Oberlandesgericht Hamm
Az: 1 Ss OWi 549/07
Beschluss vom 14.08.2007
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Unna vom 8. Mai 2007 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 14. 08. 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter (§ 80 a Abs. 1 OWiG) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Unna hat den Betroffenen wegen einer am 12. Dezember 2006 auf der BAB 44 im Bereich der Gemeinde Unna begangenen fahrlässigen Nichteinhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes zu einer Geldbuße von 140,00 € verurteilt und – unter Anwendung des § 25 Abs. 2 a StVG – gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats verhängt. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betroffene bei einer Fahrgeschwindigkeit von 105 km/h über eine Fahrstrecke von zumindest 300 Metern Länge zu einem vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer einen Abstand eingehalten, der weniger als 3/10 des halben Tachowertes betrug.
Zum Rechtsfolgenausspruch ist in dem angefochtenen Urteil ausgeführt:
„Wegen der festgestellten Ordnungswidrigkeit war gegen den Betroffenen zunächst eine Geldbuße festzusetzen. Bei Bemessung der Höhe der festzusetzenden Buße hat das Gericht zum Nachteil des Betroffenen gewertet, dass er bereits in erheblichem Umfang – auch einschlägig – verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist. Das Gericht hielt nach Abwägung die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 140,00 € für angemessen, um den Betroffenen auf seinen Pflichtenverstoß hinzuweisen.
Gegen den Betroffenen war des weiteren gemäß § 25 StVG ein Regelfahr-verbot festzusetzen. Das Gericht sah nach Abwägung keine Möglichkeit, – erneut – gegen weitere Erhöhung der Regelgeldbuße von der Auferlegung eines Regelfahrverbotes Abstand zu nehmen.
Der Betroffene ist bereits in erheblichem Umfang – auch einschlägig – verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Obwohl die Voraussetzungen für die Auferlegung eines Regelfahrverbotes (zweimalige Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 25 km/h innerhalb eines Jahres) bei der Entscheidung durch das Amtsgericht Bottrop vorlagen, hat das Amtsgericht Bottrop ausnahmsweise gegen erhebliche Erhöhung der Regelgeldbuße von der Auferlegung eines Regelfahrverbotes Abstand genommen. Der Betroffene hat diese ihm eingeräumte Chance leider nicht genutzt. Er ist erneut wegen einer erheblichen Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes in Erscheinung getreten.
Der Betroffene hat damit gezeigt, dass er allein durch die Verhängung – auch erheblicher – Geldbußen nicht zu einem verkehrsgerechten Fahrverhalten veranlasst werden kann. Daher bedarf es nunmehr der Festsetzung eines Regelfahrverbotes, um entsprechend auf den Betroffenen einwirken zu können.
Angesichts der geschilderten Besonderheiten hat der Betroffene im vorliegenden Fall die beruflichen Folgen der Festsetzung eines Regelfahrverbotes als selbst verschuldet hinzunehmen, selbst wenn dieses zum Verlust seines Arbeitsplatzes führen würde.
Das festzusetzende Fahrverbot war mit der geringst möglichen Dauer von einem Monat anzuordnen.“
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte und mit der Verletzung materiellen Rechts begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und fristgerecht begründet worden. Sie ist auch wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden, da die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Verurteilung des Betroffenen wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes tragen.
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache allerdings keinen Erfolg. Die auf die Sachrüge hin vorzunehmende Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht erkennen.
1.
Bei der Festsetzung der Geldbuße hat das Amtsgericht den nach der lfd. Nr. 12.5.3 der Tabelle 2 zu Nr. 12 der Anlage zu § 1 BKatV vorgesehenen Regelsatz in Höhe von 100,00 € zugrunde gelegt und im Hinblick auf sechs Voreintragungen maßvoll um 40,00 € erhöht. Es hat auch zutreffend dargelegt, dass sich der durch den Betroffenen begangene Verkehrsverstoß als in subjektiver Hinsicht grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers darstellt.
2.
Auch die Verhängung des Fahrverbots hält rechtlicher Überprüfung Stand.
Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 BKatV in Verbindung mit der lfd. Nr. 12.5.3 der Tabelle 2 des Anhangs zu Nr. 12 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV ist für einen solchen wie von dem Betroffenen begangenen Abstandsverstoß bei einer Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h in der Regel ein Fahrverbot von einem Monat festzusetzen. Allerdings kann ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots wegen des Vorliegens einer außergewöhnlichen Härte dann geboten sein, wenn durch seine Anordnung die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen gefährdet wäre (vgl. BGHSt 38, 125 ff.; OLG Hamm VRS 90, 210; OLG Hamm DAR 1996, 325; OLG Hamm NZV 1995, 366 (367); Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 25 StVG Rdnr. 18 m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall kann hier zwar nicht grundsätzlich von vornherein ausgeschlossen werden, denn der Betroffene ist Außendienstmitarbeiter, der in seiner beruflichen Tätigkeit arbeitstäglich Kunden in NRW aufzusuchen hat, und der nach dem angefochtenen Urteil geltend macht, für den Fall der Verhängung eines Regelfahrverbotes seinen Arbeitsplatz durch Kündigung seitens des Arbeitgebers zu verlieren. Das Amtsgericht hat diese mögliche Auswirkung des Fahrverbotes aber bedacht und gleichwohl von der Möglichkeit der (noch weitergehenden) Erhöhung der Geldbuße unter Wegfall des Fahrverbotes abgesehen. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass selbst das Vorliegen einer besonderen Härte durch drohenden Verlust des Arbeitsplatzes nicht zwingend dazu führt, in jedem Fall von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen. Denn auch in einem solchen Fall muss zu berücksichtigender Maßstab bleiben, ob bei Verzicht auf eine solche Sanktion wirksam auf den Betroffenen noch eingewirkt werden kann. Ist dieses nicht der Fall, weil sich der Betroffene gegenüber verkehrsrechtlichen Ge- und Verboten vollkommen uneinsichtig zeigt, so muss ein Fahrverbot auch bei erheblichen Härten seine Berechtigung finden, denn ansonsten würde einem solchen Verkehrsteilnehmer ein dauerhafter „Freifahrschein“ erteilt und eine wegen besonderer Umstände bevorzugte Behandlung gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern nicht mehr zu rechtfertigen sein (vgl. OLG Karlsruhe NZV 2004, 316 (317); OLG Bamberg VerkMitt 2007 Nr. 4).
So verhält es sich hier. Insoweit hat das Amtsgericht auch nicht verkannt, dass der Frage verkehrsrechtlicher Vorahndungen im Rahmen der Prüfung einer Grenzüberschreitung hin zur Unverhältnismäßigkeit des Fahrverbotes entscheidende Bedeutung zukommen kann. Bereits der Abstand von weniger als 3/10 des halben Tachowertes bei einer Geschwindigkeit von 105 km/h stellt einen schweren Verstoß gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers dar und kann zu erheblicher Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führen. Es handelt sich zudem nicht um einen Einzelfall; vielmehr ist der Betroffene schon wegen eines am 28. Juni 2004 begangenen Abstandsverstoßes sowie weiterer fünf – vom 11. Oktober 2002 bis 24. März 2005 – begangener Geschwindigkeitsverstöße auffällig geworden, wobei bei der letzten Ahndung von der Verhängung eines Fahrverbotes trotz beharrlicher Pflichtenverletzung durch das Amtsgericht Bottrop ausnahmsweise gegen erhebliche Erhöhung der Regelgeldbuße abgesehen worden ist. Bei dieser Sachlage ist eine nachdrückliche Einwirkung auf den Betroffenen geboten, um ihn zukünftig zu verkehrsgerechtem Verhalten zu veranlassen. Die mit einem Fahrverbot verbundene Härte in Form des Verlustes des Arbeitsplatzes (Anmerkung des Senats: sofern ein solcher überhaupt ernsthaft droht und nicht lediglich versucht wird, dies unter Mithilfe des Arbeitgebers plausibel erscheinen zu lassen), findet daher seine Berechtigung und ist von dem Betroffenen hinzunehmen.
Soweit mit der Rechtsbeschwerde gerügt wird, die Entscheidung des Amtsgerichts, nicht von der Verhängung des Regelfahrverbotes abzusehen, sei deshalb ermessensfehlerhaft, weil das Amtsgericht dem „feststehenden Arbeitsplatzverlust“ lediglich die Vorbelastungen gegenüberstelle, „ohne die privaten, beruflichen und finanziellen Auswirkungen“ „dieses“ Fahrverbotes auf die Lebensverhältnisse des Betroffenen zu ermitteln“, gibt dies zu anderer Beurteilung keinen Anlass. Gravierende Folgen eines Fahrverbotes für die allgemeine wirtschaftliche bzw. private Situation des Betroffenen oder seiner Familie sind weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Das Amtsgericht war deswegen nicht gehalten, dieser Frage nachzugehen und etwaige dahingehende Feststellungen zu treffen. Abgesehen davon würden solche Auswirkungen auch zu den Folgen gehören, die der Betroffene aufgrund seiner wiederholten erheblichen die allgemeine Sicherheit gravierend beeinträchtigenden Verkehrsverstöße, die er in Kenntnis der Auswirkungen eines etwaigen Fahrverbotes auf seine berufliche Tätigkeit und seine übrigen Lebensumstände begangen hat, hinzunehmen hätte.
Die Rechtsbeschwerde war deshalb als unbegründet zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.