Skip to content

Google-Fonts – Unterlassung von Abmahnschreiben

Datenschutz trifft Franchising: Einstweilige Verfügung gegen Abmahnpraktiken im Fokus

Das Landgericht Baden-Baden hat kürzlich ein Urteil gefällt, das die Schnittstelle zwischen Datenschutz und Franchising beleuchtet. Im Kern geht es um eine einstweilige Verfügung, die eine Firma im Bereich der Autoglasreparatur gegen einen Datenschutzaktivisten erwirkt hat. Die Firma betreibt ein Franchisesystem mit etwa 700 Partnerbetrieben und ist für deren Internetauftritt verantwortlich. Der Datenschutzaktivist hatte mehrere dieser Partnerbetriebe wegen der Verwendung von „G. Fonts“ abgemahnt, da dabei die IP-Adressen der Nutzer an einen Server in den USA übermittelt wurden. Die Hauptfrage des Falles: Sind diese Abmahnungen rechtmäßig oder stellen sie einen rechtswidrigen Eingriff in den Geschäftsbetrieb der Firma dar?

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 O 277/22 >>>

Abmahnungen und ihre Rechtmäßigkeit

Google-Fonts – Unterlassung von Abmahnschreiben
Datenschutz trifft Franchising: Urteil setzt Grenzen für Abmahnpraktiken und wirft Licht auf die Rolle von Technologie.
(Symbolfoto: IB Photography /Shutterstock.com)

Der Datenschutzaktivist argumentierte, dass die Partnerbetriebe durch die Verwendung der „G. Fonts“ gegen Datenschutznormen verstoßen hätten. Er behauptete, dass er als Teil einer Interessengemeinschaft für Datenschutz handele und daher berechtigt sei, die Abmahnungen auszusprechen. Die Firma hingegen sah in den Abmahnungen einen unberechtigten und rechtswidrigen Eingriff in ihren Geschäftsbetrieb. Sie argumentierte, dass der Datenschutzaktivist die Datenschutzverstöße gezielt herbeigeführt habe, um Schadensersatzforderungen stellen zu können.

Technische Hilfsmittel und Datenschutz

Ein weiterer interessanter Aspekt des Falles war die Verwendung eines sogenannten „Webcrawlers“ durch den Datenschutzaktivisten. Dieses technische Hilfsmittel ermöglichte es ihm, automatisch zahlreiche Websites zu besuchen und die Datenverarbeitung zu prüfen. Die Firma argumentierte, dass dadurch keine echte Datenschutzverletzung vorliegen könne, da kein Mensch die Website besucht habe. Der Datenschutzaktivist hielt dagegen, dass die Art des Website-Besuchs irrelevant sei.

Rechtsmissbrauch oder legitime Abmahnung?

Das Gericht bestätigte die einstweilige Verfügung und wies den Widerspruch des Datenschutzaktivisten zurück. Es folgte der Argumentation der Firma, dass die Abmahnungen rechtsmissbräuchlich seien. Der Datenschutzaktivist habe die Verstöße gezielt herbeigeführt, um Schadensersatzforderungen geltend machen zu können. Zudem sei die IP-Adresse durch den Einsatz eines Webcrawlers und nicht durch einen menschlichen Besuch der Website übermittelt worden, was die Frage der Datenschutzverletzung in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Die Bedeutung für Franchise-Systeme und Datenschutz

Dieses Urteil könnte weitreichende Folgen für die Praxis von Franchise-Systemen und den Umgang mit Datenschutz haben. Es stellt klar, dass Abmahnungen, die gezielt herbeigeführte Datenschutzverstöße betreffen, als rechtsmissbräuchlich angesehen werden können. Damit schützt es Unternehmen vor unberechtigten Eingriffen in ihren Geschäftsbetrieb und setzt Grenzen für die Praktiken von Datenschutzaktivisten.

Abmahnungen wegen Google-Fonts: Ihr Recht auf Unterlassung

Sie betreiben eine Website und haben Abmahnungen wegen der Nutzung von Google-Fonts erhalten? Die Rechtslage ist nicht immer eindeutig und kann schnell zu unerwarteten Kosten und rechtlichen Problemen führen. Wir bieten Ihnen eine fundierte Ersteinschätzung Ihrer Situation und beraten Sie anschließend umfassend zu Ihren Handlungsoptionen. Unsere Expertise im Internet- und Wettbewerbsrecht ermöglicht es uns, Sie effektiv vor weiteren Abmahnungen zu schützen und Ihre Rechte durchzusetzen. Zögern Sie nicht und nehmen Sie Kontakt mit uns auf, um Ihre Website rechtssicher zu gestalten.

 ➨ jetzt anfragen!


Das vorliegende Urteil

LG Baden-Baden – Az.: 3 O 277/22 – Urteil vom 21.12.2022

1. Die einstweilige Verfügung vom 11.10.2022 wird bestätigt.

2. Der Verfügungsbeklagte hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist im Bereich der Autoglasreparatur tätig. Sie betreibt von ihrem Betriebssitz in … aus ein zentralisiertes Franchisesystem, an dem derzeit ca. 700 Partnerbetriebe teilnehmen. Diese partizipieren insbesondere an den Werbemaßnahmen, Großhandels-Einkaufskonditionen, einem zentralen Online-Abrechnungssystem und an einer für sie günstigen Listung bei den Versicherungen. Weiterhin erstellt und pflegt die Verfügungsklägerin für ihre Franchisenehmer deren Internetauftritt; als Verantwortliche im Impressum dieser sogenannten Sub-Domains erscheint nur die Verfügungsklägerin.

Auf den Internetseiten der Verfügungsklägerin werden die Schrifttypen “G. Fonts“ verwendet. Diese werden von G. den Betreibern von Internetseiten kostenlos zur Verfügung gestellt. Wenn ein Nutzer eine Internetseite aufruft, welche “G. Fonts“ benutzt, wird seine IP-Adresse ohne weitere Mitteilung an einen Server von G. in den USA übermittelt, sofern die Datenverarbeitung zuvor nicht auf „lokal“ eingestellt worden ist.

Mitte des Jahres 2022 beauftragte die Verfügungsklägerin den für ihre Internetseiten zuständigen Dienstleister, auf allen von ihr verantworteten Internetseiten (ihre eigenen und diejenigen der Franchisenehmer) die Datenverarbeitung betreffend “G. Fonts“ auf “lokal“ umzustellen, so dass die IP-Adresse von Nutzern nicht mehr in die USA übertragen werden würde. Am 16.08.2022 bestätigte der von der Verfügungsklägerin beauftragte Dienstleister F. M. die Umstellung aller Internetseiten. Nachträglich stellte sich heraus, dass die noch nicht verwendeten, inhaltsleeren Subdomains bezüglich der Datenverarbeitung bei “G. Fonts“ nicht umgestellt worden waren. Dies wurde zwischenzeitlich nachgeholt.

Am 09.09.2022 versandte der Verfügungsbeklagte über seinen Rechtsanwalt … an … jeweils gleichlautende Schreiben mit dem Betreff “Persönlichkeitsverletzung Datenschutz G. Fonts, hier: Abmahnung“. Der Verfügungsbeklagte machte darin geltend, Teil der Interessengemeinschaft Datenschutz zu sein. Diese habe sich der Verteidigung und Durchsetzung des Datenschutzes auf zivilrechtlichem Wege verschrieben. Die angeschriebenen Franchisenehmer hätten durch die Verwendung von “G. Fonts“ und der damit verbundenen Weitergabe der IP-Adresse des Verfügungsbeklagten eine Datenschutzverletzung begangen und damit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsbeklagten in Form des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB verletzt. Der Verfügungsbeklagte habe deswegen einen Anspruch auf Unterlassung und biete an, gegen die Zahlung von 170 Euro “die Sache auf sich beruhen zu lassen“. Gleichlautende Schreiben versandte der Verfügungsbeklagte am 19.09.2022 an das …

Mit Schreiben vom 26.09.2022 forderte der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin den Verfügungsbeklagten auf, künftige Abmahnungen zu unterlassen und hierzu bis zum 06.10.2022 eine geeignete strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Hierauf erfolgte lediglich eine automatisierte Rückmeldung, aber ansonsten keine weitere Reaktion des Verfügungsbeklagten.

Mit Schriftsatz vom 10.10.2022 (Eingang bei Gericht am gleichen Tag) hat die Verfügungsklägerin beantragt, dem Verfügungsbeklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes i.H.v. 5 Euro bis 250.000 Euro, ersatzweise der bei Uneinbringlichkeit Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, aufzugeben, es zu unterlassen, einen Partnerbetrieb des Franchise-Systems der Antragstellerin mit Forderungen im Zusammenhang mit der Einbindung von “G. Fonts“ zu kontaktieren, wenn dies geschehe wie mit Schreiben vom 09.09.2022 zum Az. … an … und/oder mit Schreiben vom 09.09.2022 zum Az. … an …

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, dass die Schreiben des Verfügungsbeklagten unberechtigte Abmahnungen darstellen. Der Verfügungsbeklagte greife damit in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein und verletzte ihr Unternehmerpersönlichkeitsrecht. Sie habe daher einen Anspruch auf Unterlassung gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 BGB analog. Die Abmahnungen des Verfügungsbeklagten seien unberechtigt, da diesem kein Schmerzensgeldanspruch aus Art. 82 DS-GVO zustehe.

Dies ergebe sich bereits daraus, dass das Datenschutzrecht ein höchstpersönliches Rechtsgut eines Menschen sei. Der Verfügungsbeklagte habe sich aber für die Besuche auf den abgemahnten Internetseiten eines Bots bedient, mithin eines Computerprogramms, das einen bestimmten Algorithmus verwende. Da somit kein Mensch die betreffende Internetseite besucht habe, könne auch keine Verletzung von dessen Datenschutzrecht erfolgt sein.

Weiterhin habe der Verfügungsbeklagte beim Aufrufen zahlreicher Internetseiten geradezu erhofft, dass es zu einer Übertragung der IP-Adresse auf die Server von G. in den USA komme. Nur so könne er den von ihm erstrebten Schmerzensgeldanspruch generieren. Daraus folge aber auch, dass der Verfügungsbeklagte in die Datenverarbeitung konkludent einwillige.

Sie benötigen eine rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an: 02732 791079 und vereinbaren einen Beratungstermin oder fordern Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung online an.

Das Vorgehen des Verfügungsbeklagten sei zudem rechtsmissbräuchlich, da er die von ihm gerügte Rechtsgutsverletzung gezielt herbeiführe, um Schadensersatzforderungen geltend machen zu können.

Mit Beschluss vom 11.10.2022 hat das Landgericht Baden-Baden die von der Verfügungsklägerin beantragte einstweilige Verfügung erlassen. Hiergegen hat der Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 08.11.2022 Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungsklägerin hat zuletzt beantragt, den Widerspruch des Verfügungsbeklagten vom 08.11.2022 zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung vom 11.10.2022 zu bestätigen.

Der Verfügungsbeklagte hat zuletzt beantragt, auf seinen Widerspruch den Beschluss des Landgerichts Baden-Baden vom 11.10.2022 aufzuheben und den Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, dass die Verfügungsklägerin ihm gegenüber keinen Unterlassungsanspruch habe. Problematisch sei bereits die Aktivlegitimation der Verfügungsklägerin, da diese nicht Adressatin der Schreiben des Verfügungsbeklagten gewesen sei.

Es fehle zudem an einem unmittelbaren substantiellen sowie betriebsbezogenen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Verfügungsklägerin.

Dies ergebe sich zum einen daraus, dass der Verfügungsbeklagte gegenüber den angeschriebenen Unternehmen einen Anspruch aus Art. 82 DS-GVO habe und die Schreiben somit zu Recht erfolgt seien. Die Partnerunternehmen der Verfügungsklägerin hätten auf ihren jeweiligen Webseiten gegen Datenschutznormen verstoßen. Sie seien als Betreiber dieser Webseiten somit auch in der Verantwortung.

Irrelevant sei hierbei auch, dass sich der Verfügungsbeklagte sich beim Aufsuchen der Internetseiten eines technischen Hilfsmittels in Form eines sogenannten „Webcrawlers“ bedient habe. Sein persönliches Datum in Form einer IP-Adresse sei an einen US-Server von G. übermittelt worden. Hierfür sei es unbeachtlich, ob der Verfügungsbeklagte die Webseite händisch oder mithilfe eines technischen Hilfsmittels aufgerufen habe. Der Verfügungsbeklagte habe die Datenschutzverstöße der Partnerunternehmen der Verfügungsklägerin nur abgebildet, die Weitergabe seiner IP-Adresse sei hierfür ein notwendiges Übel gewesen. Der Verfügungsbeklagte habe damit gerade nicht in die Weitergabe seiner IP-Adresse in die USA eingewilligt.

Schließlich sei sein Vorgehen auch nicht rechtsmissbräuchlich. Zum einen ergebe sich das daraus, dass es sich bereits nicht um eine Abmahnung im Rechtssinne handle. Er habe nämlich von den angeschriebenen Partnerunternehmen nicht die Abgabe einer Unterlassungserklärung verlangt, sondern lediglich auf seinen bestehenden Anspruch aus Art. 82 DS-GVO hingewiesen mit dem Angebot, gegen Zahlung von 170 € von dessen weiterer Durchsetzung abzusehen.

Der Verfügungsbeklagte verfolge mit seinen Schreiben auch nicht das Ziel, Einkommen zu generieren, jedenfalls nicht primär. Ihm gehe es vielmehr darum, die flächendeckende, nicht wahrgenommene Überwachung, vorliegend veranlasst von G. mit Unterstützung durch die Nutznießer der technischen Hilfslösung „G. Fonts“, zu verringern. Hierfür bediene er sich technischer und anwaltlicher Hilfe. Dies sei aber gerade nicht rechtsmissbräuchlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den weiteren schriftsätzlichen Vortrag der Parteivertreter nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag der Verfügungsklägerin vom 10.10.2022 ist zulässig und begründet.

I. Die Verfügungsklägerin hat gegen den Verfügungsbeklagten einen Anspruch auf Unterlassung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 BGB analog dahingehend, dass dieser die Partnerbetriebe der Verfügungsklägerin nicht mehr mit Schreiben betreffend eine angebliche Datenschutzverletzung und einen angeblichen Anspruch aus Art. 82 DS-GVO kontaktiert.

1. Die Verfügungsklägerin ist die Betreiberin der vom Verfügungsbeklagten beanstandeten Internetseiten und als solche auch im Impressum angegeben. Als Verantwortliche für die Internetseiten kann sie ihre Ansprüche im eigenen Namen gegenüber dem Verfügungsbeklagten geltend machen.

2. Die Verfügungsklägerin hat gegen den Verfügungsbeklagten einen Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 BGB analog wegen eines Eingriffs des Verfügungsbeklagten in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

a) Eine unberechtigte Abmahnung kann einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen; hiergegen kann sich der Abgemahnte mit den Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes wehren (vgl. BGH, Beschluss vom 15.07.2005 – GSZ 1/04 -, BGHZ 164, 1-11).

Die Abmahnungen des Verfügungsbeklagten stellen eine unmittelbare und betriebsbezogene Störung des Gewerbebetriebs der Verfügungsklägerin dar, da deren Interesse daran geschützt ist, dass ihre wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen geschwächt wird (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14, juris Rn. 13). Vorliegend besteht durch die Schreiben des Verfügungsbeklagten die konkrete Gefahr, dass die Partnerbetriebe der Verfügungsklägerin aufgrund ihrer vermeintlichen Schlechtleistung bezüglich des Internetauftritts den Franchisegeber wechseln könnten. Laut unbestrittenem Sachvortrag der Verfügungsklägerin handelt es sich bei dem Autoglasgewerbe um einen hart umkämpften Markt, in dem die Partnerwerkstätten der Verfügungsklägerin aggressiv zum Wechsel umworben werden. Der Eingriff liegt umso näher, wenn sein Zweck – wie hier – sachfremd ist; der Verfügungsbeklagte behauptet nicht einmal selbst, dass er sich über die Dienstleistungen der Verfügungsklägerin habe informieren wollen.

b) Bei den Schreiben des Verfügungsbeklagten handelt es sich um rechtswidrige Abmahnungen, da dem Verfügungsbeklagten kein Schmerzensgeldanspruch aus einer Verletzung von Art. 82 DS-GVO zusteht.

aa) Dahinstehen kann an dieser Stelle, ob ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nur dann erfolgen kann, wenn der Betroffene die jeweilige Internetseite händisch aufgerufen hat oder ob dies auch dann möglich ist, wenn er sich beim Seitenaufruf technischer Hilfsmittel wie beispielsweise eines „Bots“ oder „Crawlers“ bedient hat.

bb) Der Verfügungsbeklagte hat nämlich durch das Aufsuchen der Internetseiten der Verfügungsklägerin konkludent in die dortige Datenverarbeitung eingewilligt gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 lit. a DS-GVO (vergleiche Frenzel in Paal/Paulick, DS-GVO, 3. Aufl. 2021 Art. 6 Rn. 11). Dies ergibt sich daraus, dass entgegen dem Vorbringen des Verfügungsbeklagten sein primäres Interesse beim Aufruf der beanstandeten Internetseiten das Generieren von Schmerzensgeldansprüchen gegenüber deren Betreibern war. Den Angaben des Verfügungsbeklagten, dass es ihm vor allem darum gegangen sei, Datenschutzverletzungen anzuprangern, schenkt das Gericht keinen Glauben. Hier kann in die Wertung einfließen, dass der Verfügungsbeklagte es vorgezogen hat, auf die Fragen des Gerichts, wie viele Betroffene von ihm angeschrieben worden sind und welcher Gesamtbetrag ihm durch die Schreiben zugeflossen ist, nicht zu antworten. Auch der Wortlaut der Serienschreiben, die der Verfügungsbeklagte über Rechtsanwalt … at verschicken lassen, stützt diese Auslegung. Entgegen den Ausführungen des Verfügungsbeklagten ist bereits im Betreff von einer Abmahnung die Rede. Der Zweck des Schreibens fokussiert sich alleine auf die Zahlung des Geldbetrages von 170 Euro.

Auf den gemäß § 296a Satz 1 ZPO nicht mehr zulassungsfähigen Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 22.12.2022 mit Hinweis auf die Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin bezüglich der am 21.12.2022 erfolgten Durchsuchungen beim Verfügungsbeklagten wegen des Verdachts des (versuchten) Abmahnbetrugs und der (versuchten) Erpressung in mindestens 2418 Fällen kam es für diese Bewertung daher gar nicht mehr an.

Wenn aber der eigentliche Zweck beim Aufsuchen der Internetseiten die Generierung von Schmerzensgeldansprüchen war, hat der Verfügungsbeklagte denklogisch in die Übertragung seiner IP-Adresse in die USA eingewilligt, da der von ihm erstrebte Schmerzensgeldanspruch nur so entstehen konnte. Sein Geschäftsmodell konnte nur dadurch funktionieren, dass die IP-Adresse des von ihm verwendeten Rechners – seinem Wunsch entsprechend – in die USA übertragen wurde.

cc) Der Verfügungsklägerin ist darüber hinaus allenfalls ein geringfügiges Verschulden im Sinne von Art. 82 Abs. 3 DS-GVO zur Last zu legen. Sie hat bereits im August 2022 und somit vor den Schreiben des Verfügungsbeklagten die Problematik erkannt und versucht, diese über einen Software-Dienstleister zu beheben. Von den beanstandeten (im Aufbau befindlichen) Internetseiten abgesehen ist ihr das auch unstreitig gelungen. Die Gefahr, dass ein unbedarfter Nutzer auf diese Seiten gerät, war sehr gering. Hier geschah es nur deshalb, weil sich der Verfügungsbeklagte gezielt auf die Suche nach Seiten machte, bei denen er eine Datenschutzverletzungen geltend machen konnte und zu diesem Zweck massenweise Internetseiten über seinen Webcrawler aufrufen ließ.

dd) Die Abmahnungen des Verfügungsbeklagten gegenüber den Partnerunternehmen der Verfügungsklägerin waren zudem rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB.

Es ist gemeinschaftsrechtlich zulässig, dass ein nationales Gericht eine Bestimmung des nationalen Rechts anwendet, nach der es prüft, ob ein Recht aus einer gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung missbräuchlich ausgeübt wird (vergleiche EuGH, Urteil vom 23.03.2000 – C-373/97, juris). Vorliegend kann daher die Anwendung von Art. 82 DS-GVO an den Maßstäben von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB gemessen werden.

Gegen diesen Maßstab hat der Verfügungsbeklagte verstoßen. Zur Auslegung von § 242 BGB kann der Rechtsgedanke von § 8c UWG herangezogen werden. Hier hat der Verfügungsbeklagte eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend gemacht.

Auch ist von einem Rechtsmissbrauch auszugehen, wenn das beherrschende Motiv bei der Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19.07.2022 – 6 U 41/21, juris Rn. 22). Auch das ist hier der Fall (siehe oben unter 2.b bb).

ee) Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob es bei Art. 82 DS-GVO eine Bagatellgrenze gibt, die die Liquidierung geringfügiger Schäden – wie vorliegend gegeben – verhindert (so etwa Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 09.02.2021, – 4 O 67/20 –, juris Rn. 28 ff.).

Die Entscheidung über die Androhung eines Ordnungsmittels beruht auf § 890 ZPO.

II. Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Der Eingriff des Verfügungsbeklagten in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Verfügungsklägerin indiziert die Wiederholungsgefahr. Die Verfügungsklägerin ist auch alsbald nach dem Eingang der Abmahnungen vom 09.09.2022 bei ihren Partnerbetrieben tätig geworden und hat ihren Eilantrag am 10.10.2022 damit zur Wahrung des Verfügungsgrundes hinreichend zeitnah bei Gericht eingereicht.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos