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Geldstrafe unterliegt der Insolvenzanfechtung

BGH

Az: IX ZR 16/10

Urteil vom 14.10.2010


Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2010 für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 14. Januar 2010 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem am 27. August 2008 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des … (fortan: Schuldner). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens war am 14. März 2008 von einem Gläubiger beantragt worden. Mit Beschluss vom 6. Juni 2008 bestellte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen des Schuldners nur mit seiner Zustimmung wirksam sind. Die Staatsanwaltschaft, die vom Schuldner zuvor über das Insolvenzeröffnungsverfahren informiert worden war, forderte den Schuldner mit Schreiben vom 8. August 2008 auf, eine gegen ihn verhängte Geldstrafe nebst Verfahrenskosten in Höhe von 963,50 € zu überweisen, andernfalls müsse er mit Zwangsmaßnahmen rechnen. Der Schuldner veranlasste hierauf am 21. August 2008 die geforderte Zahlung. Mit Schreiben vom 26. November 2008 erklärte der Kläger die Anfechtung der Zahlung und forderte die Staatsanwaltschaft vergeblich zur Rückzahlung auf.

Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 963,50 € nebst Zinsen verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

1.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Beklagte sei nach § 143 InsO zur Rückzahlung des ihm überwiesenen Betrags an den Kläger verpflichtet. Die Zahlung der Geldstrafe sei eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne der §§ 130, 131 InsO. Einen allgemeinen Vorrang des Strafvollstreckungsrechts vor dem Insolvenzrecht gebe es nicht. Der Schuldner habe den überwiesenen Betrag die Insolvenzgläubiger benachteiligend aus der Insolvenzmasse entnommen. Ob die Anfechtbarkeit aus § 130 InsO oder aus § 131 InsO folge, könne dahinstehen. Die Zahlung sei nach dem Eröffnungsantrag erfolgt, von dem der Beklagte Kenntnis gehabt habe. Dahinstehen könne auch, ob die vom Konto einer dritten Person erfolgte Überweisung eine Verfügung im Sinne des § 81 InsO gewesen sei und sich der Anspruch deshalb auch aus den §§ 812 ff BGB ergebe.

2.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die von der Revision nicht angegriffen werden und deshalb auch im Revisionsverfahren zugrunde zu legen sind, besteht ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Rückzahlung des überwiesenen Betrags nach § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO.

a)

Auch die Bezahlung einer Geldstrafe unterliegt der Insolvenzanfechtung, sofern deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind. Der Strafcharakter rechtfertigt insofern keine Sonderbehandlung (MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 129 Rn. 142; Rinjes, wistra 2008, 336, 337 f und wistra 2009, 16; Bittmann, wistra 2009, 15; für Geldauflagen gemäß § 153a StPO, die zur Einstellung eines Strafverfahrens gezahlt werden, auch BGH, Urt. v. 5. Juni 2008 – IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 Rn. 21).

Nach der gesetzlichen Regelung in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO handelt es sich bei Geldstrafen um nachrangig zu befriedigende Insolvenzforderungen. Die Konkursordnung hatte Geldstrafen ganz vom Konkursverfahren ausgeschlossen (§ 63 Nr. 3 KO). Beiden Regelungen liegt die Wertung zugrunde, dass die Folgen strafbarer Handlungen des Schuldners diesen persönlich treffen und nicht den übrigen Insolvenzgläubigern aufgebürdet werden sollen (BGH, Urt. v. 5. Juni 2008 aaO). Als nachrangige Insolvenzforderungen müssen Geldstrafen im Insolvenzverfahren regelmäßig nicht angemeldet werden (§ 174 Abs. 3 Satz 1 InsO). Bei der Verteilung werden sie nur bedient, wenn alle vorrangigen Insolvenzforderungen befriedigt sind. Wegen des Strafcharakters kann die Haftung des Schuldners für eine Geldstrafe allerdings weder in einem Insolvenzplan ausgeschlossen oder eingeschränkt werden (§ 225 Abs. 3 InsO) noch wird sie von der Erteilung der Restschuldbefreiung berührt (§ 302 Nr. 2 InsO). Dem liegt zugrunde, dass eine Geldstrafe nicht der Disposition der Gläubiger unterliegt und der Schuldner sich durch das Insolvenzverfahren der Strafe nicht entziehen können soll (Begründung zu § 251 und § 268 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443 S. 194 und 201). Geldstrafen sind sonach in das Insolvenzverfahren einbezogen. Für sie gelten die allgemeinen Regelungen der Insolvenzordnung, soweit keine Sondervorschriften bestehen (vgl. Begründung zu § 46 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443 S. 123). Die Normen über die Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff InsO) enthalten keine Sonderregelung. Sie sind daher auf Geldstrafen grundsätzlich anwendbar. Anfechtbar erlangte Zahlungen sind von der Justizkasse zur Insolvenzmasse zurückzugewähren (§ 143 Abs. 1 Satz 1 InsO). Geschieht dies, lebt die Forderung des Staates auf Zahlung der Geldstrafe nach § 144 Abs. 1 InsO wieder auf.

b)

Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Anfechtung der Zahlung der gegen den Schuldner verhängten Geldstrafe nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO liegen vor. Die Zahlung war, auch wenn der Schuldner nicht direkt an die Justizkasse leistete, sondern – wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist – den Geldbetrag einer dritten Person zur Verfügung stellte, damit diese ihn an die Justizkasse überwies, als mittelbare Zahlung eine Rechtshandlung des Schuldners (BGH, Urt. v. 16. September 1999 – IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284, 287; v. 8. Dezember 2005 – IX ZR 182/01, ZIP 2006, 290 Rn. 7; v. 29. November 2007 – IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rn. 14). Sie gewährte dem Beklagten als Insolvenzgläubiger eine Befriedigung, welche er nicht in der Art zu beanspruchen hatte. Die Inkongruenz der Zahlung folgt zum einen aus dem Umstand, dass sie erbracht wurde, nachdem die Staatsanwaltschaft ein Gesuch des Schuldners um Zahlungsaufschub abgelehnt, ihn zur sofortigen Überweisung aufgefordert und angekündigt hatte, im Falle nicht fristgerechter Zahlung müsse er mit Zwangsmaßnahmen bis hin zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe rechnen. Eine Befriedigung unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB), die auch im eröffneten Insolvenzverfahren möglich ist und keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (BVerfG NJW 2006, 3626), ist wie im Falle einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung (dazu BGH, Urt. v. 7. Dezember 2007 – IX ZR 157/05, ZIP 2007, 136 Rn. 8 m.w.N.) inkongruent. Zum anderen war die Zahlung auch deswegen inkongruent, weil sie durch eine dritte Person erfolgte, der die erforderlichen Mittel zuvor vom Schuldner zur Verfügung gestellt worden waren (BGH, Urt. v. 8. Dezember 2005, aaO Rn. 9; v. 10. Mai 2007 – IX ZR 146/05, ZIP 2007, 1162 Rn. 8; v. 16. November 2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 25; jeweils m.w.N.). Die Zahlung erfolgte nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und benachteiligte die übrigen Insolvenzgläubiger, weil sie nach der Feststellung des Berufungsgerichts aus dem pfändbaren Vermögen des Schuldners erfolgte und daher die künftige Insolvenzmasse minderte. Auf die erfolgte Anfechtung des Klägers ist der Beklagte gemäß § 143 Abs. 1 InsO zur Rückzahlung des erlangten Betrags an die Insolvenzmasse verpflichtet.

c)

Die Zahlung wäre aber auch dann anfechtbar, wenn sie zu einer kongruenten Deckung geführt hätte. Dann wären die Anfechtungsvoraussetzungen nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfüllt, weil die Zahlung nach dem Eröffnungsantrag erfolgte und die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt aufgrund eines bei ihr eingegangenen Schreibens des Schuldners Kenntnis vom Eröffnungsantrag hatte.

d)

Bei dieser Rechtslage durfte das Berufungsgericht offen lassen, ob die Klageforderung auch als bereicherungsrechtlicher Rückgewähranspruch begründet ist, weil die Geldstrafe unter Missachtung des Vorbehalts einer Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bezahlt wurde (§ 21 Abs. 2 Nr. 2, § 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Insofern ist nicht zweifelsfrei, ob der Beklagte den Geldbetrag aufgrund einer unwirksamen Verfügung erlangte, weil die Überweisung nicht durch den Schuldner, sondern durch eine dritte Person erfolgte.

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