Oberlandesgericht Düsseldorf
Az: I-1 U 169/07
Urteil vom 25.02.2008
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. Juni 2007 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg abgeändert; die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte, eine Renault-Vertragshändlerin, auf Rückabwicklung eines finanzierten Gebrauchtwagenkaufvertrages in Anspruch.
Auf der Grundlage des Bestellscheins Anlage K 1 kaufte der Kläger von der Beklagten im Juni 2005 einen gebrauchten …. für 17.150 EUR. In der Formularzeile „Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden lt. Vorbesitzer“ heißt es maschinenschriftlich:
Unfallfrei (siehe Bl. 8 d.A.).
Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, was diese Information besagt und ob sie inhaltlich zutreffend ist oder nicht.
Der Kläger hat mit Anwaltsschreiben vom 23.06.2006 den Kaufvertrag angefochten und hilfsweise die „Wandlung“ erklärt. Seine Klage hat er im Kern folgendermaßen begründet:
Anlässlich eines Werkstattaufenthaltes bei einem anderen ….-Vertragshändler habe man auf den ersten Blick festgestellt, dass das Fahrzeug einen Unfallschaden gehabt habe. Daraufhin habe er, der Kläger, das Fahrzeug vom ….. überprüfen lassen. Dabei habe sich herausgestellt, dass an der Tür hinten rechts unterhalb der Leiste Spachtelarbeiten ausgeführt worden seien; außerdem sei eine Nachlackierung an beiden Türen auf der rechten Seite festgestellt worden. Es müsse von einem erheblichen Unfallschaden ausgegangen werden. Die Instandsetzungskosten lägen weit über 1.200 EUR. Angesichts dessen könne von „unfallfrei“ nicht die Rede sein.
Die Beklagte sieht das in dem entscheidenden Punkt anders. Sie macht geltend, mit der strittigen Erklärung „unfallfrei laut Vorbesitzer“ lediglich Bezug genommen zu haben auf die Information, die sie von der Vorbesitzerin erhalten habe. Diese habe bei Hereinnahme des Fahrzeugs mitgeteilt, dass das Auto unfallfrei sei. Auf diese Angabe habe man sich verlassen. Sie zu bezweifeln, habe kein Anlass bestanden, zumal im Rahmen der üblichen Sichtprüfung eine Beschädigung des Fahrzeugs nicht aufgefallen sei.
Das Landgericht hat Beweis darüber erhoben, ob der Unfall, aufgrund dessen beide Türen auf der rechten Seite repariert bzw. nachlackiert worden sind, vor oder erst nach der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger (17.06.2005) stattgefunden hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme – Vernehmung von zwei Zeugen – wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 22.05.2007 (Bl. 105 ff.).
Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Seiner Überzeugung nach ist der Kläger von der Beklagten arglistig getäuscht worden. Das hat das Landgericht wie folgt begründet:
Die Beklagte sei eine professionelle Neu- und Gebrauchtwagenhändlerin. In dieser Eigenschaft könne sie sich der Pflicht zur Untersuchung eines hereingegebenen Wagens nicht dadurch entziehen, dass sie den Angaben des Veräußerers über Unfallfreiheit vertraue. Vielmehr müsse ein professioneller Händler, auch zur Vermeidung des Vorwurfs der Arglist, ein übernommenes Fahrzeug vor dem Weiterverkauf gründlich auf Unfallschäden hin untersuchen und dem Kaufinteressenten das Ergebnis seiner Untersuchung – auch ungefragt – mitteilen, es sei denn, ein festgestellter Unfallschaden sei offensichtlich ganz unbedeutend. An diese Regeln habe die Beklagte sich nicht gehalten. Mit einer bloßen „Sichtprüfung“, die die Beklagte vorgenommen haben will, sei es nicht getan. Das stelle keine gründliche Untersuchung i.S.d. Rechtsprechung dar, welcher die Kammer folge.
Weiterhin hat die Kammer ausgeführt: Wenn die Beklagte als professionelle Händlerin die erforderliche gründliche Untersuchung – aus welchen Gründen auch immer – nicht durchgeführt habe, hätte sie den Kläger zumindest auf diesen Umstand hinweisen müssen. Das sei ebenfalls unterblieben, weshalb die Beklagte auch aus diesem Grund arglistig gehandelt habe.
Weiterhin hat das Landgericht festgestellt, dass der …. einen erheblichen Unfall erlitten habe. Das folge aus dem ….-Untersuchungsbericht, den der Kläger vorgelegt habe. Die darin enthaltenen Feststellungen deuteten, was die Kammer kraft eigener Sachkunde beurteilen könne, auf eine „durchaus erhebliche Fremdeinwirkung“ hin. Diese falle nicht in die Besitzzeit des Klägers, was sich aus der glaubhaften Aussage seiner Ehefrau ergebe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Sie hält die Klage nach wie vor für unbegründet. Ihre Angriffe gegen das landgerichtliche Urteil sind wie folgt zusammen zu fassen:
Der Vorwurf der arglistigen Täuschung entbehre einer sachlichen Grundlage. Soweit das Landgericht sich auf OLG-Rechtsprechung stütze, seien die zitierten Entscheidungen wegen unterschiedlicher Sachverhalte nicht einschlägig. Anders als in jenen Fällen sei das Fahrzeug im vorliegenden Fall auf Unfallschäden hin untersucht worden. Der Zeuge D, bei dem es sich um einen gelernten Karosseriefahrzeugbauer handele, habe eine Sichtprüfung unter Zuhilfenahme eines Lackschicht-Messgeräts durchgeführt. Dabei seien keinerlei Schäden oder Verdachtsmomente festgestellt worden, die auf Unfallvorschäden hingedeutet haben.
Darüber hinaus rügt die Berufung, dass das Landgericht bei der Feststellung eines erheblichen Unfallschadens eigene Sachkunde für sich in Anspruch genommen habe, ohne diese hinreichend darzulegen. Woher die Kammer die eigene Sachkunde habe, sei in den Urteilsgründen nicht ausgeführt. Auch in der mündlichen Verhandlung sei kein entsprechender Hinweis gegeben worden, was verfahrensfehlerhaft sei. Abgesehen davon gehe aus dem …-Bericht, auf den das Landgericht sich gestützt habe, nicht hervor, welchen Umfang die „erhebliche Fremdeinwirkung“ gehabt habe. Der Behauptung des Klägers, der Reparaturaufwand sei mit 1.200 EUR zu beziffern, sei die Beklagte unter Anerbieten von Gegenbeweis entgegen getreten. Feststellungen zur Erheblichkeit des angeblichen Vorschadens seien nicht einmal ansatzweise getroffen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er weist darauf hin, dass die Beklagte „Unfallfreiheit“ nicht nur im Kaufvertragsformular zugesichert habe, wenn auch mit der Einschränkung „laut Vorbesitzer“, sondern durch ihren Mitarbeiter, den Zeugen D, auch mündlich.
Um die Erheblichkeit des Unfallvorschadens zu unterstreichen, hat der Kläger zunächst seine erstinstanzlich aufgestellte Behauptung wiederholt, die Instandsetzungskosten würden sich auf einen Betrag von „weit über 1.200 EUR“ belaufen. Damit liege eine Unfallschaden vor, der auf jeden Fall offenbarungspflichtig gewesen sei. Im Senatstermin auf die Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Schadenseinschätzung hingewiesen – vorgerichtlich hatte der Kläger die Reparaturkosten mit „weit über 500 EUR“ beziffert – hat der Kläger mit nachgelassenem Schriftsatz vom 05.02.2008 zur weiteren Substantiierung des Unfallschadens eine gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen L. vom 05.02.2008 zu den Akten gereicht. Hiernach belaufen sich die Reparaturkosten einschließlich Verbringung auf netto 847,74 EUR. Zum Beleg dafür hat der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Februar 2008 eine Kostenkalkulation zu den Akten gereicht und erstmals ausdrücklich behauptet, der Unfallschaden sei nicht fachgerecht repariert worden.
II.
Die Berufung ist zulässig und auch begründet.
1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Kläger zur Rückabwicklung des Kaufvertrages nicht berechtigt. Allerdings hätte die Klage dem Grunde nach bereits dann Erfolg, wenn der Kläger gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 BGB zum Rücktritt berechtigt wäre. Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, kommt es für die Schlüssigkeit der Klage nicht darauf an, ob der Beklagten eine arglistige Täuschung zur Last fällt. Zwar hat der anwaltlich vertretene Kläger mit Schreiben vom 23.06.2006 die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistigen Verschweigens eines Mangels erklärt und nur hilfsweise von dem Rechtsbehelf der „Wandlung“ (gemeint: Rücktritt) Gebrauch gemacht. Indes kann die Anfechtungserklärung für den Fall ihrer Unwirksamkeit in einen Rücktritt vom Kauf umgedeutet werden (BGH NJW 2006, 2839).
Verjährungsrechtliche Gründe, den Tatbestand der arglistigen Täuschung zu prüfen, liegen gleichfalls nicht vor. Die Beklagte hat sich zwar unter Hinweis auf die in ihren AGB (Abschnitt VI Nr. 1) auf ein Jahr verkürzte Verjährungsfrist auf Verjährung berufen. Die auch bei einem Verbrauchsgüterkauf, wie hier, an sich grundsätzlich zulässige Fristverkürzung ist jedoch unbeachtlich. Die Klausel im Abschnitt VI Nr. 1 der Gebrauchtwagenverkaufsbedingungen ist unwirksam. Sie verstößt gegen die Verbote des § 309 Nr. 7a und b BGB (st. Rspr. des Senats im Einklang mit BGH NJW 2007, 674). Damit bleibt es bei der gesetzlichen Zweijahresfrist. Sie war im Zeitpunkt der Ausübung des Gestaltungsrechts des Rücktritts (darin umgedeutete Anfechtungserklärung gemäß Anwaltsschreiben vom 23.06.2006) noch nicht verstrichen. Auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus dem durch den Rücktritt entstehenden Rückgewährschuldverhältnis, kommt es nicht an.
2. Der rechtzeitig erklärte Rücktritt vom Kauf ist jedoch deshalb unwirksam, weil es an dem erforderlichen Rücktrittsgrund fehlt. Einen zum Rücktritt berechtigenden (erheblichen) Sachmangel kann der Senat nicht feststellen.
a) Der Kläger sieht sich zur Rückabwicklung vor allem deshalb berechtigt, weil dem Fahrzeug die zugesagte Unfallfreiheit fehlt. Dass die Beschädigungen unfachmännisch beseitigt worden sind, was gleichfalls einen Sachmangel begründen kann, hat er im ersten Rechtszug nicht ausdrücklich vorgetragen. Allerdings hat er von Anfang geltend gemacht, ein Fachmann, nämlich ein anderer …-Vertragshändler, habe auf den ersten Blick erkannt, dass das Fahrzeug einen Unfallschaden gehabt habe. Vorgebracht hat er auch, dass für die Beklagte als Fachunternehmen ohne weiteres ersichtlich gewesen sei, dass die Lackschicht unterhalb der hinteren rechten Leiste an der Tür fast 12 mal so dick gewesen sei wie die werkseitige Dicke. Auch habe die Beklagte die Nachlackierungen an den Türen rechts vorne und hinten erkennen können.
b) Damit ist noch nicht die konkludente Behauptung verbunden, die Instandsetzungsarbeiten seien entgegen den Regeln der Karosserie- und Lackiertechnik insgesamt mangelhaft ausgeführt worden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem …-Prüfprotokoll, das der Kläger in erster Instanz zur Ergänzung und Bestätigung seines Sachvortrags vorgelegt hat. Auf der S. 6 werden unter der Rubrik „festgestellte Lackier- und Karosseriearbeiten“ Spachtelarbeiten an der Tür hinten rechts und unterhalb der Leiste mit Lackschicht (kleinflächig) bis zu 1.600 µm – werkseitig ca. 130 µm festgehalten. Außerdem ist von Nachlackierungen an den Türen rechts vorn und hinten die Rede, ferner davon, dass stellenweise Schleifspuren in der Lackoberfläche vorhanden sind. Ohne Teilmontage, so heißt es weiter, sei eine weitere Beurteilung nicht möglich. Das daneben befindliche Feld mit der Überschrift „Vermutete Unfallreparaturspuren bzw. Unfallschäden“ ist unausgefüllt geblieben. Von Interesse ist ferner, dass auf der Protokollseite 5 im oberen Teil festgehalten ist „rechts Spaltmaß zur Tür unterschiedlich“ und im unteren Teil sich die Eintragung befindet „Fahrertür unterhalb der Leiste Delle“.
All diese Angaben, die der Kläger sich im Zweifel zu eigen gemacht hat, lassen, auch in Verbindung mit dem sonstigen Sachvortrag, nicht den Schluss zu, dass der Kläger die gesamten Instandsetzungsarbeiten als mangelhaft beanstandet. Auch das zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers, soweit es prozessual beachtlich ist, geht nicht in diese Richtung. Im Rahmen der ausführlichen Erörterung in der Berufungsverhandlung ist die Qualität der Instandsetzungsarbeiten kein Thema gewesen. Im Wesentlichen ist es um die Frage gegangen, ob ein Sachmangel möglicherweise deshalb anzunehmen ist, weil dem Fahrzeug die Eigenschaft der Unfallfreiheit fehlt. Erstmals mit Schriftsatz vom 05.02.2008 macht der Kläger unter Vorlage eines Kurzgutachtens des Sachverständigen L. ausdrücklich geltend, dass die Unfallreparatur angesichts einer werkseitigen Schichtdicke von ca. 130 µm und einer tatsächlichen Lackschicht bis zu 1.600 µm nicht fachgerecht sei.
c) Zugunsten des Klägers geht der Senat von einem punktuellen Reparaturmangel aus. Als wahr unterstellt er ferner, dass ein Unfall im Sinne eines unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkenden Ereignisses (vgl. auch die Definition im …-Prüfprotokoll, S. 6 unten) der Grund dafür gewesen ist, dass das Fahrzeug in der von dem …. und dem Sachverständigen L. beschriebenen Art und Weise instandgesetzt worden ist, und zwar vor Auslieferung des Fahrzeugs an den Kläger und vor Hereinnahme durch die Beklagte. Gleichwohl steht ihm ein Recht zum Rücktritt vom Kauf nicht zu. Dies aus folgenden Erwägungen:
aa) Zweifelhaft ist schon, ob die Unfallfreiheit Bestandteil einer Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB geworden ist. Diese Zweifel gründen sich auf den Umstand, dass die maschinenschriftliche Angabe im Kaufvertrag „unfallfrei“ sich in der Formularrubrik befindet, in der die Beklagte Angaben zu „Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden lt. Vorbesitzer“ macht. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, wie in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert, der Zusatz „lt. Vorbesitzer“.
Welche Bedeutung ein derartiger Vorbehalt, die Rede ist auch von „Quellenhinweis“, hat, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Hinsichtlich der Eintragung einer bestimmten PS-Zahl in dem vorgedruckten Feld „PS laut Fahrzeugbrief“ hat der BGH (NJW 1997, 2318) nähere Ausführungen zu einem vergleichbaren Quellenhinweis gemacht. Wer sich als Verkäufer für eine Aussage ausdrücklich auf eine bestimmte Quelle beziehe, bringe damit hinreichend deutlich zum Ausdruck, woher er die Angabe entnommen habe und dass es sich dabei nicht um eigenes Wissen handele. Eine derart eingeschränkte Aussage sei daher rechtlich nicht anders zu bewerten als eine Erklärung unter Vorbehalt, die regelmäßig keine Zusicherung i.S.d. § 459 Abs. 2 BGB a.F. darstelle.
Im vorliegenden Fall geht es nicht darum, ob die Beklagte dem Kläger eine Zusicherung, in der heutigen Terminologie: eine Garantie, gegeben hat. Entscheidend ist vielmehr, ob in der schriftlichen Angabe der Beklagten – eine weitergehende mündliche Erklärung ist nicht nachgewiesen – eine Beschaffenheitsangabe zu sehen ist, die zu einer Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB geführt hat. Das wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wie auch im Schrifttum unterschiedlich gesehen.
Für die Eintragung des Wortes „keine“ in der Zeile „Zahl, Art und Umfang von Unfallschäden lt. Vorbesitzer“ hat sich das OLG Schleswig, wie der Senat meint, mit Recht, gegen die Annahme einer Garantie i.S. d. §§ 442 bis 444 BGB ausgesprochen. Es ist von einem Sachmangel i.S.d. § 434 BGB ausgegangen, was vermuten lässt, dass dem die Annahme einer nicht eingehaltenen Beschaffenheitsvereinbarung zugrunde liegt. Nicht ausgeschlossen werden kann allerdings die Bejahung eines Sachmangels auf der Grundlage der Kriterien des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB (vgl. NJW-RR 2005, 1579). In der Revisionsentscheidung (BGH NJW 2006, 2839) wird auf diese Frage nicht näher eingegangen, weil der BGH eine arglistige Täuschung annimmt. In der Sache, die er durch Urteil vom 10.10.2007 (NJW 2008, 53) entschieden hat, waren sämtliche Unfall-Rubriken unausgefüllt geblieben, so dass schon deshalb keine Beschaffenheitsvereinbarung anzunehmen war, weder eine positive noch eine negative. Unergiebig ist auch die Entscheidung BGH NJW 2007, 1346, weil der strittigen Angabe über die Laufleistung kein Quellenhinweis hinzugefügt worden war.
Wenn in einem Vertragsformular die Rubriken „Gesamtfahrleistung nach Angaben des Vorbesitzers“ und „Stand des Kilometer-Zählers“ jeweils die handschriftliche Eintragung einer bestimmten Kilometer-Zahl enthalten, nimmt der BGH ohne nähere Begründung ungeachtet der Verweisung auf den Vorbesitzer einen Sachmangel an, sofern die mitgeteilte Zahl zum Nachteil des Käufers falsch ist (Urteil vom 19.09.2007, NJW 2007, 3774). Obgleich Gegenstand des Kaufvertrages kein gewöhnlicher Pkw gewesen ist, könnte dieses Verständnis darauf hindeuten, dass der BGH auch in dem Parallelfall „unfallfrei laut Vorbesitzer“ eine Beschaffenheitszusage, jedenfalls keine reine Wissensmitteilung ohne mangelrechtliche Relevanz annehmen wird. Mit der auf den 12.03.2008 terminierten Sache VIII ZR 253/05 liegt ihm ein Streitfall vor, in dem der 8. Zivilsenat die Revision zugelassen hat, um die hier in Rede stehende Frage einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen.
bb) Der erkennende Senat neigt dazu, trotz der vorformulierten Einschränkung „lt. Vorbesitzer“ eine – eingeschränkte – Beschaffenheitszusage der Beklagten anzunehmen. Entscheiden muss er diese Frage im vorliegenden Fall nicht. Denn auch dann, wenn zu Gunsten des Klägers eine Vereinbarung der Parteien des Inhalts angenommen wird, dass das Fahrzeug „lt. Vorbesitzer unfallfrei“ sei, ist der Rücktritt des Klägers vom Kauf nicht gerechtfertigt. Das folgt aus der Auslegung der Angabe „unfallfrei“.
cc) Bei einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB besagt diese im Gebrauchtwagenhandel übliche Angabe, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist (OLG Düsseldorf – 14. Senat – ZfS 2005, 130 m.w.N.). Zu Recht wird in dieser Entscheidung gesagt, dass die Erheblichkeit des Schadens schon die Reichweite der Beschaffenheitsvereinbarung und nicht erst die Frage betreffe, ob eine vorhandene Vertragswidrigkeit erheblich sei.
Für die Beurteilung im Einzelfall kommt es unter Berücksichtigung der gesamten Umstände entscheidend auf die Verkehrsanschauung an. Auch das Alter des Fahrzeugs ist von Bedeutung, ebenso die Anzahl der Vorbesitzer. Außerdem sind die Laufleistung des Fahrzeugs und die Art seiner Vorbenutzung wichtige Auslegungskriterien. Für das, was der Käufer bei der Angabe „lt. Vorbesitzer unfallfrei“ erwarten darf, können ferner der Kaufpreis und der dem Käufer erkennbare Pflegezustand des Fahrzeugs von Bedeutung sein (vgl. Senat, Urteil vom 08.05.2006, 1 U 132/05, Schadenpraxis 2007, 32). Bei Beschädigungen des Fahrzeugs kommt es schließlich für die Unterscheidung, ob es sich um einen möglicherweise hinzunehmenden „Bagatellschaden“ oder um einen solchen Schaden handelt, der dem Fahrzeug die Unfallfreiheit nimmt, auf die Art des Schadens und die Höhe der Reparaturkosten an (vgl. BGH NJW 2008, 53 für die Frage der Mangelhaftigkeit nach den objektiven Kriterien des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).
Gemessen an diesen Auslegungskriterien kann der Senat schon nicht feststellen, dass die Angabe „unfallfrei“ inhaltlich unzutreffend ist, das Fahrzeug also wegen des Vorschadens einen Sachmangel hat. Auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers ist vielmehr von einem sogenannten Bagatellschaden auszugehen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der für einen Preis von 17.150 EUR gekaufte Gebrauchtwagen mit 41.000 km eine vergleichsweise niedrige Laufleistung hatte und auch sein Alter eine Einstufung als „junger Gebrauchter“ nahe legt. Die Erstzulassung war am 09.07.2003, die Übernahme durch den Kläger im Juni 2005. Über die Art der Vorbenutzung ist Näheres nicht bekannt. Es wird lediglich mitgeteilt, dass der Wagen nicht als Taxi-Miet- oder Fahrschulwagen genutzt wurde. Die genaue Anzahl der Vorbesitzer ist gleichfalls nicht bekannt. Zugunsten des Klägers unterstellt der Senat, dass die Beklagte den Wagen aus erster Hand hereingenommen hat. All das spricht dafür, die bei Personenkraftwagen ohnehin sehr eng zu ziehende Bagatellschadengrenze im konkreten Fall nicht engherzig zu Lasten des Klägers zu bestimmen.
Schäden an der Fahrzeug-Außenhaut reichen je nach Schwere des Unfalls von leichten Kratzern, Abschürfungen und Verformungen über tiefe Kratzer bis hin zu Rissen und Löchern. Ein häufig anzutreffendes Unfallschadenbild ist die beschädigte Außenhaut einer Fahrzeugtür. Schäden an den Türen werden entweder durch eine komplette Türerneuerung behoben oder durch einen Austausch des Türblattes bei Weiterverwendung des Türgrundkörpers. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die gesamte Tür im Fahrzeug zu belassen und die Beschädigungen dadurch zu beheben, dass gespachtelt und lackiert wird. Letzteres ist im konkreten Fall geschehen. Das allein besagt nicht, dass es sich um einen sogenannten Bagatellschaden handelt. Für diese Beurteilung von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob das Türblech unversehrt geblieben ist, ob also Blechverformungen vorhanden waren oder nicht. Ist lediglich der Lack beschädigt gewesen, beispielsweise durch Abschürfungen oder Kratzer, wird es sich in den meisten Fällen um einen Bagatellschaden handeln. Auf der anderen Seite ist die Grenze zwischen Bagatellschaden und Fahrzeugmangel nicht durch jede Verformung des Bleches überschritten. Das ist auch eine Frage der Verformungstiefe und der Größe der Fläche, die in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Nicht jede Beule oder Delle in der Tür eines Pkw, auch eines jüngeren, bedeutet einen Schaden, der über die Bagatellgrenze hinausgeht.
Im konkreten Fall spricht vieles dafür, dass die Beschädigungen nicht auf den Lack beschränkt waren. Darauf deuten bereits die Spachtelarbeiten an der Tür hinten rechts unterhalb der Leiste hin. Genaue Aussagen über die Tiefe und das Ausmaß der Verformung lassen sich ohne sachverständige Beratung nicht treffen. Schon der …-Prüfer hat darauf hingewiesen, dass ohne Teildemontage eine weitere Beurteilung nicht möglich sei. Gegen die Annahme, dass es sich um einen kleineren „Parkrempler“ oder ein ähnlich geringfügiges Schadensereignis gehandelt hat, spricht auch der Umstand, dass an beiden Türen auf der rechten Seite nachlackiert worden ist. Auf der anderen Seite kann das aber auch darin begründet sein, dass man eine Farbanpassung vorgenommen hat.
Auch wenn einiges für die Annahme einer Beschädigung jenseits der Bagatellschadensgrenze spricht, so kann andererseits nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kostenaufwand für die Schadensbehebung vergleichsweise niedrig ist. Davon, dass die Reparaturkosten weit über 1.200 EUR liegen, wie der Kläger zunächst behauptet und unter Sachverständigenbeweis gestellt hat, kann auf der Grundlage seines ergänzenden Sachvortrags nicht die Rede sein. Nach dem von ihm eingereichten Kurzgutachten des Sachverständigen L. belaufen sich die Netto-Reparaturkosten auf der Basis der Preise des Jahres 2008 auf 847,74 EUR. Darin enthalten sind 85 EUR (netto) für die Verbringung des Fahrzeugs. Diese Kosten sind herauszurechnen. Eine fachgerechte Reparatur ist auch ohne die sogenannte Verbringung (Transport vom Autohaus zum Lackierbetrieb und zurück) möglich.
Selbst wenn man mit dem Sachverständigen L… die Stundensätze eines fabrikatgebundenen Fachbetriebes und nicht die erheblich niedrigeren Sätze einer freien Werkstatt zugrunde legt, bleibt der Nettoreparaturkostenbetrag demnach unter 800 EUR. Einschließlich Umsatzsteuer, die hier mit 16 % zu veranschlagen wäre, liegt der Gesamtkostenaufwand deutlich unter 1.000 EUR. Das indiziert Unerheblichkeit i.S.d. hier zu erörternden Bagatellschadensgrenze. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Reparaturkostenhöhe nur ein, wenn auch wesentlicher Anhalt dafür ist, einen Bagatellschaden von einem Schaden abzugrenzen, der einem Fahrzeug die zugesagte Eigenschaft „unfallfrei“ nimmt.
Nach Ansicht des BGH sind Blechschäden, deren fachgerechte Beseitigung 1.774,67 EUR kostet bei einem knapp 5 1/2 Jahren alten Fahrzeug mit einer Laufleistung von rund 54.000 km kein „Bagatellschaden“ mehr (NJW 2008, 53 zu § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Nach einer Entscheidung des OLG Koblenz aus dem Jahre 1997 fällt ein Blechschaden an einem Pkw bei einem Reparaturkostenaufwand von mehr als 1.660 DM nicht mehr in die Kategorie „Bagatellschaden“ (VRS 96, 241). Das OLG Celle sieht in einer Entscheidung aus dem Jahre 1995 (4 U 301/94) die Bagatellgrenze bei Reparaturkosten von 2.120 DM als überschritten an (Austausch eines Kotflügels und der Beifahrertür bei einem Audi 80). Bei einem Austausch beider Kotflügel durch Neuteile hat das OLG Rostock in gleicher Weise entschieden (Urteil vom 17.12.2003, OLGR 2005, 46; ähnlich LG Karlsruhe NZV 2006, 40). Einschlägig ist auch die Entscheidung des OLG Thüringen vom 20.12.2007, 1 U 535/06. In enger Anlehnung an das BGH-Urteil vom 10.10.2007 (NJW 2008, 53) werden „Blechschäden“, selbst wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering war, nicht mehr als Bagatellschäden angesehen.
Allein der Umstand, dass die Außenhaut des Fahrzeugs, also das Blech, beschädigt worden ist, kann einen Schadensfall nicht zu einem Unfallschaden jenseits der Bagatellschadensgrenze machen. Das wäre eine zu pauschale Sicht. Wie dem BGH-Urteil vom 10.10.2007 (NJW 2008, 53) zu entnehmen ist, spielen auch die Tiefe der Verformung und das flächenmäßige Ausmaß der Beschädigung eine Rolle. In dem Fall, den der BGH nach den Kriterien des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB zu entscheiden hatte, lagen Blechschäden vor, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ursprünglich tiefer als die bis zu 5 mm starke Schichtstärke des Spachtelauftrags waren.
d) Aber selbst wenn man zugunsten des Klägers von einem Unfallschaden jenseits der Bagatellschadensgrenze und damit von einem Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB oder nach den objektiven Kriterien nach Satz 2 Nr. 2 ausgeht, ist jedenfalls das Recht zum Rücktritt vom Kauf ausgeschlossen.
Das folgt, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung vorsorglich hingewiesen hat, aus § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB. Hiernach kann der Käufer vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist. Dieser Tatbestand ist an sich von dem Verkäufer darzulegen und zu beweisen. Der Senat kann von einer näheren Sachaufklärung absehen. Denn schon nach dem Vorbringen des Klägers ist jedenfalls die Grenze zwischen einem „einfachen“ Sachmangel und einer erheblichen Pflichtverletzung i.S.d. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB nicht überschritten. Dies selbst dann nicht, wenn man den vom Kläger geltend gemachten punktuellen Reparaturmangel in die Bewertung einbezieht. Die Nachlackierung als solche stellt im vorliegenden Fall keinen Sachmangel dar (vgl. OLG Düsseldorf – 3. ZS – Urt. v. 08.11.2002, Az. 3 U 37/02).
Von einer arglistigen Täuschung, die geeignet sein könnte, einen an sich geringfügigen Sachmangel über die rücktrittsrechtliche Bagatellgrenze zu heben (vgl. dazu BGH, Urteil vom 09.01.2008, VIII ZR 210/06), kann im Streitfall entgegen der Ansicht des Landgerichts keine Rede sein. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung. Das Landgericht hat einen Fall der arglistigen Täuschung angenommen, ohne die dafür maßgebenden Umstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht genügend zu beachten.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ein Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Streitwert für das Berufungsverfahren: 17.467,05 EUR; Beschwer: unter 20.000,00 EUR.