LG Hamburg – Az.: 331 S 65/17 – Urteil vom 15.04.2019
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 09.08.2017, Az. 32 C 48/7 wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 83,06 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.12.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO abgesehen.
Die Berufung ist zulässig.
Das Amtsgericht hat die Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zugelassen. Die Berufung ist auch begründet.
Der Kläger kann von der Beklagten weitere Verbringungskosten in Höhe von EUR 83,06, welche nach Durchführung der Reparatur des Fahrzeuges entstanden sind, beanspruchen.
Die restlichen Verbringungskosten sind als unmittelbar schadenskausale Kosten zu erstatten.
Nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten ist für die nach § 249 Abs. 1, 2 BGB zur ersetzenden Kosten maßgeblich, ob sich diese im Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen halten. Es kommt darauf an, ob eine verständiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die infolge der beschädigten getroffenen Dispositionen für geboten erachten durfte (vgl. BGH Urteil vom 30.11.2004 VI ZR 365/03 zitiert nach juris). Der Geschädigte genügt regelmäßig seiner Darlegungs- und Beweislast durch Vorlage der Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Fachunternehmens. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages in Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (BGH Urteil vom 15.10.2013, VI ZR 528/12 zitiert nach juris). Nur dann, wenn die berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen, sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. BGH Urteil vom 22.07.2014 VI ZR 357/13). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts steht dem Anspruch des Klägers auch die Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Hamburg, Az. 32 C 60/15 vom 13.10.2016 nicht entgegen.
Der Geschädigte hat sein gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB bestehendes Wahlrecht, entweder Wiederherstellung oder den dazu erforderlichen Geldbetrag zu verlangen, nicht bindend ausgeübt (und damit verloren, OLG Celle vom 17.03.1994 – 14 U 7493 zitiert nach juris), wenn er zunächst auf der Basis einer fiktiven Schadensberechnung Ersatz begehrt, ohne damit eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung auszuschließen. Soweit nach anschließender Durchführung der Reparatur die tatsächlichen Reparaturkosten höher als die „fiktiven“ sind, kann er auch noch den Differenzbetrag zwischen diesen und den tatsächlich angefallenen Kosten verlangen.
Der Kläger beansprucht vorliegend nicht Reparaturkosten auf Gutachterbasis, wie sie der Entscheidung vom 09.08.2017 zugrunde gelten, sondern begehrt Ersatz der überschießenden tatsächlich angefallenen Reparaturkosten nach Durchführung der Reparatur.
Der BGH hat in einer Entscheidung vom 18.10.2011 (MDR 2011, 1470) entschieden, dass der durch einen Verkehrsunfall geschädigte, der seinen Fahrzeugschaden mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zunächst fiktiv auf der Grundlage der vom Sachverständigen geschätzten Kosten abrechnet, an dieser Art der Abrechnung nicht ohne weiteres gebunden, sondern nach erfolgter Reparatur grundsätzlich zur konkreten Schadensberechnung übergehen und nunmehr Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangen kann (Fortführung des Senatsurteils BGH vom 10.10.2006, MDR 2007, 334 f.).
Soweit nach anschließender Durchführung der Reparatur die tatsächlichen Reparaturkosten höher sind als die fiktiven, kann der Geschädigte auch noch den Differenzbetrag zwischen diesen und den tatsächlich angefallenen Kosten verlangen (OLG Celle, Urteil vom 28.03.2006, OLGR 2006, 482).
Wenn der BGH entschieden hat, dass der Geschädigte von der fiktiven Schadensberechnung auf eine konkrete Schadensberechnung wechseln kann, kann die Entscheidung des Amtsgerichts vom 09.08.2017 dem hier geltend gemachten Anspruch nicht entgegenstehen. Denn über diesen neuen Sachverhalt ist noch überhaupt keine Entscheidung getroffen worden. Das Urteil vom 09.08.2017 hat sich lediglich mit den fiktiven Reparaturkosten, nicht aber mit den tatsächlich angefallenen befasst.
Wenn der Kläger die Abrechnungsart auch noch im Nachhinein wechseln kann, steht ihm auch ein Anspruch auf eine nachträglich eigene Entscheidung zu (vgl. Landgericht Berlin, Urteil vom 24.11.2011, Az. 43 S 152/11 zitiert nach juris; Landgericht Aachen, Entscheidung 07.03.2006, Az. S 142/15 zitiert nach juris; OLG Celle, 2006, 482).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil eine grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht vorliegt und eine ungeklärte höchstrichterliche Rechtslage nicht besteht.