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Haftung eines Abwesenheitspflegers wegen Verletzung von Sorgfaltspflichten

KG Berlin – Az.: 26 U 89/18 – Urteil vom 14.08.2019

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 25. Juli 2018 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin – 12 O 342/16 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; das angefochtene Urteil ist fortan für den Kläger ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2, 543 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen, nachdem der Senat die Revision nicht zugelassen hat und der Wert der mit einer etwaigen Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000,00 EUR nicht übersteigt (vgl. BGH, Beschl. v. 18.09.2012, VI ZR 51/12, Rdnr. 2 a.E.). Denn der zweitinstanzlich vollständig unterlegene Berufungskläger hat sich in der zweiten Instanz gegen seine erstinstanzliche Verurteilung im Wert von 10.430,77 EUR nebst Zinsen gewehrt.

II.

1.

Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft und wurde form- und fristgerecht eingereicht sowie begründet (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO).

2.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Denn die Einwendungen, die die Beklagten (im Folgenden zusammenfassend: der Beklagte) zweitinstanzlich gegen ihre Verurteilung erheben, sind unberechtigt. Hierzu im Einzelnen:

a)

Der Beklagte verstieß gegen seine Sorgfaltspflichten als Abwesenheitspfleger gemäß § 1833 Abs. 2, 1915 Abs. 1 Satz 1, 1911 Abs. 1 Satz 1 BGB, als er Maßnahmen zur Vorbereitung des Verkaufs des Hausgrundstückes K…, … P… (im Folgenden: Immobilie) ergriff.

Dies ergibt sich aus doppeltem Grunde:

aa)

Zum einen hat der Senat davon auszugehen, dass der Beklagte seine Pflichten als Abwesenheitspflegers verletzte, weil die o.g. Maßnahmen des Beklagten Nachteile – in Form von Kosten – für den Kläger auslösten und der Beklagte im Prozess nicht dargelegt hat, dass er diese Nachteile für erforderlich halten durfte, um den Kläger vor einem ansonsten drohenden, größeren Nachteil zu bewahren.

Hierzu im einzelnen:

(1)

Hat eine Maßnahme des Abwesenheitspflegers einen Nachteil für den Pflegling zur Folge, stellt diese Maßnahme jedenfalls in aller Regel nur dann keine Pflichtverletzung im Sinne des § 1833 Abs. 2 BGB dar, wenn der Abwesenheitspfleger diese Maßnahme für erforderlich halten durfte, um den Pflegling vor einem ansonsten drohenden, größeren Nachteil zu bewahren.

Denn eine Maßnahme des Abwesenheitspflegers, die Nachteile für den Pflegling zur Folge hat, stellt einen Eingriff in die grundrechtlich geschützten Eigentums- bzw. Freiheitsrechte des Pfleglings dar. Sie bedarf daher der Rechtfertigung. Die Rechtfertigung kann jedenfalls in aller Regel nur darin liegen, dass die Maßnahme erforderlich ist oder zumindest bei sorgfaltsgemäßer Betrachtung für erforderlich gehalten werden kann, um den Pflegling vor einem ansonsten drohenden, größeren Nachteil zu bewahren. Dieser Gedanke kommt auch in der einfachgesetzlichen Vorschrift des § 1911 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck, wonach ein Abwesenheitspfleger nur eingesetzt werden kann, “soweit [die Vermögensangelegenheiten des Abwesenden] der Fürsorge bedürfen”. Diese Beschränkung der Einsetzung des Abwesenheitspflegers ist bei der Bestimmung des Pflichtenumfangs eines eingesetzten Abwesenheitspflegers in Bezug auf eine von ihm vorzunehmende Maßnahme gemäß § 1833 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen.

(2)

Der Abwesenheitspfleger trägt im Prozess die Darlegungslast dafür, dass er seine für den Pflegling nachteilhafte Maßnahme für erforderlich halten durfte, um den Pflegling vor einem ansonsten drohenden, größeren Nachteil zu bewahren.

Denn die Bewahrung des Pflegling vor einem ansonsten drohenden, größeren Nachteil ist die Voraussetzung dafür, dass ausnahmsweise keine Pflichtverletzung anzunehmen ist. Zudem sind die Umstände, aus denen der ansonsten drohende, größere Nachteil erkennbar ist, in aller Regel nur dem Abwesenheitspfleger bekannt, nicht aber dem – naturgemäß ortsabwesenden – Pflegling. Daher ist in aller Regel nur der Abwesenheitspfleger in der Lage, solche Umstände im Prozess konkret darzulegen.

(3)

Der Beklagte hat seiner genannten Darlegungslast nicht genügt.

Denn sein Vortrag enthält schon nichts dazu, welche konkreten Nachteile dem Kläger gedroht hätten, wenn es nicht zum Verkauf der Immobilie gekommen wäre. Zudem enthält sein Vortrag nichts dazu, ob diese Nachteilen einen nennenswert größeren Umfang gehabt hätten als diejenigen Kosten, die mit dem Verkauf einhergegangen wären.

Nicht mehr erheblich ist danach, dass die Kosten, die mit dem Verkauf einhergegangen wären, mit großer Wahrscheinlichkeit höher gewesen wären als die Kosten der streitgegenständlichen Maßnahmen des Beklagten in Höhe von 10.430,77 EUR, die den Verkauf nur (zum Teil) vorbereiteten.

bb)

Zum anderen war das Handeln des Beklagten pflichtwidrig, weil die Voraussetzungen für die Einsetzung des Beklagten als Abwesenheitspfleger gemäß § 1911 Abs. 1 Satz BGB zum Handlungszeitpunkt in Bezug auf die Immobilie nicht mehr erfüllt waren und der Beklagte dies wusste.

Das Nichtmehrvorliegen der Voraussetzungen des § 1911 Abs. 1 Satz BGB, namentlich das Nichtmehrvorliegen der Ortsabwesenheit des Klägers, ergibt sich aus mehrfachem Grunde:

(1)

Der Kläger war jedenfalls seit August 2012 von einem Rechtsanwalt N… in B… und P… vertreten, der mit ordnungsgemäßer Prozessvollmacht ausgestattet war. Dieser Rechtsanwalt trat auch nach außen erkennbar für den Kläger auf, in dem er u.a. die Aufhebung der Abwesenheitspflegschaft des Beklagten hinsichtlich der Immobilie beantragte. Warum der Beklagte meinte, sich über die Positionieren des anwaltlichen Vertreters des Klägers hinwegsetzen zu dürfte, bleibt unerklärt.

(2)

Ferner war der Kläger über seinen Vertrauten L…, der immerhin die Schlüssel und Unterlagen für die Immobilie hatte, in B…und P… präsent und der Beklagten nahm sogar Kontakt zu Herrn L… in dessen Eigenschaft als Vertrauter des Klägers auf. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Kontakt des Herrn L… zum Kläger im fraglichen Zeitraum jedenfalls in Bezug auf die Anfrage des Beklagten offenbar gelockert war. Denn zum einen sind Gründe für ein besonderes Eilbedürfnis der Maßnahme des Beklagten nicht erkennbar. Zum anderen war die Abwesenheit des Klägers im Sinne von § 1911 Abs. 1 Satz BGB nicht schon deshalb zu bejahen, weil der Kläger – aus welchen Gründen auch immer – auf Anfragen des Beklagten zeitweise nicht reagierte oder nicht reagieren wollte.

(3)

Schließlich zeigte der Kläger über die – wie auch immer bewirkte – Einschaltung des Maklerbüros l… G… in Bezug auf die Immobilie Präsenz vor Ort. Warum der Beklagte meinte, die für ihn erkennbare Entscheidung des Kläger, den Verkauf der Immobilie durch das Maklerbüro l…G…bewerkstelligen zu wollen, konterkarieren zu dürfte, bleibt wiederum unerklärt.

cc)

Im Übrigen vermag auch das Argument des Beklagten nicht durchzudringen, er habe in Bezug auf die Immobilie tätig werden müssen, um der etwaigen Gefahr einer Haftung wegen Untätigkeit zu entgehen.

Denn zum einen bestand diese Gefahr gar nicht, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt. Zum anderen hat der Beklagte diese etwaige Gefahr selbst verursacht, in dem er erst kurz vor seiner streitgegenständlichen Maßnahme die Erweiterung seines Aufgabenbereiches als Abwesenheitspfleger auf die Immobilie gerichtlich betrieben hat.

b)

Der Vortrag des Klägers zur Anspruchshöhe ist nicht unsubstanziiert.

Hierzu im Einzelnen:

aa)

Soweit der Beklagte meint, der Kläger hätte im Detail ausführen müssen, wie sich die Auslagen (9.166,23 EUR) und Honoraransprüche (1.264,54 EUR) des Beklagten zusammensetzen, ist das Gegenteil richtig: Insofern darlegungspflichtig war der Beklagte.

Dies ergibt sich aus doppeltem Grunde:

(1)

Nicht der Kläger macht streitige Ansprüche gegen den Beklagten geltend, sondern umgekehrt macht der Beklagte streitige Ansprüche gegen den Kläger geltend, für welche naturgemäß der Beklagte darlegungspflichtig ist.

Denn der streitgegenständliche Anspruch des Klägers gegen den Beklagten ist der – im Ausgangspunkt unstreitige – Anspruch auf Auskehr des vom Beklagten vereinnahmten, vollständigen Kaufpreises aus dem Verkauf der Wohnung M… . Dem hält der Beklagte im Wege der Aufrechnung gemäß § 387 ff. BGB eigene Ansprüche gegen den Kläger auf Auslagenersatz und Honorar entgegen.

(2)

Die Darlegungslast des Beklagte ergibt sich zudem aus dem Regeln über die sog. sekundäre Darlegungslast (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, vor § 284 Rdnr. 34 ff.).

Denn bei den vom Beklagten getätigten Auslagen sowie bei der Zusammensetzung und Begründung seiner Honorarforderung handelt es sich um Umstände, die alleine im Wahrnehmungs- und Verantwortungsbereich des Beklagten liegen; sie können naturgemäß nur vom Beklagten substanziiert dargelegt werden.

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bb)

Soweit der Beklagte hieran anschließend behauptet, Teile seiner Honorarforderung ergäben sich gar nicht aus seiner – umstrittenen – Tätigkeit zur Vorbereitung des Verkaufs der Immobilie, sondern aus anderen – nicht umstrittenen – Tätigkeiten, ist die Behauptung unbeachtlich.

Dies ergibt sich wiederum aus doppeltem Grunde:

(1)

Die Behauptung ist zum einen unsubstanziiert.

Denn mit welchen Teilen welcher Rechnungen etwaige unumstrittene Tätigkeiten des Beklagten honoriert werden sollten, bleibt in dem Vortag des Beklagten völlig offen. Dem Senat ist es daher unmöglich, der Höhe nach zu erkennen, welche Honorare ggf. gerechtfertigt sein könnten. Vor dem Hintergrund der o.g. Darlehenslast des Beklagten, geht dieser Umstand zu seinen Lasten.

(2)

Die Behauptung ist zum andern gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO präkludiert.

Denn die Behauptung erfolgte erstmals in zweiter Instanz. Sie ist in zweiter Instanz auch nicht unstreitig geblieben (vgl. Heßler in Zöller, 32. Aufl. 2018, § 531 Rdnr. 9). Letzteres ergibt sich aus der Erwiderung des Klägers, der gesamte Honoraranspruch von 1.264,54 sei “zu Unrecht abgerechnet” worden (Seite 5 der Berufungserwiderungsschrift vom 29.1.2019, Bd. II Bl. 58 d.A.).

c)

Der streitgegenständliche Anspruch des Klägers ist auch nicht verjährt.

Denn der Kläger machte den Anspruch schon in seinem Güteantrag vom … .2015 (dort Seiten 4-6; Anlage K14) und in seiner Klageschrift vom … .2016 (dort Seiten 6-8 und 10; Bd. I Bl. 6-8 und 10) geltend. Der Anspruch wegen pflichtwidriger Verkaufsbemühungen des Beklagte in Bezug auf die Immobilie werden in der Güteantrags- bzw. Klagebegründung ausdrücklich genannt und beziffert; auch sind die Ansprüche rechnerisch Teil der gestellten Güte- bzw. Klageanträge. Warum der Beklagte insofern eine gegenteilige Wahrnehmung hat, bleibt unerklärt.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Die Anordnung einer Abwendungsbefugnis gemäß § 711 ZPO zu Gunsten des Beklagten unterblieb gemäß § 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO, nachdem der Senat die Revision nicht zugelassen hat und der Wert der mit einer etwaigen Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000,00 EUR nicht übersteigt (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 713 Rdnr. 2 a.E.).

5.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen. Denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich.

 

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