AG Frankfurt, Az.: 31 C 3832/15 (83), Urteil vom 06.02.2017
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 600,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.01.2016 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Erstellung eines Tatbestandes wird gem. § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Der Klägerin steht ein Anspruch in Höhe von EUR 600,00 gemäß Art. 7 Abs. 1 c) der Verordnung (EG) 261/2004 („Fluggastrechteverordnung“) zu.
Nach Art. 5 Abs. 1 b) der Fluggastrechteverordnung haben Fluggäste bei Annullierung eines Fluges gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen einen Anspruch auf Ausgleichsleistung nach Art. 7 Fluggastrechteverordnung. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs ist Art. 5 Abs. 1 Fluggastrechteverordnung analog anwendbar, wenn Fluggäste ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreichen (EuGH, NJW 2010, 43; BGH, NJW 2010, 2281 ).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Unstreitig kam es zu einer Verspätung von über drei Stunden am Endziel. Die Klägerin erreichte ihr Endziel Cancun mit einer Verspätung von über 24 Stunden. Die Klägerin hatte einen Flug für die Strecke Frankfurt am Main – München – Cancun gebucht. Ausführendes Luftfahrtunternehmen war die Beklagte.
Der Flug von Frankfurt am Main nach München wurde verspätet durchgeführt. Die Klägerin konnte den ursprünglich geplanten Anschlussflug nicht mehr erreichen. Mit der angebotenen Ersatzbeförderung erreichte die Klägerin das Endziel Cancun erst mit einer Verspätung von über 24 Stunden.

Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 lit. c) Fluggastrechteverordnung beträgt die Ausgleichszahlung EUR 600,00. Denn die Entfernung zwischen Frankfurt am Main und dem Endziel Cancun beträgt nach der Großkreismethode mehr als 3.500 km.
Die Voraussetzungen für einen Entfall der Entschädigungspflicht gemäß Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung sind nicht erfüllt. Das ausführende Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurück geht, die sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Hinsichtlich des Vorliegens dieser Voraussetzungen trifft die Fluggesellschaft eine umfangreiche Darlegungs- und Beweislast. Die Beklagte kann sich auch nicht nach Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung, der ebenfalls entsprechend anzuwenden ist, entlasten. Die Beklagte beruft sich darauf, dass die Verspätung auf den für die wetterbedingt erforderliche Enteisung erforderlichen Zeitaufwand einschließlich Wartezeit zurückgehe, der von ihr nicht habe beeinflusst werden könne. Zunächst sei der Vorflug von München nach Frankfurt am Main verspätet durchgeführt worden, weil das Flugzeug auf den Enteisungsvorgang warten musste. Die Maschine ist dann erst um 9:23 Uhr in Frankfurt am Main gelandet. Der planmäßige Abflug um 9:15 Uhr konnte daher nicht erfolgen. Der Flugkapitän hat in Frankfurt am Main sodann um 9:39 Uhr den Antrag auf Enteisung gestellt. Auch in Frankfurt am Main musste die Maschine auf den Enteisungsvorgang warten, so dass der Abflug erst um 11:29 Uhr erfolgte. Dieser Vortrag ist jedoch nicht geeignet, außergewöhnliche Umstände i. S. d. Fluggastrechteverordnung darzutun, die die Verspätung verursacht haben und sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Außergewöhnliche Umstände sind nur solche, die nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist (BGH 24.09.2013 – X ZR 160/12). Nach Auffassung des EuGH können Umstände dann außergewöhnlich im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung sein, wenn diese nicht im Rahmen der normalen Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens aufgetreten sind und von diesem auch nicht beherrschbar war (EuGH, 22.12.2008 – C-549/07; BGH 12.11.2009 – Xa ZR 76/07). Das Gericht schließt sich der Auffassung an, dass die Enteisung zu dem Pflichtenkreis des Luftfahrtunternehmens zählt, der wiederum beinhaltet, das Fluggerät in einem technisch flugbereiten Zustand zu halten, um die Fluggäste zum vereinbarten Zeitpunkt zu befördern (so AG Frankfurt a. M., 11.11.2015 – 30 C 2806/15 (87); LG Köln, 09.04.2013 – 11 S 241/12). Da im Winterbetrieb die Enteisung eines Flugzeugs als üblicher und zu erwartender Ablauf in die Flugdurchführung mit einzuplanen ist, stellt eine Verzögerung bei der Enteisung keinen außergewöhnlichen Umstand dar (ebenso AG Frankfurt a. M., 11.11.2015 – 30 C 2806/15 (87) und BeckOK Fluggastrechte-VO/Schmid VO (EG) 261/2004 Art. 5 Rn. 74).
Die Verurteilung hinsichtlich der Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit hat in den §§ 247, 286, 291 ZPO ihre Grundlage.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Berufung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO analog rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.