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Familiennamenänderung aus wichtigem Grund – schutzwürdige Interesse des Namensträgers

VG Gießen –  Az.: 4 K 1103/13.GI –  Urteil vom 29.08.2014

1. Der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 14.12.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2013 verpflichtet, den Familiennamen der Kläger von „A.“ in „B.“ zu ändern.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Änderung ihres Familiennamens. Der Kläger zu 1) wurde am … in Midyat/Türkei geboren und erwarb mit seiner Geburt die türkische Staatsangehörigkeit. 1996 schloss er mit der Klägerin zu 2) die Ehe und die Eheleute bestimmten den Geburtsnamen des Klägers zu 1) „A.“ zum gemeinsamen Ehenamen. Die Kläger zu 1) und 2) sind zwischenzeitlich deutsche Staatsangehörige geworden. Ihre Kinder erwarben mit Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit durch Abstammung und erhielten gemäß § 616 BGB den Ehenamen der Eltern zum Geburtsnamen.

Am 26.10.2012 beantragten die Kläger zunächst bei der Stadt A-Stadt die Änderung ihres seitherigen Familiennamens. Dieser Antrag wurde dem Kreisausschuss des Landkreises G. zuständigkeitshalber zur weiteren Bearbeitung am 31.10.2012 übersandt.

Mit Bescheiden vom 14.12.2012 lehnte der Kreisausschuss des Landkreises G. die Anträge ab. Die Kläger erhoben hiergegen mit Schreiben vom 16.01.2013 Widerspruch. Dabei erklärte die Klägerin zu 2) am 12.03.2013, dass der Kläger zu 1) vollumfänglich mit ihrer Zustimmung den Widerspruch auch in ihrem Namen eingelegt habe. Die Kläger trugen zur Begründung im Wesentlichen vor, dass es ihnen unzumutbar sei, dass sie als einzige in ihrer Familie noch den Namen „A.“ führen müssten. Dies sei ein Name, der der Familie vom türkischen Staat aufgezwungen worden sei. Auf die weiteren Ausführungen kann hierzu Bezug genommen werden. Entsprechende Nachweise führten die Kläger.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2013 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Auf die entsprechende Begründung wird verwiesen.

Die Kläger haben mit Eingang am 31.05.2013 bei Gericht Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen in ihren Schriftsätzen vom 01.07.2013, 06.09.2013, 11.02.2014, 05.06.2014 und 30.07.2014 angeführt, dass sie die Änderung ihres Familiennamens von „A.“ in „B.“ beantragen würden. Hierfür gebe es ausreichende Gründe, die insbesondere darin lägen, dass sie die letzten im Familienverband seien, die nicht B. heißen würden. Auch habe es eine widerrechtliche Umbenennung gegeben durch das türkische Gesetz Nr. 2525 vom 21.06.1934. B. sei als Teil ihrer Identität der vorherige Name und integriere sie auch hier in die Bundesrepublik Deutschland vollständig. Für diese zwangsweise Umbenennung gebe es Zeugen, so zum Beispiel der Vater des Klägers zu 1) und der örtliche Gemeindepfarrer der aramäischen Gemeinde. Allgemein sei es so, dass insbesondere die syrischen Christen, überwiegend Aramäer, diesen Namensänderungszwängen der Türkei unterlegen hätten. Man könne nicht davon sprechen, dass es sich hier um eine freiwillige Umbenennung hätten handeln können. Hierzu sei der auf die christlichen Einwohner der Türkei damals ausgeübte Druck zu stark gewesen, um davon auszugehen, dass es sich um eine freiwillige Namensänderung gehandelt habe. Die Unterdrückung der aramäischen christlichen Minderheit durch die Regierung der Türkei sei mittlerweile auch bewiesen und die gutachterliche Stellungnahme, die das Gericht in Auftrag gegeben habe, hätte auch belegt, dass nicht nur ein wichtiger Grund in diesem Sinne vorläge, sondern auch entscheidend der Druck auf das Familienoberhaupt, den Kläger zu 1) sei, der den Namen „B.“ wieder für seine Familie führen möchte. So sehr, dass er durchaus befürchten müsse, einmal an diesem Leidensdruck nachhaltig psychisch zu erkranken. Auf den Inhalt des Schriftsatzes wird Bezug genommen.

Die Kläger beantragen, den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 14.12.2012 und 25.04.2013 zu verpflichten, ihren Antrag den Familiennamen von „A.“ in „B.“ zu ändern, stattzugeben, hilfsweise über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat mit seinen Schriftsätzen vom 14.08.2013, 19.05.2014 und 27.05.2014 im Wesentlichen zur Klage Stellung genommen und erwidert: Die Kläger hätten nach wie vor keinen eine Namensänderung rechtfertigenden wichtigen Grund dargelegt. Allein der Wunsch der Kläger, den türkischen Familiennamen abzulegen und den aramäischen (syrischen) Familienamen „B.“ wiederzuerlangen, stelle keinen wichtigen Grund für eine Namensänderung dar. Entgegen der Einschätzung der Kläger sei auch nicht von einer zwangsweisen Vergabe eines türkischen Namens auszugehen. Es finde sich keine Stütze in den entsprechenden Gerichtsentscheidungen und den dem Beklagten zugänglichen Quellen, wonach das Gesetz Nr. 2525 aus 1934 zwingend und nachhaltig zur Einführung von Nach-bzw. Familienamen typischen Ursprungs geführt habe. Aufgrund des Gesetzes Nr. 2525 habe die Pflicht und das Recht der Wahl des Familiennamens dabei dem Mann als Familienvorstand zugestanden. Man könne auch nicht voraussetzen, dass in der Person, insbesondere des Klägers zu 1) die Erlebnisgeneration hier nachhaltig diese Beeinträchtigungen oder die tödliche Namensänderung erfahren habe. Darüber hinaus stehe die Verwaltungsvorschrift in Nr. 37 der Namensänderungsverwaltungsvorschrift – NamÄnd-VwV dem Begehren entgegen. Er habe nicht bei seiner Einbürgerung nachhaltig versucht, eine Namensänderung zu erreichen. Auch die zweite Änderung der Namensänderungsverwaltungsvorschrift – 2. NamÄndVwV – rechtfertige es nicht, jetzt im Sinne der Kläger für eine Namensänderung einzutreten. Es habe sich nicht erwiesen, worauf die Kläger insbesondere im Hinblick auf den Kläger zu 1) abgestellt hätten, dass dieser psychisch erkrankt sei. Das entsprechende angebliche Gutachten der Vitos-Klinik sei durch die gutachterliche Stellungnahme des vom Gericht beauftragten Gutachters Prof. Dr. M. widerlegt. Auch dessen gutachterliche Stellungnahme führe letztlich nicht dazu, davon auszugehen, dass für den Kläger zu 1) und damit für die Kläger als Familienverband eine Änderung des Nachnamens in Betracht komme. Auf die weitere Ausführung des Beklagten wird Bezug genommen.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 04.02.2014 – auf Anregung des Beklagten – Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers zu 1), er sei infolge der Umstände, die daraus herrührten, den Namen „A.“ zu tragen, psychisch krank, durch Einholung eines Fachgutachtens zu den im Beweisbeschluss aufgeführten Fragen 1 bis 5 auf die Bezug genommen wird. Zum Gutachter wurde Prof. Dr. M. benannt und

entsprechend beauftragt. Der Gutachter hat am 02.05.2014 ein entsprechendes Gutachten dem Gericht vorgelegt und auf ein entsprechendes Schreiben des Beklagten vom 27.05.2014 nochmals sein Gutachten am 18.06.2014 erläutert. Auf den Inhalt des Gutachtens und der erläuternden Stellungnahme sowie die in diesem Zusammenhang gewechselten Schriftsätze der Beteiligten wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 3. Februar 2014 ist das Verfahren gemäß § 6 Abs. 1 VwGO dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.

Die Beteiligten haben übereinstimmend mit Schreiben vom 14.07.2014 und 17.07.2014 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 101 Abs. 2 VwGO zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (2 Bände) und der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Beteiligten haben gemäß § 101 Abs. 2 VwGO einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren mit übereinstimmenden schriftsätzlichen Einlassungen vom 14.07.2014 und 17.07.2014 zugestimmt. Dementsprechend kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Kammer hat mit Beschluss vom 3. Februar 2014 das Verfahren dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Die Klage ist zulässig und auch bereits im Hauptantrag, der darauf gerichtet ist, den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 14.12.2012 und des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2013 zu verpflichten, den Familiennamen der Kläger von „A.“ in „B.“ zu ändern, begründet.

Den Klägern steht ein Anspruch auf Änderung ihres Familiennamens von „A.“ in „B.“ zu. Die entgegenstehenden Bescheide des Beklagten vom 14.12.2012 und 25.04.2013 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, sie sind dementsprechend aufzuheben.

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung und Betrachtung sind die §§ 1 und 3 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 5. Januar 1938, zuletzt geändert durch Art. 54 des Gesetzes vom 17.12.2008 (Namensänderungsgesetz – NamÄndG -). Ergänzend hat das Gericht hier die entsprechenden Verwaltungsvorschriften herangezogen, namentlich die Bestimmungen in der NamÄndVwV und in der 2. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familienamen und Vornamen – 2. NamÄndVwV –, die inzwischen gelten, insbesondere hier Nr. 44 a und Nr. 64. Der Familienname eines deutschen Staatsangehörigen kann aufgrund von § 1 NamÄndG geändert werden. Dass es sich bei den Klägern um deutsche Staatsangehörige handelt ist unstrittig. Gemäß § 3 Abs. 1 NamÄndG darf eine solche Änderung allerdings nur dann erfolgen, wenn ein wichtiger Grund diese Änderung rechtfertigt. Trotz einer entsprechenden Formulierung dieser Vorschrift als Art der Ermessensregelung ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Behörde im Rahmen der Feststellung „eines wichtigen Grundes“ weder ein Ermessens-noch ein Beurteilungsspielraum zusteht. Vielmehr handelt es sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren, unbestimmten Rechtsbegriff. Damit besteht ein Rechtsanspruch auf Vornahme der Namensänderung, wenn die Voraussetzung für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne der genannten Bestimmung erfüllt ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 7. Januar 1994 – 6 C 34.1092). Dabei ist ein wichtiger Grund dann gegeben, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers, den Namen abzulegen und einen neuen anzunehmen, das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens überwiegt. Diejenigen Gründe des Namensträgers, anstelle seines Namens künftig einen anderen Namen zu führen, müssen dabei so wesentlich sein, dass die Belange der Allgemeinheit, die vor allem in sozialen Ordnungsfunktionen des Namens und dem sicherheitsrechtlichen Interesse an der Führung des überkommenen Namens ihre Grundlage haben, zurücktreten müssen. Durch die familienrechtlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes sind abschließende Regelungen erfolgt. Mit den Änderungen im deutschen Namensrecht steht damit fest, dass es hierbei um Ausnahmen von jenen Regeln geht. Ausnahmen können nur dann gewährt werden, wenn der nach den bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen zu führende Name für den Namensträger zu individuellen Unzuträglichkeit führt. Die öffentlich-rechtliche Namensänderung verlangt damit ein besonderes, die Eigensituation des Namensträgers prägendes Interesse, das als solches nicht schon in die allgemeine gesetzliche Wertung eingeflossen ist, auf welcher der Name beruht. Ein bloß vernünftiger, also einsehbarer Grund, eine Namensänderung aus privatem Interesse zu erreichen, vermag dabei das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens grundsätzlich nicht zu überwiegen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 18. Januar 1994 – 10 L 4018/92).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht das Gericht davon aus, dass im Falle der Kläger ein wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG anzunehmen ist. Dabei hat sich dass Gericht insbesondere hier vom Einzelfall, den es zu entscheiden galt, leiten lassen. Zwar mag es sein, dass das Berufen auf Urteile, die eine Namensänderung nicht gestattet haben, zulässig ist. Gleichwohl hat jedoch das Gericht, auch nach seinem gesetzlichen Auftrag, jeweils auf den Einzelfall und die besonderen Merkmale abzustellen, die in der Person der Kläger dazu führen, dass sie an einer Namensänderung ein wesentliches Interesse haben. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass andere vergleichbare Entscheidungen hier den zu entscheidenden Fall wesentlich mitgeprägt haben. Die Kläger haben an der Ablegung ihres türkischen Namens „A.“ und der Annahme des aramäischen Namens „B.“ ein beträchtliches, schutzwürdiges Interesse, da sie hierfür nicht nur Gründe geltend gemacht haben, die lediglich vernünftig und nachvollziehbar sind, sondern sie haben hierbei aus der Sicht des Gerichtes auf den Einzelfall bezogen, für sich schwerwiegende Gründe geltend gemacht, die es rechtfertigen, einer solchen Namensänderung zuzustimmen. Dabei hat das Gericht auch zugrunde gelegt, dass zwischenzeitlich die 2. Änderung der Allgemeinen Vorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 11.02.2014 im Kraft gesetzt worden ist und mit der nunmehr eingeführten Nr. 44 a der Namensänderungs-Verwaltungsvorschrift dem Anliegen der Aramäer, ihre ursprünglich geführten traditionellen Familienamen wieder annehmen zu können, Rechnung getragen werden soll und damit auch bundesweit dazu beigetragen werden soll, zu einer Vereinheitlichung der Verwaltungs-und Gerichtspraxis bei der Entscheidung über Namensänderungsanträge zu führen. Zu Recht wird darauf verwiesen, dass diese Regelung die Namensänderungsbehörde nicht von der Prüfung entbindet, ob die Voraussetzungen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Einzelfall tatsächlich gegeben sind. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang ausführt, dass das Hessische Ministerium des Innern und für Sport mit dem Erlass vom 06.05.2014 ausgeführt hat, dass maßgeblich für die Entscheidung über Anträge von Aramäern auf Änderung des Familien-und/oder Vornamens, weiterhin die bereits vorliegende Rechtsprechung ist, sieht das Gericht hierin keinen Widerspruch, wenn im vorliegenden, auf den Einzelfall der Kläger bezogenen Fall, das Gericht eine Entscheidung trifft, die nicht mit den Entscheidungen aus 2004 und 2007 bzw. 2009, die von dem Beklagten zitiert worden sind, übereinstimmen, sondern sich vielmehr an der Rechtsprechung orientiert, die hierzu zwischenzeitlich ergangen ist, vgl. VG Oldenburg, Urt. vom 16.10.2012 – 1 A 3849/12. Das Gericht vermag weiterhin auch nicht zu erkennen, dass der Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 06.05.2014 den zuständigen Behörden keine Möglichkeit offen lässt, im Einzelfall im Einklag mit den Bestimmungen der 2. Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 11.02.2014 betreffenden Regelungen der Nrn. 44 a und 64 zu verfahren.

In diesem Zusammenhang hat die Vorlage des Bundesrates (Drucksache 696/13 vom 18.09.2013) vehement darauf verwiesen, dass diese Änderungen Erfahrungen aus der Praxis zugrunde liegen, nach denen die Verwaltungen und Gerichte in den Ländern bei zwangsweise eingeführten Vor-und/oder Familiennamen das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen unterschiedlich bewerten. Die vom Beklagten in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung, dass die Namensverleihungspraxis der türkischen Behörden im Jahre 1935 bzw. im Gesetz Nr. 2525 aus 1934 „per se“ keinen wichtigen Grund im Sinne des Namensänderungsgesetzes darstelle, teilt das Gericht nicht. Aufgrund der glaubhaften Angaben der Kläger, insbesondere des Klägers zu 1) und auch mit dessen Beweisangebot hinsichtlich Aussagen seines Vaters und des entsprechenden Pfarrers der syrisch-orthodoxen Kirche hinsichtlich einer zwangsweisen Namensänderung sowie den Erkenntnissen des Gerichts aus eigenen zahlreichen Asylverfahren von syrisch-orthodoxen Christen aramäischer Volkzugehörigkeit aus der Türkei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, ist davon auszugehen, dass die aramäischen Christen bei der Einführung von Familiennamen mit dem Gesetz Nr. 2525 keine andere Wahl hatten, als sich dem türkischen Namensrecht und den darin genannten Bedingungen zu beugen und türkische Familiennamen anzunehmen, wenngleich auch, was der Beklagte in seinen Klageerwiderungen bemüht hat, dabei den Familienvorständen ein „Wahlrecht“ zum türkischen Namen zugestanden hat. Davon auszugehen, dass dies kein wichtiger Grund sei, eine Namensänderung im vorliegenden Fall vorzunehmen, geht nach Auffassung des Gerichts fehl. Allein der Umstand, aus einem Angebot türkischer Namen auswählen zu dürfen, rechtfertigt es nicht, davon auszugehen, dass für die Namensänderung selbst, eine freiwillige Maßnahme, bzw. eine freiwillige Entscheidung den entsprechenden aramäischen Christen überhaupt möglich war, wie es auch in den Jahren von 1938 bis 1945 für jüdisch-stämmige deutsche Staatsangehörige nur möglich war, einen „Listen-Namen“ auszuwählen. Der Kläger zu 1) hat, auch insbesondere in der Anamnese durch den Gutachter Prof. Dr. M. ausreichend ausgeführt und auch glaubhaft dargelegt, dass seine Familie und auch er selbst im privaten Bereich in der Türkei nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ihren ursprünglichen aramäischen Namen benutzt haben. Mehr noch, der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass er auch nicht mit seinem türkischen Vornamen angesprochen wird, sondern mit dem ihm gegebenen aramäischen Vornamen. Wenn die Kläger nunmehr, nachdem sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen bzw. die Kinder diese durch Geburt erworben haben, weiter darauf bestehen, den türkischen Namen abzulegen, kann das nur Ausdruck einer tief verwurzelten Bindung, nicht nur an den Namen „B.“ sondern auch an die Familie, die hinter diesem Familiennamen „B.“ steht, sein. Wenn der Beklagte in diesem Zusammenhang rügt, dass es der Kläger zu 1) insbesondere nicht vermocht habe, entgegen der Verwaltungsvorschrift Nr. 37 bereits bei der Einbürgerung darauf zu drängen, eine Namensänderung zu erreichen, übersieht er in diesem Zusammenhang, dass der Kläger zu 1) mehrfach darauf verwiesen hat, dass er bereits zu früheren Zeiten bei verschiedenen Behörden um eine Namensänderung nachgesucht hat. Dies ist auch vom Kläger so unwidersprochen so vorgetragen worden. Damit kann nicht zu Lasten des Klägers zu 1) bzw. der Kläger, davon ausgegangen werden, dass sie sich entgegen Nr. 37 der NamÄndVwV verhalten haben. Der Kläger zu 1) und auch die Klägerin zu 2) haben weiterhin in sämtlichen Vorträgen und Unterlagen, die sie dem Gericht zur Verfügung gestellt haben, auch mehr als deutlich gemacht, dass sie selbst die Führung des türkischen Namens als Repressalie empfinden und eine solche Repressalie sich auch als unzumutbare psychische Belastung darstelle. Der Kläger zu 1) hat weiter unwidersprochen vortragen lassen, dass er sich im Laufe seiner Entwicklung mit dem Erwachsenwerden und auch nach der Heirat verstärkt mit dem Schicksal seiner Volksgruppe auseinandergesetzt hat. Er hat zur Überzeugung des Gerichts die Namensänderung in den türkischen Namen „A.“ in seinen Einlassungen als Sinnbild für Verfolgung und Unterdrückung der syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei empfunden und auch ausgeführt, dass aufgrund von Schilderungen im engsten Familienkreis man deutlich vor Augen geführt bekommen habe, was Verfolgung und Unterdrückung der syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei bedeutet habe und auch noch bedeute. Mit dem türkischen Namen verbindet der Kläger auch das Unrecht, das seiner Volksgruppe geschehen ist und was letztlich auch zur Ausreise nicht nur seines Familienverbandes, sondern auch zur Ausreise vieler Aramäer in der Vergangenheit aus der Türkei geführt hat.

Der Umgang der Türkei mit Minderheiten und Unliebsamen während des letzten Jahrhunderts, der durch die Lageberichte des Auswärtigen Amtes dokumentiert ist, zeigt deutliche Grundzüge auf, die einen Vergleich mit der Praxis in Deutschland von 1933 bis 1945 nahe legen. Auch dies scheint der Beklagte nicht in vollem Umfang realisiert und erkannt zu haben.

Die Kläger haben in allen Schilderungen mit der Führung des Namens „B.“ auch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass damit nicht nur für sie eine Bestärkung ihrer Identität einhergehen würde, sondern vielmehr auch ein Stück Gerechtigkeit wiederhergestellt würde. Dies auch insbesondere im Hinblick darauf, dass der gesamte Familienverband mittlerweile die Namensänderung erfahren hat und sich nunmehr in einer Identitätskrise nicht mehr befindet. Das Bemerken des Beklagten in diesem Zusammenhang, dass es Schwestern und Cousinen des Klägers zu 1) geben könne, die den Namen „B.“ auch nicht mehr führen, vermag in diesem Zusammenhang nicht zu überzeugen, da in diesen Fällen wohl unstreitig von einer freiwilligen Aufgabe des Nachnamens B. auszugehen ist. Der Kläger ist hier der Einzelfall, der zu entscheiden ist und seine gesamte Familie mit Ehefrau und zwei Kindern. Für sie hat das Gericht zu prüfen, ob mit der Namensänderung eine Bestätigung ihrer Identität und auch damit einhergehend psychische Belastungen und Beeinträchtigungen abgebaut bzw. beseitigt werden können.

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Schließlich hat sich nach dem Ergebnis des Gutachtens von Prof. Dr. M. vom 02.05.2014 und dessen ergänzender Stellungnahme vom 18.06.2014 zur Überzeugung des Gerichts erwiesen, dass der bisherige Namenszwang für den Kläger auch psychische Beeinträchtigungen, oder seelische Belastungen, worauf das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 11.01.2011 – 6 B 65/10 – hingewiesen hat, zur Folge hat. Der Beklagte selbst hat den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.01.2011 zitiert, aber nicht konsequent zu Ende gedacht und geführt. Für das Gericht stellt sich das, was der Gutachter in seiner Anamnese im Gutachten vom 02.05.2014 wiedergegeben hat und was Aufschluss in der Beantwortung der Beweis-fragen 3 und 5 des Gutachtens vom 02.05.2014 und der ergänzenden Stellungnahme vom 18.06.2014 ist, eindeutig als seelische Belastung des Klägers dar. Daran vermag auch nichts zu ändern, wenn der Beklagte hier auf die entsprechenden gutachterlichen Feststellungen repliziert und vermeintliche Widersprüche aufzudecken versucht, obgleich ihm die für die Beantwortung der Beweisfragen erforderliche medizinische und insbesondere psychotherapeutische oder psychoanalytische Fähigkeit offensichtlich fehlt. Hätte nämlich der Beklagte diese fachlichen Fähigkeiten, hätte es seiner Beweisanregung erst gar nicht bedurft. Das Gericht teilt vollinhaltlich die Folgerungen, die Prof. Dr. M. aus seinen umfangreichen Untersuchungen und Gesprächen mit dem Kläger zu 1) gezogen hat. Die entsprechenden Beweisfragen, insbesondere Nr. 3 und 5, die vom Beklagten aufgeworfen sind und Anlass dazu waren, den Gutachter zu beauftragen, sind vom Gutachter zweifelsfrei und im Hinblick auf die ergänzende Stellungnahme durch Prof. Dr. M. beantwortet und auch etwaige Widersprüche ausgeräumt worden. Sie belegen eindeutig in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. a. a. O.), dass für die Kläger und für die Familie wegen des Zwanges einen türkischen Nachnamen führen zu müssen, seelische Belastungen vorliegen, die auch neben den bereits vorstehend geäußerten Einschätzungen des Gerichts wichtiger Grund für eine Namensänderung sind. Die damit von den Klägern dargelegten Gründe für die begehrte Namensänderung, auch unter Berücksichtigung der entsprechenden gutachterlichen Stellungnahme vom Prof. Dr. M. hinsichtlich seelischer Belastungen, stellen sich insgesamt nach Auffassung des Gerichts damit als gewichtige und wichtige Gründe im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG dar, die so wesentlich sind, dass sie das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Namens überwiegen. Das Gericht vermag auch nicht den Ansatz zu erkennen, dass hier ordnungsrechtliche oder sicherheitsrechtliche Aspekte dem Namensbegehren der Kläger entgegenstehen könnten.

Besteht somit der Anspruch der Kläger auf die begehrte Namensänderung, so ist der Beklagte unter Aufhebung seiner Bescheide zu verpflichten, die Namensänderung vorzunehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.

 

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