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Fluggastrechte-Verordnung – extreme Windverhältnisse Landung nicht möglich

AG Frankfurt – Az.: 31 C 3485/18 (96) – Urteil vom 03.12.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 810,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Ausgleichszahlungen nach der EG-VO Nr. 261/2004 in Anspruch.

Die Kläger verfügten jeweils über eine bestätigte Buchung über die Beförderung auf dem Flug am 13.01.2018 von Funchal nach Frankfurt am Main, XXXX mit planmäßiger Abflugzeit in Funchal um 14:45 Uhr und planmäßiger Ankunftszeit in Frankfurt am Main um 20:00 Uhr. Die Beklagte führte diesen Flug mit Verspätung aus. Die Kläger erreichen Frankfurt am Main erst am 14.01.2018 um 20:00 Uhr. Durch die Verspätung des Fluges verlängerte sich die Parkzeit für das am Flughafen abgestellte klägerische Fahrzeug. Der Kläger zu 1. musste zusätzliche Parkkosten in Höhe von 10,00 Euro aufwenden.

Die Klägerin zu 2. forderte die Beklagte mit E-Mail vom 17.01.2018 zur Zahlung der Klageforderung unter Fristsetzung bis zum 31.01.2018 auf. Die Beklagte leistete keine Zahlung.

Die Kläger beantragen, die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei zu 1. EUR 410,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.02.2018 zu zahlen.

die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei zu 2. EUR 410,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.02.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes.

Fluggastrechte-Verordnung - extreme Windverhältnisse Landung nicht möglich
(Symbolfoto: Von phive/Shutterstock.com)

Die Beklagte behauptet, dass der streitgegenständliche Flug als auch der Vorflug XXXX am 13.01.2018 von Frankfurt am Main nach Funchal mit planmäßiger Abflugzeit um 9:10 UTC in Frankfurt am Main und planmäßiger Ankunftszeit in Funchal um 13:25 UTC jeweils mit dem Fluggerät Airbus A321 mit der Registrierung D-AIDN ausgeführt werden sollten. Der Vorflug XXXX habe aufgrund starker Winde in Funchal nicht durchgeführt werden können. Bereits in der Nacht des 13.01.2018 sei eine Schlechtwetterfront über Funchal hinweggezogen mit starken Windgeschwindigkeiten von über 25 km/h teilweise bis knapp 60 km/h. Unter diesen Windbedingungen sei eine Landung in Funchal mit den für den Flug geplanten Airbus A321 nicht möglich gewesen, sodass der Kommandant des Fluges XXXX die Entscheidung getroffen habe, den Flug nicht durchzuführen. Die Wettervorhersage habe eine Wetterbesserung nicht vermuten lassen.

Die Beklagte erklärt die Anrechnung nach Art. 12 EG- VO Nr. 261/2004.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens werden die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch analog Art. 5, 7 EG-VO Nr. 261/2004 auf Zahlung einer Ausgleichzahlung in Höhe von jeweils 400,00 Euro.

Die Beklagte kann sich auf außergewöhnliche Umstände i. S. des Art. 5 Abs. 3 EG-VO Nr. 261/2004 berufen, die den geltend gemachten klägerischen Anspruch jeweils ausschließen. Nach dieser Vorschrift ist ein ausführendes Luftverkehrsunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gem. Art. 7 EG-VO Nr. 261/2004 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht (dazu unter a)), die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (dazu unter b)).

a) Die Verspätung des streitgegenständlichen Fluges beruht auf einem außergewöhnlichen Umstand.

(1) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat das Gericht aufgrund der vorgelegten Auszuges aus dem internen System der Beklagten zunächst die Überzeugung gewonnen, dass der streitgegenständliche Flug als auch der Vorflug XXXX am 13.01.2018 von Frankfurt am Main nach Funchal mit dem Fluggerät der Kennung XXXX ausgeführt werden sollte. Soweit die Beklagte dies unter Hinweis auf die Angaben von XXXX.com bestritten hat, werden die dortigen Angaben durch den Systemauszug der Beklagten wiederlegt. Das Gericht schenkt diesem Auszug mehr Glauben als der Internetseite XXXX.com.

(2) Weiterhin steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass im Zeitpunkt der Landung des Vorfluges XXXX um 13:30 UTC am 13.01.2018 Winde mit einer Windstärke über 15 Knoten herrschten, die eine Landung mit dem geplanten Fluggerät nicht erlaubten.

Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen A war am Morgen des 13.01.2018 für 13:30 UTC in Funchal ein Wind mit 17 Knoten gemeldet, zeitweise mit Limits von 22-32 Knoten.

Aufgrund des meteorologischen Sachverständigengutachtens steht fest, dass am 13.01.2018 in der Zeit von 9:00 UTC bis 13:30 UTC Winde im Bereich mittlerer Windstärken herrschten. Von 9:00 UTC bis 10:30 UTC herrschten Winde im Durchschnitt mit 17 bis 19 Knoten, hiernach 12 bis 15 Knoten. Einzelne Windböen erreichten in der Zeit von 9:00 UTC bis 10:30 UTC mindestens 22 Knoten, um 13:30 UTC wurde ein Windspitze von 23 Knoten gemeldet.

Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen A sind Landungen in Funchal nur möglich und gestattet, wenn der Wind nicht stärker als 15 Knoten weht.

Dabei glaubt das Gericht den weiteren Angaben des Zeugen A, der anhand der Wetterdaten und in Abstimmung mit der Verkehrszentrale der Beklagten die Entscheidung traf, den Flug aufgrund der Windverhältnisse nicht durchzuführen, da zu erwarten war, dass der Flug aufgrund der Windverhältnisse um 13:30 UTC keine Landeerlaubnis erhalten hätte.

(3) Diese Witterungsbedingen stellen einen außergewöhnlichen Umstand dar. Der Begriff der „außergewöhnlichen Umstände“ wird in der Verordnung selbst nicht definiert, sondern nur in Ziff. 14 der Erwägungsgründe mittels einer Aufzählung (politische Instabilität, schlechte Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwartete Flugsicherheitsmängel und Streiks) präzisiert. Ein außergewöhnlicher Umstand liegt jedenfalls dann vor, wenn dieser nicht im Rahmen der normalen Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens aufgetreten ist und von diesem auch nicht beherrschbar war (EuGH, Urteil vom 22.12.2008, Az: C-549/07, Tz. 23; BGH Urteil vom 12.11.2009, Az: BGH Xa ZR 76/07). Damit muss es sich um ein unvermeidbares Ereignis handeln, das nicht der Risikosphäre des Luftverkehrsunternehmens zuzurechnen ist, sondern für dieses außergewöhnlich ist und aus den üblichen und erwartbaren Abläufen des Luftverkehrs herausragt. Dies ist bei Witterungsbedingungen grundsätzlich der Fall, da diese jedenfalls nicht in die Risikosphäre des Luftverkehrsunternehmens fallen.

Es ist zudem nicht zu prüfen, ob die Wetterlage bzw. die Windverhältnisse seinerzeit so schlecht waren, dass ein Start objektiv unmöglich oder jedenfalls unvertretbar gewesen wäre. Denn dem für die Sicherheit seiner Passagiere verantwortlichen Piloten ist insofern ein Ermessensspielraum zuzubilligen, der vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. AG Geldern, Urt. v. 3.8.2011, Az.: 4 C 242/09 – Juris; AG Bremen, Urteil vom 02.05.2013, Az.: 9 C 523/12). Aus den Angaben im meteorologischen Sachverständigengutachten hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass der Zeuge A die vertretbare Entscheidung traf, nicht zu starten. Insofern war diese Entscheidung sachlich veranlasst und vertretbar. Eine weitere Überprüfung findet nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht statt.

(4) Unschädlich ist aus Sicht des Gerichts auch, dass sich der von der Beklagten eingewandte außergewöhnliche Umstand auf den Vorumlauf des streitgegenständlichen Fluges bezog.

Ein außergewöhnlicher Umstand auf einem Vorumlauf kann sich auch auf den streitgegenständlichen Flug auswirken. Zumindest solche Störungen, die am selben Tag bzw. innerhalb von 24 Stunden bei vorangegangenen Flügen auftreten, können auch hinsichtlich des folgen-des Fluges einen außergewöhnlichen Umstand darstellen (vgl. dazu Landgericht Frankfurt am Main Urteil vom 23.01.2015, Az.: 2-24 S 193/14). Ein unmittelbarer Bezug wird von der Verordnung gerade nicht vorausgesetzt (BGH Urteil vom 12.06.2014, Az.: X ZR 104/13).

b) Auch hat die Beklagte dargelegt, dass sich eine Verspätung des streitgegenständlichen Fluges von mehr als drei Stunden nicht hat durch zumutbare Maßnahmen vermeiden lassen.

Es sind aus Sicht des Gerichts keine zumutbaren Maßnahmen ersichtlich, die zu einer Verringerung der Verspätung unter die Grenze von 3 Stunden geführt hätten. Nach Auffassung des Gerichts stellt es keine zumutbare Maßnahme dar einen Ausweichflughafen anzufliegen, um dort ggf. auf Wetterbesserung zu warten. Denn eine solche ist nicht sicher zu erwarten gewesen.

2. Die weitere Nebenforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung.

II.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 45 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.

 

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