Reisekosten im Rechtsstreit: Einblicke in die Erstattungsfähigkeit von Übernachtungskosten
In einem bemerkenswerten Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Memmingen (Az.: 34 O 1272/16) vom 29. Januar 2020 wurde die Frage der Erstattungsfähigkeit von Übernachtungskosten für Anwälte im Rahmen eines Gerichtsverfahrens behandelt. Der Kern des Falles drehte sich um die Frage, unter welchen Umständen Übernachtungskosten nach VV 7006 RVG erstattungsfähig sind. Das Gericht stellte klar, dass solche Kosten regelmäßig zu erstatten sind, wenn die Übernachtung zweckmäßig ist oder wenn eine Hin- und Rückreise am selben Tag nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Als Maßstab für die Zumutbarkeit wurde ein Zeitfenster von 6 Uhr bis 21 Uhr festgelegt.
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Übersicht:
Erstattungsfähigkeit und Pufferzeiten

Das Gericht ging auch auf die Notwendigkeit von Pufferzeiten ein, die neben der reinen Fahrzeit zu berücksichtigen sind. Diese Pufferzeiten dienen dazu, unvorhergesehene Verzögerungen, wie etwa Verkehrsstaus oder die Parkplatzsuche, auszugleichen. Im konkreten Fall wurde die Erstattung der Übernachtungskosten für den Prozessbevollmächtigten des Streithelfers als angemessen erachtet, da eine Anreise am Tag des Gerichtstermins vor 6 Uhr hätte erfolgen müssen.
Anwaltskosten und Gebührenrecht
Die Anwaltskosten, die im Rahmen des Kostenfestsetzungsantrags geltend gemacht wurden, waren nach Art und Höhe gebührenrechtlich nicht zu beanstanden. Die Gesamtkosten, die der Klagepartei vom Streithelfer zu erstatten waren, wurden auf 1.924,53 € nebst Zinsen festgesetzt. Diese Kosten waren notwendigerweise entstanden und daher von der Gegenseite zu erstatten.
Übernachtung als angemessene Maßnahme
Im vorliegenden Fall war die Übernachtung des Prozessbevollmächtigten des Streithelfers als angemessen zu betrachten. Der Anwalt hätte die Anreise zum Gerichtstermin um 10 Uhr am Morgen nicht rechtzeitig antreten können, wenn er am selben Tag abgereist wäre. Die erforderliche Abfahrtszeit hätte vor 6 Uhr liegen müssen, was eine Übernachtung rechtfertigte.
Verzinsung der Kosten
Abschließend wurde die Verzinsung der zu erstattenden Kosten gemäß § 104 Abs. I ZPO ab dem Eingang des Kostenfestsetzungsantrags bei Gericht ausgesprochen. Dies unterstreicht die Bedeutung der zeitnahen Geltendmachung von Kosten im Rahmen eines Gerichtsverfahrens.
Dieser Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Memmingen liefert wichtige Erkenntnisse zur Erstattungsfähigkeit von Übernachtungskosten im Rahmen von Gerichtsverfahren und könnte als Referenz für ähnliche Fälle dienen.
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Übernachtungskosten nach VV 7006 RVG – kurz erklärt
Übernachtungskosten eines Rechtsanwalts können nach Nr. 7006 VV RVG (Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) als Auslagen erstattet werden, sofern sie als angemessen betrachtet werden. Die Angemessenheit wird in der Regel dann angenommen, wenn die Übernachtung zweckmäßig ist oder wenn eine Hin- und Rückreise am selben Tag nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Beurteilung der Angemessenheit erfolgt oft in Anlehnung an § 758a ZPO (Zivilprozessordnung).
Die Erstattungsfähigkeit der Übernachtungskosten ist nicht automatisch gegeben, sondern muss im Einzelfall geprüft werden. Das Verwaltungsgericht Würzburg hat beispielsweise festgestellt, dass die Übernachtungskosten eines auswärtigen Rechtsanwalts nicht bereits erstattungsfähig sind, nur weil sie nach Nr. 7006 VV RVG als Auslagen abgerechnet werden können.
Neben den Übernachtungskosten können auch andere Auslagen, die im Rahmen einer Geschäftsreise entstehen, abgerechnet werden. Dazu zählen beispielsweise Parkgebühren, Mautgebühren und ähnliche Kosten. Die Erstattung der Übernachtungskosten und anderer Reisekosten ist insbesondere dann relevant, wenn der Anwalt eine Kanzlei hat, die nicht am Gerichtsort liegt. In solchen Fällen können die gesamten Reisekosten erstattet werden, sofern die Beauftragung eines auswärtigen Anwalts als notwendig angesehen wird.
Das vorliegende Urteil
LG Memmingen – Az.: 34 O 1272/16 – Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.01.2020
Leitsätze:
1. Übernachtungskosten nach VV 7006 RVG sind regelmäßig zu erstatten, wenn die Übernachtung zweckmäßig ist oder wenn Hin- und Rückreise am selben Tag nicht möglich oder nicht zumutbar sind, was dann anzunehmen ist, wenn Hin- und Rückreise nicht im Zeitfenster von 6 Uhr bis 21 Uhr erfolgen können.
2. Dabei sind neben der reinen Fahrzeit auch Pufferzeiten zu berücksichtigen, um unvorhergesehene Verzögerungen ausgleichen zu können, wie etwa bei Verkehrsstaus, Parkplatzsuche oder Zugang vom Parkplatz zum Gerichtsgebäude.
Die von der Klagepartei an den Streithelfer … gem. § 104 ZPO nach dem rechtskräftigen Endurteil des Landgerichts Memmingen vom 26.09.2019 i.V.m. dem Beschluss vom 27.11.2019 zu erstattenden Kosten werden auf 1.924,53 € (in Worten: eintausendneunhundertvierundzwanzig 53/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB hieraus seit 04.10.2019 festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Die gem. Kostenfestsetzungsantrag vom 02.10.2019 in Ansatz gebrachten Anwaltskosten sind nach Art und Höhe gebührenrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Kosten sind notwendigerweise entstanden und daher von der Gegenseite zu erstatten.
Die Endsumme der Kostenpositionen beträgt entgegen des Antrags rechnerisch richtig jedoch nur 1.924,53 €.
Insbesondere sind die Hotelkosten anlässlich des Gerichtstermins am 05.09.2019 zu erstatten.
Übernachtungskosten nach Nr. 7006 VV RVG sind zu erstatten, wenn diese angemessen sind. Dies ist regelmäßig dann gegeben, wenn die Übernachtung zweckmäßig, oder aber, wenn Hin- und Rückreise am selben Tag nicht möglich oder nicht zumutbar sind. Die herrschende Rechtssprechung nimmt dies in Anlehnung an § 758a Abs. IV ZPO dann an, wenn die Hin- und Rückreise nicht im Zeitfenster von 6.00 Uhr bis 21.00 Uhr erfolgen können (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 7. Auflage 2018, Rn. 3 zu Nr. 7006 VV RVG; Gerold/Schmidt, 22. Aufl., Rdnr. 71-73 zu Nr. 7003-7006 VV RVG).
Dem Prozeßbevollmächtigten des Streithelfers ist vorliegend zur Wahrung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht in Form des rechtzeitigen Erscheinens zum Gerichtstermin am 05.09.2019 um 10.00 Uhr zuzugestehen, die Anreise bereits am Vortag angetreten zu haben, weshalb in Folge dessen eine Übernachtung erforderlich wurde.
Hätte der Prozeßbevollmächtigte des Streithelfers die Hinreise zum Termin erst am 05.09.2019 angetreten, hätte die Abfahrt bei sorgfältiger Planung der Anreisezeit bereits vor 6.00 Uhr erfolgen müssen um zum terminierten Beginn um 10.00 Uhr anwesend zu sein, mithin zu einem Zeitpunkt, für welchen eine Übernachtung als angemessen zu betrachten ist.
Neben der reinen Fahrtzeit, welche nach dem Routenplaner google.maps vom Sitz der Kanzlei zum Gericht ca. 3 Stunden und 10 Minuten beträgt, wäre eine weitere Pufferzeit vorzuhalten gewesen, um mögliche unvorhergesehene Verzögerungen auszugleichen, welche durch die gegenwärtigen Baumaßnahmen auf der Autobahn A8 zwischen Stuttgart und Ulm jederzeit auftreten können. Ferner ist hierbei zu berücksichtigen, dass bei einer Anreise zum Gericht in der Frühe des Terminstags am 05.09.2019 auch möglichen Verzögerungen durch den Berufsverkehr um Karlsruhe und Stuttgart herum Sorge zu tragen gewesen wäre. Eine Pufferzeit zur reinen Fahrtzeit hinzu von etwa 45 Minuten wäre nach den genannten Unwägbarkeiten in Bezug auf den Verkehrsfluß, aber auch in Anbetracht der Länge der Fahrtstrecke von 250 km sicher einzuplanen gewesen.
Es ergibt sich somit bereits im Hinblick auf die Fahrtzeit neben der Pufferzeit hierfür eine Zeitspanne von knapp 4 Stunden.
Ausgehend vom Terminsbeginn um 10.00 Uhr ergibt sich, dass die Abfahrt um etwa 6.00 Uhr hätte begonnen werden müssen. Ferner wären überdies Zeiten für die Parkplatzsuche nach Ankunft am Gerichtsort, sowie für den Zugang vom Parkplatz zum Gerichtsgebäude einzuplanen gewesen, so dass in jedem Fall die Abreise – wenn auch nur knapp – vor 6.00 Uhr hätte begonnen werden müssen.
Soweit die Klagepartei ausführt, dass die Reise zum Gerichtstemin am 05.09.2019 auch – zur Vermeidung einer Übernachtung – mit der Bahn hätte erfolgen können, kann dem nicht gefolgt weden. Wie im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens dargelegt, wäre die Ankunft am Bahnhof in Memmingen bei einer Abfahrt um 6.43 Uhr um 9.55 Uhr erfolgt. Das Gerichtsgebäude liegt fußläufig nur etwa 5 Minuten vom Bahnhof entfernt und hätte ggf. – die planmäßige Ankunft vorausgesetzt – gerade noch rechtzeitig bis zum Terminsbeginn um 10.00 Uhr erreicht werden können. Einer sorgfältigen Planung des rechtzeitigen Erscheinens zum Terminsbeginn hätte dies jedoch in Anbetracht eines Puffers von 5 Minuten, selbst bei vorausgesetzt pünktlicher Ankunft des Zuges, bis zum Beginn des Gerichtstermins widersprochen.
Eine frühere Ankunft am Bahnhof des Gerichtsorts wiederum hätte eine Abreise vor 6.00 Uhr bedingt und daher ebenfalls eine Übernachtung gerechtfertigt.
Die Verzinsung ist gem. § 104 Abs. I ZPO ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrags bei Gericht auszusprechen.