Sozialgericht Münster
Az.: S 16 AS 199/06
Gerichtsbescheid vom 01.03.2007
Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide des Beklagten vom 13. Juli,. 21., 31. August, 19. September, 13. Oktober 2006 und des Widerspruchsbescheides des Landrates des Kreises C vom 12. Oktober 2006 verurteilt der Klägerin für die Monate September bis Dezember 2006 den Zuschlag für Alleinerziehende in Höhe von 124,00 EUR /Monat gemäß § 21 Abs. 3 SGB II zu gewähren. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung des Zuschlages für Alleinerziehende gemäß § 21 Abs. 3 SGB II für die Zeit nach August 2006.
Die Klägerin lebt mir ihren drei Kindern in einem Haushalt. Die Kinder sind geboren am 00.August 1988, 00. September 1995 und 00. März 1998.
Für die Zeit ab dem 18. Geburtstag des ältesten Kindes der Klägerin (Volljährigkeit der Tochter L) wurde der Klägerin- kein Mehrbedarfszuschlag von Seiten des Beklagten (mehr) gezahlt. Er bewilligte mit Bescheid vom 13. Juli 2006 für die Zeit ab August 2006 Leistungen ohne Berücksichtigung des Mehrbedarfs von mtl. 124,00 Euro, da davon auszugehen sei, dass die Tochter L der Klägerin mit dem Zeitpunkt ihrer Volljährigkeit bei der Erziehung der minderjährigen Brüder Unterstützung leiste. Hiergegen legte die Klägerin am 24. Juli 2006 Widerspruch ein. Nach wie vor sei sie alleinerziehend. Hieran ändere nichts, dass ihre älteste Tochter nunmehr volljährig geworden sei. Diesen Widerspruch wies der Landrat des Kreises C mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2006 zurück. Die Gewährung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende nach § 21 Abs. 3 SGB II setze voraus, dass der Hilfebedürftige allein für die Pflege und Erziehung des Kindes oder der Kinder sorge. Dass sei dann der Fall, wenn ein anderer dabei nicht mitwirke. Es sei nicht erforderlich, dass die bei der Pflege und Erziehung mitwirkende Person gegenüber den minderjährigen Kindern erziehungsberechtigt sei. Auch nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht erziehungsberechtigte Personen wie z.B. im Haushalt lebende Großeltern oder hier die Tochter L können bei der Pflege und Betreuung minderjähriger Kinder unterstütztend und mitwirkend tätig werden. Es erscheine lebensfremd, dass sich die nunmehr 18-jährige Tochter L an der Pflege, Erziehung und sonstigen Betreuungen ihrer zwei Brüder nicht beteiligen würde. Die Tochter L sei Schülerin des Wirtschaftsgymnasiums in C und
habe somit nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig größere zeitliche Freiräume als ein vollzeitiger Erwerbstätiger. Zudem sei der Pflege und Betreuungsaufwand für die zwei Söhne im Alter von 8 und 11 Jahren deutlich geringer als z.B. bei Kleinkindern. Es sei der Tochter als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft somit spätestens ab dem Zeitpunkt der Volljährigkeit zuzumuten, sie die Klägerin bei der Betreuung und Versorgung der Geschwister zu unterstützen. Insofern sei die Gemeinde S zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin ab dem 31. August 2006 bei der Pflege und Betreuung der Söhne durch die volljährige Tochter so nachhaltig unterstützt werde, dass es der Mithilfe entspreche, die ansonsten ein anderer Elternteil der einer vollschichtigen Erwerbsarbeit nachgehe zu leisten pflege.
Der Beklagte bewilligte für August 2006 am 27. November 2006 124,00 EUR nach und jeweils am 21., 31. August für September, sowie am 19. September, 13. Oktober für Oktober Leistungen ohne den begehren Zuschlag.
Gegen den Widerspruchsbescheid sowie gegen den zu Grunde liegenden Ausgangsbescheid richtet sich die vorliegende am 10. November 2006 erhobene Klage der Klägerin. Die entsprechende Rechtsproblematik sei bereits entschieden.
Das Sozialgericht Münster habe mit Gerichtsbescheid vom 09. Mai 2006 im Verfahren S 3 AS 39/06 im Sinne der Klägerin entschieden und gegen den Beklagten (dort Bürgermeister der Gemeinde S) entschieden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Bescheide des Beklagten vom 13. Juli, 21., 31. August, 19. September, 13. Oktober 2006,in der Fassung des Bescheides vom 27. November 2006 und des Widerspruchsbescheides des Landrates des Kreises C vom 12. Oktober 2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr den Alleinerziehenden – Mehrbedarf für die Monate September bis Dezember 2006 nach § 21 Abs. 3 SGB II zu zahlen, hilfsweise die Zahlungspflicht betreffend den Alleinerziehendenzuschlag festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich im wesentlichen auf den Inhalt der Begründung der angefochtenen Bescheide. Für den Monat August 2006 habe sich aufgrund der Nachbewilligung das Verfahren erledigt. Es werde davon ausgegangen, dass für die Zeit ab September 2006 aufgrund der einzubeziehenden Anschlussbescheide keine Erledigung erfolgt sei.
Der bekannte am 09. Mai 2006 ergangene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster sei zwar nicht mit Rechtsmitteln angegriffen worden. Der Beklagte und der Landrat des Kreises C gingen jedoch trotz dessen weiterhin davon aus, dass der Mehrbedarf für Alleinerziehende dann entfalle, wenn ein Kind das Volljährigkeitsalter erreiche, weswegen auch eine vergleichsweise Regelung abgelehnt werde und eine streitige Entscheidung erbeten werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht kann gemäß § 105 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten in rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Zustimmung der Beteiligten ist hierzu nicht erforderlich. Die Beteiligten haben sich aber beide mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt.
Die Klage ist als Verpflichtungs / Leistungsklage zulässig und begründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert, da diese rechtswidrig sind. Die Klägerin hat auch weiterhin in der oben angegebenen Zeit Anspruch auf den Zuschlag für Alleinerziehende gemäß § 21 Abs. 3 SGB II. Gemäß dieser Vorschrift ist für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ein Mehrbedarf anzuerkennen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Unstreitig lebt zwar die 18jährige Tochter L der Klägerin mit in der Haushaltsgemeinschaft. Dennoch erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 21 Abs. 3 SGB II. Sie gibt nämlich an, dass die älteste Tochter tatsächlich nicht maßgeblich an der Pflege und Erziehung ihrer Geschwister mitwirke und dies auch nicht leisten könne. Eine Alleinerziehende sorgt jedoch nur dann nicht allein für die Pflege und Erziehung der Kinder, wenn sie eine andere Person so nachhaltig bei der Pflege und Erziehung unterstützt, wie es sonst der andere Elternteil zu tun pflegt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die ältere Tochter sich so wie ein anderer Elternteil um die Pflege und Erziehung ihrer jüngeren Geschwister kümmert. Es erscheint lebensfremd, dass eine Jugendliche sich plötzlich von einem Tag zum anderen derartig in die Pflege und Erziehung ihrer Geschwister einbinden lässt, nur weil sie das 18. Lebensjahr vollendet hat. Gerade bei nicht mehr kleinen Kindern, sonderen solchen die sich zu Beginn der Pubertät befinden, dürfte eine dementsprechende Unterstützung der Mutter durch die ältere Tochter ausgeschlossen sein. Erfahrungsgemäß lassen sich Kinder in dem Alter nicht von älteren Geschwistern erziehen. Entsprechend dürfte eine Jugendliche von 18 Jahren auch völlig überfordert sein, ihrer Mutter bei der Pflege und Erziehung ihrer Geschwister so zu unterstützen, wie es sonst der Vater tun würde. Eine erzieherische Verantwortung gegenüber den halbwüchsigen Geschwistern kann der Tochter nicht auferlegt werden und kann diese auch tatsächlich nicht erfüllen.
Erfahrungsgemäß bedarf eine 18jährige ebenfalls noch der Pflege und Erziehung und dürfte gegenüber den Geschwistern keine oder zumindest nur sehr wenig Autorität trotz des Beginns des 18. Lebensjahres besitzen (vgl. zu alledem auch die den Beteiligten bekannte Gerichtsbescheidsentscheidung der 3. Kammer des Sozialgerichts Münster vom 09. Mai 2006 – S 3 AS 39/06-).
Das Feststellungsbegehren ist subsidiär und mithin wegen Obsiegens des Hauptantrages erfolglos.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.