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Verkehrsunfall – Höhe Mietwagenkosten bei Verzögerung der Reparatur

LG Köln – Az.: 11 S 250/18 – Urteil vom 13.08.2019

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 28.05.2018 – 275 C 240/17 – teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 2720 EUR sowie weitere 126,10 EUR vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.12.2014 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits – erster und zweiter Instanz – trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aufgrund des Verkehrsunfallereignisses vom 25.07.2014 in B, U, an der Einmündung L113, B412, Anspruch auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten i.H.v. 2720 EUR aus §§ 7 Abs. 1, 10 Abs. 1 StVG, 249 ff. BGB, 115 VVG.

Zu Unrecht hat das Amtsgericht der Klägerin von den ihr gemäß Rechnung der Firma T und Lackierbetrieb GmbH (im folgenden: Firma T) vom 26.11.2014 entstandenen Kosten der Anmietung eines PKW Audi A4 als Ersatzfahrzeug i.H.v. 3808 EUR netto für die Zeit bis zur Fertigstellung der Reparatur ihres am 31.03.2014 erstzugelassenen PKW Mercedes Benz GLA lediglich 1088 EUR für eine 32-tägige Anmietung zuerkannt und einen Anspruch darüber hinaus für die weiteren 80 Tage der Ersatzfahrzeuganmietung verneint. Die Klägerin kann von der Beklagten Erstattung der Mietwagenkosten in voller Höhe verlangen.

Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dementsprechend kann derjenige, der sein Fahrzeug infolge des schädigenden Ereignisses nicht nutzen kann, grundsätzlich Ersatz der für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs entstehenden Kosten beanspruchen. Hiernach steht der Klägerin dem Grunde nach Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten zu. An der Erforderlichkeit der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs bestehen keine Zweifel. Der bei dem Unfall beschädigte PKW Mercedes Benz GLA der Klägerin war unstreitig nicht mehr verkehrssicher und konnte deshalb unfallbedingt nicht mehr genutzt werden. Im Schadengutachten der Sach-Verständigen-Stelle vom 31.07.2014, heißt es dazu unter Ziffer 5.11: „Das Fahrzeug war nach dem Schadenereignis zum Beurteilungszeitraum nur bedingt fahrbereit. Die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeuges ist schadenbedingt im Sinne der StVZO nicht gewährleistet.“ Die Klägerin muss sich – wie insoweit zutreffend vom Amtsgericht ausgeführt – auch nicht darauf verweisen lassen, dass sie über einen eigenen Fuhrpark verfügt, denn sie hat im einzelnen dargelegt, dass alle Fahrzeuge einem bestimmten Nutzer zur alleinigen Nutzung zugewiesen sind und Fahrzeuge für den Unfallersatz nicht vorgehalten werden. Die Beklagte hat den diesbezüglichen Angaben der Klägerin erstinstanzlich konkret nichts entgegengesetzt und greift den Gesichtspunkt des eigenen Fuhrparks auch in ihrer Berufungserwiderung nicht wieder auf.

Anders als im angefochtenen Urteil angenommen, sind die ersatzfähigen Mietwagenkosten im Streitfall der Höhe nach nicht auf eine Anmietdauer von 32 Tagen zu beschränken. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei einer konkreten Schadensabrechnung – wie hier  – Mietwagenkosten grundsätzlich für die gesamte erforderliche Ausfallzeit zu leisten sind, d.h. für die Dauer der notwendigen Reparatur zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung und einer angemessenen Überlegungszeit (vergleiche BGH, Urteil vom 05.02.2013 – VI ZR 35/80 -, VersR 1982, 548; OLG Celle, NJW-RR 2013, 353).

Zutreffend ist das Amtsgericht insoweit zunächst davon ausgegangen, dass der Klägerin die Zeit bis zu der ausweislich der von ihr als Anlage K 11 vorgelegten E-Mail an die Firma T am 05.08.2014 erfolgten Reparaturfreigabe für die Schadenfeststellung, Prüfung des Schadengutachtens und der weiteren Vorgehensweise sowie Beauftragung der Schadenbehebung zuzubilligen ist. Wenn das Amtsgericht sodann aber lediglich weitere zwei Wochen in Ansatz bringt, die die Lieferung eines Ersatzteils regelmäßig in Anspruch nehmen dürfe, ohne dass von dem Geschädigten Maßnahmen zur Verkürzung etwaiger Wartezeiten erwartet werden könnten, und so schließlich zuzüglich einer Reparaturdauer von sechs Tagen zu der von ihm vorgenommenen Kürzung der ersatzfähigen Mietwagenkosten kommt, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Denn dies berücksichtigt nicht, dass Verzögerungen bei der Reparatur des unfallbeschädigten Fahrzeugs aufgrund von Verzögerungen bei der Ersatzteilbeschaffung grundsätzlich zulasten des Schädigers gehen. Es würde nämlich dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfindet. Insoweit besteht kein Sachgrund, dem Schädiger dieses Risiko abzunehmen, das er auch zu tragen hätte, wenn der Geschädigte ihm die Beseitigung des Schadens nach § 249 Abs. 1 BGB überlassen würde (BGH, Urteil vom 29.10.1974 – VI ZR 42/73 -, BGHZ 63, 182). Da die Werkstatt bei der Reparatur des Unfallschadens nicht im Pflichtenkreis des Geschädigten, sondern des Schädigers tätig wird, ist sie Erfüllungsgehilfe des Schädigers und nicht des Geschädigten. Letzterer bedient sich ihrer kraft seiner Befugnis zur Herstellung des beschädigten Fahrzeugs; die damit verbundenen Kosten legt das Gesetz dem Schädiger auf. Demnach kommt es nicht darauf an – und kann folglich dahingestellt bleiben -, ob ein Verschulden der von der Klägerin mit der Reparatur ihres Fahrzeugs beauftragten Firma T anzunehmen ist, weil sie die Lieferung der zwingend benötigten Ersatzteile durch die Firma T2 und Sohn GmbH & Co. KG (im folgenden: Firma T2) abgewartet und keine Bemühungen unternommen hat, die Stoßfängerverkleidung und die Abgasanlage anderweitig zu beschaffen, oder ob, wie die Klägerin behauptet, von der Firma T2 rückständige Ersatzteile stets deutschlandweit abgefragt werden, darüber hinaus eine weltweite Abfrage durch das Lieferwerk der Firma T2 erfolgte, zum Zeitpunkt der von der Klägerin beauftragten Reparatur jedoch keine Bestände der nachgefragten Ersatzteile vorhanden gewesen sind und deshalb eine schnellere Lieferung nicht möglich war, so dass ein Unterlassen eigener Bemühungen der Firma T, die Ersatzteile anderweitig zu beschaffen, für die Reparaturverzögerung jedenfalls nicht kausal geworden wäre. Ein etwaiges Verschulden der Firma T wäre der Beklagten zuzurechnen und nicht der Klägerin.

Ein Auswahlverschulden, das es rechtfertigten könnte, das Werkstatt- oder Prognoserisiko hinsichtlich der Verzögerung der Reparatur der Klägerin aufzuerlegen (vergl. dazu Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 12 StVG Rn. 22), liegt nicht vor. Entgegen der Auffassung der Beklagten musste die Klägerin keine markengebundene Reparaturwerkstatt beauftragen, sondern durfte sich an die Werkstatt ihres Vertrauens wenden. Soweit zumutbar und erreichbar, ist von dem Geschädigten zu verlangen, dass er eine Fachwerkstatt beauftragt (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 12 StVG Rn. 22). Dies ist vorliegend geschehen. Bei der Firma T handelt es sich um einen zertifizierten Fachbetrieb für Karosserieinstandsetzung, ausgezeichnet von Eurogarant. Von einem solchen Fachbetrieb darf grundsätzlich erwartet werden, dass er die erforderlichen Ersatzteile soweit nicht vorrätig unverzüglich bestellt und die Klägerin über Schwierigkeiten bei der Ersatzteilbeschaffung informiert. Dass für die Klägerin Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, dass die Firma T dem nicht nachkommen würde, ist nicht ersichtlich. Wie sich aus der vorgelegten E-Mail-Korrespondenz ergibt, hat die Firma T die Klägerin auch über die Teilerückstände aufgrund der Lieferschwierigkeiten der Firma T2, die einen autorisierten Mercedes-Benz Verkauf und Service betreibt, und deren Mitteilung, dass der Engpass beim Management ihres Lieferanten eskaliert sei, in Kenntnis gesetzt (vergleiche Anl. K6-K8).

Der Klägerin kann nicht gemäß § 254 BGB vorgehalten werden, dass sie sich nicht selbstständig darüber informiert hat, ob die Abgasanlage nebst Verkleidung auf anderen Wegen hätte beschafft werden können, bzw. dass sie selbst keine Versuche unternommen hat, die Ersatzteile bei einer anderen Werkstatt zu bekommen. Hierzu war sie nach Beauftragung der Reparatur bei der ohne Sorgfaltsverstoß von ihr ausgewählten Werkstatt nicht verpflichtet. Die zur Darlegung des Mitverschuldenseinwands verpflichtete Beklagte hat auch nicht konkret vorgetragen, dass die benötigten Ersatzteile bei einem anderen Händler tatsächlich vorrätig waren und alsbald hätten geliefert werden können. Sie hat kein einziges Unternehmen benannt, auf das dies zuträfe (vergleiche OLG Köln, Urteil vom 25.6.1998 – 1U 20/98).

Soweit es dem Geschädigten nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB obliegt, den Schädiger auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadeneintritts aufmerksam zu machen, um so das seine zu tun, den Schaden nach Kräften zu mindern, ist die Klägerin dem nachgekommen. Wie unwidersprochen von ihr vorgetragen, hat ihr Prozessbevollmächtigter sich nämlich zunächst am 18.9.2014 persönlich bei der Beklagten gemeldet, den Sachverhalt dargelegt und um dringenden Rückruf des Sachbearbeiters gebeten, um die beschriebene Problematik einer Lösung zuzuführen, an deren Ende kein Rechtsstreit stehen sollte. Als kein Rückruf erfolgte, rief der Prozessbevollmächtigte am 25.9. 2014 erneut bei der Beklagten an und machte die Angelegenheit nochmals unter Vortrag des Sachverhaltes dringlich. Als auch darauf keine Reaktion erfolgte, schrieb er die Beklagte am 9.10.2014 unter Vorhalt der nicht erfolgten Rückrufe mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass das Fahrzeug des Klägers nach wie vor in der Werkstatt steht und das zu einer erheblichen Verzögerung der Reparatur komme, da Teile nicht geliefert werden können und ein Liefertermin nicht genannt werden.

Ohne Einbau der bestellten Abgasanlage konnte das unfallbeschädigte Fahrzeug nicht genutzt werden; eine Notreparatur, die die Verkehrs- und Betriebssicherheit gemäß der StVZO wiederhergestellt hätte, war nach den Feststellungen im Schadengutachten der Sach-Verständigen-Stelle an dem Fahrzeug unter Berücksichtigung der Schadenminderungspflicht mit geringen Mitteln nicht möglich. Gegenteiliges wird von der Beklagten auch nicht behauptet.

Mit dem vom Reparaturunternehmen berechneten Tagessatz von 34 EUR für den Mietwagen hatte die Klägerin schließlich ein günstiges Ersatzfahrzeug zur Verfügung, so dass es ihr aus dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht schließlich auch nicht oblag, ein Interimsfahrzeug anzuschaffen.

Nach allem stehen ihr die Mietwagenkosten ungekürzt zu.

Dementsprechend kann die Klägerin auch die mit der Klage geltend gemachten weiteren außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in voller Höhe von der Beklagten ersetzt verlangen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.

Berufungswert: 2.720 EUR

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