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Gefährlichkeit eines Hundes – Beißvorfall – Feststellung – Gefahrenvorsorge

VG Oldenburg – Az.: 7 B 1671/20 – Beschluss vom 03.08.2020

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird

abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, über den das Gericht nach Übertragungsbeschluss der Kammer vom 1. Juli 2020 durch den Einzelrichter entscheidet und der nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilen und darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache 7 A 1458/20 gegen die Feststellung der Gefährlichkeit des von der Antragstellerin gehaltenen Hundes C. im Bescheid des Antragsgegners vom 25. Mai 2020 erhobenen Anfechtungsklage anzuordnen, bleibt ohne Erfolg.

Die vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin, vorläufig vom Eintritt der Rechtsfolgen der Gefährlichkeitsfeststellung verschont zu bleiben gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Gefahrenabwehr geht zu Ungunsten der Antragstellerin aus, schon weil sich der angegriffene Bescheid aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen dürfte, die Klägerin voraussichtlich nicht in ihren Rechten verletzt und deshalb die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO wohl voraussichtlich abzuweisen sein dürfte, weshalb hier kein Raum mehr verbleibt für eine Anordnung nach § 80 Abs. 5 VwGO.

Zu Recht stellt der Antragsgegner nach § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG fest, dass der von der Antragstellerin gehaltene Hund C. gefährlich ist. Die Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes C. im angegriffenen ist voraussichtlich rechtmäßig, weil dieser Hund mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Menschen gebissen hat. Schon danach ist die Gefährlichkeit festzustellen. Weitere behördliche Ermittlungen sind nicht anzustellen, schon aufgrund des Beißvorfalles alleine ist diese Feststellung zu treffen, weil insoweit ein Gefahrenverdacht bereits ausreicht; insoweit ist das Recht der Gefahrenabwehr in Niedersachen heruntergebrochen worden und niedrigschwellig bereits das Eingreifen der Behörde geboten, denn es handelt sich um einen Fall der Gefahrenvorsorge. Einzig der Umstand des Beißvorfalles als solcher muss allerdings anzunehmen sein. Dies ist hier der Fall, weil die mit der Klageschrift vorgebrachten, dem Beißvorfall entgegenstehenden angeblichen Tatsachen nicht in der Lage sind, das Tatsachenmaterial aus dem beigezogenen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners in Abrede zu stellen, welches dieser mit seiner Klageerwiderung vom 16. Juni 2020 unter Wiederholung, Ergänzung und Vertiefung der Gründe seines angegriffenen Bescheides vom 25. Mai 2020 substantiiert dartut. Dagegen greift das Vorbringen der Antragstellerseite insgesamt nicht durch.

Das beschließende Gericht hält fest:

Gefährlichkeit eines Hundes - Beißvorfall - Feststellung - Gefahrenvorsorge
Symbolfoto: Von Sergey Granev/Shutterstock.com

Rechtsgrundlage der Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes ist § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG. Danach stellt die Fachbehörde – dies ist hier gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 NHundG der Antragsgegner – fest, dass der Hund gefährlich ist, wenn die Prüfung nach Satz 1 Tatsachen ergibt, die den Verdacht rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht.

Erhält die Behörde einen Hinweis auf eine gesteigerte Aggressivität eines Hundes, hat sie dem von Amts wegen nachzugehen, § 7 Abs. 1 Satz 1 HundG, und bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG die Gefährlichkeit festzustellen. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn ein Hund Menschen oder Tiere gebissen oder sonst eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust oder Schärfe gezeigt hat, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NHundG, oder auf Angriffslust, auf über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft oder Schärfe oder auf ein anderes in der Wirkung gleichstehendes Merkmal gezüchtet, ausgebildet oder abgerichtet ist, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NHundG. Die Gefährlichkeit eines Hundes ergibt sich danach aus einer über das artgerechte Potential von Hunden hinausgehenden, nämlich gesteigerten Aggressivität eines Hundes, was auch schon der Wortlaut von § 7 Abs. 1 Satz 1 einleitender Satzteil NHundG zeigt, wo es ausdrücklich „gesteigerte Aggressivität“ heißt. Insofern liegen in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 NHundG mit der einleitenden Wortwahl „insbesondere“ gesetzliche Regelbeispiele vor.

Dabei geht der Gesetzgeber mit Regelbeispiel Nr. 1, 1. Fall, davon aus, dass eine das artgerechte Potential übersteigende Aggressivität vorliegt, wenn der Hund einen Menschen oder ein Tier gebissen hat.

Ergibt die von der Behörde einzuleitende Prüfung danach Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass ein Gefahrenverdacht oder Besorgnispotential vorliegt und in diesem Sinne von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, stellt sie die Gefährlichkeit dieses Hundes fest, § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG, ohne dass das Gesetz auf Rechtsfolgenseite weitere Anforderungen für diese Feststellung voraussetzt oder etwa ein Ermessen eröffnet. Auch braucht es nicht weiterer Prüfung des Hundes durch Veterinäre.

Nach der dargestellten gesetzlichen Wertung ist es nicht erforderlich, dass bereits Tatsachen vorliegen, die die Gefährlichkeit eines Hundes nachweislich belegen. Es reicht vielmehr aus, wenn aufgrund von Tatsachen ein Verdacht auf eine Gefährlichkeit des Hundes wegen einer das natürliche Maß übersteigenden Aggressivität anhand vorbezeichneter Regelbeispiele besteht. Dies gilt insbesondere, wenn der Hund bereits einen Menschen gebissen hat. Mit dieser Regelung im NHundG ist das Recht der Hundehaltung in Niedersachsen durch eine Absenkung der Gefahrenschwelle von der Gefahrenabwehr zur weiterreichenden Gefahrenvorsorge geschärft. Ergänzend ist festzuhalten, dass auch nach der Rechtsprechung der Kammer und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ein Hund bereits dann als gefährlich einzustufen und dessen Gefährlichkeit festzustellen ist, wenn er ein anderes Tier gebissen hat (wie hier?).

Weitere Sachaufklärung ist in einem solchen Fall nicht, insbesondere nicht zum Merkmal „gesteigerte Aggressivität“, notwendig und eine andere rechtliche Bewertung kommt insoweit in der Regel (von Ausnahmefällen abgesehen) nicht in Betracht, weil von der in § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG bezeichneten Gefahr schon aufgrund des einmaligen Bisses auszugehen ist, siehe Urteil der Kammer vom 13. Juni 2014 – 7 A 766/14 –, juris, und:

– Beschluss vom 4. Oktober 2012 – 7 B 4451/12 – (Zur Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes nach § 7 Abs. 1 Satz 2 NHundG reicht es regelmäßig aus, dass der Hund einen Menschen gebissen hat),

– Beschluss vom 20. September 2013 – 7 B 5951/13 – (Zur Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes aus Gründen der Gefahrenvorsorge – Hat der Hund mehrmals Menschen gebissen, bedarf es zur Feststellung seiner Gefährlichkeit… aus Gründen der Gefahrenvorsorge regelmäßig keiner weiteren Prüfung… – vgl. dazu auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 18. Januar 2012 – 11 ME 423/11 -) und

– Urteil vom 13. Juni 2014 – 7 A 766/14 – (Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes, der ein Schaf gerissen hat) – mit nachgehendem Beschluss des Nds. OVG Lüneburg vom 3. März 2015 – 11 LA 172/14 -:

„1. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S 2 NHundG sind grundsätzlich bereits dann erfüllt, wenn der betroffene Hund ein anderes Tier … einmalig nicht nur ganz geringfügig verletzt hat.

2. Der in diesem Sinne ausgelegte § 7 NHundG … ist verfassungsgemäß.“

Die Prüfungspflicht der Fachbehörde ist insoweit auf die Feststellung der „Tat“ als solche beschränkt, also des Vorfalls, der die besondere Gefährlichkeit begründet, also in der Regel eines Beißvorfalls. Für die Feststellung der Gefährlichkeit ist der konkrete Nachweis einer gesteigerten Aggressivität danach nicht mehr erforderlich (Nds. OVG Lüneburg, Beschluss vom 30. Juni 2015 – 11 LA 250/14 -, juris).

Ferner hat sich niedersächsische Rechtsprechung zum Vorliegen eines Ausnahmefalls, z.B. wegen Verteidigung, artgerechten Verhaltens etc., entwickelt, vgl. nur zum Beispiel (jew. juris):

– Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig (5. Kammer) vom 25. November 2015 – 5 A 195/14 – (Artgerechtes Abwehrverhalten eines Hundes; Erforderlichkeit einer Beweisaufnahme bei Verfahren betreffend die Gefährlichkeitsfeststellung) und

– Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück (6. Kammer) vom 30. Juli 2015 – 6 B 51/15 – (Verteidigungsverhalten gegen allein laufenden und angreifenden Hund als evident artgerechtes Verhalten) .

Gemessen an Voranstehendem erweist sich die Feststellung der Gefährlichkeit im vorliegenden Einzelfall mit völlig überwiegender Wahrscheinlichkeit als gerechtfertigt.

Zur Begründung dieses Beschlusses greift das Gericht – insbesondere zu den Tatumständen und um insoweit Wiederholungen zu vermeiden – auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Bescheides vom 25. Mai 2020 und der ebenfalls zutreffenden Klageerwiderung des Antragsgegners vom 16. Juni 2020 zurück und verweist auf diese, § 117 Abs. 5 VwGO entsprechend.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung orientiert sich an Ziff. 35.2 Streitwertkatalog und Ziff. 1.5 Satz 1 Streitwertkatalog. Da mit dem vorliegenden Eilverfahren lediglich eine vorläufige Regelung getroffen wird, ist der Wert zu halbieren (2.500,00 €).

 

 

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