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Grundsatz der Vertragsabschlussfreiheit – Abbruch von Vertragsverhandlungen aus triftigen Grund

LG Bonn – Az.: 1 O 321/18 – Urteil vom 12.04.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Verschuldens bei der Vertragsanbahnung betreffend den Abschluss eines auf die Tätigkeit des Klägers als neuer Logistikpartner der Beklagten gerichteten Vertrages in Anspruch.

Der Kläger war mehrere Jahre als Fahrer bei der E GmbH mit Sitz in A beschäftigt. Die E GmbH war und ist als Logistikpartnerin der Beklagten tätig. Sie betreibt ein Warenlager für Schmierstoffe, eine Flotte von Warentransportern und beschäftigt das hierfür erforderliche Personal. Die Laufzeit des zwischen der E GmbH und der Beklagten bestehenden Vertrages reichte über den 31.12.2017 hinaus, was dem Kläger bekannt war.

Die E GmbH und die Beklagte wollten das zwischen ihnen im Jahre 2017 bestehende Vertragsverhältnis beenden. Dies nahm der Kläger zum Anlass, den Geschäftsführer der Beklagten zu fragen, ob dieser sich einen Wechsel des Logistikpartners vorstellen könne und er, der Kläger, als neuer Logistikpartner in Frage käme. Der Geschäftsführer Herr W lehnte dies ab.

Nach Beendigung seiner Tätigkeit bei der E GmbH Ende Januar 2017 war der Kläger sodann als Servicetechniker bei der I GmbH in A beschäftigt.

Am 17.08.2017 meldete sich der Prokurist der Beklagten und Zeuge T2 telefonisch bei dem Kläger und fragte diesen, ob bei ihm noch Interesse bestünde, sich selbständig zu machen und der neue Logistikpartner für die Beklagte anstelle der E GmbH zu werden. Der Kläger erklärte sich interessiert und ließ mit Hilfe seiner steuerlichen Berater von der F & Partner KG mit Sitz in Z alle Informationen bei der Beklagten abfragen, die er für seine Planungen einer Unternehmensgründung benötigte. Nach dem Erstkontakt im August 2017 stellte die Beklagte dem Kläger Zahlenmaterial und betriebswirtschaftliche Informationen zur Verfügung, die die gesamte Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und der E GmbH zum aktuellen Stand abbildeten. Der Kläger beauftragte die F & Partner KG mit der Prüfung dieser Daten und Entwicklung eines tragfähigen Geschäftskonzeptes. Das Ergebnis dieser Prüfung präsentierte der Kläger mit Hilfe des Steuerberaters und Zeugen S in einem Termin am 27.09.2017 der Beklagten. Wegen des Inhaltes dieser Präsentation wird auf die klägerseits eingereichte Anlage K18 (Bl.## – ### d.A.) Bezug genommen.

Zwischen der E GmbH und der Beklagten bestand dem Grunde nach Einigkeit, das Vertragsverhältnis zu beenden, während man sich über die Konditionen der Trennung noch nicht verständigt hatte. Letzteres betraf auch die finanziellen Rahmenbedingungen, da mit der Beklagten der größte Auftraggeber der E GmbH ausscheiden sollte. Die Finanzierung der nur geleasten Firmenfahrzeuge musste mit Zustimmung der E GmbH auf einen Betriebserwerber überführt und das Schicksal der einzelnen Arbeitnehmer musste geklärt werden. Auch sollte das Inkognito des Klägers als Nachfolgekandidat gewahrt werden, um einen Abbruch der Beziehungen durch „atmosphärische Störungen“ zu vermeiden.

Über den Gang der Vertragsablösung, die nach Einschätzung der Beklagten noch nicht abgesichert war, tauschte sich der Kläger mit dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten und Zeugen X mit den nachfolgend zitierten X2App-Nachrichten (S.8 – 12 der Klageschrift; S.5 der Klageerwiderung = Bl.## d.A.; S.4f. der Duplik vom 21.02.2019 = Bl.###/### d.A.) aus. Am 26.10.2017 erhielt der Kläger von dem Zeugen X die Nachricht:

Ich habe E soweit, dass wir uns gütlich trennen werden. Er drängt jetzt auf einen Ausstieg zum 31.12.17. Er will sich dann neu orientieren. Ich warte nur noch auf eine exakte Aufstellung der laufenden Kredite. Sobald ich die habe (ich hoffe bis morgen) bekommen Sie die. Dann könnten Sie schon prüfen was Möglichkeiten Sie haben. Wir sollten uns dann spätestens in 2 Wochen nochmal treffen. Bis dahin hab ich einen Fahrplan aufgestellt.

Am 03.11.2017 schrieb der Zeuge X, dass er am Dienstag mit Herrn W bezüglich einem Vertragsentwurf sprechen werde. Der Kläger führt am 05.11.2017 aus:

Ich wiederhole mich gerne, um Ihnen mein überaus großes Interesse an der Übernahme zu bekunden ! Ich habe nur Sorge um das Zeitfenster. Ich müsste in den spätesten in drei Wochen kündigen ! Bis dahin sollte eine Übernahme unterschrieben sein. Hinzu kommt, dass ich aktuell saisonbedingt Urlaubssperre habe und noch so viele Dinge zu klären sind, wie zum Beispiel Finanzierung, welchen Part übernimmt M und was geht zu meinen Lasten, meine Bankfinanzierung, Bewertung der Fahrzeug, Neuanschaffungen, Firmengründung etc.

Der Zeuge X schrieb am 07.11.2017:

(…) ich habe mit Herrn W gesprochen. Er würde Sie gerne erstmal alleine kennenlernen. Das Feintuning werden Herr T2 und ich dann machen. Er hat nochmal darauf hingewiesen, dass Sie auf jeden Fall eigenes Kapital einsetzen müssten. Wir werden das Kapital nicht zu 100% stellen. 50% können wir machen, das sollten wir aber vorher klären. Gerne kann ich dazu morgen nochmal mit Herrn S sprechen, falls er noch Fragen hat.

In die Räumlichkeiten der Beklagten fand am 13.11.2017 ein Treffen statt, an dem der Kläger, Herr W als Geschäftsführer der Beklagten sowie die Zeugen X und T2 teilnahmen.

Am 15.11.2017 erhielt der Kläger von dem Zeugen X die Nachricht:

Da Herr E auf einen Ausstieg zu 31.12. drängt um sich neu aufstellen zu können, streben wir natürlich schon den 01.01.18 an. Wir müssten jetzt gucken wie weit wir kommen. Die Verträge sind in Arbeit. Die Fahrzeugbewertung habe ich angestoßen, diese findet ebenfalls jetzt zeitnah statt. Wir prüfen aktuell die Finanzierungsmöglichkeiten für Sie nochmal. Machen Sie sich keine Sorgen, wir werden was das Eintrittsdatum angeht eine Lösung finden. Lassen Sie uns jetzt einen Schritt nach dem anderen machen. Sobald ich neue Infos habe, melde ich mich bei Ihnen ! sowie die weitere Mitteilung:

Es ist kurzfristig. Aber es sind noch gut 6 Wochen. Lassen Sie uns den 01.01. anvisieren. Wenn es später wird, wird es dafür auch eine Lösung geben. Machen Sie sich jetzt bitte deswegen nicht zu sehr Gedanken. Das soll uns jetzt nicht die Vorfreude auf die Zusammenarbeit nehmen Wir bleiben in Kontakt und gehen die dafür notwendigen Schritte zusammen an.

Eine weitere Nachricht des Zeugen X von 18.11.2017 lautete:

Die Kündigungsfrist schaffen wir. Habe Dienstag Termin mit unsrem RA wegen dem Vertrag. Dann bekommen Sie den zur Prüfung. Ich verstehe Ihre Besorgnis, aber wir werden unser Wort nicht brechen. Lassen Sie uns am Dienstag mal telefonieren.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten begleitete den Ablösungsprozess juristisch im Hinblick auf Fragen zum Leasing- und Arbeitsrecht und fertigte die Entwürfe für den Aufhebungs- und den Speditionsvertrag. Am 21.11.2017 erhielt der Kläger von dem Zeugen X die Nachricht:

(…) ich hatte heute den ganzen Nachmittag Besprechung mit unserem RA. Er will die Verträge bis morgen schicken. Ich rufe Sie morgen Abend an. Wir haben eine Lösung bezüglich der Finanzierung gefunden. Lassen Sie uns morgen nochmal in Ruhe telefonieren.

Dem Kläger lag zu diesem Zeitpunkt ein prüffähiger Vertragstext nicht vor. Den sogenannten Lagervertrag, der den Aufhebungsvertrag mit der E GmbH voraussetzt, legte die Beklagte im Dezember 2017 vor und kündigte auch den Speditionsvertrag an. Ausverhandelt waren diese Verträge bis zuletzt nicht.

Mit Nachricht vom 12.12.2017 teilte der Kläger dem Zeugen X mit:

(…) ich kann mir gut vorstellen, wie schwierig das alles für Sie sein muss ! D ist wirklich nicht einfach !

Zwischenzeitlich, mit notariellem Vertrag vom 07.12.2017 (Anlage K6 = Bl.## – ## d.A.), gründete der Kläger die C GmbH, die am 02.01.2018 in das Handelsregister eingetragen wurde (Anlage K7 = Bl.## d.A.). Ferner kündigte der Kläger unter dem 15.12.2017 seinen Anstellungsvertrag gegenüber der I GmbH zum 31.01.2018 (Anlage K1 = Bl.## d.A.).

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Mitte Dezember 2017 änderte sich die Verhandlungsposition der E GmbH, die nunmehr eine Abstandszahlung im deutlich sechsstelligen Bereich verlangte. Diese Änderung der Verhandlungsposition wurde der Beklagten einen Tag vor dem Weihnachtswochenende übermittelt.

Am 21.12.2017 fragte der Kläger bei dem Zeugen X an:

Gibt es was neues, hat E unterschrieben ?

Der Zeuge X sandte dem Kläger am 21.12.2017 folgende Nachricht:

Ich bin gestern zusammen mit Herrn W bei Herrn E gewesen. Wir haben ein sehr gutes ruhiges und sachliches Gespräch geführt. (…) Er will uns keine Schwierigkeiten machen, was eine saubere Trennung zum 31.01.2018 angeht. Er will mir bis morgen seine Version des Vertrages schicken. Wir haben uns zwar finanziell schon geeinigt, aber ich möchte das schriftlich sehen, bevor wir weitere Schritte einleiten. Er lässt sich auch beraten und wir wissen nicht was da kommen kann. Gestern hat er uns gesagt, dass er den Aufhebungs-/Kaufvertrag nächsten Mittwoch unterschreiben will. Heute morgen kam er wieder mit Anfang Januar. Sobald wir seine Vertragsversion haben (es geht uns hier um die evtl. Zusatzforderung die er an uns stellen möchte) machen wir das dingfest. Mein Ziel ist spätestens Freitag.

Am 28.12.2017 antwortete der Zeuge X dem Kläger:

(…) nein leider noch nicht. Wir kämpfen noch darum. Er hat mit seinem Berater ziemlich überzogene Forderungen gestellt. Der 31.01. wird trotzdem weiter aus Ausstiegsdatum gesehen.

Am Folgetag sandte der Zeuge X dem Kläger die Nachricht:

Die Leasing- und Darlehensverträge werden zum Ende nächster Woche bei den entsprechenden Kreditinstituten gekündigt. Wir haben mit allen beteiligten Banken und Leasinggebern gesprochen. Anbei habe ich eben die Liste mit den Adressen der MA bekommen. Die gewünschten Unterlagen lassen wir erstellen.

Die Betriebsversammlung scheint nicht stattzufinden. Herr W und ich haben gestern mit Herrn L und Herrn G gesprochen. Wir haben nur gesagt, dass sich etwas ändern wird, aber erstmal kein Grund zur Sorge besteht. (…) Mit den anderen Kollegen spreche ich, wie schon gesagt, nächste Woche.

Zu den Versicherungen habe ich von unserer Rechtsabteilung folgende Informationen bekommen: (…).

Das neue Fahrzeug ist heute abgekommen, wird jetzt angemeldet und ist ab Mitte Januar einsatzbereit. D.h. Sie übernehmen einen modernen (bis auf den H) Fuhrpark.

Die neue Tankanlage sowie eine neue mobile Abfüllstation wird in der ersten KW in Betrieb genommen. Auch hier wird sich die Lagerlogistik erheblich vereinfachen und verschlanken.

Ich freue mich schon sehr darauf.

Nächste Woche findet eine groß angelegte Reinigungsaktion im Rahmen der Inventur statt. Wir werden das Lager bis zum 31.01.2018 top in Schuss bringen. Auch Bestände etc. werden zum Übergangszeitpunkt geprüft sein.

Unsere EDV hat schon entsprechende Maßnahmen die Infrastruktur betreffend getroffen.

Sobald ich von E jetzt belastbare und unwiderrufliche Zahlen habe, klären wir die noch offenen Punkte im Speditionsvertrag. Die entsprechenden Berechnung und Vorlagen habe ich schon erstellt. Sie sehen wir bereiten alles für Sie vor!

Wir werden pünktlich und ich glaube auch, ohne (allzu-) großen Stress, am 01.02.2018 zusammen starten können !

Infolge der verhärteten Verhandlungspositionen zwischen der Beklagten und der E GmbH wurde der ursprünglich für den Jahreswechsel 2017/2018 vorgesehene Vertragsbeginn mit dem Kläger verschoben. Der Zeuge X teilte dem Kläger unter dem 01.01.2018 neben Neujahrsgrüßen mit, er freue sich sehr auf unsere bevorstehende Zusammenarbeit, und antwortete dem Kläger am 04.01.2018:

Mit Herrn E setzen wir uns nächste Woche wieder zusammen. Der Ball liegt jetzt bei ihm. Sein Berater ist wohl erst nächste Woche wieder da. Der 31.01. ist aber nicht in Gefahr, hat er mir heute nochmal versichert.

Am 23.02.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Vertrag mit ihm nicht geschlossen werde, da ein Aufhebungsvertrag mit der E GmbH nicht zustande gekommen sei. Der Kläger ist seit dem 15.03.2018 nach seiner Wiedereinstellung bei der I GmbH als Vertriebskoordinator tätig.

Der Kläger behauptet, in dem Gespräch vom 27.09.2017 habe ihm der Zeuge X im Beisein des Zeugen T2 erklärt, die Beklagte würde sich um den Vertrag mit E kümmern, das sei nicht das Problem des Klägers; Herr E habe gegen so viele Auflagen (Sauberkeit, Trennung der Schmierstoffe Y, M) aus dem Vertrag verstoßen, dass eine Kündigung jederzeit möglich wäre. In dem Gespräch am 13.11.2017 sei mit dem Geschäftsführer der Beklagten und den Zeugen T2 und X mit Handschlag und Zusage des Geschäftsführers die künftige Zusammenarbeit besiegelt worden. Die Beklagte  habe den Vertragsschluss mit ihm als sicher dargestellt. Hierdurch sei er – der Kläger – allein im Vertrauen auf die Zusagen der Beklagten und im Einzelnen jeweils in Abstimmung mit der Beklagten zu folgenden Dispositionen veranlasst worden:

Gründung der C GmbH;  Beendigung seines bestehenden Arbeitsvertrages;

Wahrnehmung von Einzelunterricht bei der Firma B in P zur Vorbereitung auf eine unter dem 01.03.2018 erfolgreich abgelegte Prüfung „Verkehrsleiter“ bei der Q (Anlagen K2 und K3 = Bl.## – ## d.A.);

Anstellung des Zeugen T bei der C GmbH (Vertrag Anlage K5 = Bl.## – ## d.A.) und dessen Bestellung als Verkehrsleiter (Anlage K4 = Bl.## d.A.);

Abschluss einer Logistik-Versicherung für die C GmbH;

Inanspruchnahme von Beratungsleistungen der F & Partner KG.

Der Kläger behauptet ferner, dass ihm hierdurch ein Schaden in Höhe von 25.803,79 EUR entstanden sei. Dieser setze sich zusammen aus

4.200,00 EUR für einen ihm in der Zeit vom 01.02.2018 bis 15.03.2018 entgangenen Bruttoarbeitslohn;

einer Leistung der Stammeinlage von 25.000,00 EUR in die C GmbH;

42,67 EUR Kosten für die Gründung dieser GmbH nach Abzug der von der GmbH übernommen Gründungskosten bis 300,00 EUR;

7.520,80 EUR an Kosten für seine Steuer- und Unternehmensberatung (Anlage K11 = Bl.## d.A.);

abzüglich eines zu erwartenden Liquidationserlöses der C GmbH in Höhe von höchstens 10.957,68 EUR.

Der Kläger beantragt,

1.  die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.803,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten hieraus seit dem 23.02.2018 zu zahlen;

2.  die Beklagte zu verurteilen, ihm außergerichtliche Kosten in Höhe von 1.358,86 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt unwidersprochen vor, die vertragsrechtlichen Voraussetzungen für eine Abmahnung oder Kündigung der E GmbH hätten nicht vorgelegen. Sie behauptet, in dem Gespräch vom 13.11.2017 habe man sich lediglich insoweit festgelegt, als man, unter der Voraussetzung einer erfolgreichen Trennung von der Firma E, auf jeden Fall mit dem Kläger kontrahieren wollte. Um andere Nachfolgekandidaten habe sie sich – was zwischen den Parteien unstreitig ist – dementsprechend in der gesamten hier in Rede stehenden Zeit nicht bemüht. Dies sowie die notwendige Aufhebungsvereinbarung mit der E GmbH sei dem Kläger auch bekannt gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, das Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung (Sitzungsprotokoll Bl.### – ### d.A.) sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 25.803,79 EUR nebst Zinsen aus den hier allein in Betracht kommenden §§ 280 Abs.1, 311 Abs.2 Ziffer 1., 241 Abs.2, 249f. BGB. Denn eine vorvertragliche Pflichtverletzung der Beklagten, die geeignet wäre, einen Schadensersatzanspruch des Klägers zu begründen, liegt nicht vor.

Zwar begründen schon die aufgenommenen Vertragsverhandlungen mit dem klägerseits behaupteten Inhalt ein Schuldverhältnis der Parteien (§ 311 Abs.2 Ziffer 1. BGB) mit daraus resultierenden Obhuts- und Verhaltenspflichten im Sinne von § 241 Abs.2 BGB.

Die Beklagte hat indes keine ihr gegenüber dem Kläger obliegenden vorvertraglichen Verhaltenspflichten schuldhaft verletzt.

Denn es steht außerhalb der rechtlichen Bindungswirkungen an einen Antrag (§ 145 BGB) oder aus einem Vorvertrag grundsätzlich jeder Partei frei, aufgenommene Vertragsverhandlungen jederzeit wieder abzubrechen (BGH NJW 2013, 928, 929; BGH NJW 1996, 1884, 1885; MüKo/Emmerich, BGB, 8.Aufl. 2019, § 311 Rd.174; Sutschet in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK-BGB, 49.Edit., Stand 01.02.2019, § 311 Rd.60; Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 311 Rd.30). Aus diesem Grundsatz der Vertragsabschlussfreiheit folgt, dass eine schadensersatzbewehrte Verletzung der sich aus § 241 Abs.2 BGB ergebenden Rücksichtnahmepflichten nur dann vorliegt, wenn ein Verhandlungspartner in Bezug auf die Erwartungen der anderen Partei in zurechenbarer Weise einen qualifizierten Vertrauenstatbestand geschaffen hat, insbesondere den künftigen Vertragsabschluss als sicher dargestellt hat, und die Vertragsverhandlungen sodann ohne triftigen Grund abbricht (vgl. MüKo/Emmerich, aaO., § 311 Rd.176; Sutschet, aaO., § 311 Rd.60; Palandt/Grüneberg, aaO., § 311 Rd.30ff. jeweils m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind hier bereits auf der Grundlage des streitigen Vortrages des Klägers in Verbindung mit dem unstreitigen Vorbringen beider Parteien nicht erfüllt. Einer Zeugenbeweisaufnahme bedurfte es deshalb nicht.

Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger keinen qualifizierten Vertrauenstatbestand in diesem haftungsrechtlichen Sinne geschaffen. Denn hierfür sind unter anderem die Dauer der Vertragsverhandlungen, eine mögliche Einigung über wesentliche Punkte des Vertrages und ob der potentielle Vertragspartner zu Investitionen ermuntert worden ist, entscheidend (vgl. Sutschet, aaO., § 311 Rd.61).

Hier standen die Parteien zwar seit Mitte August 2017 in Gesprächen über einen Vertrag mit dem Kläger als neuen Logistikpartner der Beklagten. Indes standen diese Gespräche schon ausweislich der im Tatbestand dieses Urteils ausführlich zitierten Korrespondenz der Parteien unter dem für den Kläger unschwer erkennbaren (§§ 133, 157, 242 BGB) Vorbehalt einer Auflösung der Vertragsbeziehung zwischen der Beklagten und der E GmbH, deren Erfolg nach wie vor ungewiß war. Dies wird nicht nur aus den X2App-Nachrichten des Zeugen X vom 26.10.2017 („warte auf exakte Aufstellung der laufenden Kredite“), vom 15.11.2017 („Wir müssten gucken wie weit wir kommen. Verträge sind in Arbeit“), vom 21.12.2017 („Er will mir seine Version des Vertrages schicken. Er lässt sich beraten und wir wissen nicht was kommt“), vom 28.12.2017 („Wir kämpfen noch“) und vom 04.01.2018 („Der Ball liegt jetzt bei ihm“) deutlich, sondern auch aus den eigenen Anfragen und Äußerungen des Klägers vom 03.11.2017 („Sorge um das Zeitfenster. Bis dahin sollte eine Übernahme unterschrieben sein !“), vom 12.12.2017 und vom 21.12.2017. Hinzu kommt die zwischen den Parteien unstreitige Tatsache, dass auch die mit dem Kläger zu schließenden Lager- und Speditionsverträge noch im Dezember 2017 weder ausgehandelt waren noch vollständig vorlagen. Über welche wesentlichen Vertragsinhalte zwischen dem Kläger und der Beklagten zu welchem Zeitpunkt eine konkrete Einigung vorlag, trägt der Kläger nicht vor. Dies ist jedoch ein wesentlicher Aspekt für die Bejahung eines qualifizierten Vertrauenstatbestandes als Grundlage für die klägerseits behauptete Veranlassung zu vermögensmindernden Dispositionen (BGH NJW-RR 2001, 381, 382; BGH NJW-RR 1989, 627, 628 unter II.3. und II.4.b); BGH NJW-RR 1988, 288, 289 unter 2.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1988, 988f.; MüKo/Emmerich, aaO., § 311 Rd.178 m.w.N.).

Hinter diese klar dokumentierten Umstände tritt die klägerseits behauptete streitige Äußerung in dem Gespräch vom 27.09.2017, eine Kündigung der E GmbH sei jederzeit möglich, dies sei nicht das Problem des Klägers, vollständig zurück. Denn die eingangs zitierten Auflösungsgespräche unterstreichen, dass eine zügige und rechtsbeständige Kündigung der Vertragsbeziehung zu der E2 GmbH gerade nicht möglich oder gar angestrebt war. Für den Kläger bestand deshalb keine hinreichende Grundlage, auf einen derartigen und insbesondere zeitnahen Beendigungstatbestand zu vertrauen.

Im Übrigen spricht das Ergebnis der als Anlage K18 zu den Akten gereichten Präsentation der F & Partner KG vom 27.09.2017 auch insoweit gegen einen qualifizierten Vertrauenstatbestand zugunsten des Klägers bereits zu diesem Zeitpunkt, weil dort als zusammenfassendes Fazit ausgeführt wird (Bl.### d.A.):

Unter den hier angenommen Prämissen können wir als Steuerberater von Herrn C ein Engagement zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht unterstützen.

Ob, aus welchen Gründen und zu welchem Zeitpunkt sich diese Einschätzung geändert haben könnte, legt der Kläger gleichsam nicht dar.

Für die klägerseits vorgetragene Besiegelung einer künftigen Zusammenarbeit per Handschlag in dem Gespräch vom 13.11.2017 geltend die vorstehenden Überlegungen entsprechend. Denn dieser Termin knüpft an die X2App-Nachricht des Zeugen X vom 07.11.2017 an, wonach der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger zunächst einmal alleine kennenlernen wollte und erst danach in substantielle Überlegungen der Ausgestaltung der künftigen Zusammenarbeit („Feintuning“, vgl. ebenda) eingestiegen werden sollte. Zutreffend verweist deshalb die Beklagte in der Klageerwiderung (S.2 unter 4. und S.4 unter 8.) auf die lediglich die Person der Klägers als einzigen potentiellen Vertragsnachfolger betreffende und damit begrenzte Aussagekraft dieses Gespräches. Für die von dem Kläger vertretene abweichende Auslegung des Gesprächsinhaltes besteht in Anbetracht der hier dargestellten Hintergründe dieses Gespräches sowie der Vor- und Folgekorrespondenz keine Grundlage (§§ 133, 242 BGB).

Darüber hinaus lag für die Beklagte auch ein triftiger Grund für ihren Abbruch der Vertragsverhandlungen im Februar 2018 vor. Denn die unstreitig von der E GmbH ab Mitte/Ende Dezember 2017 verlangte Abstandszahlung in Verbindung mit der anschließenden Verhärtung der Verhandlungspositionen trägt einen derartigen triftigen Grund, weil hierfür schon im Interesse der Vertragsabschlussfreiheit nur geringe Anforderungen bestehen (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO., § 311 Rd.32; Sutschet, aaO., § 311 Rd.64). Es genügt jeder vernünftige Grund für den Abbruch der Vertragsverhandlungen wie beispielsweise die Erzielung eines besseren wirtschaftlichen Ergebnisses (BGH, Urteil vom 10.01.1996 – VIII ZR 327/94 – juris Rd.18 = DStZ 1996, 122; MüKo/Emmerich, aaO., § 311 Rd.175 und Rd.177; Palandt/Grüneberg, aaO., § 311 Rd.32 jeweils m.w.N.). Dass dies in Anbetracht der Verhandlungsführung der E GmbH sowie der von dem Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Laufzeit des erst im August 2017 verlängerten Vertrages von noch knapp 5 Jahren (S.2 des Sitzungsprotokolls = Bl.###R d.A.) der Fall ist, liegt auf der Hand. Denn diese Vertragslaufzeit musste sich denknotwendig auf die Höhe der geforderten Abstandszahlung der E GmbH auswirken und deren Verhandlungsposition stärken. Dass der Inhaber der E GmbH ein verhandlungsstarker Vertragspartner gewesen ist, ergibt sich nicht nur aus den im Tatbestand zitierten X2App-Nachrichten des Zeugen X vom 21.12. und 28.12.2017, sondern entspricht auch der dortigen Einschätzung des Klägers vom 12.12.2017.

Hieran anschließend fehlt es zudem an einem schuldhaften Abbruch der Vertragsverhandlungen durch die Beklagten (vgl. – auch zur Darlegungs- und Beweislast – MüKo/Emmerich, aaO., § 311 Rd.182; Sutschet, aaO., § 311 Rd.69).

Schließlich fehlt es für einen Schadensersatzanspruch des Klägers an dem erforderlichen haftungsausfüllenden Zurechnungszusammenhang zwischen einer – hier bereits nicht gegebenen – Pflichtverletzung der Beklagten und dem behaupteten Vermögensschaden in Höhe von 25.803,79 EUR.

Denn die haftungsrechtliche Ursächlichkeit ist hier schon in Anbetracht des zeitlichen Geschehensablaufes ausgeschlossen, weil die Kläger wegen der von ihm unter dem 03.11.2017 erbetenen verbindlichen Unterschrift unter einen zu keiner Zeit hinreichend ausgehandelten Vertragsentwurf nicht auf den Abschluss eines Vertrages mit ihm als neuem Logistikpartner der Beklagten vertrauen konnte und vertrauen durfte. Mit den behaupteten Dispositionen handelte der Kläger deshalb aus eigenem Entschluss und auf eigenes Risiko, da für ihn bei der Gründung der C GmbH, bei der Kündigung seines Arbeitsvertrages, bei der Inanspruchnahme von Unterrichtsleistungen, bei der Anstellung des Zeugen T und bei dem Abschluss einer Logistik-Versicherung keine Grundlage dafür bestand,  auf das Zustandekommen eines Vertrages mit der Beklagten zu vertrauen (vgl. dazu auch – unter dem Aspekt getätigter Aufwendungen – BGH WM 2008, 491, 493f. Rd.20 – zur Geschäftsführung ohne Auftrag; BGH NJW 1980, 1683f.; BGH WM 1976, 923f.). Für die Beratungsleistungen der F & Partner KG gilt dies schon deshalb, weil diese bereits vor dem 27.09.2017 und damit unabhängig von einem konkreten Erklärungsverhalten der Beklagten mandatiert wurde.

Für die mit dem Klageantrag zu 2. begehrte Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nach alledem keine Anspruchsgrundlage. Denn diese Rechtsverfolgungskosten sind in Ermangelung eines begründeten Hauptanspruches nicht gemäß den §§ 249 Abs.1, 251 BGB ersatzfähig (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO., § 249 Rd.56f.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Streitwert:  25.803,79 EUR.

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