AG Essen-Steele – Az.: 17 C 259/12 – Urteil vom 19.02.2014
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.625,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.07.2012 zu zahlen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 17.05.2012 im Kreuzungsbereich Pramenweg/Am Zehnthof in Essen ereignete.
Der Beklagte zu 1), der mit dem bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten Fahrzeug der Beklagten zu 2) fuhr, missachtete die Vorfahrt des Klägers. Das Fahrzeug des Klägers wurde durch die Kollision gegen drei parkende Fahrzeuge sowie eine Mauer geschleudert. Durch den Unfall erlitt das klägerische Fahrzeug einen Totalschaden. Der Kläger bestellte daraufhin ein Neufahrzeug, welches am 25.06.2012 ausgeliefert und auf ihn zugelassen wurde.
Mit Schreiben vom 28.06.2012 forderte der Kläger die Beklagte zu 3) unter anderem auf, eine Nutzungsausfallentschädigung für 39 Tage in Höhe von insgesamt 2.535,00 € zu zahlen. Die Beklagte zu 3) zahlte daraufhin eine Nutzungsausfallentschädigung für 14 Tage in Höhe von insgesamt 910,00 €. Weitere Zahlungen lehnte sie ab.
Der Kläger hat Klage beim Amtsgericht Essen erhoben. Durch Beschluss vom 22.10.2012 hat das Gericht sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Essen-Steele verwiesen.
Der Kläger behauptet, zur Kompensation seiner – unstreitigen – Schwerbehinderung sei er auf das Zusatzpaket „Distronic Plus“ angewiesen. Diese Sonderausstattung führe dazu, dass das teilsteife rechte Knie des Klägers im Fahrbetrieb weniger belastet werde. Er behauptet weiter, ein vergleichbares Fahrzeug mit derartigem Sonderzubehör sei auf dem Gebrauchtwagenmarkt nicht innerhalb von 14 Tagen zu kaufen. Er behauptet auch, er nutze das Fahrzeug überwiegend für längere Fahrtstrecken.
Der Kläger ist darüberhinaus der Ansicht, er habe vor der Ersatzanschaffung die Zahlung der Beklagten abwarten dürfen, da er finanziell nicht in der Lage sei, den Wiederbeschaffungsaufwand vorzufinanzieren. Da die Zahlung der Beklagten erst nach 32 Tagen erfolgt sei, bestehe schon aus diesem Grund ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für mindestens 32 Tage.
Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.625,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.07.2012 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Dipl.-Ing. … vom 22.08.2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von restlicher Nutzungsentschädigung i.H.v. 1.625,00 € gemäß §§ 7 I, 18 I StVG i.V.m. § 115 I VVG.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte zu 1) den streitgegenständlichen Verkehrsunfall allein verschuldet hat und die Beklagten daher für den aus dem Unfall resultierenden Schaden des Klägers haften.
Der bei einem Verkehrsunfall Geschädigte hat grundsätzlich einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die Dauer, in welcher er sein Fahrzeug unfallbedingt nicht nutzen kann. Der unfallbedingte Ausfall eines Kraftfahrzeuges stellt nach ständiger Rechtsprechung einen wirtschaftlichen Schaden dar, weil die ständige Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeuges als geldwerter Vorteil anzusehen ist.
Vorliegend konnte der Kläger sein Fahrzeug unfallbedingt für insgesamt 39 Tage nicht nutzen. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Ersatzbeschaffung eines vergleichbaren Fahrzeugs auf dem Gebrauchtwagenmarkt in einem Zeitraum von bis zu 14 Tagen nicht möglich war. Der Sachverständige hat diesbezüglich in seinem Gutachten nachvollziehbar ausgeführt, dass zum Zeitpunkt unmittelbar nach dem Eintritt des Unfallereignisses weder auf der Internetplattform www.mobile.de, noch bei dem in NRW größten Mercedes-Vertragshändler vergleichbare Fahrzeuge vom Typ des klägerischen Pkws mit entsprechender Sonderausstattung zur Verfügung standen und eine Ersatzbeschaffung auf dem Gebrauchtwagenmarkt unabhängig von der konkreten Wiederbeschaffungsdauer nahezu nicht möglich war. Dabei hat der Sachverständige seine Überprüfung zulässigerweise auf Fahrzeuge mit dem Zusatzpaket „Distronic“ beschränkt, da das klägerische Fahrzeug nach den Feststellungen des Sachverständigen entgegen den schriftsätzlichen Angaben des Klägers lediglich über das Zusatzpaket „Distronic“ und nicht über das Zusatzpaket „Distronic Plus“ verfügte. Der Kläger durfte daher ein Neufahrzeug bestellen. Das Risiko der daraus resultierenden längeren Ausfalldauer hat insofern der Schädiger zu tragen.
Der Kläger durfte auch seine Suche nach einem Ersatzfahrzeug auf solche Fahrzeuge beschränken, die über das Zusatzpaket „Distronic“ verfügten. Zwar hat der Sachverständige festgestellt, dass das System „Distronic“ in Abweichung zu dem System „Distronic Plus“ im Geschwindigkeitsbereich bis zu 30 km/h und somit gerade in Situationen des Kolonnen- bzw. des Stop-and-go-Verkehrs nahezu unbrauchbar ist. Jedoch hat der Sachverständige ausgeführt, dass das System es insbesondere bei längeren Überland- und Autobahnfahrten ermöglicht, die Benutzung und somit Beanspruchung des rechten Beines deutlich zu reduzieren. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, in welchem Umfang der Kläger sein Fahrzeug tatsächlich für längere Fahrten nutzt. Nach allgemeiner Lebenserfahrung liegt bei privat genutzten Pkw in der Regel keine ausschließliche oder weit überwiegende Nutzung entweder im Stop-and-go-Verkehr oder bei Überlandfahrten vor, sondern eine gemischte Nutzung, bei der beide Situationen auftreten. Dafür, dass hiervon abweichend das klägerische Fahrzeug ausschließlich im Stop-and-go-Verkehr genutzt wurde, bestehen vorliegend keinerlei Anhaltspunkte. Von unterschiedlichen Nutzungssituationen des klägerischen Fahrzeuges ausgehend, war dem Kläger zuzugestehen, sich ein Ersatzfahrzeug anzuschaffen, welches ihn im Hinblick auf seine Behinderung zumindest bei einem Teil der regelmäßig anfallenden Fahrten entlastet. Es handelt sich daher vorliegend nicht um Sonderausstattung, die lediglich aufgrund persönlicher Vorlieben des Klägers in dem Fahrzeug enthalten war.
Dem Kläger ist auch kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dahingehend vorzuwerfen, dass die Bestellung des Ersatzfahrzeuges früher hätte erfolgen müssen. Zu einer Vorfinanzierung beziehungsweise einer diesbezüglichen Kreditaufnahme ist der Geschädigte grundsätzlich nicht verpflichtet. Eine solche Pflicht wird von der Rechtsprechung nur ausnahmsweise bejaht. Vielmehr ist es das Risiko des Schädigers, wenn er auf einen Geschädigten trifft, der finanziell nicht in der Lage ist, die zur Ersatzbeschaffung notwendigen Mittel vorzustrecken und sich hierdurch der Zeitraum des Nutzungsausfalls und der Umfang des damit einhergehenden Schadens vergrößert (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.08.2007, Az.: 1 U 258/06, m.w.N.).
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286 I, 288 I BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 709 ZPO.
Der Streitwert wird auf 1.625,00 EUR festgesetzt.