OLG Hamm, Az.: 27 U 63/93
Urteil vom 06.07.1993
Gründe
Die Berufung ist teilweise begründet, die Anschlußberufung hingegen erfolglos.
Die Kl. können die Bekl. gem. den §§ 844 BGB, 3 PflVG auf Zahlung von insgesamt 12.900 DM in Anspruch nehmen, da sie nach Auffassung des Senats mit 15.000 DM (einschl. Sterbegeldzahlung) eine standesgemäße Beerdigung ihrer Tochter M. hätten ausrichten können. Die aufgewandten Mehrkosten müssen sie selbst tragen.
Den Kl. ist zuzugeben, daß sie die Beerdigung weitgehend frei gestalten durften. Kraft Gewohnheitsrechts stand ihnen als den nächsten Familienangehörigen das Recht der Totenfürsorge zu. Da nicht ersichtlich ist, daß die Tochter M. zur Art und Weise ihrer Bestattung irgendwelche Bestimmungen getroffen oder Vorstellungen geäußert hat, waren die Kl. befugt, selbst zu entscheiden. Insoweit stand allein ihnen das Recht zu, speziell die Aufwendungen für die einzelnen Positionen wie Grabstein, Blumenschmuck, Trauerkleidung, Bewirtung etc. festzulegen. Das besagt aber nichts darüber, wer die hierfür erforderlichen Kosten letztlich zu tragen hat. Grundsätzlich muß jeder für das aufkommen, was er veranlaßt; das gilt auch für einen Bestattungsberechtigten. Die Kl. können daher lediglich im Umfang einer den Bekl. besonders auferlegten Kostentragungspflicht Ersatz verlangen. Diese Pflicht ist beschränkt auf die Erstattung des standesmäßigen Aufwandes; die Kl. können nur das beanspruchen, was ihnen ein Erbe ihrer Tochter ersetzen müßte, wenn sie nicht selbst Erben wären (§§ 844, 1968 BGB).
Die Ersatzpflicht des Erben ist zwar als Korrelat für den Anfall der Erbschaft gedacht. Der Anspruch des Bestattungsberechtigten wird aber nicht durch den Nachlaß als Richtgröße für die Standesmäßigkeit eingegrenzt, sondern erstreckt sich subsidiär auf den Unterhaltspflichtigen. Deshalb kommt es auch dann auf die Verhältnisse der Kl. an, wenn die Tochter M. kein nennenswertes Vermögen hinterlassen haben sollte. Die Kl. sind beide Kaufleute und gehören offenbar zum „gutbürgerlichen“ Mittelstand. Mithin kommt es darauf an, welcher finanzielle Aufwand in diesen Kreisen für gewöhnlich betrieben wird, wenn Eltern eine 19jährige Tochter beerdigen.
Das ist einer exakten Bezifferung nicht zugänglich. Es erscheint bereits fraglich, ob es insoweit statistische Erhebungen gibt. Die Parteien haben dazu nichts vorgetragen und der Senat hat hierüber keine eigenen Erkenntnisse. Etwaige Umfragen könnten auch nur Rahmendaten vorgeben, die lediglich eine Entscheidungshilfe böten. Denn die Klärung der Frage, ob ein betriebener Aufwand übersetzt ist, hängt davon ab, was als noch standesmäßig anzusehen wäre. Das läßt sich weder mit Durchschnittswerten noch mit Häufigkeiten errechnen, sondern bedarf der freihändigen Schätzung.
Der Senat hält es für sachlich vernünftig und rechtlich geboten, diese aus der Gesamtschau heraus vorzunehmen. Durch eine Aufteilung nach Einzelpositionen wie Grabstein, Blumenschmuck usw. würde keine größere Genauigkeit oder auch nur eine bessere Schätzmöglichkeit geschaffen, sondern das Problem der Ausfüllung des Begriffs (noch) „standesmäßig“ nur vervielfacht und außerdem der Blick für die letztlich entscheidende Gesamtsumme verstellt. Gegen eine Detailbetrachtung spricht auch, daß dadurch der Ermessensspielraum des Bestattungsberechtigten ohne triftigen Grund eingeschränkt würde. § 1968 BGB sieht eine Untergliederung der Beerdigungskosten nicht vor, sondern erfaßt diese in toto. Damit ist dem Bestattungsberechtigten nur ein ersatzfähiger Kostenrahmen vorgegeben, ohne seinen Erstattungsanspruch im einzelnen festzulegen. Hiernach braucht er nicht zu befürchten, allein deswegen einen Teil der Kosten selbst tragen zu müssen, weil er die Schwerpunkte der Beerdigungsfeier anders gewichtet hat, als das üblicherweise geschieht. Solange der insgesamt betriebene Aufwand dem Stande des Verstorbenen entspricht, steht es ihm in jeder Hinsicht frei, wie er die Akzente setzen will: etwa ob er besonderen Wert auf Blumenschmuck legt und dafür bei dem Grabstein Zurückhaltung übt oder ob er sich bei der Trauerkleidung beschränkt, hingegen sein Augenmerk insb. auf die Bewirtung der Trauergäste richtet.
Unter Berücksichtigung aller Umstände, welche die Beerdigung als solche – nicht etwa beispielsweise das Seelenamt 30 Tage danach – betreffen, erscheint bei dem hier anzusetzenden Kostenrahmen der Betrag von 15.000 DM als (noch) vertretbare Obergrenze. Der Senat verkennt nicht, daß vergleichbare Beerdigungen überwiegend mit deutlich geringerem Aufwand vorgenommen werden. Angesichts des aktuellen Preisgefüges kann aber eine Beerdigung für 15.000 DM nach den Maßstäben des Mittelstandes weder als übertrieben – prunkvoll noch gar als protzig – überladen angesehen werden.