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Grunddienstbarkeit – Erlöschen wegen Wegfalls des Vorteils

LG Düsseldorf – Az.: 7 O 103/16 – Urteil vom 14.03.2017

Es wird festgestellt, dass ein Recht zum Besitz des Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) bezüglich des Treppenhauses und Aufzugs sowie der Klingelanlage, des Postkastens, des Namensschildes und der Eingangstür im Haus D-Allee nicht besteht.

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, Löschungsbewilligungen hinsichtlich der Dienstbarkeiten eingetragen in den nachfolgenden Grundbüchern, jeweils Abt. II Nr. 1 zu erteilen: Grundbücher Blätter 1020 (1. OG); 1019 (2. OG); 1018 (3. OG); 1017 (4. OG); 1016 (5. OG); 1801 (5. OG) und 1015 (6. OG).

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger sind Miteigentümer des Grundstücks D-Allee und Sondereigentümer der auf dem Grundstück jeweils befindlichen Wohneinheiten. Der Beklagte zu 1) ist einziger Bewohner der Wohneinheit Nr. 3 des Nachbarhauses D im dortigen zweiten Obergeschoss und Dachgeschoss, für welche für ihn im Grundbuch ein Wohnrecht eingetragen ist, und Nutzer des Treppenhauses der Kläger im Nachbargebäude D-Allee sowie des dort befindlichen Aufzugs. Die Beklagte zu 2) ist Eigentümerin des Hauses D. Die Gebäude D und 81 sind durch einen Durchbruch verbunden.

Die im Grundbuch eingetragene, streitgegenständliche Dienstbarkeit wurde zur Zeit der Errichtung des Hauses D-Allee veranlasst und zur Eintragung beantragt (ca. 1963), als sich beide Immobilien (D+81) im Alleineigentum des Herrn T6 befanden. Dieser beabsichtigte die Errichtung von Eigentumswohnungen im damals noch zu errichtenden Mehrfamilienwohnhaus D-Allee und in diesem Zusammenhang die Eintragung der Dienstbarkeiten in jedem einzelnen, neu zu bildenden Wohnungsgrundbuch. Aus den jeweiligen Kaufverträgen der einzelnen Wohnungen ergab sich die Bewilligung der jeweiligen Eintragung (Anl. K1). Herr T6 bzw. seine Verwandten bewohnten jeweils die in der obersten Etage liegenden Wohnungen der Häuser D und 81. Hieraufhin wurde im Treppenraum zwischen dem dritten und vierten Obergeschoss des Hauses D-Allee eine Türöffnung zum angrenzenden zweiten Obergeschoss des Gebäudes D genehmigt und hergestellt, wobei sich die Unterschiede in der Etagenzahl durch das im Haus D vorhandene Hochparterre-Geschoss erklären lassen. Am 23.10.1964 wurde das Recht zur Benutzung des Treppenhauses und des Aufzugs des Hauses D-Allee für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks D als Grunddienstbarkeit in die Wohnungsgrundbücher zu den Wohnungseigentumsanteilen am Grundstück D-Allee eingetragen.

Im Jahre 1996 beantragten die Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2) hinsichtlich des Eigentums am Grundstück D den Umbau des Gebäudes dergestalt, dass die Maisonette-Wohnung (zweites Obergeschoss / Dachgeschoss) vom Treppenraum im Gebäude D abgetrennt und ausschließlich über das Gebäude D-Allee zugänglich gemacht werden sollte. Das Bauaufsichtsamt der Stadt Düsseldorf forderte dafür eine Baulast, die am 26.06.1997 von den Eigentümern des Grundstücks D-Allee bewilligt und am 12.01.1999 mit folgendem Text in das Baulastenverzeichnis eingetragen wurde:

Die jeweiligen Eigentümer des Grundstücks D-Allee, G1, Flur X, Flurstück X, dulden auf Dauer die Mitbenutzung des Treppenhauses und des Aufzugs durch die jeweiligen Nutzer der Wohnung im Dachgeschoss und Spitzboden des Gebäudes auf dem Grundstück D, Flurstück X derselben Flur sowie die Erhaltung des Türdurchbruches in den Abschlusswänden der Gebäude D und 81. Der Türdurchbruch befindet sich im Gebäude D-Allee im 3. OG und im Gebäude D im 2. OG.

Nach Eintragung dieser Baulast erteilte das Bauaufsichtsamt am 11.05.1999 die begehrte Baugenehmigung, von welcher jedoch während ihrer Gültigkeitsdauer kein Gebrauch gemacht wurde. Mit Schreiben vom 11.04.2003 beantragte die Beklagte zu 2) als neue Eigentümerin des Hauses D die erneute Erteilung der abgelaufenen Baugenehmigung, welche ihr am 02.05.2003 erteilt wurde. Die Beklagte zu 2) plante die Abtrennung des hinteren Treppenraums zwischen dem ersten und dem zweiten Obergeschoss des Hauses D durch eine feuerbeständige Trennwand, was möglich war, da der notwendige Zugang zur Nutzungseinheit Nr. 3 im zweiten Obergeschoss / Dachgeschoss über den notwendigen Treppenraum des Nachbargebäudes D-Allee erfolgen sollte, und setzte diese Planung um. Für diese Änderung erteilte das Bauaufsichtsamt der Beklagten zu 2) am 26.01.2004 die nachträgliche Baugenehmigung und vermerkte im Grundriss des ersten Obergeschosses ausdrücklich „Zugang zum 2. OG geschlossen“. Dieser Vermerk findet sich auch in der am 20.01.2004 im Vorgriff auf die Nachtragsbaugenehmigung vom 26.01.2004 erteilten Abgeschlossenheitsbescheinigung für die drei Wohneinheiten des Hauses D.

In der im Jahre 1963 eingeholten baurechtlichen Ausnahmegenehmigung (Anl. K2) für den Außenmauerdurchbruch (Feuerschutzwand zum Nachbarhaus), welche in der Baugenehmigung des Hauses D-Allee enthalten war, war folgende Auflage enthalten: „Bedingungen und Auflagen: Bei der Änderung der Eigentümer ist die Öffnung in der Brandmauer zu beseitigen.“ Herr T6 verkaufte seine Wohnung im Hause D-Allee im sechsten Obergeschoss an die heutigen Eigentümer Herr B2 und Frau Q (Kläger zu 9 und 10) am 04.12.2013, die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch erfolgte am 10.03.2014. Die Durchgangstüre von der Wohnung im zweiten Obergeschoss des Hauses D zum Treppenhaus des Hauses D-Allee wurde dennoch nicht geschlossen.

Ein Wegerecht der Beklagten über das Grundstück D-Allee zur öffentlichen T-Straße D-Allee ist in den eingetragenen Grunddienstbarkeiten nicht vermerkt.

Die Kläger behaupten, die Grunddienstbarkeiten seien in den Grundbüchern der Wohnungen des Hauses D-Allee nur eingetragen worden, damit sich der damalige Eigentümer beider Häuser, Herr T6, eine interne Begehungsmöglichkeit der nebeneinander liegenden Häuser bzw. seiner, jeweils in der obersten Etage liegenden Wohnungen ohne Nutzung der T-Straße erhalten konnte. Ein etwaiger Wegfall der Dienstbarkeit und des Rechts zum Besitz des Beklagten zu 1) am Treppenhaus des Hauses D-Allee würde nicht den Zuweg zu dessen Wohnung durch das Treppenhaus im Haus D beeinträchtigen, welches lediglich – im Gegensatz zum Haus D-Allee – keinen Fahrstuhl aufweise. Das Treppenhaus im Hause D sei lediglich durch eine Tür verschlossen worden und könnte ohne gravierende, bauliche Eingriffe wieder eröffnet werden.

Sie sind der Ansicht, ihnen stünden petitorische Ansprüche gegen den Beklagten zu 1) als Störer auf Herausgabe des Besitzes aus § 985 BGB zu. Das Recht zum Besitz des Beklagten zu 1) sei seit dem 04.12.2013 (spätestens seit dem 10.03.2014) sowohl am Treppenhaus als auch am Aufzug des Hauses D-Allee und den weiteren Türeinrichtungen durch die nach dem Verkauf eingetretene Auflage aus der baurechtlichen Ausnahmegenehmigung (Anl. K2), wodurch eine Verschließung der Durchgangstür zum Nachbarhaus D erforderlich wäre, erloschen, sodass seit diesem Tage der Mitbesitz unrechtmäßig und widerrechtlich sei. Das im Grundbuch eingetragene Nutzungsrecht der Beklagten zu 2) am Treppenhaus und Aufzug sei nur aufgrund einer ursprünglichen Dienstbarkeit entstanden, die infolge der Aufteilung des Hauses D in Wohnungseigentum in jedes Wohnungsgrundbuch eingetragen worden sei (zum Wortlaut siehe Bl. 47+48 GA). Von der Grunddienstbarkeit nicht umfasst sei jedenfalls die Nutzung der Zuwegung in das Treppenhaus über das davorliegende Grundstück D-Allee, sodass die Beklagten nicht berechtigt seien, überhaupt in das Haus zu gelangen. Insoweit sei die Grunddienstbarkeit über das Nutzungsrecht des Treppenhauses und des Aufzugs nicht auslegungsfähig, da der numerus clausus des Sachenrechts gelte und die Außerachtlassung des Zuwegs in Anbetracht des damaligen, vorübergehenden und nur auf die Familie T6 bezogenen Sinn und Zwecks der Grunddienstbarkeit bewusst erfolgt sei. Der Beklagten zu 2) stehe kein Notwegerecht durch das Haus D-Allee zu, da sie eine Zuwegung zur Wohnung des Beklagten zu 1) über das in ihrem Alleineigentum stehende Grundstück D schaffen müsse – etwa durch eine Wiedereröffnung des dort befindlichen Treppenhauses -, bevor sie das ihr fremde Dritteigentum D-Allee belaste. Dies ergebe sich zudem daraus, dass die Grunddienstbarkeit nur für den Zeitraum gedacht war, in welchem die Häuser D und 81 demselben Eigentümer (Herr T6) gehörten, welcher vor dem Hintergrund seines Alters den Weg von seiner Wohnung im neu zu errichtenden Haus D-Allee in das von seinen Kindern bewohnte Haus D habe verkürzen wollte. Diese Erwägungen würden heute nicht mehr greifen, sodass das Recht zum Besitz seinem Sinn und Zweck zu folge nicht mehr bestehen könnte. Jedenfalls würden die Grunddienstbarkeiten nicht der Erschließung der vom Beklagten zu 1) bewohnten Wohnung im zweiten Obergeschoss des Hauses D dienen, da bei Eintragung der Dienstbarkeit im Jahre 1963 keine Aufteilung des Hauses D in Wohnungseigentum geplant gewesen sei, sondern diese erst im Jahre 2003 durch die Beklagte zu 2) erfolgt sei und sich die Grunddienstbarkeit gerade nicht auf die Zuwegung zum Haus D-Allee erstrecke. Weder die Baugenehmigung zum Umbau des Hauses D noch die Ausführungen zum Brandschutzkonzept könnten Ansprüche auf die Nutzung des fremden Eigentums D-Allee für die Beklagten auslösen. Da in Folge der Aufteilung des Hauses D in drei Wohn- und Gewerbeeinheiten im Jahre 2004 die Grunddienstbarkeit auch in alle Teilgrundbücher der einzelnen Wohnungen eingetragen worden sei, erlösche die Grunddienstbarkeit gem. § 1025 S. 2 BGB bzgl. der Teilgrundbücher für die Einheiten im Hochparterre und im ersten Obergeschoss des Hauses D, da von diesen Einheiten aus eine Zugangsmöglichkeit zum Haus D-Allee mangels Mauerdurchbruchs nie möglich oder vorgesehen gewesen sei. Die Grunddienstbarkeit für die Einheit im zweiten Obergeschoss des Hauses D sei mangels einer sinnvollen Nutzungsmöglichkeit nutzlos und daher gem. § 1019 BGB zu löschen, da die Einheit auch durch das eigene Treppenhaus im Hause D erreicht werden könnte.

Die Kläger beantragen, festzustellen, dass ein Besitzrecht des Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) bezüglich des Treppenhauses und Aufzugs sowie der Klingelanlage, des Postkastens, des Namensschildes und der Eingangstür im Haus D-Allee nicht mehr besteht; die Beklagte zu 2) zu verurteilen, Löschungsbewilligungen hinsichtlich der Dienstbarkeiten eingetragen in den nachfolgenden Grundbüchern, jeweils Abt. II Nr. 1 zu erteilen: Grundbücher Blätter 1020 (1. OG); 1019 (2. OG); 1018 (3. OG); 1017 (4. OG); 1016 (5. OG); 1801 (5. OG) und 1015 (6. OG).

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, die Eintragung der Grunddienstbarkeiten hätten von vornherein der Erschließung der Wohnung im zweiten Obergeschoss des Hauses D gedient. Die vom Beklagten zu 1) bewohnte Wohneinheit Nr. 3 des Hauses D habe nur zum Treppenhaus und zum Aufzug des Hauses D-Allee Zugang, sodass das Recht zum Besitz und die Grunddienstbarkeiten der Erschließung der Wohnung und nicht nur einer „internen Begehung“ dienen würden.

Die Beklagten sind der Ansicht, den Klägern stünden keine Ansprüche gegen die Beklagten zu, da das Recht zum Besitz der Beklagten am Treppenhaus und am Aufzug sowie den Türeinrichtungen fortbestehen würde. Die im Befreiungsbeschluss aus dem Jahre 1993 für das Haus D-Allee enthaltene Auflage zur Beseitigung der Brandmauer bei einem Eigentümerwechsel sei durch die von der Beklagten zu 2) beantragten und am 02.05.2003 erlassenen Baugenehmigung untergegangen und habe keinen zivilrechtlichen Gehalt, sodass auch der am 10.03.2014 vollzogene Eigentumswechsel zwischen Herr T6 und den Klägern zu 9) und 10) nicht zu einem Rechtsverlust der Beklagten geführt habe. Das Wegerecht der Beklagten vom Haus D-Allee über das Grundstück D-Allee zur öffentlichen T-Straße D-Allee sei von der eingetragenen Grunddienstbarkeit zur Nutzung des Treppenhauses und des Aufzugs schon aus Gründen der Logik mit umfasst, da die Grunddienstbarkeiten der Erschließung der Wohnung im zweiten Obergeschoss des Hauses D dienen würden.

Zum Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.02.2017 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere haben die Kläger für den Feststellungsantrag ein Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 ZPO. Eine Feststellungsklage kann insbesondere erhoben werden, wenn das Bestehen, das Nichtbestehen oder der Umfang einer Grunddienstbarkeit zwischen den Beteiligten streitig ist, wobei die Möglichkeit einer auf § 894 BGB gestützten Grundbuchberichtigungsklage das Feststellungsinteresse nicht entfallen lässt (Mohr, in: MüKo BGB, 7. Aufl. 2017, § 1018 Rn. 80). Das Feststellungsinteresse folgt aus § 864 Abs. 2 BGB, da durch das erstrebte Urteil die bestehenden possessorischen Ansprüche der Beklagten, vgl. das Urteil des Landgerichts Düsseldorfs 13.09.2016 – Az. 7 O 302/15, erlöschen.

Die Klage ist auch begründet.

I.

Die Feststellungsklage ist begründet, da den Beklagten kein Recht zum Besitz bzgl. des Treppenhauses, des Aufzugs und der Türeinrichtungen des Hauses D-Allee zusteht.

Die in den jeweiligen Grundbüchern der Kläger eingetragenen Grunddienstbarkeiten i.S.d. §§ 1018 ff. BGB, aus welchen das Recht zum Besitz der Beklagten i.S.d. § 985 BGB allein folgen könnte, umfassen bereits nicht die Nutzung der Türeinrichtungen des Hauses D-Allee durch die Beklagten (1.) und sind hinsichtlich des Treppenhauses und des Aufzugs erloschen aufgrund des endgültigen Wegfalls des Vorteils gem. § 1019 BGB (2.).

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1. Hinsichtlich der Türeinrichtungen des Hauses D-Allee ist deren streitgegenständliche Nutzung durch die Beklagten von den eingetragenen Grunddienstbarkeiten bereits nicht umfasst.

Die Reichweite einer eingetragenen Grunddienstbarkeit ist durch ihre Auslegung zu ermitteln, welche nach nahezu allgemeiner Meinung trotz des Grundsatzes des numerus clausus des Sachenrechts statthaft ist (vgl. etwa BGH NJW-RR 2015, 208 m.w.N.). Die Auslegung muss vor allem deshalb möglich sein, weil den Parteien ein weiter Spielraum zur Bestimmung des Inhalts der Dienstbarkeiten verbleibt, wodurch ein Spannungsverhältnis zur formalisierten Inhaltskontrolle des sachenrechtlichen Typenzwangs besteht (vgl. Mohr, aaO, § 1018 Rn. 25), welches aufgrund der oftmals nicht eindeutigen Eintragungen nur durch Auslegung geschlossen werden kann.

Angesichts der Zweckbestimmung des Grundbuchs, jedem Gutgläubigen sowie allen späteren Verpflichteten und Rechtsnachfolgern über Inhalt und Umfang der eingetragenen Rechte eindeutig Aufschluss zu geben, ist bei der Auslegung einer Grundbucheintragung auf den Wortlaut der Eintragung sowie auf den Sinn abzustellen, wie er sich aus dem Grundbuch selbst und einer gemäß § 874 BGB in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt (BGH NJW-RR 2015, 208, 209; Mohr, aaO, § 1018 Rn. 18, 26 m.w.N.). Umstände, die außerhalb dieser Urkunde liegen, dürfen hiernach zur Ermittlung von Inhalt und Umfang des dinglichen Rechts nur insoweit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Umständen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind (BGH NJOZ 2009, 1585, 1587 m.w.N.). Die Entstehungsgeschichte des dinglichen Vertrages über die Bestellung der Dienstbarkeit und etwaige Schriftwechsel der Parteien müssen deshalb unberücksichtigt bleiben. Zu den allgemeine erkennbaren Umständen außerhalb des Grundbuchs gehören aber die Verhältnisse der beiden Grundstücke, insbesondere die Lage und Verwendungsart des herrschenden Grundstücks, sowie die tatsächliche Handhabung bei der Bestellung der Dienstbarkeit (BGH NJOZ 2009, 1585, 1587; BGH NJW 1976, 417, 418; Mohr aaO, § 1018 Rn. 19).

Der genaue Wortlaut der in den jeweiligen Teilgrundbüchern der Wohnungseigentümer im Haus D-Allee eingetragenen Grunddienstbarkeiten ist zwischen den Parteien unstreitig. Ausweislich der Teilgrundbücher der begünstigten Einheiten im Objekt D (Anl. K5) ist eine „Grunddienstbarkeit bestehend in der Benutzung des Aufzugs und des Treppenhauses an dem Grundstück Flur X Flurstück X“ eingetragen, was sich insoweit mit den Verpflichtungserklärungen in den Kaufverträgen (Anl. K1) deckt, wobei in den Kaufverträgen die Benutzung „zum Zwecke des Zugangs zum 3. Obergeschoss des Hauses D“ beschränkt ist. Nach unstreitigem Vortrag entspricht dieser Wortlaut dem Wortlaut der in den jeweiligen Teilgrundbüchern des Hauses D-Allee eingetragenen Grunddienstbarkeiten.

Gemessen an den Voraussetzungen der Rechtsprechung ergibt sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut der Grunddienstbarkeit ein Benutzungsrecht der Beklagten am Treppenhaus und am Aufzug des Hauses D-Allee. Die Eintragung ist auch hinreichend bestimmt, da sich der Umfang der Belastung aus der Eintragung selbst heraus eindeutig ergibt (vgl. BGH NJW-RR 2015, 208, 209).

Es ergibt sich jedoch aus dem eindeutigen Wortlaut heraus bereits kein Nutzungsrecht an den Türeinrichtungen des Hauses D-Allee.

Insoweit führt auch die für den maßgeblichen unbefangenen Betrachter als allgemein bekannter Umstand heranzuziehende tatsächliche Handhabung bei der Bestellung der Dienstbarkeit zu keiner anderen Betrachtung.

Die Kläger haben schlüssig vorgetragen, dass die Grunddienstbarkeiten nur eingetragen worden sind, damit der ehemalige Eigentümer beider Häuser (Herr T6) zwischen seinen beiden Wohnungen in den obersten Etagen der Gebäude D und 81 hin und her gelangen konnte, ohne die T-Straße benutzen zu müssen. Auch die i.R.d. Auslegung zu berücksichtigende tatsächliche Handhabung der Grunddienstbarkeit bei ihrer Bestellung sei nur in der Form erfolgt, dass Herr T6 den Durchbruch nur zum Besuch seiner im Nachbarhaus wohnenden Verwandten benutzt habe, im Übrigen zum Verlassen des Hauses jedoch das eigene Treppenhaus des Hauses D. Dies erscheint für das Gericht im Hinblick auf die unstreitige Entstehungsgeschichte des Hauses D-Allee und den Wortlaut der Grunddienstbarkeiten nachvollziehbar, da hierdurch erklärt wird, warum sich die Grunddienstbarkeiten ausdrücklich nur auf das Treppenhaus und den Aufzug des Hauses beziehen, nicht aber weitere Bereiche wie die Türeinrichtungen oder den Weg von der T-Straße D-Allee über das Grundstück D-Allee zur Haustüre umfassen. Es erscheint bildlich vorstellbar, dass Herr T6 bzw. seine Verwandten nicht stets den längeren Weg hinab im eigenen Treppenhaus, aus der Haustür heraus, über die T-Straße, durch die Haustür des anderen Hauses wieder hinein und sodann das dortige Treppenhaus hinauf auf sich genommen haben, um einander zu besuchen. Für einen Besuch unter Benutzung des Durchbruchs bedurfte es auch gerade nur der Benutzung des Treppenhauses bzw. des Aufzugs im Hause D-Allee, nicht aber der Türeinrichtung.

Dieser Darstellung sind die Beklagten nicht hinreichend entgegen getreten.

Der Vortrag der Beklagten, wonach der Durchbruch zwischen den Häusern sowie die Eintragung der Grunddienstbarkeiten erfolgt sei, um die Wohnung im zweiten Obergeschoss des Hauses D zu erschließen, erscheint für das Gericht hingegen nicht lebensnah und mithin nicht überzeugend. Zwar spricht die Formulierung des in den jeweiligen Kaufverträgen (Anl. K1) unter § 6 Abs. 1 enthaltenen Vorbehaltes („zum Zwecke des Zugangs zum 3. Obergeschoss des Hauses D“) vom Zugang zum dritten Obergeschoss des Hauses D – gemeint ist aufgrund des vorhandenen Hochparterres das vom Beklagten zu 1) bewohnte zweite Obergeschoss – als Zweck der Eintragung der Grunddienstbarkeit. Allerdings ist diese Sichtweise im Hinblick auf den Bau beider Häuser durch Herrn T6 und die Handhabung der Grunddienstbarkeit bei der Eintragung als i.R.d. Auslegung berücksichtigungsfähige Umstände nicht nachvollziehbar, da Herr T6 bzw. seine Verwandten den Durchbruch zentral für gegenseitige Besuche genutzt haben. Die Beklagten haben nicht vorgetragen, dass die tatsächliche Handhabung dahin ging, dass die Bewohner des zweiten Obergeschosses des Hauses D ausschließlich den Weg durch das Haus D-Allee zur Erschließung ihrer Wohnung gewählt haben. Eine derartige Handhabung erscheint bereits deshalb fernliegend, weil zum Zeitpunkt der Eintragung der Grunddienstbarkeiten im Jahre 1963 die Wohnung im zweiten Obergeschoss des Hauses D unstreitig durch das hauseigene Treppenhaus erschlossen war und mangels anderem Vortrag davon auszugehen ist, dass der Bewohner dieser Wohnung entsprechend der verkehrsüblichen Nutzungsweise das Namensschild, die Klingelanlage, den Briefkasten sowie die Eingangstüre des Hauses D benutzt hat. Eine Nutzung der Türeinrichtung des Hauses D-Allee durch den Bewohner des Hauses D ist bei Eintragung der Grunddienstbarkeit nicht erfolgt und auch nicht beabsichtigt gewesen, da beide Wohnungen über einen eigenen Zugang zur T-Straße D-Allee verfügten. Erst durch die seitens der Beklagten zu 2) im Jahre 2003 erfolgten Umbauten im Hause D mit der Schließung des Treppenhauses zwischen dem dortigen ersten und zweiten Obergeschoss ergab sich die Notwendigkeit der streitgegenständlichen Erschließung der Wohnung im zweiten Obergeschoss des Hauses D über das Treppenhaus des Hauses D-Allee. Dieser Zeitpunkt ist jedoch im Rahmen der Auslegung nicht zu berücksichtigen, da die Rechtmäßigkeit dieser Nutzung gerade Gegenstand des Rechtsstreits ist. Maßgeblich für die Auslegung ist die dargelegte Handhabung zum Zeitpunkt der Eintragung der Grunddienstbarkeit im Jahre 1963. „Zum Zwecke des Zugangs“ i.S.d. Formulierung der Kaufverträge (Anl. K1) und der in den Teilgrundbüchern der Wohnungen des Hauses D-Allee eingetragenen Grunddienstbarkeiten ist im Hinblick hierauf derart zu verstehen, dass der Durchbruch dem kurzzeitigen Zugang zum zweiten Obergeschoss des Hauses D für die Tätigung eines Besuches dienen sollte, nicht aber als alleiniger Zugang zur Gewährleistung der Erschließung dieser Wohnung.

Auch in der am 12.01.1999 im Baulastenverzeichnis eingetragenen öffentlich-rechtlichen Baulast ist kein Mitbenutzungsrecht der Beklagten an der Türeinrichtung vorgesehen.

2. Die Grunddienstbarkeit ist im Hinblick auf die von ihr alleine umfasste Nutzung des Treppenhauses und des Aufzugs des Hauses D-Allee aufgrund des endgültigen Wegfalls des Vorteils i.S.d. § 1019 BGB erloschen.

a) Die Grunddienstbarkeit ist nicht bereits deshalb erloschen, weil die Ausübung der Grunddienstbarkeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauerhaft unmöglich ist, etwa weil die Grunddienstbarkeit nicht den Weg über das Grundstück D-Allee erfasst, sodass die Beklagten überhaupt nicht von außen in das Gebäude D-Allee gelangen könnten, um dort das Treppenhaus und den Aufzug zu nutzen, ohne fremdes Eigentum zu verletzen.

Zwar führt die vorzunehmende Auslegung gemessen an den aufgezeigten Kriterien aus den dargelegten Gründen nicht dazu, dass sich die eingetragene Grunddienstbarkeit auch auf den X-Weg über das Grundstück D-Allee und den Türbereich bis zum umfassten Treppenhaus erstreckt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer etwaigen notwendigen Anpassung des Inhalts der Grunddienstbarkeit im Hinblick auf die wirtschaftliche und technische Entwicklung (vgl. BGH NJW 2014, 3780, 3781) an die Veränderung der Gebäudestruktur im Haus D. Voraussetzung eines Anwachsens des Umfangs der Grunddienstbarkeit aufgrund veränderter wirtschaftlicher oder technischer Umstände ist, dass sich die Bedarfssteigerung in den Grenzen einer der Art nach gleich bleibenden Benutzung des Grundstücks hält und nicht auf eine zur Zeit der Dienstbarkeitsbestellung nicht voraussehbare oder willkürliche Benutzungsänderung zurückzuführen ist (BGH NJW 2014, 3780, 3781; BGH NJW 1989, 1607, 1608). Eine Anpassung scheidet aber offensichtlich aus, da eine Erstreckung der Grunddienstbarkeit auf weitere Teilflächen des Grundstücks D-Allee zu einer qualitativ anderen Nutzung dieser Flächen durch die Beklagten führen würde und bereits keine wirtschaftliche oder technische Entwicklung in diesem Sinne vorliegt, da die Veränderung der Gebäudestruktur des Hauses D durch das bewusste Handeln der Beklagten zu 2) als von der Grunddienstbarkeit begünstigte Eigentümerin des Hauses D und gerade nicht durch außerhalb des infolge der Grunddienstbarkeit entstandenen gesetzlichen Schuldverhältnisses liegende Umstände herbeigeführt wurde.

Jedenfalls ist für die Beklagten die Ausübung der Grunddienstbarkeit nicht dauerhaft unmöglich, weil die Beklagten ihr Nutzungsrecht entsprechend der Grunddienstbarkeit aufgrund des weiterhin vorhandenen Durchbruchs in Höhe des zweiten Obergeschosses des Hauses D und dem dritten Obergeschoss des Hauses D-Allee dennoch ungehindert ausüben können, auch ohne den Hauseingang des Hauses D-Allee zu benutzen. Dass diese reine Nutzung innerhalb des Gebäudes D-Allee nicht außerordentlich sinnvoll erscheint, führt zu keiner anderen Betrachtung, da diese Nutzung jedenfalls nicht unmöglich i.S.d. § 275 Abs. 2 BGB ist.

b) Die Grunddienstbarkeit ist aber erloschen, da der für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten erforderliche Vorteil, welcher gemäß § 1019 BGB Voraussetzung für eine durch die Grunddienstbarkeit eintretende Belastung ist, endgültig weggefallen ist.

(1) Durch die zwingende Vorschrift des § 1019 BGB bezweckt der Gesetzgeber, einer Aushöhlung des Eigentums durch ewige Beschränkungen entgegenzuwirken (Mohr, aaO, § 1019 Rn. 1 m.w.N.). Ein Vorteil im Sinne der Norm liegt vor, wenn die Dienstbarkeit für die Benutzung des herrschenden Grundstücks aufgrund von Lage, Beschaffenheit und Zweckbestimmung objektiv nützlich ist (Herrler, in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 1019 Rn. 2). Der Begriff des Vorteils wird weit verstanden, er kann auch wirtschaftlicher Natur sein. Zudem sind auch bloße Annehmlichkeiten wie das Interesse an einem freien Ausblick als für die Benutzung eines Grundstücks objektiv nützlich anerkannt (Mohr, aaO, § 1019 Rn. 3). Der Vorteil muss gerade für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten bestehen, sog. Grundstücksbezogenheit. Der Annahme eines Vorteils i.S.d. § 1019 BGB steht nicht entgegen, dass der Berechtigte das herrschende Grundstück einem Dritten, etwa einem Mieter oder Pächter, überlässt (KG NJW 1975, 697, 698; Mohr, aaO, § 1019 Rn. 4).

Auch bei Zugrundelegung eines weiten Vorteilsbegriffs ist für die Benutzung des Grundstücks der Beklagten zu 2) kein Vorteil erkennbar. Da sich die eingetragenen Grunddienstbarkeiten aufgrund der Auslegung, vgl. oben, nicht auf den Weg zwischen der T-Straße D-Allee und dem Haus D-Allee beziehen, welcher im Gemeinschaftseigentum der Kläger steht, können die Beklagten ihr Recht zum Besitz höchstens dazu nutzen, um im Haus D-Allee mit dem Aufzug durch das Haus zu fahren oder es über das Treppenhaus zu begehen. Schon die Benutzung des Türeingangsbereichs, um auf die T-Straße D-Allee zu gelangen, stellt wie bereits aufgezeigt eine Verletzung fremden Eigentums dar, da sie nicht von den eingetragenen Grunddienstbarkeiten umfasst ist. Da in der reinen Benutzung des Treppenhauses kein Sinn und Zweck und mithin auch kein Vorteil – noch nicht einmal wirtschaftlicher Natur oder als Annehmlichkeit – gesehen werden kann, verstoßen die eingetragenen Grunddienstbarkeiten gegen § 1019 BGB. Insbesondere haben die Beklagten nicht vorgetragen, dass die Benutzung des Treppenhauses und des Aufzugs des Hauses D-Allee etwa zum Besuch dort wohnender Bekannter oder Familienmitglieder erforderlich wäre, woraus sich entsprechend den Verhältnissen zu den Zeiten, als Herr T6 noch Eigentümer beider Häuser war, eine Annehmlichkeit als Vorteil i.S.d. § 1019 BGB ergeben könnte. Vielmehr geht schon aus der Klage aller Teileigentümer des Hauses D-Allee gegen die Beklagten das Gegenteil hervor.

(2) Ein Vorteil i.S.d. § 1019 BGB kann auch nicht darin gesehen werden, dass die Grunddienstbarkeiten der Behauptung der Beklagten zufolge essentiell notwendig wären, um einen Zugang zur Wohnung des Beklagten zu 1) im zweiten Obergeschoss des Hauses D zu gewährleisten. Ein Vorteil i.S.d. Norm liegt vor, wenn das Grundstück D oder ein Teil davon nur durch die mit den Grunddienstbarkeiten gesicherte Nutzung des Grundstücks D-Allee mit einer öffentlichen T-Straße verbunden ist und bei einem Wegfall der Grunddienstbarkeiten nicht mehr erreichbar wäre (vgl. BGH NJW 2008, 3123, 3124; BGH NJW 2006, 3426, 3427). So liegt der Fall jedoch nicht. Das Treppenhaus im Gebäude D kann nach dem Vortrag der Parteien wieder eröffnet werden, wodurch ein Zugang zur Wohnung im zweiten Obergeschoss durch das hauseigene Treppenhaus gewährleistet wäre. Dies ergibt sich schon aus dem eigenen Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung, wonach die ursprüngliche Verbindung zwischen dem ersten und zweiten Geschoss des Hauses D im Zuge der in den Jahren 2003 und 2004 erfolgten Umbauarbeiten durch den hinteren Treppenraum mittels einer feuerbeständigen Trennwand geschlossen worden ist. Es ist kein weiterer Vortrag der Beklagten erfolgt, wonach die Wohnung im zweiten Obergeschoss des Hauses D aus zwingenden tatsächlichen oder rechtlichen Gründen bei Wegfall der Grunddienstbarkeit unerreichbar wäre, etwa weil die Wiedereröffnung des Treppenhauses unmöglich wäre.

Die Beklagte zu 2) ist auch verpflichtet, das hauseigene Treppenhaus wieder zu eröffnen, um den Zugang zur Wohnung im zweiten Obergeschoss des Hauses D durch das hauseigene Treppenhaus wiederherzustellen, auch wenn durch die Wiedereröffnung des Treppenhauses weitere Kosten entstehen werden. Die Abgrenzung der aus der Dienstbarkeit und dem hierdurch begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis hergeleiteten Rechte und Pflichten beruht im Kern auf einer Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen und damit auf dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB (BGH NJW 1989, 1607, 1608; BGH NVwZ 1990, 192, 193 beide m.w.N.). Grundsätzlich muss der Grundstückseigentümer den Zugang von dem öffentlichen Weg zu abgeschnittenen Grundstücksteilen auf dem eigenen Grundstück schaffen. Dies gilt auch dann, wenn das für den Grundstückseigentümer umständlicher, weniger bequem oder kostspieliger ist als die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks. Der Eigentümer muss deshalb grundsätzlich Umbaumaßnahmen vornehmen, um eine vorhandene Verbindung seines Grundstücks zu einem öffentlichen Weg nutzen zu können. Erst wenn die mit der Schaffung eines Zugangs auf dem eigenen Grundstück verbundenen Erschwernisse so groß sind, dass die Wirtschaftlichkeit der Grundstücksbenutzung aufgehoben oder in unzumutbarer Weise geschmälert wird, ist der Nachbar zur Duldung der Benutzung seines Grundstücks als Zugang verpflichtet. Diese Grundsätze gelten auch für die Zuwegung zu Eigentumswohnungen, die keinen Zugang zu einem öffentlichen Weg des für die Bebauung verwendeten Grundstücks haben (vgl. hierzu insg. BGH NJW 2006, 3426, 3427 m.w.N.).

Gemessen an diesen Voraussetzungen ergibt die Interessensabwägung nach Treu und Glauben eine Pflicht der Beklagten zu 2), das Treppenhaus im Hause D als Zugang zur Wohnung im zweiten Obergeschoss wiederzueröffnen. Die hierdurch entstehenden Kosten rechtfertigen eine fortwährende Benutzung des Grundstücks D-Allee nicht, da diese nicht zu einer Abweichung des Grundsatzes führen, wonach der Zugang zu abgeschnitten Grundstücksteilen vorrangig über das eigene Grundstück auszugestalten ist. Zudem ist eine Aufhebung der Wirtschaftlichkeit der Benutzung des Grundstücks D als Grenze der Zumutbarkeit nicht zu erkennen, da insoweit kein Vortrag der Beklagten erfolgt ist.

3. Ein entsprechendes Recht zum Besitz der Beklagten am Treppenhaus und am Aufzug des Hauses D-Allee kann schließlich auch nicht aus der am 26.01.2004 erteilten Baugenehmigung zum Umbau des Hauses D durch Schließung des Treppenhauses zwischen dem 1. OG und dem 2.OG und der am 12.01.1999 eingetragenen Baulast im Baulastenverzeichnis (Bl. 25 GA), deren Inhalt und Umfang dem der Dienstbarkeit entspricht, folgen.

Die Baulast bewirkt im Vergleich zur Grunddienstbarkeit eine zusätzliche Belastung des Grundstücks, da sie ein öffentlich-rechtliches Verhältnis zur Bauaufsichtsbehörde begründet und der privaten Disposition entzogen ist (BGH NJW 1989, 1607, 1609; BGH NVwZ 1990, 192, 193). Eine Grunddienstbarkeit hingegen gibt dem Berechtigten eine auf dem Privatrecht beruhende Rechtsstellung, die von etwaigen öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkungen für das herrschende Grundstück grundsätzlich unabhängig ist (BGH NJW 2008, 3123, 3124). Mithin sind die öffentlich-rechtliche Baulast und die privatrechtliche Grunddienstbarkeit unabhängig voneinander zu betrachten und bedingen einander nicht. Insbesondere darf nicht von einer bestehenden Baulast auf die Existenz einer entsprechenden Grunddienstbarkeit geschlossen werden (BGH NVwZ 1990, 192), während der Schluss von einer existierenden Grunddienstbarkeit auf eine Baulast andersherum grundsätzlich möglich ist (BGH NJW 1989, 1607, 1608 f.). Dementsprechend erfasst die Baugenehmigung ihrem Schutzzweck zufolge solche Nachteile nicht bzw. gleicht sie nicht aus, die sich daraus ergeben, dass das Bauvorhaben private Rechte der Nachbarn beeinträchtigt und deshalb nicht verwirklicht werden kann. Vielmehr fällt die zivilrechtliche Realisierbarkeit des (Um-)Bauvorhabens ausschließlich in den eigenen Risikobereich des Bauherrn (vgl. BGH NJW 2000, 2996), mithin der Beklagten zu 2).

Die erteilte öffentlich-rechtliche Baulast oder die öffentliche Baugenehmigung können nicht zu einer Erweiterung oder Begründung zivilrechtlicher Benutzungsrechte führen. Mithin kann sich aus ihnen auch kein Recht der Beklagten zur Benutzung des Zuwegs zum Gebäude D-Allee ergeben. Insbesondere kann eine Baulast der begünstigten Privatperson kein Recht gegenüber dem Verpflichteten gewähren (BGH NJW 1989, 1607, 1609 m.w.N.). Mithin kann sich auch aus der Auflage in der baurechtlichen Ausnahmegenehmigung aus dem Jahre 1963 (Anl. K2), selbst wenn deren Voraussetzungen durch den Verkauf der Wohnung D-Allee (6. OG) von Herrn T6 an die Kläger zu 9) und 10) eingetreten wären, keine Ansprüche bezogen auf die eingetragenen Grunddienstbarkeiten ergeben (vgl. BGH NJW 1981, 980, 981). Eine bauaufsichtsrechtliche Auflage dient baurechtlichen Zwecken, im Vordergrund steht das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Auflage und nicht die privaten Interessen der begünstigten oder betroffenen Nachbarn (vgl. BGH NJW 1981, 980, 981). Die Behörde kann nicht mit Auflagen die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen der Beteiligten gestalten und so versuchen, ihnen die sonst gegebene Dispositionsfreiheit zu nehmen (BGH aaO).

Die Kläger haben sich durch die Erteilung einer Baulast gegenüber der Behörde zur Duldung der Mitbenutzung des Treppenhauses und des Aufzugs durch die Bewohner des Hauses D verpflichtet. Solange die Baulast besteht und die Baubehörde auf sie nicht verzichtet, sind die Kläger an ihre Erklärung gebunden, da hierdurch verhindert werden soll, dass die von der Baulast begünstigten Beklagten in eine baurechtswidrige Lage gezwungen werden (vgl. BGH NJW 1981, 980, 982). Auch diese Verpflichtung gegenüber der Behörde kann jedoch nicht zu einer anderen Betrachtung führen, da sich auch die Baulast ihrem eindeutigen, unstreitigen Wortlaut zufolge (Bl. 25 GA) nur auf das Treppenhaus und den Aufzug des Gebäudes, nicht aber auf die Zuwegung zum Haus D-Allee bezieht. Aufgrund dieses eindeutigen Wortlauts und der hiermit einhergehenden Eigentumsbeschränkungen der Kläger kann auch diese Baulast nach dem oben Gesagtem nicht auf qualitativ vollkommen andere Bereiche durch Auslegung erweitert werden, da der ausdrückliche Wortlaut die Grenze jeder Auslegung ist. Da mithin bereits ein baurechtswidriger Zustand besteht, da die Zuwegung zur Wohnung im zweiten Obergeschoss / Dachgeschoss des Hauses D nach der aufgrund der am 26.01.2004 erteilen Baugenehmigung erfolgten Schließung des Treppenhauses im Gebäude D nicht mehr gesichert ist, kann die Verpflichtung der Kläger aus der Baulast zu keiner anderen Betrachtung führen, da aus einer Baulast gerade kein privatrechtliches Recht zum Besitz hergeleitet werden kann. Auch das Fortbestehen einer etwaigen öffentlich-rechtlichen Duldungspflicht zur Vermeidung einer anderweitig entstehenden baurechtswidrigen Lage (vgl. BGH NJW 1989, 1607, 1609 m.w.N.), kann nicht zur Entstehung privatrechtlicher Rechte führen, sondern nur als Auftrag an die Bauaufsichtsbehörden verstanden werden, durch Maßnahmen des öffentlichen Baurechts einen baurechtsgemäßen Zustand wiederherzustellen.

4. Im Hinblick auf die Teilgrundbücher für das Hochparterre und das erste Obergeschoss des Hauses D ist die Grunddienstbarkeit gem. § 1025 S. 2 BGB erloschen.

Gemäß § 1025 S. 2 BGB erlischt die Grunddienstbarkeit für die übrigen Teile, wenn sie nur einem der Teile zum Vorteil gereicht.

Spätestens seit dem Verschluss des Treppenhauses im Objekt D in Durchführung der Baugenehmigung vom 26.01.2004 hatte die Beklagte zu 2) als Teileigentümerin des Hochparterre und des ersten Obergeschosses des Hauses D, in deren Grundbüchern unstreitig ebenfalls eine Grunddienstbarkeit zur Nutzung des Treppenhauses und des Aufzugs des Hauses D-Allee eingetragen ist, keine faktische Möglichkeit mehr zur Nutzung des sich aus der Grunddienstbarkeit ergebenden Vorteils, da ihr seitdem der Zugang zum Haus D-Allee versperrt war. Ohnehin ist ein Vorteil i.S.d. Norm aus den aufgezeigten Gründen nicht erkennbar, da diese Grunddienstbarkeiten ebenfalls nicht den Weg von der öffentlichen T-Straße D-Allee zum Haus Nr. 81 umfassen. Dies führt zu einer Löschung auch dieser Grunddienstbarkeiten aus § 1025 S. 2 BGB, da ein Vorteil für diese Wohnungen weder vorgetragen noch erkennbar ist.

II.

Die Kläger haben aufgrund der aus den dargelegten Gründen erloschenen Grunddienstbarkeiten gegen die Beklagte zu 2) einen Anspruch auf Erteilung von Löschungsbewilligungen hinsichtlich der Grunddienstbarkeiten in den streitgegenständlichen Grundbüchern gem. § 894 BGB.

Steht der Inhalt des Grundbuchs in Ansehung eines Rechts an dem Grundstück mit der wirklichen Rechtslage nicht in Einklang, so kann gem. § 894 BGB derjenige, dessen Recht durch die Eintragung einer nicht bestehenden Belastung oder Beschränkung beeinträchtigt ist, die Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs von demjenigen verlangen, dessen Recht durch die Berichtigung betroffen wird.

Wie aufgezeigt sind die Grundbücher bzgl. des Teileigentums der Kläger am Grundstück D-Allee insoweit unrichtig, als dass in ihnen zu Unrecht eine Belastung in Gestalt der gem. § 1019 BGB erloschenen Grunddienstbarkeiten zugunsten der Beklagten zu 2) eingetragen ist. Für den Grundbuchberichtigungsanspruch aus § 894 BGB sind die Kläger aktivlegitimiert, da das Grundbuch ihres Sondereigentums betroffen ist. Die Beklagte zu 2) ist als Eigentümerin des Grundstücks D passiv legitimiert.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 S. 1 und auf § 709 S. 1 BGB.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

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