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Gasversorgungsvertrag – Wirksamkeit einer Preisanpassungsklausel in geänderten AGB

AG Schöneberg – Az.: 4 C 6/11 – Urteil vom 28.06.2011

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Gasversorgungsunternehmen. Der Beklagte schloss mit der Klägerin zum 11. Oktober 2002 einen Vertrag über die Belieferung mit Gas zum Tarif G. Aktiv. Gemäß § 1 Ziff. 2. der damals geltenden AGB der Klägerin sollten die Vorschriften der AVB GasV für Kunden u.a. mit dem Preisangebot G. Aktiv ergänzend gelten.

Die Klägerin nahm in der Folgezeit verschiedene Erhöhungen und Senkungen des Grund- und des Arbeitspreises vor. Der Beklagte widersprach der Erhöhung der Preise im Oktober 2005 und teilte mit Schreiben vom 21. Oktober 2006 mit, dass seine Abschlagszahlungen auf der Grundlage des vor der Erhöhung im Oktober 2005 geltenden Preises geleistet würden.

Nach Inkrafttreten der Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV) vom 26. Oktober 2006 wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 15. Februar 2007 an den Beklagten und kündigte an, zum 01. April 2007 die Erdgaspreise für Haushaltskunden um 0,30 Cent/kWh zu senken. Gleichzeitig teilte sie mit, dass sie auf Grund der Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen den laufenden Vertrag des Beklagten an die neue GasGVV und die darauf aufbauenden ergänzenden Bedingungen angepasst habe. Sie fügte die ab 01. April 2007 geltenden Besonderen Geschäftsbedingungen bei, die unter Ziff. 4. Folgendes vorsahen:

„4. Änderung der Preise und Bedingungen

Die G. ist berechtigt, diese Besonderen Geschäftsbedingungen zu ändern. Des Weiteren ist G. berechtigt und verpflichtet, die Preise nach folgender Maßgabe anzupassen (abzusenken oder zu erhöhen):

Ändern sich die Arbeitspreise für das Produkt G.-Komfort, so verändern sich die Arbeitspreise für die Produkte G.-Aktiv bzw. G.-Profi um denselben Betrag in Cent je kWh wie der Arbeitspreis der Produktstufe des G.-Komfort für einen Verbrauch ab 96.001 kWh/Jahr.

Ändern sich die Grundpreise für das Produkt G.-Komfort, so verändern sich die Grundpreise für die Produkte G.-Aktiv bzw. G.-Profi um denselben Betrag in € pro Monat wie der Grundpreis der Produktstufe des G.-Komfort für einen Verbrauch ab 96.001 kWh/Jahr.

Die G. bietet dem Kunden spätestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung eine Belieferung zu dem jeweiligen neuen Preis bzw. zu den jeweiligen neuen Besonderen Geschäftsbedingungen an. Die Änderung gilt als angenommen, wenn der Kunde ihr nicht schriftlich innerhalb von sechs Wochen nach ihrer Bekanntgabe widerspricht. Auf diese Folge wird die G. den Kunden bei Bekanntgabe der Änderung besonders hinweisen.

Im Falle des Widerspruchs ist die G. berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von einem Monat auf das Ende eines Kalendermonats zu kündigen.

Bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses gelten die bisherigen Preise und Besonderen Geschäftsbedingungen weiter. “

Unter dem 09. November 2010 berichtigte die Klägerin 4 Rechnungen für die Zeit vom 07. Oktober 2008 bis zum 07. Oktober 2010. Für die Zeit vom 07. Oktober 2008 bis 16. Februar 2009 ergab sich ein offener Betrag von 81,90 €, für die Zeit vom 17. Februar 2009 bis 08. Mai 2009 ein Restbetrag von 268,75 €, für die Zeit vom 09. Mai bis 06. November 2009 ein Guthaben in Höhe von 105,69 € sowie in der Zeit vom 07. November 2009 bis 07. Oktober 2010 eine Restforderung in Höhe von 160,04 €.

Die Klägerin macht mit der Klage den sich nach Verrechnung des Guthabens verbleibenden Restbetrag aus diesen Rechnungen geltend und trägt vor, bei den vom Beklagten erhobenen Einwendungen handele es sich nicht um ohne Weiteres leicht erkennbare Fehler, so dass sie gemäß § 17 GasGVV damit in diesem Rechtsstreit ausgeschlossen seien. Zum 01. April 2007 habe sie wirksam ihre Besonderen Geschäftsbedingungen geändert. Sie habe die Befugnis, die Bedingungen einseitig zu gestalten. Die Änderung der Geschäftsbedingungen sei im Tagesspiegel, der Berliner Morgenpost und der Berliner Zeitung veröffentlicht worden. Sie sei nunmehr zur Erhöhung der Preise entsprechend § 5 Abs. 2 GasGVV berechtigt und habe das Änderungsangebot nicht nur schriftlichen gegenüber dem Beklagten erklärt, sondern auch auf ihrer Internetseite veröffentlicht, ohne dass der Beklagte widersprochen habe.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 405,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. November 2010 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, die Klägerin dürfe die Preise ohne seine Zustimmung nicht festsetzen. Die Preisänderungsklausel der AGB in der Fassung vom 01. Mai 2005 sei unwirksam, wie der Bundesgerichtshof am 15. Juli 2009 entschieden habe (NJW 2009, 2662 ff.). Die Änderung der Geschäftsbedingungen sei nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Die Veröffentlichung in der Tagespresse sowie die briefliche Mitteilung an ihn reiche dafür nicht aus. Da die vor dem 01. April 2007 entsprechend der Rechtsprechung des BGH erfolgten Preiserhöhungen unwirksam seien, könne die Erhöhung zu diesem Zeitpunkt nur von dem zu Vertragsbeginn vereinbarten Preis von 3 Cent/kWh ausgehen. Bei einer Senkung um 0,25 Cent/kWh habe der Arbeitspreis 2,75 Cent/kWh betragen, während die Klägerin 4,35 Cent/kWh berechne. Den Anstieg der Bezugskosten in der Zeit vom 01. Januar 2008 bis 31. Januar 2009 gegenüber dem Zeitraum vom 01. Januar 2003 bis 30. November 2004 um 1,8683 Cent/kWh bestreite er mit Nichtwissen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von restlichen Gasbezugskosten in der Zeit vom 07. Oktober 2008 bis 07. Oktober 2010 in Höhe von 405,00 € gegen den Beklagten.

Der Klägerin stand ein Recht zur Erhöhung der Preise für den Gasbezug nicht zu. Vereinbart ist weiterhin der Preis bei Vertragsbeginn. § 3 der ursprünglichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 01. Mai 2001, in der die Preisanpassung geregelt war, stellt eine unangemessene Benachteiligung der Sondervertragskunden, zu denen der Beklagte gehört, dar und ist deshalb unwirksam (BGH, VIII ZR 225/07 vom 07. Juli 2009). Die Preisanpassungsklausel in § 4 der damals geltenden AVB GasV galt nur für Tarifkunden und ist in den Vertrag mit dem Beklagten nicht einbezogen worden.

Die Änderung der besonderen Geschäftsbedingungen zum 01. April 2007, die ein Preisanpassungsrecht der Klägerin enthält, ist nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Voraussetzung für eine Änderung der Vertragsbedingungen ist eine ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des Beklagten, die auch durch widerspruchsloses Verstreichenlassen einer angemessenen, dafür gesetzten Frist, wie die geänderten Bedingungen der Klägerin es jetzt vorsehen, erfolgen kann, geschehen kann. Eine solche liegt jedoch nicht vor. Ein einseitiges Gestaltungsrecht der Klägerin besteht nicht. Es ergibt sich weder aus gesetzlichen Vorschriften noch aus einer besonderen Stellung oder besonderen Aufgaben der Klägerin, die kein Monopol mehr besitzt, sondern eines von mehreren Gasversorgungsunternehmen ist und mit dem Beklagten einen individuellen – eben mit Sonderbedingungen versehenen – Vertrag geschlossen hat.

Die Preisanpassungsklausel in Ziff. 4. der Besonderen Bedingungen ist darüber hinaus unwirksam, weil sie den Beklagten unangemessen benachteiligt. Die feste Koppelung an die Änderung der Grundversorgungspreise lässt weder einen Ermessensspielraum noch eine Billigkeitskontrolle zu. Zumindest wird eine solche Möglichkeit in der Klausel nicht hinreichend deutlich, so dass ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vorliegt (vgl. dazu BGH VIII ZR 246/08, Urteil vom 14. Juli 2010). Die Klausel übernimmt auch nicht vollständig die Regelung des § 5 Abs. 2 GasGVV, was zulässig und wirksam wäre. Es fehlt die Festlegung des Beginns der Preiserhöhung jeweils zum Monatsbeginn, die Verpflichtung zur öffentlichen Bekanntgabe sowie zur brieflichen Mitteilung an den Kunden und die Veröffentlichung auf der Internetseite. Die Klägerin legt nicht fest, in welcher Weise sie den Kunden über die Preisänderung informieren muss (vgl. BGH a.a.O.).

Der Beklagte ist mit diesen Einwendungen nicht gemäß § 17 GasGVV ausgeschlossen. Abgesehen davon, dass auch insoweit die Einbeziehung zweifelhaft ist, da die GasGVV nur für Tarifkunden gilt, ist die fehlende Berechtigung zur Änderung der Preise ein offensichtlicher Fehler i.S. dieser Vorschrift.

Die Klägerin hat nicht dargelegt, welche Entgelte ihr unter Berücksichtigung der Unwirksamkeit der Preisänderungsklauseln im streitbefangenen Zeitraum zustehen. Welcher Grund- und Arbeitspreis spätestens zum Zeitpunkt des ersten Widerspruchs des Beklagten im Oktober 2005 von ihr gefordert wurde, ist nicht vorgetragen. Eine Berechnung etwaiger, der Klägerin noch zustehenden Entgelte kann deshalb nicht erfolgen.

Die Beauftragung eines Rechtsanwalts wegen der vorgerichtlichen Geltendmachung der Forderung war im Hinblick auf die eindeutige Ablehnung der Zahlung durch den Beklagten überflüssig, da der Beklagte die Zahlung eindeutig und endgültig abgelehnt hatte und verstößt deshalb gegen die Schadensminderungspflicht der Klägerin.

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Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280, 291, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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