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Träger Tagespflegeeinrichtung – Schutzmaßnahmen für demente Pflegepersonen

Haftungsausschluss in der Altenpflege: LG Bamberg weist Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage ab

Der Fall, der vor dem Landgericht Bamberg verhandelt wurde, dreht sich um die Klage einer Frau, die als Erbin ihrer verstorbenen Mutter Schadensersatz und Schmerzensgeld fordert. Die Mutter der Klägerin hatte Leistungen einer Tagespflegeeinrichtung in Anspruch genommen, deren Trägerin die Beklagte ist. Während eines von der Einrichtung organisierten Spaziergangs stürzte die Mutter und erlitt einen Oberschenkelhalsbruch sowie einen Herzinfarkt. Die Klägerin macht geltend, dass der Sturz auf ein Pflegeverschulden zurückzuführen sei und fordert finanzielle Entschädigung. Das Hauptproblem in diesem Fall ist die Frage, ob die Tagespflegeeinrichtung ihre Pflichten verletzt hat und somit für den Sturz und die daraus resultierenden gesundheitlichen Folgen haftbar ist.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 23 O 215/4 Hei >>>

Kein Nachweis für Pflegeverschulden

Träger Tagespflegeeinrichtung - Schutzmaßnahmen für demente Pflegepersonen
Haftung in der Altenpflege: Gericht weist Klage ab und betont Bedeutung sorgfältiger Beweisaufnahme und klarer Vertragsregelungen. (Symbolfoto: Robert Kneschke /Shutterstock.com)

Die Klägerin argumentierte, dass die Praktikantin, die den Spaziergang begleitete, aufgrund des körperlichen Zustands der Mutter und der Witterungsbedingungen besondere Vorsicht hätte walten lassen müssen. Sie behauptet, dass es ein Pflegeverschulden bzw. Organisationsverschulden gebe. Die Beklagte hingegen vertritt die Ansicht, dass der Sturz nicht vorhersehbar und nicht zu verhindern gewesen sei. Sie argumentiert, dass weder das Wetter noch der Gesundheitszustand der Mutter gegen die Durchführung des Spaziergangs gesprochen hätten.

Vertragliche Vereinbarungen und Qualifikationen

Die Klägerin berief sich auf den Vertrag über die Tagespflege, in dem besondere Qualifikationen für die Betreuung vereinbart worden seien. Sie stellte die Qualifikation der Praktikantin in Frage und argumentierte, dass diese nicht ausreichend gewesen sein könnte. Die Beklagte entgegnete, dass die Praktikantin bereits zuvor ihre Zuverlässigkeit als Begleiterin bei vielen Spaziergängen unter Beweis gestellt habe.

Beweisaufnahme und Sachverständige

Das Gericht zog sowohl Zeugenaussagen als auch amtliche Gutachten des Deutschen Wetterdienstes zur Beurteilung des Falls heran. Die Klägerin wurde informatorisch angehört, und es wurde ein umfangreiches Beweismaterial gesammelt.

Keine Haftung der Tagespflegeeinrichtung

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass keine Pflichtverletzung der Beklagtenseite vorliegt. Es wurde festgestellt, dass weder ein Pflegeverschulden noch ein Organisationsverschulden gegeben ist. Die Klage wurde daher abgewiesen, und die Klägerin muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Dieses Urteil könnte als Präzedenzfall für ähnliche Fälle in der Altenpflege dienen, in denen die Haftung der Pflegeeinrichtung in Frage gestellt wird. Es unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Beweisaufnahme und einer klaren Vertragsgestaltung zwischen den Pflegeeinrichtungen und ihren Kunden.

Haftungsrisiken für Träger von Tagespflegeeinrichtungen: Schutz dementer Pflegepersonen

Der Fall einer Klägerin, die nach dem Sturz ihrer demenzkranken Mutter Schadensersatz und Schmerzensgeld fordert, wirft wichtige Fragen zur Verantwortung von Tagespflegeeinrichtungen auf. Sind Sie Träger einer solchen Einrichtung oder Angehöriger einer pflegebedürftigen Person und unsicher, welche Schutzmaßnahmen angemessen oder sogar rechtlich erforderlich sind? Wir bieten eine fundierte Ersteinschätzung Ihrer individuellen Situation und beraten Sie anschließend umfassend zu Ihren rechtlichen Möglichkeiten und Pflichten. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf, um rechtliche Klarheit zu schaffen.

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Das vorliegende Urteil

LG Bamberg – Az.: 23 O 215/4 Hei – Endurteil vom 17.08.2022

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 33.766,80 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht als Erbin Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Sturzgeschehens ihrer mittlerweile verstorbenen Mutter geltend.

Die Mutter der Klägerin, Frau V., geboren am …1934, verstorben am 18.09.2019, nahm Leistungen der Tagespflege im … Seniorenzentrum am …, deren Trägerin die Beklagte ist, in Anspruch.

Am 21.01.2019 ereignete sich gegen 13:15 Uhr ein Sturz der Erblasserin V. im Rahmen eines Spaziergangs der Tagespflegeeinrichtung. An dem Spaziergang nahmen zu diesem Zeitpunkt die Praktikantin U. teil sowie eine weitere Seniorin, Frau W., die ebenfalls Gast in der Tagespflege war.

V. wurde von der Unfallstelle mit dem Rettungswagen abgeholt und ins Klinikum … verbracht, wo ein Oberschenkelhalsbruch diagnostiziert und operativ behandelt wurde. Im Rahmen des stationären Aufenthalts erlitt V. zudem einen Herzinfarkt. Am 04.02.2019 wurde sie entlassen.

Die Klägerin behauptet, dass aufgrund des körperlichen Zustands der Erblasserin und wegen der Witterung zwingend erforderlich gewesen wäre, dass die Praktikantin U. mit ihr untergehakt läuft, was üblicherweise auch so durchgeführt worden sei. Zusätzlich habe zum Unfallzeitpunkt örtlich Glätte nach Nachtfrost geherrscht. Die Praktikantin sei sogar von einem Fahrer der Beklagten angesprochen worden, dass es bei der Witterung zu gefährlich sei, mit den zwei Seniorinnen spazieren zu gehen.

Es liege ein Pflegeverschulden bzw. Organisationsverschulden vor. Der Sturz sei auf ein fehlerhaftes Vorgehen und nicht etwa auf ein allgemeines Lebensrisiko zurückzuführen. Ob die Praktikantin über eine ausreichende Qualifikation zur Durchführung von Spaziergängen mit Tagespflegegästen verfügt habe, sei der Klägerin nicht bekannt.

Die Klägerin meint, dass im Vertrag über die Tagespflege (Anlage K2) unter anderem eine zusätzliche Betreuung und Aktivierung im Sinne der §§ 43b, 84 Abs. 8, 85 Abs. 8 SGB XI unter Bezugnahme auf die jeweils gültigen Richtlinien nach § 53c SGB XI und die damit verbundenen Betreuungskräfterichtlinien vereinbart worden sei und hier insbesondere die Zusatzleistung Spaziergänge. Nach § 4 der Betreuungskräfterichtlinie seien besondere Qualifikationen zu erwerben und nachzuweisen. Soweit sich die Ausführungen der Richtlinien nur an Mitarbeiter in stationären Pflegeeinrichtungen wenden, sei dies eindeutig auch auf die Tagespflege zu übertragen.

Weiter behauptet die Klägerin, dass durch den Unfall konkrete Vermögenseinbußen der Erblasserin eingetreten seien, die weder von deren Kranken- noch von ihrer Pflegeversicherung getragen worden seien, in Höhe von insgesamt 8.766,80 €. Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit auf die Klageschrift vom 20.07.2020 Bezug genommen.

Zudem ist die Klägerin der Ansicht, dass aufgrund des stationären Aufenthalts der Erblasserin mit Operation nach dem Sturz, des Herzinfarkts, der erheblichen Minderung der Gebrauchsfähigkeit des Beins, der Verschlechterung der demenziellen Erkrankung sowie dem erheblichen Verlust an Lebensqualität der vor dem Sturz agilen und aktiven Erblasserin, ein Schmerzensgeld von mindestens 25.000,00 € angemessen sei.

Die Klägerin beantragt,

1.

Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 8.766,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2.

Die Beklagte wird verurteilt ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 25.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3.

Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.437,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte behauptet, dass eine Sorgfaltspflichtverletzung der zum Unfallzeitpunkt volljährigen Praktikantin U. nicht ersichtlich und der Sturz nicht zu verhindern gewesen sei. Am Schadenstag hätten weder das Wetter noch die Konstitution der V. gegen die Durchführung des Spaziergangs gesprochen. Es sei winterlich kalt, aber sonnig gewesen.

V. sei beim Spaziergehen auf einem Fußweg in der Nähe der Tagespflege unvermittelt gestolpert und gestürzt, jedoch nicht ausgerutscht. Der Sturz sei weder vorherzusehen, noch auf Glätte zurückzuführen gewesen, so dass dieser auf das allgemeine Lebensrisiko zurückzuführen sei. Zudem dürften die Gäste der Tagespflege grundsätzlich nach ihrer eigenen Entscheidung jederzeit und bei jedem Wetter selbstständig nach draußen zum Spazierengehen.

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Weiter behauptet die Beklagte, dass die Praktikantin U. bereits zuvor ein Praktikum vom 20.10. bis 27.11.2018 im betreuten Wohnen (…) geleistet habe, in dessen Rahmen sie von der Pflegedienstleitung Frau K. S. angeleitet und eingewiesen worden sei. Bereits bei diesem Praktikum habe sie ihre Zuverlässigkeit als Begleiterin bei vielen Spaziergängen unter Beweis gestellt.

Zudem behauptet die Beklagte, dass ein geistiger und körperlicher Abbau der V. erst zu einem späteren Zeitpunkt stattgefunden habe und in keinem Zusammenhang mit dem Sturz stehen würde.

Die Beklagte meint, dass weder ein Pflegeverschulden der Praktikantin U. noch ein Organisationsverschulden vorliege. Insbesondere liege auch kein „grober Pflegefehler“ vor.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme der Zeugen J. S., B., K. S., U., R. M., L. S., C. M. und A. S.. Die Klägerin wurde informatorisch angehört. Darüber hinaus wurde eine amtliche Auskunft des Deutschen Wetterdienstes vom 31.03.2021 sowie ein schriftliches amtliches Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 19.11.2021 eingeholt und der Sachverständige L. B. hierzu in der Verhandlung vom 13.07.2022 ergänzend vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2021 (Bl. 75ff. d.A.) und vom 13.07.2022 (Bl. 189ff. d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2021 (Bl. 75ff. d.A.) und vom 13.07.2022 (Bl. 189ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

– Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche in Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Sturz.

Zur Überzeugung der Kammer liegt keine Pflichtverletzung der Beklagtenseite in Zusammenhang mit dem Sturz der V. vor, weder in Form eines Pflegeverschuldens noch in Form eines Organisationsverschuldens.

I. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme liegt eine Pflichtverletzung oder ein Fehlverhalten der Praktikantin U. bezüglich des streitgegenständlichen Sturzes zur Überzeugung der Kammer nicht vor.

1. Die Klägerin schilderte im Rahmen ihrer mündlichen Anhörung vom 17.03.2021, dass ihre Mutter auch vor dem Unfall bereits in erheblichem Maß unterstützungsbedürftig gewesen sei. Sie habe beispielsweise Hilfe beim Ankleiden und auch ständige Beaufsichtigung gebraucht. Sie hätten mit ihr zwar noch Urlaube verbracht, hätten aber ununterbrochen auf sie acht geben müssen. Nach dem Sturz habe die Orientierung rapide abgenommen. Sie sei innerhalb der … Klinik viermal verlegt worden. Anschließend sei sie für 14 Tage in ein Pflegeheim in … gekommen. Ihr Zustand habe sich erheblich verschlechtert gehabt. Sie habe sie auch nicht mehr richtig erkannt. Sie habe in ganz kurzer Entfernung gewohnt, sei sehr häufig bei ihr gewesen und habe ihr dann beispielsweise beim Essen geholfen. Man habe sich mit ihr dann auch nicht mehr richtig unterhalten können, was vor dem Sturz noch möglich gewesen sei. Kurz vor dem Sturz seien sie mit ihr noch zum Urlaub in einem Hotel an der G.-Straße gewesen. Sie habe auch dort ständige Betreuung gebraucht, sie habe sie unterhaken müssen, wenn sie in den Speisesaal gegangen seien, und sie habe ihr auch das Essen richten müssen. Ihre Mutter habe ihren Gehstock verwenden müssen. Es sei aber trotzdem gegangen und die Mutter habe daran Freude gehabt. Nach dem Sturz sei all das nicht mehr gegangen (vgl. S. 12-13 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2021).

In ihrer mündlichen Anhörung vom 13.07.2022 schilderte die Klägerin, dass ihre Mutter ausschließlich in der Tagespflege bei der Beklagten gewesen sei; dies bis zum Zeitpunkt des Vorfalls. Sie hätten damals direkt gegenüber des Pflegeheims gewohnt. Anfangs sei sie einmal wöchentlich in der Tagespflege gewesen und später sei es dann auf dreimal wöchentlich ausgeweitet worden. Ansonsten hätten sie die Mutter zu Hause betreut. Diese habe Pflegegrad III gehabt wegen ihrer Demenz. Es sei richtig, dass sie um häufiges Spazierengehen gebeten hatte, sie sei auch selbst mit ihr häufig spazieren gegangen. Ihre Mutter sei aber auf einen Gehstock angewiesen gewesen und hätte untergehakt werden müssen, oder den Rollator verwenden.

Zu einem Sturz sei es bei einer Gelegenheit im Jahr 2012 gekommen, damals hätten sie noch in Dülmen gewohnt. Davon habe sie sich nach einer Reha-Maßnahme ziemlich gut erholt. Dieser Sturz habe sich nachts in der Wohnung ihrer Mutter, die damals unterhalb ihrer Wohnung im Erdgeschoss gelegen habe, beim Gang auf die Toilette ereignet. Sie habe ins Krankenhaus gemusst, sei danach aber wieder mobil gewesen (vgl. S. 2-3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2022).

2. Der Zeuge J. S. gab im Rahmen seiner Vernehmung an, dass er an dem Morgen des Sturzes Fahrdienst gehabt habe und er der Zeugin B. gesagt habe, dass es spiegelglatt sei. Er habe Streusalz geholt und gestreut. Auf dem Rückweg vom Einkaufen sei er der Praktikantin U. begegnet. Er wohne gleich gegenüber der Tagespflegeeinrichtung. Er habe zu U. gesagt: „Was, die lassen euch raus, es ist doch spiegelglatt, ihr müsst aufpassen.“ Sie sei mit Frau V. und einer weiteren Bewohnerin, W., unterwegs gewesen. U. habe gesagt: „Jaja, wir passen schon auf.“

W. habe seines Wissens keine nennenswerten Geheinschränkungen, abgesehen davon, dass sie sich vielleicht altersbedingt vorsichtiger bewege. Sie habe allerdings eine Demenzerkrankung und man könne sich nicht wirklich sinnvoll mit ihr unterhalten, und sie könne sich an kurz zurückliegende Vorfälle nicht mehr erinnern.

Dass es glatt gewesen sei, habe er vor seinem Dienstantritt festgestellt. Er sei gegen 06:30 Uhr oder 07:30 Uhr bei sich zuhause raus und rüber zur Tagespflege. Um welche Uhrzeit er U. gesehen habe, könne er nicht mehr genau sagen. Als er sie mit den beiden Seniorinnen gesehen habe, seien die beiden Seniorinnen vorausgegangen und hätten sich gegenseitig im Arm gehabt, also Ellenbogen auf Ellenbogen und U. sei hinterher gelaufen. Das sei an der Straße Richtung … gewesen, ungefähr auf der Mitte des dortigen Parkplatzes an der rechten Seite. Das Ganze sei geschätzt ca. 150 m von der Einrichtung weg gewesen.

Es sei noch glatt gewesen. Die Stadt habe schon gestreut gehabt, aber es habe immer wieder irgendwelche Stellen gegeben, wo es noch glatt gewesen sei. Die Art der Glätte beschrieb er als überfrierenden Regen. Es sei wie eine kleine gefrorene Schicht Wasser und so richtig glatt gewesen.

Den Sturz als solchen habe er nicht gesehen. Er wisse auch nicht, wo genau der Unfall stattgefunden habe (vgl. S. 3-4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2021).

3. Die Zeugin B. schilderte im Rahmen ihrer Vernehmung, dass sie damals Spätdienst gehabt habe. Ihr Kollegin A. S. habe ihr gesagt, die Klägerin habe ihr mitgeteilt, dass Frau V. möglichst viel laufen solle. Frau V. habe damals nach dem Mittagessen den Wunsch geäußert, spazieren zu gehen, deshalb habe sie ihr erlaubt, dass sie mit U. kurz raus geht.

Sie könne sich erinnern, dass es trockenes Wetter gewesen sei. Es habe nicht geregt, nicht geschneit, und es sei nicht all zu kalt gewesen, sonst hätte sie ihr nicht erlaubt, raus zu gehen. Es stimme auch nicht, dass es spiegelglatt gewesen wäre, sonst hätte sie Frau V. nie erlaubt, raus zu gehen.

U. sei wegen einer Ausbildung da gewesen, für die sie sich interessiert habe. Sie habe sich alles mal als Praktikantin anschauen wollen und sei ihrer Meinung nach Mitte Dezember zu ihnen gekommen und sei eben mit den Bewohnern beispielsweise spazieren gegangen. Bis zum Unfalltag, dem 21. Januar sei sie an allen Arbeitstagen bei ihnen gewesen und habe ihr Praktikum absolviert. Sie habe keine Ausbildung gehabt, sei aber von ihnen angeleitet worden.

Sie seien jeden Tag mit den Leuten raus gegangen, insoweit sei auch immer die Frau V. dabei gewesen. Sie sei mobil gewesen, wobei sie einen Gehstock gehabt hätte. Sie seien in der Gruppe raus gegangen, wann immer das Wetter dies erlaubt habe. Als Begleiter der Gruppe hätten immer Fachkräfte und Pflegehelfer fungiert und zwar drei oder vier Personen, die als Begleitung tätig wurden. Die Gruppe habe immer aus 8 bis 10 Bewohnern bestanden. Sie würden regelmäßig Schulungen und Fortbildungen machen, was auch dokumentiert werde (vgl. S. 4-6 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2021).

4. Die Zeugin K. S. bekundete im Rahmen ihrer Vernehmung, dass sie am Tag des Sturzes kurz nach 13:00 Uhr vom betreuten Wohnen in die Tagespflege gekommen sei. Die Praktikantin sei ihr entgegen gekommen und habe ihr gesagt, dass sie mit zwei Gästen spazieren gewesen sei und die Sanitäter jetzt da seien, weil eine Dame gestolpert und gestürzt sei. Die Sanitäter hätten dann die Dokumentation betreffend die gestürzte Dame geholt, um die Stammdaten und den Medikamentenplan entnehmen zu können.

Von der Praktikantin wisse sie nur noch, dass sie … geheißen habe. Von wann bis wann sie genau da gewesen sei, könne sie nicht mehr sagen. Sie wisse noch, dass sie eine berufsfördernde Maßnahme gemacht, zunächst in der Hauswirtschaft angefangen und dann in die Betreuung gewechselt hätte, weil sie sehr gut mit den alten Leuten habe umgehen können und sich dafür auch interessiert habe. Die Praktikantin sei auf jeden Fall angeleitet worden, zunächst in der Hauswirtschaft und dann in der Betreuung. Sie hätten in der Tagespflege auch einige gebrechliche Bewohner, die vom Zimmer zum Speisesaal und zurück begleitet werden müssten. Sie habe sicherstellen müssen, dass die Praktikantin alles richtig mache, die Zimmer finde und auch darauf achte, dass sie Gehstöcke oder Rollatoren mit hin und her bringe, wenn das nötig gewesen sei. Im betreuten Wohnen seien keine Zimmer, sondern separate Wohnungen. Es seien vier Häuser, die einen Block bilden würden und auch gesonderte Hausnummern hätten. Es sei daher nicht so einfach, wie in einem Pflegeheim, wo man einen Flur und Zimmer habe.

Sie habe von der Praktikantin einen guten Eindruck gehabt. In der Hauswirtschaft habe sie zwar sehr lange gebraucht, um Sachen umzusetzen, aber sie habe sorgfältig gearbeitet und sei sehr zuverlässig gewesen. Auch im Umgang mit den alten Menschen sei sie sehr fürsorglich gewesen. Sie sei auch öfters mit Bewohnern spazieren gegangen. Es gebe einen kleinen Park in der Einrichtung, in dem man spazieren gehen könne und wohin sie Bewohner begleitet habe.

Sie hätte nie Grund zu Beanstandungen oder zu irgendwelchen besorgten Annahmen gehabt.

Den genauen Zeitraum, in dem sie mit Frau U. als Praktikantin zu tun hatte, könne sie nicht mehr benennen. Es habe sich jedenfalls um Monate gehandelt, wenn man Hauswirtschaft und Betreuung zusammen nehme.

An das Wetter am Unfalltag könne sie sich nicht erinnern. Ob Frau V. einen Gehstock oder einen Rollator gehabt habe, könne sie nicht mehr sagen, da müsste sie in die Doku schauen, wo es dokumentiert sein müsste (vgl. S. 6-8 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2021).

Weiter gab die Zeugin K. S. in ihrer Vernehmung vom 13.07.2022 an, dass sie vom Sturz der Frau V. unmittelbar nichts mitbekommen habe. Sie habe damals die Praktikantin vom Spaziergang zurückkommen sehen, als sie zur Arbeit gekommen sei. Sie sei ihr praktisch entgegen gelaufen, circa gegen 13:00 Uhr oder vielleicht auch 13:10 Uhr. Dann seien auch schon die Sanitäter mit Frau V. um die Ecke gekommen, weil sie diese zunächst zur Tagespflege gebracht hätten, worauf sie ihnen gesagt habe, dass sie sie besser sofort in die Klinik bringen sollten.

Zu dem Foto (Anlage K3) sei es gekommen, weil sie von ihrem Vorgesetzten, Herrn …, die Weisung erhalten habe, dass sie ein Foto brauchen würden, welches sie dann auch gemacht habe. Ob sie dieses am selben Tag oder an einem anderen Tag gemacht habe, wisse sie nicht mehr. Das Foto habe sie zeitnah gemacht, aber sie könne nicht mehr sagen, ob es am selben Tag, am nächsten Tag oder am übernächsten Tag gemacht worden sei. Sie wisse auch nicht mehr, ob das Foto möglicherweise erst nach dem 27.01. angefertigt worden sei.

An das Wetter könne sie sich nicht mehr recht erinnern. Sie meine, es sei weder nass noch Eis noch Schnee gewesen, sowohl am Tag des Sturzes als auch am Tag der Fotoaufnahme (vgl. S. 9-11 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2022).

5. Die Zeugin U. gab in ihrer Vernehmung an, dass sie mit Frau V. und einer weiteren Bewohnerin spazieren gegangen sei. Frau V. sei über ihre Beine gestolpert. Es habe damals nicht geschneit und sei nicht glatt, aber gestreut gewesen. Der Spaziergang habe höchstens 20 Minuten gedauert und der Sturz sei auf dem Hinweg passiert.

Ob Frau V. einen Gehstock oder einen Rollator oder ein ähnliches Hilfsmittel dabei hatte, wisse sie nicht mehr. Als sie mit den beiden Damen unterwegs gewesen, habe sie diese links und rechts untergehakt gehabt. Sie könne sich nicht mehr erinnern, dass sie jemand vom Fahrdienst angesprochen habe während des Spaziergangs.

Wie lange sie damals in dem Pflegeheim bereits tätig gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Es sei der erste Spaziergang mit Frau V. gewesen. Mit anderen Bewohnern sei sie schon öfter gelaufen. Sie sei auch im betreuten Wohnen tätig gewesen. Dort habe sie zum Beispiel die Tische gedeckt, aufgeräumt und auch Bewohner von ihren Wohnungen zum Speisesaal begleitet, ebenso zurück. In der Tagespflege habe sie auch Spaziergänge mit Bewohnern durchgeführt.

Damals seien von den Pflegekräften Frau A. S. und B. anwesend gewesen. Losgeschickt habe sie Frau B. (vgl. S. 9-11 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2021).

6. Der Zeuge R. M., der Ehemann der Klägerin, bekundete im Rahmen seiner Vernehmung, dass damals die Zeugin B. bei ihnen angerufen und mitgeteilt habe, dass seine Schwiegermutter gestürzt sei. Sie seien dann hingefahren und hätten im Büro Frau B. angetroffen. Sie habe mitgeteilt, was passiert war und dass seine Schwiegermutter mit U. spazieren gewesen sei. Sie hätten Frau B. recht intensiv befragt und sie habe schließlich eingeräumt, dass es sich bei U. um keine qualifizierte Mitarbeiterin gehandelt habe, sondern um eine Praktikantin. Sie habe auch noch gesagt, dass es ihr furchtbar leid tue und dass sie U. nie mit seiner Schwiegermutter hätte losschicken dürfen. Frau W. sei bei diesem Spaziergang ebenfalls mit dabei gewesen.

Den Herrn J. S., den sie in seiner Eigenschaft als Fahrer kennen würden, hätten sie ungefähr zwei Tage später zufällig getroffen und seien mit ihm ins Gespräch gekommen. Er habe ihnen erzählt, er sei damals vom Einkaufen gekommen und habe genau den gleichen Weg genommen, wie die Praktikantin mit den beiden Damen. Er hätte sie gewarnt, ob es denn Sinn mache, bei den Witterungsverhältnissen und der Glätte einen Spaziergang zu machen. Das gleiche habe er ihnen zwei oder drei Tage später nochmals in ihrer Wohnung erzählt, als er auf einen Kaffee bei ihnen vorbeigekommen sei.

Hinsichtlich der Witterungsverhältnisse wisse er noch, dass es kalt gewesen sei. Es sei ein Wintertag gewesen. Sie seien mit dem Auto unterwegs gewesen und selbst nicht gelaufen. Sie seien dann direkt ins Krankenhaus gefahren, nachdem sie für seine Schwiegermutter noch Wäsche geholt hätten (vgl. S. 11-12 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2021).

7. Der Zeuge L. S. gab an, dass er nicht wüsste, dass er Frau V. gekannt habe. Sein Vater (J. S.) habe etwas davon erwähnt, dass jemand gestürzt sei. Es seien damals sein Vater, sein Bruder und er dort gewesen. Das sei auf dem Weg zum … gewesen, wo man an den Parkplätzen vorbeikomme und die Bäume seien. Es seien ihnen zwei ältere Damen und eine jüngere entgegen gekommen und sie seien auf die Straße ausgewichen. Sein Vater habe noch erwähnt, dass es da vorne glatt sei. Was von ihnen geantwortet worden sei, wisse er nicht mehr. Für ihn sei es eine Nebensächlichkeit gewesen.

Es sei erst Wochen später gewesen, da habe ihn sein Vater darauf angesprochen und ihn gefragt, ob er sich an den Vorfall noch erinnere. So habe er mitbekommen, dass eine Frau gestürzt sein soll. Ob die älteren Damen Gehstöcke oder Rollatoren hatten oder untergehakt waren, daran könne er sich nicht erinnern.

Vom Boden her sei kein Schnee oder Eis gewesen. Er könne sich erinnern, dass der Boden dunkler erschienen sei. An Schneereste erinnere er sich nicht.

Er gehe davon aus, dass es glatt gewesen sei, denn sonst hätte sein Vater nicht darauf hingewiesen. Er schließe aus dessen Bemerkung, dass es glatt gewesen sei. Eigene Erinnerungen daran, ob es glatt war oder ob Schnee und Eis vorhanden waren, habe er nach so langer Zeit nicht mehr (vgl. S. 3-4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2022).

8. Die Zeugin C. M. bekundete, dass sie V. vor ca. fünf Jahren, ca. 2017, in einem Stammlokal kennengelernt habe, wo sie auch die Klägerin und R. M., den Ehemann der Klägerin kennengelernt habe.

V. habe auf sie den Eindruck einer lebensfrohen älteren Dame gemacht, die am Leben gerne teilnahm. Sie sei lustig und aufgeschlossen gewesen. Als sie V. kennengelernt habe, habe diese eine Gehhilfe verwendet. Ihr geistiger Zustand sei gut gewesen. Man habe sich mit ihr ganz normal und ohne Einschränkungen unterhalten können.

Sie habe V. nicht in regelmäßigen Abständen, sondern unregelmäßig getroffen, abhängig davon, wie man sich im Gasthaus getroffen habe. Es seien zufällige Zusammentreffen gewesen, manchmal zweimal die Woche und manchmal nur zweimal im Monat.

Bis zu dem Sturz habe sie keine Verschlechterung in geistiger oder körperlicher Hinsicht beobachten können. Danach habe man zuschauen können, wie sie abgebaut habe.

Nach dem Sturz sei V. nicht mehr so oft in der Wirtschaft dabei gewesen. Es sei dann vielleicht noch einmal im Monat vorgekommen, dass sie diese dort getroffen habe. Sie habe geistig und körperlich abgebaut. Vorab sei sie mit Gehstock und danach mit Rollator gekommen.

V. hätte mehr Ängste gehabt. In dieser Gastwirtschaft gebe es eine Treppe und es sei ihr schwer gefallen, diese zu überwinden. Daher sei sie wohl nicht mehr so oft dabei gewesen.

Weil die Klägerin weggezogen sei, habe sie nicht mehr viel Kontakt mit ihr. Unabhängig von den zufälligen Zusammenkünften in der Wirtschaft hätten sie sich nie getroffen. Sie hätten sich nie anderweitig verabredet (vgl. S. 5-6 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2022).

9. Die Zeugin A. S. gab in ihrer Vernehmung an, dass sie V. gekannt habe, aber zu dem Sturz überhaupt nichts sagen könne, weil sie an jenem Tag nicht mehr anwesend gewesen sei.

Der gewöhnliche Ablauf sei so gewesen, dass V. in der Früh von ihrer Tochter gebracht worden sei und dann an den normalen Programmen teilgenommen habe, also Mahlzeiten und Beschäftigung.

V. sei eigentlich schon recht guter Dinge gewesen und habe sich immer gefreut, wenn noch ein bestimmter Gast da gewesen sei, mit dem sie sich gut verstanden habe. Sie hätten auch immer darauf geachtet, dass es dahingehend gepasst habe. Sie habe es nicht gemocht, wenn man das Wort „ok“ verwendete und habe es dann immer mit einer bestimmten Art nachgesprochen. An den Beschäftigungsprogrammen habe sie eigentlich immer sehr bereitwillig teilgenommen.

Vor dem Sturz sei sie mit dem Gehstock gelaufen, aber eigentlich schon gut und sicher. Tagesabhängig sei sie manchmal mehr oder auch weniger klar in ihren Äußerungen gewesen.

Wenn sie in der Gruppe spazieren gegangen seien, sei sie immer dabei gewesen. Alleine sei sie nicht raus gegangen, sondern nur in der Gruppe. Die Häufigkeit der Spaziergänge sei nicht fest strukturiert, sondern hänge davon ab, wie es passe, also welche Klientel da sei, wie die Personalbesetzung und wie das Wetter sei. Wenn es regnen würde, würden sie nicht raus gehen oder überhaupt bei schlechtem Wetter nicht.

Die Zeugin bekundete weiter, dass sie nicht mehr sagen könne, ob es am Tag des Sturzes ein Gespräch zwischen ihr und der Kollegin B. wegen Frau V. im Zusammenhang mit Spazierengehen gegeben habe. Sie habe an jenem Tag Frühdienst gehabt. Sie könne sich aber nicht erinnern, ob in der Früh ein solches Gespräch stattgefunden habe. Hinsichtlich des Spazierengehens habe es keine festen Zeiten gegeben, es sei also auch vorgekommen, dass bereits in der Früh ein Spaziergang stattfand. Hinsichtlich Frau V. habe es auch geheißen, sie solle viel mobilisiert werden.

Aus ihrer Erinnerung sei es so gewesen, dass V. am Beschäftigungsprogramm manchmal dann nicht teilgenommen habe, wenn sie dazu keine Lust hatte; dann habe sie gesagt, dass sie da jetzt nicht mitmachen möge. Sie könne sich aber nicht erinnern, dass V. wegen körperlicher Einschränkungen nicht in der Lage gewesen wäre, mitzumachen.

Hinsichtlich der Zusammensetzung der Gruppe, die spazieren geht, seien keine festen Regeln festgelegt. Es komme auf die Verfassung der Leute an, also ob es gute Läufer seien, und auch darauf, welche Runde man vorhabe. Manchmal würden sie zu dritt mit sieben oder vielleicht auch mal acht Gästen raus gehen. Frau V. sei immer gerne mit einem anderen Tagespflegegast gelaufen, also einer anderen Dame, und die beiden seien praktisch unzertrennlich gewesen. Sie seien untergehakt und dann auch sehr sicher gelaufen. Sie hätte Frau V. nicht alleine losgeschickt, aber man schaue halt, wie es passe und funktioniere. Sie könnten zu dritt nicht acht Bewohner alle an der Hand nehmen.

Am 21.01.2019 sei Frau V. auch mit demjenigen Tagesgast (Anm.: Frau W.) gelaufen. Nach dem Sturz habe sie Frau V. nur noch einmal gesehen, als sie zusammen mit ihrer Tochter die Tagespflege besucht habe, insbesondere auch die erwähnte andere Dame. Das sei nach dem Krankenhausaufenthalt von Frau V. gewesen. Ansonsten sei sie ihr nicht mehr begegnet, weil sie ja auch nicht mehr in der Tagespflege gewesen sei.

Sie hätten verschiedene Beschäftigungsprogramme mit Bewegung, also Gymnastik, Sitztanz, Wurfspiele im Sitzen, Ballspiele oder Spiele mit Tüchern, die weitergegeben werden. Alles, was mit fließenden Bewegungen zu tun habe. Diese Spiele würden nicht durchweg im Sitzen stattfinden, sondern auch im Stehen oder Gehen, je nachdem was der Einzelne noch könne. Wenn alle aufgestanden seien, sei auch Frau V. aufgestanden. Sie habe auch beim Kegeln und beim Dosenwerfen mitgemacht.

Den Gehstock habe Frau V. immer dabei gehabt. Ob sie auch einen Rollator dabei gehabt habe., wisse sie nicht mehr. An den Stock erinnere sie sich, aber an einen Rollator könne sie sich nicht erinnern (vgl. S. 6-9 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2022).

10. Der Sachverständige des Deutschen Wetterdienstes L. B. führte in seinem schriftlichen Gutachten vom 19.11.2021 aus, dass am 21.01.2019 in … in der ersten Tageshälfte mäßiger Frost mit Werten um -7°C geherrscht habe. In Bodennähe sei in der zweiten Nachthälfte bis in die Morgenstunden sehr wahrscheinlich strenger Frost bis um -11°C aufgetreten. Im Vormittagsverlauf seien die Temperaturen angestiegen. Ab den Mittagsstunden hätten diese bei geringer Bewölkung und längerem Sonnenschein zwischen 0 und 2°C, zum Unfallzeitpunkt gegen 13:15 Uhr sehr wahrscheinlich bei rund 0,5 bis 1°C gelegen. Ab den späten Nachmittagsstunden seien die Temperaturen zunehmend wieder in den mäßigen bis strengen Frostbereich abgesunken.

Höhere Luftfeuchtigkeit mit Werten um und über 90% sei in … im Laufe der zweiten Nachthälfte bis in die Morgenstunden des Unfalltages aufgetreten. Zu dieser Zeit sei es wahrscheinlich zu Reifbildung gekommen und stellenweise habe Reifglätte entstehen können. Im Laufe des Vormittags sei mit den steigenden Temperaturen auch die Luftfeuchtigkeit zurückgegangen und habe zum Unfallzeitpunkt sehr wahrscheinlich bei Werten um 60% gelegen.

Die letzten Niederschläge seien in … um den 17.01.2019 aufgetreten, danach sei es niederschlagsfrei geblieben. Schnee bzw. Schneereste seien nicht vorhanden gewesen. Insofern könne das Auftreten natürlich entstandener gefrierender Nässe zum Unfallzeitpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Vereinzelte Stellen mit Reifglätte könnten zum Unfallzeitpunkt dort nicht ausgeschlossen werden, wo diese im Winter in teil- und dauerbeschatteten Bereichen liegen und daher insgesamt niedrigere Temperaturen aufweisen würden.

Die Angaben würden nur für natürliches Gelände gelten. Über die Wirksamkeit eventuell getroffener Räum- und Streumaßnahmen könnten keine Angaben gemacht werden (vgl. S. 9 des amtlichen Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes vom 21.01.2019).

Im Rahmen seiner Anhörung gab der Sachverständige L. B. an, dass an dem streitgegenständlichen Tag eine typische winterliche Hochdrucklage gegeben gewesen sei, was bedeute, es habe Regionen mit Sonnenschein und Regionen mit Nebel gegeben. Die Grenze habe irgendwo an der Frankenalb gelegen. … und … wären frei gelegen, hätten also Sonnenschein gehabt. Dies lasse sich auch anhand der aufgezeichneten Temperaturen nachvollziehen. Die weiter südöstlich gelegenen Stationen würden darauf hindeuten, dass dort Nebel geherrscht habe. Die räumlich näheren Stationen zu …, die infolgedessen schon repräsentativ seien, seien … und …, weshalb in … vergleichbares Wetter geherrscht haben dürfte.

Es sei relativ klar, dass … größtenteils in der Sonne gelegen habe. Teilweise seien noch Hochnebelfelder hereinzogen. Dies habe er den Satellitenbildern entnehmen können, die er zur Gutachtenserstellung eingesehen habe. Diese seien in seinem schriftlichen Gutachten nicht abgebildet, seien aber für die Erstellung des Gutachtens integriert worden. Diese Bilder seien teilweise auch frei zugänglich im Internet, allerdings seien sie interpretierungsbedürftig.

Unter Vorhalt des Fotos Anlage K3 in der vom Klägervertreter mitgebrachten farbigen Version als DIN A4 Ausdruck führte der Sachverständige aus, dass man auf dem Bild Schneereste am Straßenrand sehe, sodass dieses Foto nicht am Unfalltag aufgenommen worden sei, sondern später aufgenommen worden sein müsse. Es habe damals Ende Januar Schneefälle gegeben. Man sehe auch auf dem Foto, dass die Pflanzen bereits beginnen würden auszutreiben, auch dies spreche für einen späteren Aufnahmetag, etwa Richtung Februar. Und der Boden sei auf dem Foto relativ nass abgebildet, auch dies spreche dagegen, dass dieses Foto am Unfalltag aufgenommen worden sei. Dass die Fahrbahndecke nass gewesen sei, schließe er daraus, dass im Hintergrund ein PKW mit eingeschaltetem Licht zu sehen sei und das Licht von der Straße her reflektiert werde. Dass es sich um Schneereste von einem vorangegangenen Schneefall handele, schließe er aus, weil vorher Temperaturen von bis zu 7 Grad geherrscht hätten, die die Schneereste weggeschmolzen hätten. Auf der Grundlage dieser Ausführungen schließt die Kammer jedenfalls aus, dass das Foto am Unfalltag aufgenommen worden ist. Für weitere Ermittlungen zum genauen Aufnahmezeitpunkt des Fotos bestand deshalb kein Anlass.

Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, als er das Gutachten erstellt habe, habe ihm dieses Foto aus der Akte in schwarz/weiß vorgelegen. Die konkrete Bodenbeschaffenheit könne sehr unterschiedlich sein. An einer gepflasterten Fläche, wie auf dem Foto teilweise zu sehen, komme es eher vor, dass es „anziehe“ und glatt werde. Die geschotterte Fläche sei hingegen tendenziell wärmer, weil sie mit dem natürlichen Erdboden verbunden sei, dort finde ein sogenannter Boden-Wärme-Strom statt. Sie biete auch mehr Grip, selbst wenn sich darauf ein leichter Eisfilm bilde. Es sei ihm aber nur sehr eingeschränkt möglich, hier konkrete Angaben zu einzelnen Stellen zu machen (vgl. S. 12-14 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2022).

11. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme konnte die Kammer keinen objektiven Pflichtenverstoß auf Beklagtenseite, insbesondere kein Fehlverhalten der Praktikantin U., feststellen.

a) Der Träger eines Senioren- und noch mehr derjenige eines Pflegeheims ist dazu aufgerufen, die körperliche Unversehrtheit der Heimbewohner zu schützen. Die Gefahrengeneigtheit liegt hier nicht in einem Übermaß an Bewegung, sondern umgekehrt gerade an der Gebrechlichkeit vieler Bewohner. Die Pflichten des Trägers sind allerdings wie stets auf das allen Beteiligten Zumutbare begrenzt, wobei insbesondere die Würde, eigene Bedürfnisse und die soweit wie möglich zu erhaltende Selbständigkeit der Bewohner zu achten sind, was eine sorgfältige Abwägung im Einzelfall notwendig macht. Entscheidend ist jeweils, welchen Gefahren der Bewohner auf Grund seiner individuellen körperlichen und geistigen Verfassung ausgesetzt ist. Der Maßstab für die einzuhaltende Sorgfalt und die eventuell zu treffenden Sicherungsvorkehrungen ergibt sich daher aus einer ex-ante-Betrachtung, die sich losgelöst von den abstrakt denkbaren Sicherheitsrisiken an der konkreten Pflegesituation zu orientieren hat. Maßgebend ist, ob im Einzelfall wegen der Verfassung des pflegebedürftigen Bewohners aus der ex-ante-Sicht ernsthaft damit gerechnet werden musste, dass er sich ohne Sicherungsmaßnahmen selbst schädigen könnte (vgl. Förster in: BeckOK BGB, Hau/Poseck, 62. Edition, Stand: 01.05.2022, § 823 Rn. 549a m.w.N.).

Die dem Betreiber eines Seniorenheims obliegenden Obhutspflichten sind begrenzt auf die Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind und die die Würde, die Selbständigkeit und die Selbstbestimmung der Bewohner wahren. Auch im Fall einer demenzkranken und an einer Gleichgewichtsstörung leidenden Bewohnerin mit Weglauftendenzen, die sich nur mithilfe eine Rollators fortbewegen kann, aber von ihrer Betreuerin bewusst in einer offenen Einrichtung untergebracht worden ist, ist er nicht gehalten, ihr durchgängig einen „Aufpasser“ zur Seite zu stellen. Kommt die Bewohnerin daher zu Fall und erleidet Frakturen, weil sie sich unbegleitet fortbewegt hat, so verwirklicht sich ihr allgemeines Lebensrisiko (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.05.2016, I-24 U 7/16 – juris, Leitsatz).

Bei der Beurteilung der Notwendigkeit von Vorkehrungen zur Verhinderung einer Selbstschädigung durch den Bewohner eines Pflegeheims ist maßgebend, ob im Einzelfall wegen der körperlichen oder geistigen Verfassung des Bewohners aus der ex-ante-Sicht ernsthaft damit gerechnet werden musste, dass er sich ohne Sicherungsmaßnahmen selbst schädigen könnte. Dabei muss auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bereits eine Gefahr, deren Verwirklichung nicht sehr wahrscheinlich ist, aber zu besonders schweren Folgen führen kann, geeignet ist, Sicherungspflichten des Heimträgers zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.2021 – III ZR 168/19, NJW 2021, 1463). b)

Unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze ist ein objektiver Pflichtenverstoß auf Beklagtenseite zur Überzeugung der Kammer nicht gegeben.

aa) Zunächst ist für die Kammer nicht nachgewiesen, dass V. glättebedingt ausgerutscht ist. Die Zeugin U. hat angegeben, dass es nicht glatt gewesen sei, nicht geschneit gehabt hätte und gestreut gewesen sei.

Die Zeugin B. gab das Wetter zum Zeitpunkt des Sturzes als trocken und nicht allzu kalt an, die Zeugin K. S. konnte sich nicht an das Wetter erinnern, ebenso wenig die Zeugin A. S..

Der Zeuge J. S. schilderte hingegen, dass es glatt gewesen sei, was er gegen 06:30 Uhr oder 07:30 Uhr bei sich zuhause und auch später beim Einkaufen festgestellt habe. Zu welcher Uhrzeit er die Zeugin U. sowie V. und die weitere Heimbewohnerin gesehen habe, konnte er nicht mehr angeben. Es sei noch glatt gewesen. Die Stadt habe schon gestreut gehabt, aber es habe immer wieder irgendwelche Stellen gegeben, wo es noch glatt gewesen sei. Es sei überfrierender Regen gewesen. Den Sturz als solchen hat er jedoch nicht gesehen und er konnte auch nicht angeben, wo genau der Unfall stattgefunden hat.

Der Zeuge L. S. gab an, dass weder Schnee noch Eis vorhanden gewesen seien. Er konnte sich lediglich erinnern, dass der Boden dunkler erschienen sei und er aufgrund der Angaben seines Vaters J. S. davon ausgegangen sei, dass es glatt gewesen wäre.

Der Sachverständige L. B. führte demgegenüber aus, dass das Auftreten natürlich entstandener gefrierender Nässe zum Unfallzeitpunkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. An einer gepflasterten Fläche, wie auf dem Foto Anlage K3 teilweise zu sehen, komme es eher vor, dass es „anziehe“ und glatt werde. Die geschotterte Fläche auf dem Foto Anlage K3 – auf der unstreitig der Sturz erfolgt ist – sei hingegen tendenziell wärmer, weil sie mit dem natürlichen Erdboden verbunden sei, dort finde ein sogenannter Boden-Wärme-Strom statt. Sie biete auch mehr Grip, selbst wenn sich darauf ein leichter Eisfilm bilde.

Die Ausführungen des Sachverständigen lassen sich mit den Schilderungen der Zeuginnen U. und B. in Einklang bringen. Für die Kammer ist es insbesondere aufgrund der durchweg überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen L. B. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass an der unstreitigen Sturzstelle, die eine geschotterte Fläche darstellt, zu einem glättebedingten Ausrutschen der V. gekommen ist. Die Kammer hat keinerlei Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen, gegen die auch von keinem der Beteiligten etwas erinnert wurde. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten alle gestellten Fragen erschöpfend beantwortet und sämtliche Zusammenhänge anschaulich, nachvollziehbar und mit eingehender Begründung dargestellt.

Die Aussage des Zeugen J. S., es habe Glätte durch überfrierenden Regen geherrscht, hält die Kammer unter Berücksichtigung der Aussagen des Sachverständigen für widerlegt, zumal da auch kein weiterer Zeuge von überfrierendem Regen berichtet hat.

Darüber hinaus hat die Zeugin U. angegeben, dass V. über ihre Beine gestolpert sei, was ebenfalls gegen ein glättebedingtes Ausrutschen spricht. Das Gericht hat keinerlei Zweifel an den glaubhaften Angaben der Zeugin U.. Hierbei wurde auch berücksichtigt, dass diese zum damaligen Zeitpunkt als Praktikantin tätig war und grundsätzlich ein eigenes Interesse haben kann, nicht für den Sturz verantwortlich zu sein. Jedoch war keinerlei Aussageeifer in die eine oder andere Richtung festzustellen. Im übrigen bestehen auch keine aktuellen Beziehungen zur Beklagten, so dass ein Interesse der Zeugin U. an einer bestimmten Aussage in keiner Weise ersichtlich ist.

Ein glättebedingtes Ausrutschen bzw. ein glättebedingter Sturz der V. ist zur Überzeugung der Kammer nicht nachgewiesen. bb)

Auch hinsichtlich der weiteren Durchführung des Spaziergangs am 21.01.2019 ist für die Kammer ein objektiver Pflichtenverstoß auf Beklagtenseite nicht ersichtlich.

aaa) Das Wetter um die Mittagszeit sprach nach den Ausführungen des Sachverständigen L. B. unter Berücksichtigung der Angaben der Zeuginnen B. und U. grundsätzlich nicht gegen die Durchführung eines Spaziergangs (s.o. I. 10., I. 11. b) aa)). Zur Überzeugung der Kammer haben sich auch aus der Beweisaufnahme keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass das Wetter am Unfalltag mittags grundsätzlich gegen die Durchführung eines Spaziergangs gesprochen hat. Die Aussage des Zeugen J. S., es habe überfrierender Regen geherrscht, ist durch die Ausführungen des Sachverständigen L. B. widerlegt.

bbb) Die Zeugin A. S. schilderte ausführlich, wie der Ablauf der Spaziergänge in der Einrichtung der Beklagten ist, und insbesondere, wie diese bei V. abgelaufen sind. Diese sei vor dem Sturz mit dem Gehstock gelaufen, aber eigentlich gut und sicher. Wenn sie in der Gruppe spazieren gegangen seien, sei sie immer dabei gewesen. Alleine sei sie nicht raus gegangen, sondern nur in der Gruppe. Frau V. sei immer gerne mit einem anderen Tagespflegegast gelaufen, also einer anderen Dame, und die beiden seien praktisch unzertrennlich gewesen. Sie seien untergehakt und dann auch sehr sicher gelaufen. Auch am Unfalltag sei sie mit dieser Dame gelaufen.

Auch der Zeuge J. S. gab an, dass V. am Unfalltag mit einer anderen Dame, W., untergehakt und die Praktikantin U. hinterher gelaufen sei.

Die Zeugin U. gab hingegen an, sie habe beide Bewohnerinnen links und rechts untergehakt gehabt und sei mit beiden zusammen gelaufen.

Unabhängig davon, dass sich insoweit geringfügige Widersprüche zwischen den Angaben der Zeugen J. S. und U. ergeben haben, ist die Kammer davon überzeugt, dass die Durchführung des Spaziergangs nicht von der sonst üblichen Durchführung von solchen Spaziergängen abgewichen ist und V. jedenfalls untergehakt gelaufen ist, entweder mit dem weiteren Tagespflegegast W., wie sonst üblicherweise auch, oder mit der Praktikantin U.. Ob V. am Unfalltag ohne Gehstock gelaufen ist, wie von Klägerseite behauptet, ist jedenfalls nicht nachgewiesen. Nach den Schilderungen der Zeugen, dass V. üblicherweise immer den Gehstock dabei hatte, scheint dies für die Kammer eher unwahrscheinlich. Darüber hinaus war es unstreitig Wunsch der Klägerin, dass V. möglichst viel mobilisiert werden sollte.

ccc) Aufgrund der Angaben der Zeuginnen K. S. und U. haben sich für die Kammer auch keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass U. als Praktikantin grundsätzlich ungeeignet war den Spaziergang am Unfalltag durchzuführen.

Die Zeugin K. S. schilderte, dass die Zeugin U. sehr gut mit den alten Leuten umgehen habe können sich dafür auch interessiert habe. Sie sei auf jeden Fall angeleitet worden, zunächst in der Hauswirtschaft und dann in der Betreuung. In der Tagespflege gebe es auch einige gebrechliche Bewohner, die vom Zimmer zum Speisesaal und zurück begleitet werden müssten. Sie habe sicherstellen müssen, dass die Praktikantin U. alles richtig mache, die Zimmer finde und auch darauf achte, dass sie Gehstöcke oder Rollatoren mit hin und her bringt, wenn das nötig war. Sie habe von der Praktikantin U. einen guten Eindruck gehabt. Im Umgang mit den alten Menschen sei sie sehr fürsorglich gewesen und sei auch öfters mit Bewohnern spazieren gegangen. Es gebe einen kleinen Park in der Einrichtung, in dem man spazieren gehen könne und wohin sie Bewohner begleitet habe. Sie hätte nie Grund zu Beanstandungen oder zu irgendwelchen besorgten Annahmen gehabt.

Die Zeugin U. gab selbst an, dass es zwar der erste Spaziergang mit Frau V. gewesen sei, aber sie mit anderen Bewohnern schon öfter gelaufen sei. Sie sei auch im betreuten Wohnen tätig gewesen, wo sie auch Bewohner von ihren Wohnungen zum Speisesaal und zurück begleitet habe. In der Tagespflege habe sie auch Spaziergänge mit Bewohnern durchgeführt.

Auch die Zeugin A. S. schilderte, dass grundsätzlich Spaziergänge in der Gruppe durchgeführt würden und hier nicht jeder Bewohner an die Hand genommen werden könne.

Ein Grund weshalb die Zeugin U. als Praktikantin grundsätzlich für die Durchführung eines Spaziergangs nicht geeignet sein sollte, ist nicht ersichtlich.

Darüber hinaus bestand auch kein spezieller Betreuungsbedarf bei V., der über ein untergehaktes Gehen und die Verwendung eines Gehstocks hinausging. Zur Überzeugung der Kammer lief V. am Unfalltag untergehakt, entweder mit dem weiteren Tagespflegegast W. (Angabe Zeuge J. S.), oder mit der Praktikantin U. (Angaben Zeugin U.). Dass V. zum Zeitpunkt des Sturzes ohne Gehstock unterwegs war, ist jedenfalls nicht nachgewiesen, aus Sicht der Kammer scheint dies aber nach der durchgeführten Beweisaufnahme auch unwahrscheinlich. ddd)

Unter Berücksichtigung der oben angeführten Grundsätze (s.o. I. 11. a)) kann von Seiten der Kammer ein objektiver Pflichtenverstoß auf Beklagtenseite nicht erkannt werden.

II. Auch ein Organisationsverschulden auf Beklagtenseite liegt zur Überzeugung der Kammer nicht vor.

1. Zur Überzeugung der Kammer haben sich aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass die Zeugin U. als Praktikantin grundsätzlich ungeeignet war, den Spaziergang mit V. durchzuführen, der letztendlich zu dem Sturz geführt hat (s.o. I. 11. b) bb) ccc)).

2. Zur Überzeugung der Kammer kann die Klägerin auch kein Organisationsverschulden aus Ziffer 12.3 des Vertrags über die Tagespflege (Anlage K2) mit der Bezugnahme auf eine zusätzliche Betreuung und Aktivierung im Sinne der §§ 43b, 84 Abs. 8, 85 Abs. 8 SGB XI unter Bezugnahme auf die jeweils gültigen Richtlinien nach § 53c SGB XI (richtigerweise: § 53b SGB XI) und die damit verbundenen Betreuungskräfterichtlinien herleiten.

Aus Ziffer 12.3 des Tagespflegevertrags ergibt sich lediglich, dass von der Beklagten in der Einrichtung zusätzliche Betreuung und Aktivierung im Sinne der §§ 43b, 84 Abs. 8, 85 Abs. 8 SGB XI grundsätzlich angeboten wird.

Aus der Richtlinie nach § 53b SGB XI zur Qualifikation und zu den Aufgaben von zusätzlichen Betreuungskräften in stationären Pflegeeinrichtungen (Betreuungskräfte-RL) vom 19. August 2008 in der Fassung vom 23. November 2016 (abrufbar unter https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/beratung_und_betreu ung/betreuungskraefte/2016_11_23_Pflege_Betreuungskraefte-RL_53b_SGB_XI.pdf) ergibt sich unter § 1 „Zielsetzung“:

„Diese Richtlinien regeln die Aufgaben und Qualifikationen von zusätzlich in stationären Pflegeeinrichtungen einzusetzenden Betreuungskräften im Rahmen der §§ 43b, 84 Abs. 8 und 85 Abs. 8 SGB XI, damit diese in enger Kooperation und fachlicher Absprache mit den Pflegekräften und den Pflegeteams die Betreuungs- und Lebensqualität von Pflegebedürftigen in stationären Pflegeeinrichtungen verbessern. Ihnen soll durch mehr Zuwendung, zusätzliche Betreuung und Aktivierung eine höhere Wertschätzung entgegengebracht, mehr Austausch mit anderen Menschen und mehr Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden.“

Unter § 2 „Grundsätze der Arbeit und Aufgaben der zusätzlichen Betreuungskräfte“ wird weiter ausgeführt: (1) Die zusätzlichen Betreuungskräfte sollen die Pflegebedürftigen betreuen und aktivieren. Zusätzliche Betreuungskräfte sind keine Pflegekräfte. […] Allein hieraus ergibt sich schon, dass es sich bei den Betreuungskräften im Sinne der §§ 43b, 84 Abs. 8, 85 Abs. 8 SGB XI und der Betreuungskräfterichtlinie nach § 53b SGB XI um zusätzliche Betreuungskräfte handelt, die nicht zum „normalen“ Pflegepersonal gehören.

In Ziffer 12.3 des Tagespflegevertrags wird auch nur auf das grundsätzliche Angebot von solchen zusätzlichen Betreuungskräften hingewiesen. Hieraus ergibt sich aber zur Überzeugung der Kammer kein Anspruch des Tagespflegegastes und damit auch nicht der V., dass sämtliche Aktivitäten im Sinne der Betreuungskräfterichtlinie im Sinne des § 53b SGB XI nur von solchen zusätzlichen Betreuungskräften durchgeführt werden. Dies hätte sonst zur Folge, dass es den „normalen“ Pflegekräften verwehrt wäre, Aktivitäten wie beispielsweise Spaziergänge durchzuführen und diese nur noch durch zusätzliche Betreuungskräfte durchgeführt werden könnten, was dem Sinn einer grundsätzlichen Aktivierung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben widersprechen würde.

Daher ist es aus Sicht der Kammer auch völlig unerheblich, ob die Praktikantin U. über entsprechende Qualifikationen nach § 4 der Betreuungskräfterichtlinie im Sinne des § 53b SGB XI verfügt hat, da es sich bei ihr offensichtlich überhaupt nicht um eine zusätzliche Betreuungskraft im Sinne der §§ 43b, 53b, 84 Abs. 8, 85 Abs. 8 SGB XI gehandelt hat. Ein Organisationsverschulden auf Beklagtenseite ist hieraus nicht ersichtlich.

III. Die Nebenforderungen (Zinsen; außergerichtliche Rechtsanwaltskosten, Klageantrag Ziff. 3) teilen das Schicksal der jeweiligen Hauptforderung, sodass die Klage auch insoweit abzuweisen war.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 1, 2 ZPO.

Der Streitwert wurde gemäß §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.

 

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