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Haftung eines Gerichtssachverständigen – Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs

OLG Köln – Az.: 10 U 9/13 – Urteil vom 20.02.2014

Die Berufung des Klägers gegen das am 04.04.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Köln (8 O 305/12) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen der Erstattung eines seiner Ansicht nach unrichtigen Gutachtens im Anspruch.

Der Kläger, ein als Insolvenzverwalter tätiger Rechtsanwalt, ist durch Urteil der 26. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt vom 15.11.2012 wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Der Kläger hatte in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der E sämtliche Vermögensgegenstände der E (Kundenlisten, Lieferantenadressen, sonstige materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter, Auftragsbestand sowie Anlage-und Umlaufvermögen) einschließlich des Sicherungsgutes der T zu einem Preis von zunächst 100.019,30 EUR und aufgrund eines Nachtrags zum Kaufvertrag von letztlich insgesamt 200.441,25 EUR an die I veräußert und übertragen. Gesellschafter der I waren ausschließlich dem insolventen Unternehmen nahestehende Personen, auch der Kläger selbst. Nach den Feststellungen der Strafkammer hatte der Kläger sich hierdurch zum Nachteil der Insolvenzmasse der E wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Der Verkauf des Betriebsvermögens der E unter 500.000,00 EUR als dem zumindest angemessenen Kaufpreis an eine Gesellschaft, an der der Kläger selbst beteiligt sei, verstoße gravierend gegen die Vermögensfürsorgepflicht des Insolvenzverwalters und erfülle den Missbrauchstatbestand des § 266 Abs. 1, 2. Alt. StGB. Die gegen das Strafurteil eingelegte Revision des Klägers ist mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11.12.2013 (2 StR 200/13) als unbegründet verworfen worden, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers ergeben hat.

Der Beklagte war in der Strafsache als Sachverständiger tätig gewesen. Das Landgericht Frankfurt hatte ihn vor der Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 202 StPO im Zwischenverfahren mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt, unter anderem zu der Frage, welcher Kaufpreis im Fall des Verkaufs an eine Auffanggesellschaft zum Zwecke der Sanierung und Fortführung des Unternehmens bei konkreter Wertermittlung realistischerweise erzielbar gewesen sei. Das schriftliche Gutachten lag im Januar 2012 vor. Nach den Ausführungen des Beklagten im schriftlichen Gutachten belief sich der objektive Wert des Geschäftsbetriebes der E zum Bewertungsstichtag auf 1.076.000,00 EUR.

Im Februar 2012 beauftragte der Kläger Herrn Prof. Dr. T2 mit der Erstellung eines Gegengutachtens, das im März 2012 angefertigt wurde; die Kosten für dieses Gutachten beliefen sich auf 14.280,00 EUR. Im Auftrag des Klägers gab im Februar 2012 auch der Gutachter G eine schriftliche Stellungnahme zu dem Gutachten des Beklagten ab. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 3.570,00 EUR. Rechtsanwalt Dr. P erstellte im Juni 2012 ein Rechtsgutachten zu der Frage der Strafbarkeit des Klägers als Insolvenzverwalter; die Kosten für dieses Gutachten betrugen 5.355,00 EUR.

Im Juli 2012 eröffnete die Strafkammer des Landgerichts Frankfurt das Hauptverfahren gegen den Kläger. Der Kläger beauftragte seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten zu einem Stundensatz von 250,00 EUR netto mit der Vertretung im Strafverfahren sowie den dazugehörigen zivilrechtlichen Fragen und leitete das vorliegende Zivilverfahren ein, in dem er mit Klage vom 11.07.2012 Schadensersatz wegen der ihm entstandenen Gutachterkosten von insgesamt 23.205,00 EUR (14.280,00 EUR + 3.570,00 EUR + 5.355,00 EUR) sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 11.694,76 EUR, hilfsweise 961,28 EUR geltend gemacht hat. Die Rechtsanwaltskosten von 11.694,76 EUR sind nach dem Vorbringen des Klägers nach der Stundensatzvereinbarung mit Kostennoten aus Mai und Juni 2012 abgerechnet worden und im Zwischenverfahren angefallen „zur Vertretung in der Straf- und Zivilsache … um die Gutachten im Rahmen des Zwischenverfahren vorzutragen pp.“ Der Rechtsanwalt hatte unter anderem den Beklagten durch Anwaltsschreiben vom 24.04.2012 zur Zahlung von Schadensersatz wegen der Gutachterkosten aufgefordert; die gesetzlichen Gebühren hierfür hat der Kläger mit 961,28 EUR errechnet.

In der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2013 vor dem Landgericht Köln hat der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 23.205,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn weitere 11.694,76 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, an ihn weitere 961,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, in der dem Kläger ein Schriftsatznachlass zum Vorbringen der Gegenseite im Schriftsatz vom 04.02.2013 eingeräumt worden war, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 01.03.2013 klageerweiternd den Antrag gestellt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn weitere 48.153,19 EUR sowie weitere 4.165,00 EUR sowie weitere 1.190,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Er hat diesen Anspruch mit den ihm in der Hauptverhandlung vor der Strafkammer angefallenen Verteidigerkosten begründet, die sich aufgrund der Honorarvereinbarung auf 48.153,19 EUR beliefen, wobei die gesetzlichen Gebühren 4.176,90 EUR betragen hätten, sowie mit Kosten in Höhe von 4.165,00 EUR und 1.190,00 EUR, die für die Selbstladung, Reise und Anwesenheit der Zeugen Prof. Dr. T2 und Dr. P angefallen seien. Der Schriftsatz vom 01.03.2013 ist dem Beklagten nicht zugestellt worden.

Mit Urteil vom 04.04.2013 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass unabhängig davon, ob das Gutachten des Beklagten mitursächlich für den Eröffnungsbeschluss der Strafkammer gewesen sei, die vom Kläger geltend gemachten Kosten jedenfalls nicht auf dieser gerichtlichen Entscheidung beruhten, so dass der sachliche Anwendungsbereich des § 839a BGB nicht eröffnet sei. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheitere daran, dass kein absolut geschütztes Rechtsgut des Klägers betroffen sei, die Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sei nicht ersichtlich und die Voraussetzungen des § 826 BGB seien nicht dargelegt. Zum Schriftsatz des Klägers vom 01.03.2013 hat das Landgericht ausgeführt, dass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO keine Veranlassung bestehe; insbesondere neue Sachanträge nach Schluss der mündlichen Verhandlung erforderten dies nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen und der Gründe der Entscheidung im einzelnen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 113 – 117R GA) Bezug genommen.

Gegen das Urteil vom 04.04.2013 hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er seine erstinstanzlichen Klageanträge sowie die Anträge aus dem Schriftsatz vom 1.3.2013 weiterverfolgt.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens und der Ausführungen im Schriftsatz vom 01.03.2013 rügt der Kläger die Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung. Insbesondere macht er geltend, er habe in ausreichendem Maße zum kausalen Schaden vorgetragen und Beweis angeboten. Das fehlerhafte Gutachten habe im Rahmen eines ununterbrochenen Zurechnungszusammenhangs zuerst zur Eröffnung des Hauptverfahrens, zu mehreren Zwischenentscheidungen und sodann schließlich zu seiner Verurteilung geführt, wozu er näher ausführt. Im Übrigen folge der geltend gemachte Anspruch auch aus § 826 BGB, da der Beklagte in der Hauptverhandlung in Kenntnis der Gegengutachten sowie des drohenden Schadens starr und völlig unkritisch sein Gutachten erstattet habe. Bei den klageerweiternd geltend gemachten Aufwendungen handele es sich um solche, die erst im Laufe der Hauptverhandlung und insbesondere durch das Strafurteil ersichtlich geworden seien, so dass schon in erster Instanz eine privilegierte Klageänderung im Sinne des § 264 ZPO vorgelegen habe. Jedenfalls sei eine Bezugnahme auf dieses Vorbringen nunmehr im Berufungsverfahren möglich.

Der Kläger beantragt,

1. das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Köln abzuändern und zu erkennen wie erstinstanzlich beantragt;

2. den Beklagten zu verurteilen, weitere 48.153,19 EUR, hilfsweise 4.176,90 EUR, sowie weitere 4.165,00 EUR und weitere 1.190,00 EUR an ihn zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Der Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit ergänzenden Ausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der ihm im Zwischenverfahren entstandenen Gutachter- und Anwaltskosten noch der ihm im in der Strafverhandlung vor dem Landgericht Frankfurt entstandenen Kosten für Verteidiger und Zeugen.

1. An der Zulässigkeit der Klage in Hinblick auf die Vorschriften der §§ 839a Abs. 2, 839 Abs. 3 BGB bestehen keine Bedenken (mehr), nachdem der Bundesgerichtshof im Verfahren 2 StR 200/13 mit Beschluss vom 11.12.2013 die Revision des Klägers gegen das Strafurteil des Landgerichts Frankfurt vom 15.11.2012 als unbegründet verworfen hat und damit Rechtsmittel in dem Strafverfahren ausgeschöpft sind.

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

a) Der Kläger hatte gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz der von ihm geltend gemachten Schäden aus § 839a BGB.

Nach § 839a Abs. 1 BGB ist ein vom Gericht ernannter Sachverständiger, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf dem unrichtigen Gutachten beruht. Der Wortlaut der Norm ist eindeutig. Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch ist nicht nur ein unrichtiges Gutachten, sondern vor allem auch eine auf diesem Gutachten beruhende gerichtliche Entscheidung sowie ein durch die gerichtliche Entscheidung – d.h. nicht (nur) durch das unrichtige Gutachten – entstandener Schaden (s. Palandt-Sprau, Kommentar zum BGB, 73. Auflage, § 839a Rn. 1a, 4, 6). Es genügt insoweit gerade nicht, dass, wenn der Beklagte das Gutachten aus Sicht des Klägers „richtig“ verfasst hätte, diesem die eingeklagten Kosten nicht entstanden wären.

aa) Soweit der Kläger die von ihm geltend gemachten Schadensersatzansprüche in erster Linie auf den Eröffnungsbeschluss vom 03.07.2012 sowie die zuvor ergangenen Verfügungen des Landgerichts Frankfurt stützt, ist die Klage unbegründet.

(1) Hinsichtlich der im Zwischenverfahren angefallenen Gutachterkosten von insgesamt 23.205,00 EUR und der Rechtsanwaltskosten von 11.694,76 EUR bzw. der hilfsweise gelten gemachten 961,28 EUR fehlt es, entsprechend den Ausführungen des Landgerichts, an dem erforderlichen doppelten Kausalzusammenhang. Sowohl die Gutachten der Herren Prof. Dr. T2 , G und Dr. P als auch die kostenauslösende Tätigkeit des Rechtsanwalts lagen zeitlich vor dem Eröffnungsbeschluss der Strafkammer. Die hierfür angefallenen Kosten als solche können daher nicht durch den Eröffnungsbeschluss entstanden sein. Die Gutachter- und Rechtsanwaltskosten wären auch dann angefallen, wenn das Landgericht das Strafverfahren auf das Gutachten des Beklagten hin nicht eröffnet hätte.

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An Verfügungen der Strafkammer im Zeitraum zwischen dem Eingang des Gutachtens und dem Eröffnungsbeschluss kann die Schadensersatzforderung des Klägers mangels des erforderlichen Kausalzusammenhangs ebenfalls nicht anknüpfen. Im Übrigen ist weder schlüssig dargetan noch sonst ersichtlich, dass in dieser Zeit in irgendeiner Form eine auf dem Gutachten beruhende gerichtliche Entscheidung i.S.d. § 839a BGB getroffen worden ist.

(2) Die in der Strafverhandlung entstandenen Anwaltskosten von 48.153,19 EUR bzw. der hilfsweise geltend gemachte Betrag von 4.176,90 EUR sowie die Kosten für die Zeugen Prof. Dr. T2 und Dr. P von insgesamt 5.355,00 EUR (4.165,00 EUR + 1.190,00 EUR) sind zwar zeitlich nach dem Eröffnungsbeschluss angefallen, der vom Kläger geltend gemachte Schaden beruht jedoch auf der Kostenentscheidung im Strafurteil, so dass der Eröffnungsbeschluss nicht isoliert als gerichtliche Entscheidung i.S.d. § 839a BGB herangezogen werden kann.

bb) Soweit der Kläger sich zur Begründung seiner Forderungen – sowohl hinsichtlich der in der Strafverhandlung entstandenen Kosten als auch der im Zwischenverfahren entstandenen Kosten – nunmehr hilfsweise auf das Strafurteil als gerichtliche Entscheidung stützt, bleibt die Berufung ebenfalls ohne Erfolg.

(1) Ob es sich bei diesem neuen Vorbringen – wie der Kläger meint – um eine Klageerweiterung nach § 264 ZPO handelt oder um eine Klageänderung i.S.d. § 263 ZPO, kann dahinstehen, da eine Klageänderung gemäß § 533 ZPO zulässig wäre.

Der Beklagte hat einer etwaigen Klageänderung zwar nicht zugestimmt, sie wären jedoch sachdienlich, da der Senat aufgrund der inzwischen eingetretenen Rechtskraft des Strafurteils und in Anbetracht des bisherigen Sach- und Streitstandes abschließend in der Sache entscheiden kann (s.u. (2)).

Der Kläger stützt sich auf Tatsachen, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO können neue Tatsachen eingeführt werden, wenn die Präklusion nach §§ 530, 531 ZPO nicht greift. Da der Kläger in der Berufungsbegründung alle ihm damals bekannten Tatsachen vorgetragen hat, hindert § 530 ZPO i.V.m. §§ 521, 521 Abs. 2 ZPO das neue Vorbringen nicht. Das Landgericht hat den Vortrag des Klägers hinsichtlich des Strafurteils auch nicht nach § 296 ZPO als verspätet zurückgewiesen, § 531 Abs. 1 ZPO, sondern lediglich ausgeführt, dass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund des Schriftsatzes des Klägers vom 01.03.2013 keine Veranlassung bestehe, insbesondere neue Sachanträge nach Schluss der mündlichen Verhandlung dies nicht erforderten. Gemäß § 531 Abs. 2 Nummer 3 ZPO können schließlich neue Angriffsmittel zugelassen werden, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Im Hinblick auf die Tatsache, dass das Strafurteil erst während des laufenden Berufungsverfahrens rechtskräftig geworden ist und ein an das Strafurteil anknüpfender Anspruch aus § 839a BGB die Ausschöpfung des Rechtsweges voraussetzt, ist das prozessuale Vorgehen des Klägers (der in erster Instanz weder vor noch in der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2013 noch in seinem anschließenden Schriftsatz vom 01.03.2013 auf das Strafurteil als solches als haftungsauslösende Entscheidung abgestellt hat) letztlich nicht zu beanstanden.

(2) Schadensersatzansprüche des Klägers gemäß § 839a Abs. 1 BGB, die an das Strafurteil anknüpfen, scheiden aber mangels Vorliegens der materiellrechtlichen Voraussetzungen in der Sache aus.

(a) Zum einen ist bereits zweifelhaft und vom Kläger nicht im Ansatz dargetan, ob das Strafurteil – nach dem im Strafverfahren grundsätzlich geltenden Mündlichkeitsprinzip – überhaupt auf dem im Zwischenverfahren erstellten schriftlichen Gutachten des Beklagten beruht oder nicht nur auf dem vom Beklagten in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten. Dazu ist näheres nicht vorgetragen, obwohl der Kläger selbst darauf hingewiesen hat, dass das Gutachten „erst mit dieser Einführung ( … ) Gegenstand der Hauptverhandlung und mithin rechtswirksam“ geworden sei (Bl. 236 GA).

Davon, dass das mündlich erstattete Gutachten inhaltlich identisch mit dem schriftlichen Gutachten war, kann nicht uneingeschränkt ausgegangen werden. So hatte nach den Gründen Seite 61 des Strafurteils der Beklagte in der Hauptverhandlung erläutert, dass er einen Kaufpreis von 2/3 des nach der Ertragswertmethode ermittelten objektiven Wertes von 1.076.000,00 EUR für den Geschäftsbetrieb der E als angemessen halte; er kam danach auf einen angemessenen Kaufpreis in der Bandbreite zwischen 717.000,00 EUR und 1.076.000,00 EUR.

(b) Darüber hinaus folgt aus dem Strafurteil Seite 59 ff., das hinsichtlich der Frage des – vom Landgericht in der Strafsache angenommenen – angemessenen Kaufpreises von 500.000,00 EUR die Feststellungen der Kammer gerade nicht, jedenfalls nicht in erster Linie auf dem Gutachten des Beklagten beruhte, sondern vornehmlich auf Zeugenaussagen, insbesondere auf der Aussage des Zeugen G2 , dem Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft I , der u.a. bekundet hatte, dass er den Geschäftsbetrieb damals sofort für 500.000,00 EUR gekauft hätte. Dass der Zeuge G2 , wie er dem Kläger mit e-Mail vom 11.05.2013 (Bl. 261 GA) bestätigt hat, ein solches Angebot tatsächlich im Jahre 2006 nicht abgegeben hatte, ist dabei unerheblich; der Zeuge hatte schon im Strafverfahren ausgesagt, dass ihm ein Erwerb des Betriebsvermögens damals nicht angeboten worden sei. Aus den Gründen Seite 60 des Strafurteils ergibt sich im Übrigen, dass der Zeuge G2 elf Monate später den ursprünglichen Geschäftsbetrieb der E als Geschäftsführer der I und die Anteile zusammen mit seinem Vater nach Verhandlungen für rund 500.000,00 EUR gekauft hat, wobei durch Pachtzahlungen schon über 400.000,00 EUR an Liquidität an die I abgeflossen waren.

(c) Abgesehen davon hat der Kläger nicht hinreichend dargetan, dass/in welcher Hinsicht die gutachterlichen Ausführungen des Beklagten zu dem angemessenen Kaufpreis auf einem grob fahrlässig unrichtig ermittelten Sachverhalt und/oder wissenschaftlich unvertretbaren Schlüssen beruhten.

Entgegen der Meinung des Klägers ergibt sich die wenigstens grob fahrlässige Erstellung eines fehlerhaften Gutachtens des Beklagten nicht ohne weiteres aus den von ihm eingeholten Gegengutachten.

Hierzu hat bereits die Strafkammer auf den Seiten 63 ff. ihrer Entscheidung ausgeführt, dass Prof. Dr. T2 und Dr. P zur Feststellung des Sachverhaltes letztlich nichts beitragen konnten, da diesen für ihre jeweiligen Gutachten lediglich ausgewählte Dokumente aus den Verfahrensakten zur Verfügung gestanden hätten. Sie seien bei ihren Aussagen deshalb von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Beide Sachverständigen hätten nicht den Tatplan des Klägers gekannt, die Vermögensgegenstände zu einem geringeren Wert an eine aus Insidern einschließlich des Klägers selbst bestehende Gesellschaft zu verkaufen. Ihre Aussagen basierten auf der Annahme, dass es kein anderes Kaufangebot gegeben habe und der erzielte Kaufpreis ohnehin der T aufgrund ihrer Sicherheiten zugestanden hätte, so dass aufgrund der Einwilligung der T in die Veräußerung letztlich kein Schaden für die Insolvenzmasse hätte entstehen können. Sie hätten während ihrer Vernehmungen im Wesentlichen Rechtsausführungen gemacht. Prof. Dr. T2 habe bei seiner Aussage eingeräumt, dass er bei seiner Beurteilung von einem feststehenden Sachverhalt ausgegangen sei. Er habe auch eingeräumt, dass vorliegend nicht lediglich Sicherungseigentum der T verwertet worden sei, sondern eine übertragende Sanierung unter Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände der E stattgefunden habe. Er habe ebenfalls eingeräumt, dass auch nach seiner Rechtsauffassung die T mit ihrer Zustimmung zum Vertragspaket sämtliche Verfügung des Insolvenzverwalters als Nichtberechtigter über das Vermögen der E genehmigt habe und daher keine Sicherungsrechte mehr aus dem Hypothekenhaftungsverband geltend machen könne. Dr. P sagte aus, dass es nur eine Schädigung der Insolvenzmasse gebe, wenn der Insolvenzverwalter jemanden finde, der mehr zahle. Ein Verkauf an Insider sei im Insolvenzverfahren zwar nicht ungewöhnlich, bringe aber eine hohe Offenlegungs- und Dokumentationspflicht des Insolvenzverwalters mit sich. Ein Insolvenzverwalter, der an Insider verkaufe, müsse einen Verkauf zumindest im Berichtstermin offenbaren und besonderen Wert auf die Bestellung eines neutralen Gutachters legen.

In Anbetracht dessen vermag der Senat nicht festzustellen, dass die vom Kläger eingeholten schriftlichen Gegengutachten überhaupt geeignet sind, die Unrichtigkeit des Gutachtens des Beklagten zu belegen.

Über die Bezugnahme auf seine Gegengutachten hinaus rügt der Kläger im Wesentlichen, dass der Beklagte fehlerhaft von einer Betriebsveräußerung ausgegangen sei, obwohl lediglich Anlage- und Umlaufvermögen veräußert worden seien, dass der Beklagte etwas zum Verkauf bewertet habe, was nie Masse gewesen sei, da alles im Eigentum der T gestanden habe, und dass die vom Beklagten verwendete Ertragswertmethode unvertretbar sei.

Hinsichtlich der beiden ersten Vorwürfe ist weder schlüssig dargetan noch sonst ersichtlich ist, dass der Beklagte und/oder die Strafkammer von unrichtigen Tatsachen ausgegangen sind. Dass es um die Ermittlung des angemessenen Kaufpreises für den Verkauf an eine Auffanggesellschaft zum Zwecke der Sanierung und Fortführung des Unternehmens ging, ergab sich für den Beklagten auch aus der Fragestellung im Beweisbeschluss. Die Drittrechte der T sind sowohl vom Beklagten als auch von der Strafkammer erkannt und berücksichtigt worden.

Warum die vom Beklagten verwendete, detailliert erläuterte und von der Strafkammer gebilligte Bewertungsmethode nicht wissenschaftlich vertretbar sein soll, hat der Kläger ebenfalls nicht nachvollziehbar begründet. In diesem Zusammenhang ist auch die Verwerfung der Revision als unbegründet durch den Bundesgerichtshof im Strafverfahren zu berücksichtigen. Der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2014 vor dem Senat vorgetragen, dass die im vorliegenden Verfahren gerügten Fehler des Sachverständigengutachtens gleichermaßen in der Revisionsbegründungsschrift im Rahmen der allgemeinen Sachrüge vorgebracht worden seien. Er habe in der Revisionsbegründung auch die Gutachten von Prof. Dr. T2 u.a. in Bezug genommen und vorgelegt. In der Berufungsbegründung hat der Kläger u.a. vorgetragen, dass die Strafkammer ihre rechtliche Würdigung auf eine isolierte Mindermeinung gestützt habe, was im Rahmen der Sachrüge revisibel sei; das Ertragswertverfahren sei in solchen Fällen nach der zutreffenden herrschenden Meinung gerade nicht anwendbar, so dass seine Sachrüge durchdringe. Dieser Ansicht ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt; er hat vielmehr ausgeführt, dass die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers ergeben habe. Von diesem Hintergrund scheidet jedenfalls der für § 839a BGB erforderliche Fahrlässigkeitsvorwurf aus.

b) Aus den vom Landgericht zutreffend und umfassend dargelegten Gründen, die auf den in zweiter Instanz erweiterten Klageantrag betreffend die in der Strafverhandlung angefallen Kosten übertragbar sind, folgen die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche nicht aus § 826 BGB. Konkrete Anhaltspunkte für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung sind vom Kläger auch im Berufungsverfahren nicht vorgetragen. Sein Vorwurf, der Sachverständige habe in Kenntnis seiner Einwendungen gemäß den Privatgutachten in der Hauptverhandlung vor der Strafkammer starr und völlig unkritisch an seinem schriftlichen Gutachten festgehalten, genügt insoweit nicht, zumal der Vorsatzvorwurf voraussetzt, dass der Beklagte die Richtigkeit der Einwendungen des Klägers erkannt hat. Hiervon kann gerade nicht ausgegangen werden. Der weiter erforderliche Vorwurf der Sittenwidrigkeit geht im Hinblick auf die Rolle des Beklagten in dem Strafverfahren gegen den Kläger fehl.

c) Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche können als Vermögensschäden schließlich nicht auf § 823 Abs. 1 BGB gestützt werden. Die Verletzung eines Schutzgesetzes i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ist nicht ersichtlich. Die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts werden vom Kläger in zweiter Instanz – zu Recht – nicht angegriffen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit dieses Urteils beruht auf den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Berufungsstreitwert: 88.407,95 EUR (23.205,00 EUR + 11.694,76 EUR + 48.153,19 EUR + 4.165,00 EUR + 1.190,00 EUR).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Unklare Rechtsfragen haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden. Von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte oder höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Senat ebenfalls nicht abgewichen.

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