109; NZA 1995, S. 839; NZA 1995, S. 123; NZA 1992, S. 797; Leinemann/Linck, § 7 Rz 138 ff; Dersch/Neumann, § 7 Rz 71, 89), es mithin im Regelfall am Verfügungsgrund fehlen würde (LAG Hamm, MdR 1990, S. 657; Hiekel, NZA Beilage 2/1990, S. 32 (38); Lakies, AuA 1995, S. 15).
Legt man diese Grundsätze der Entscheidung zugrunde, so hat die Klägerin nicht ansatzweise dargelegt, dass sie auf die sofortige Erfüllung des vollständigen Anspruches zur Abwendung wesentlicher Nachteile dringend angewiesen ist. Auch wenn die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 02.10.2001 ihren Antrag dahingehend konkretisiert hat, dass sie ab einem bestimmten Termin bzw. Zeitpunkt in Erholungsurlaub gehen wolle, so muss genau für diesen Zeitpunkt ein Verfügungsgrund bestehen (Düwell/Lipke, Arbeitsgerichtsverfahren, § 62 Rz 46). Auf Befragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 02.10.2001, ob familiale Bindungen, besondere Festereignisse oder sonstige besondere Umstände die Urlaubserteilung ab Oktober 2001 nicht nur veranlassen, sondern gar zwingend erforderlich machen, hat die Klägerin hierzu nichts gesondert dargelegt. Die Kammer kann dann nicht ersehen, warum es für die Klägerin auf die sofortige Erfüllung des Anspruches zur Abwendung wesentlicher Nachteile dringend darauf ankommt, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
Ein Verfügungsgrund rechtfertigt sich auch nicht daraus, dass ein wesentlicher Nachteil in der Form eintreten würde, dass die Klägerin ihren Jahresurlaub mit Ablauf des Jahres verlieren würde. Es ist nämlich zwischen den Parteien unstreitig, dass der Urlaubsanspruch der Klägerin bezogen auf das Jahr 2001 durch einen Übertragungszeitraum bis zum 31.03.2002 noch vollständig in Natura realisiert werden kann. Weiterhin hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 02.10.2001 klargestellt, dass eine Urlaubserteilung in dem von der Klägerin begehrten Umfang problemlos im November, damit noch vor Ablauf des Kalenderjahres, von der Beklagten bewerkstelligt werden kann. Aus diesen Umständen ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, dass der Klägerin ein wesentlicher Nachteil dadurch entstehen könnte, dass sie ab Oktober 2001 keinen Erfolgungsurlaub gewährt bekäme. Aus diesen Gesichtspunkten und vor allem vor dem Hintergrund, dass selbst bei einer unberechtigten Weigerung der Beklagten an die Stelle des erlöschenden Urlaubsanspruches als Schadensersatzanspruch ein Ersatzanspruch in gleicher Höhe mit der Folge eintritt, dass der Urlaubsanspruch für die Klägerin erhalten bleibt, droht kein wesentlicher Rechtsverlust. Jedenfalls hat die Klägerin einen solchen wesentlichen Rechtsverlust nicht ansatzweise dargelegt. Schließlich hat die Klägerin auch keine Gesichtspunkte dafür dargelegt, dass dem Arbeitnehmer keine andere Möglichkeit offen gestanden habe, die Festlegung des Urlaubszeitraumes zu erlangen. Da es zwischen den Parteien unstreitig ist, dass im Betrieb der Beklagten ein Betriebsrat gebildet ist, so hätte zumindest ansatzweise die Möglichkeit bestanden, über diesen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG eine Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubes zu erzwingen. Auch wenn man dies nicht als zwingendes Erfordernis im Hinblick auf die. Annahme eines Verfügungsgrundes ausgestalten wollte, so verdeutlicht es doch der Kammer bei der Ermittlung des Verfügungsgrundes, dass selbst kollektive Interessenvertretungsorgane in die Vorgänge um die Urlaubserteilung an die Klägerin nicht eingeschaltet waren. Auf der Grundlage all dieser Gesichtspunkte kann die Kammer deswegen die Erforderlichkeit im Hinblick auf die wesentlichen Nachteile nicht ersehen, einen drohenden Rechtsverlust nicht erkennen, wobei sonstige kollektive Aushandlungsprozesse nicht von der Klägerin initiiert wurden.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, da die Klägerin in vollem Umfang unterlegen ist.
Der Wert des Streitgegenstandes ist im Urteil festzusetzen, § 61 Abs, 1 ArbGG. Die Kammer hat das Monatsbruttogehalt der Klägerin mit DM 5.000,– geschätzt und auf der Grundlage von einem 6-wöchigen Erholungsurlaub den 1 1/2-fachen Wert angesetzt.