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Herausgabe von sichergestelltem Geld

Rechtsstreit um beschlagnahmtes Bargeld: VG Aachen entscheidet über Herausgabe und Sicherstellung

In einem komplexen Fall, der vor dem Verwaltungsgericht Aachen verhandelt wurde, ging es um die Sicherstellung eines erheblichen Bargeldbetrags von 47.935 Euro. Der Kläger, der bereits wegen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln verurteilt wurde, forderte die Rückgabe des Geldes. Das Kernproblem des Falles lag in der Frage, ob das beschlagnahmte Geld aus illegalen Drogengeschäften stammt oder nicht, und ob der Kläger ein Anrecht auf die Herausgabe des Geldes hat.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 K 2385/21 >>>

Die Hintergründe der Sicherstellung

Herausgabe von sichergestelltem Geld
Beschlagnahmtes Bargeld führt zu Rechtsstreit: Nur ein kleiner Teil wird an den Kläger zurückgegeben. Fall unterstreicht die Komplexität von Sicherstellungsverfahren. (Symbolfoto: OlegRi /Shutterstock.com)

Im Sommer 2020 wurde gegen den Kläger wegen des Verdachts des unerlaubten Betäubungsmittelhandels ermittelt. Bei einer Wohnungsdurchsuchung wurden hohe Bargeldbeträge gefunden. Der Kläger behauptete, dass das Geld hauptsächlich aus dem Verkauf von Anteilen an zwei Shisha-Bars stammt. Die Polizei stellte das Geld sicher und verwies auf das Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen (PolG NRW), das eine Sicherstellung bei einer „gegenwärtigen Gefahr“ erlaubt.

Die Position des Klägers

Der Kläger erhob Klage und argumentierte, dass das Geld nicht aus Drogengeschäften stammt. Er gab an, dass er sich nur zum Schein an den Geschäften seines Onkels beteiligt habe und keine Kontakte in die Drogenszene besitze. Darüber hinaus stamme das Geld aus dem Verkauf von Shisha-Bars und anderen legalen Quellen wie „Bayram-Geld“ und Corona-Soforthilfe.

Die Argumente des Beklagten

Der Beklagte, in diesem Fall das Land, argumentierte, dass die vom Kläger vorgelegten Kaufverträge für die Shisha-Bars „grobe Fehler“ aufwiesen. Außerdem seien die Angaben des Klägers zur Höhe des Kaufpreises widersprüchlich zu seinen Angaben im Strafverfahren.

Das Urteil und seine Konsequenzen

Das Gericht entschied, dass der Beklagte verpflichtet ist, 3.070 Euro an den Kläger herauszugeben. Die restliche Klage wurde abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der Kosten durch das Ausbleiben eines Zeugen, trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und der Kläger kann die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden.

Dieser Fall zeigt die Komplexität von Rechtsfragen rund um die Sicherstellung von Vermögenswerten und die Herausforderungen, die sich aus der Verbindung von Straf- und Verwaltungsrecht ergeben. Es bleibt abzuwarten, ob der Kläger gegen das Urteil Berufung einlegen wird.

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Das vorliegende Urteil

VG Aachen – Az.: 6 K 2385/21 – Urteil vom 31.08.2023

Der Beklagte wird verurteilt, das sichergestellte Bargeld im Wert von 3.070,- EUR an den Kläger herauszugeben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten, die durch das Ausbleiben des Zeugen M zur mündlichen Verhandlung am 15. Juni 2023 entstanden sind, trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Sicherstellung von 47.935,- EUR Bargeld.

Im Sommer 2020 wurde gegen den Kläger wegen des Verdachts des unerlaubten Betäubungsmittelhandels ermittelt. Namentlich wurde er verdächtigt, sich gegenüber einem verdeckten Ermittler der Polizei gemeinsam mit zwei weiteren Beschuldigten zum Verkauf von 5 kg Kokain bereit erklärt zu haben. Im Zuge der Ermittlungen wurde am 16. Juni 2020, dem Tag der fingierten Abwicklung des Betäubungsmittelgeschäfts, die Wohnung des Klägers durchsucht. Bei der Durchsuchung wurden an mehreren Stellen in der Wohnung hohe Bargeldbeträge gefunden. So wurde in einem Portemonnaie, welches sich zwischen Unterwäsche in einer Kommode im Schlafzimmer befand, 570,- EUR gefunden. Im Hausflur wurde auf einem Garderobenschrank ein Damenrucksack gefunden, in dem sich ein weißer Stoffbeutel mit einer mit Gummiband fixierten Geldscheinrolle befand. Diese Geldrolle bestand überwiegend aus 50-Euro-Scheinen und hatte einen Wert von insgesamt 3.200,- EUR. Weiterhin befand sich in dem Stoffbeutel ein Lederetui mit fünf Briefumschlägen. Drei der Umschläge waren mit „10 EUR“ beschriftet und enthielten jeweils 10.000,- EUR, wobei sich das Bargeld überwiegend aus 100-Euro- und 200-Euro-Scheinen sowie einzelnen 500- Euro-Scheinen zusammensetzte. Ein weiterer Umschlag war mit „3180“ und „Sonntag“ beschriftet. Hierin befanden sich 3.175,- EUR in folgender Stückelung: 17 100-Euro-Scheine, 13 50-Euro-Scheine, 25 20-Euro-Scheine, 30 10-Euro-Scheine und fünf 5-Euro-Scheine. Der letzte Briefumschlag trug die Aufschrift „Montag 1190“ und enthielt 1.190,- EUR in folgender Stückelung: ein 100-Euro-Schein, vier 50-Euro-Scheine, 32 20-Euro-Scheine und 25 10-Euro-Scheine. Zwischen diesen Briefumschlägen steckten weitere 7.300,- EUR Bargeld in Form von 31 200-Euro-Scheinen und elf 100-Euro-Scheinen. Zuletzt wurde in dem Kinderzimmer in einer Kommode zwischen Kinderkleidung eine Schatulle gefunden, in der sich 2.500,- EUR Bargeld befanden. Die eingesetzten Polizeivollzugsbeamten ordneten die Beschlagnahme des Bargelds an.

Mit rechtskräftigem Urteil des LG A vom 28. Mai 2021 (Az. 00 KLs 000 Js 00/00) wurde der Kläger wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Einziehung des beim Kläger beschlagnahmten Bargelds wurde nicht angeordnet.

Nachdem der Kläger im Nachgang des Strafverfahrens die Herausgabe des Bargelds verlangt hatte, stellte der Beklagte das noch im amtlichen Gewahrsam befindliche Bargeld mit Verfügung vom 27. Juli 2021 unter Verweis auf § 43 Nr. 1 PolG NRW sicher. In der schriftlichen Bestätigung der Sicherstellungsverfügung wird zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Es liege eine gegenwärtige Gefahr im Sinne des § 43 Nr. 1 PolG NRW vor. Es erscheine überwiegend wahrscheinlich, dass der aufgefundene Bargeldbetrag durch den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln erzielt worden sei und hierfür auch wieder verwendet werden solle. Die Einlassung des Klägers im Strafprozess, wonach es sich bei dem Bargeld im Wesentlichen um den Erlös des Verkaufs (der Anteile) zweier Shisha-Bars handele, sei unglaubhaft. An der in Belgien befindlichen Shisha-Bar habe er ausweislich des belgischen Handelsregisters niemals Anteile besessen, weswegen ihm deren Verkauf nicht möglich gewesen sei. Daneben erscheine der vorgebliche Verkaufspreis in Höhe von 20.000,- EUR respektive 35.000,- EUR schon mit Blick auf die zum Zeitpunkt des Verkaufs begonnene Corona-Pandemie als zu hoch. Ferner wurde in der Sicherstellungsverfügung ein auf § 8 PolG NRW gestütztes Verfügungsverbot betreffend das Bargeld angeordnet.

Der Kläger hat am 19. August 2021 Klage erhoben.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Das sichergestellte Bargeld stamme nicht aus unerlaubtem Betäubungsmittelhandel. Mit den Drogengeschäften seines Onkels habe er nichts zu tun gehabt. Er habe ihm gegenüber immer nur „Liebkind“ gespielt und sich lediglich zum Schein an dessen Geschäften beteiligt. Tatsächlich habe er nie die Möglichkeit gehabt, irgendwelche Drogen zu beschaffen oder ein Geschäft zu vermitteln. Kontakte in die Drogenszene besitze er nicht. Dass er im Strafverfahren letztendlich die Vorwürfe im Sinne der Anklage eingeräumt habe, liege einzig und allein darin begründet, dass nur so eine Verfahrensabsprache zwischen sämtlichen Beteiligten habe getroffen werden können und er das Risiko einer höheren, nicht zur Bewährung ausgesetzten, Freiheitsstrafe nicht habe riskieren wollen. Das Bargeld stamme überwiegend aus dem Verkauf (der Anteile) zweier Shisha-Bars. Daneben handele es sich in Höhe von 570,- EUR um sog. „Bayram-Geld“ seiner Kinder. Bei weiteren 2.500,- EUR handele es sich um Ersparnisse seiner Ehefrau und ein Betrag in Höhe von 9.000,- EUR entstamme schließlich einer ihm wegen des Betriebs einer Shisha-Bar gewährten Corona-Soforthilfe. Ungeachtet dessen handele das beklagte Land widersprüchlich. So sei gegen ihn ein Steuerstrafverfahren wegen des Vorwurfs eingeleitet worden, die Gewinne aus dem Verkauf der Anteile an den Shisha-Bars nicht versteuert zu haben. Das beklagte Land könne nicht im hiesigen Verfahren bestreiten, dass er die Shisha-Bars verkauft habe, und den Verkauf gleichzeitig in einem Steuerstrafverfahren als zutreffend zugrunde legen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Sicherstellungsverfügung vom 27. Juli 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den sichergestellten Geldbetrag in Höhe von 47.935,- EUR an ihn herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er Bezug auf den angefochtenen Bescheid. Ergänzend trägt er vor, dass die vom Kläger vorgelegten Kaufverträge betreffend die Shisha-Bars „grobe Fehler“ aufwiesen und die Unterschriften auf den vorgelegten Verträgen und Quittungen offensichtlich nicht vom Kläger stammten. Des Weiteren widersprächen die Angaben des Klägers zur Höhe des Kaufpreises teilweise seinen Angaben im Strafverfahren.

In der mündlichen Verhandlung sowie in der Beweisaufnahme hat die Kammer die vom Kläger benannten Zeugen, Herrn M und F, vernommen. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 15. Juni 2023 sowie der Beweisaufnahme am 28. Juni 2023 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben im Termin zur Beweisaufnahme am 28. Juni 2023 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft A (Az. 000 Js 00/00) sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Kammer kann im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2, § 87a Abs. 2 und 3 VwGO).

Das Begehren des Klägers ist bei verständiger Würdigung nach § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er die Aufhebung der Anordnung der Sicherstellung betreffend das Bargeld sowie dessen Herausgabe begehrt. Die Aufhebung des zugleich angeordneten Verfügungsverbots ist hingegen nicht Gegenstand seines Begehrens. Denn in seinem (umfangreichen) Vorbringen, welches für die Ermittlung des Klagebegehrens maßgeblich ist,

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vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2012 – 9 B 56.11 -, juris, Rn. 7,

geht er an keiner Stelle auf selbiges ein.

Dergestalt ausgelegt ist die zulässige Klage nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Sicherstellungsverfügung vom 27. Juli 2021 ist rechtmäßig (I.). Der Kläger hat lediglich einen Anspruch auf Herausgabe des sichergestellten Bargelds im Wert von 3.070,- EUR (II.).

I. Die Sicherstellung und Inverwahrungnahme des Bargeldes ist rechtmäßig.

Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine auf § 43 Nr. 1 PolG NRW gestützte Sicherstellung des Bargelds lagen vor. Für deren Beurteilung ist auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung abzustellen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. März 2021 – 5 A 942/19 -, juris, Rn. 36.

Nach § 43 Nr. 1 PolG NRW kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren.

Unter einer polizeilichen Gefahr ist nach allgemeiner Anschauung eine Lage zu verstehen, in der bei ungehindertem Ablauf des Geschehens ein Zustand oder ein Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung führen würde. Dabei meint Schaden die objektive Minderung eines vorhandenen normalen Bestandes an geschützten Individual- oder Gemeinschaftsrechtsgütern, weshalb angesichts der hiervon umfassten Unverletzlichkeit der Rechtsordnung unter anderem jede Verletzung einer Rechtsnorm stets eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bedeutet. Dabei ist maßgeblich für die Bewertung des polizeilichen Handelns im Hinblick auf das Vorliegen einer derartigen Gefahr, ob nach dem Kenntnisstand der Polizeibeamten zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung eine entsprechende Gefahrenlage bestand.

Vgl. VG Aachen, Urteil vom 19. Dezember 2017 – 6 K 3136/17 -, juris, Rn. 23; VG Köln, Beschluss vom 20. Oktober 2017 – 20 L 3725/17 -, juris, Rn. 25; VG Aachen, Urteil vom 8. Mai 2017 – 6 K 1405/15 -, juris, Rn. 14.

§ 43 Nr. 1 PolG NRW enthält mit dem Erfordernis einer „gegenwärtigen“ Gefahr eine zusätzliche Qualifizierung der Eingriffsvoraussetzungen. Gegenwärtig ist eine Gefahr in diesem Sinne, wenn ein Schaden sofort oder in nächster Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Die Qualifizierung des Gefahrenbegriffs markiert daher eine besondere zeitliche Nähe der Gefahrenverwirklichung und ein gesteigertes Maß der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Gegenwärtig ist eine Gefahr dann, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder unmittelbar bzw. in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. März 2021 – 5 A 942/19 -, juris, Rn. 40 f. m.w.N.; Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2015 – 10 CS 15.1435, 10 C 15.1434 -, juris, Rn. 21; VG Mainz, Urteil vom 3. Juli 2018 – 1 K 1228/17.MZ -, juris, Rn. 37; VG Aachen, Urteile vom 19. Dezember 2017 – 6 K 3136/17 -, juris, Rn. 25, und vom 8. Mai 2017 – 6 K 1405/15 -, juris, Rn. 16.

Auch bei Anwendung des qualifizierten Gefahrenbegriffs ist nach allgemeiner Anschauung hinsichtlich des Grades der Wahrscheinlichkeit der Gefahrenverwirklichung eine differenzierte Betrachtung geboten. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit gestellt werden können. Die damit im Einzelfall verfassungsrechtlich unter Umständen gebotene Senkung des Wahrscheinlichkeitsgrades darf andererseits nicht dazu führen, dass in diesen Fällen ein polizeiliches Einschreiten auf reine Spekulationen oder lediglich hypothetische Erwägungen gestützt wird.

Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 7. März 2013 – 11 LB 438/10 -, juris, Rn. 36; VG Mainz, Urteil vom 3. Juli 2018 – 1 K 1228/17.MZ -, juris, Rn. 38; VG Aachen, Urteil vom 19. Dezember 2017 – 6 K 3136/17 -, juris, Rn. 27; VG Köln, Beschluss vom 20. Oktober 2017 – 20 L 3725/17 -, juris, Rn. 26; VG Aachen, Urteil vom 8. Mai 2017 – 6 K 1405/15 -, juris, Rn. 18.

Bezogen auf die Sicherstellung von Bargeld aus präventiv-polizeilichen Gründen zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr bedeutet dies, dass eine solche Maßnahme nur dann zulässig ist, wenn hinreichend konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Geldbetrag unmittelbar oder in allernächster Zeit zur Vorbereitung oder Begehung von Straftaten Verwendung finden soll. Der bloße Verdacht, das Geld solle in illegale Geschäfte fließen, reicht für eine präventiv-polizeiliche Sicherstellung nicht aus.

Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2015 – 10 CS 15.1435, 10 C 15.1434 -, juris, Rn. 21; OVG Bremen, Urteil vom 24. Juni 2014 – 1 A 255/12 -, juris, Rn. 25; VG Mainz, Urteil vom 3. Juli 2018 – 1 K 1228/17.MZ -, juris, Rn. 37; VG Aachen, Urteile vom 19. Dezember 2017 – 6 K 3136/17 -, juris, Rn. 29, und vom 8. Mai 2017 – 6 K 1405/15 -, juris, Rn. 20.

Ist anhand von hinreichenden Indizien davon auszugehen, dass Bargeld offensichtlich aus Drogengeschäften stammt, kommt diesem Umstand bei der Prüfung der Frage, ob eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliegt, ein erhebliches Gewicht zu. Es entspricht anerkannten kriminalistischen Erfahrungssätzen, dass das aus Drogengeschäften gewonnene Geld in der Regel zumindest teilweise wieder in die Beschaffung von Betäubungsmitteln investiert wird und diese Mittel so gleichsam zu deren Refinanzierung erneut in die illegale „Kreislaufwirtschaft“ eingespeist werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. März 2021 – 5 A 942/19 -, juris, Rn. 43; Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2015 – 10 CS 15.1435, 10 C 15.1434 -, juris, Rn. 22; Nds. OVG, Urteil vom 7. März 2013 – 11 LB 438/10 -, juris Rn. 38, sowie Beschluss vom 21. November 2013 – 11 LA 135/13 -, juris, Rn. 10.

Dabei ist nicht erforderlich, dass bereits eine ganz bestimmte illegale Verwendung des sicherzustellenden Geldes konkret absehbar ist. Notwendig und zugleich ausreichend ist, dass hinreichend konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte den Schluss rechtfertigen, dass die zeitnahe Begehung von weiteren Straftaten durch die Bargeldverwendung droht. Ein bloßer Gefahrenverdacht oder bloße Vermutungen reichen dafür aber nicht aus. Allerdings gilt ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. März 2021 – 5 A 942/19 -, juris, Rn. 45; Beschluss vom 10. November 2017 – 5 A 595/14 -, Seite 13 f. des Abdrucks, n.v.; Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2015 – 10 CS 15.1435, 10 C 15.1434 -, juris, Rn. 21; Nds. OVG, Urteile vom 25. Juni 2015 – 11 LB 34/14 -, juris, Rn. 34, vom 7. März 2013 – 11 LB 438/10 -, juris, Rn. 36, und vom 2. Juli 2009 – 11 LC 4/08 -, juris, Rn. 38.

Für die Herkunft eines sichergestellten Bargeldbetrages aus dem Drogenhandel können generell – nicht abschließend – insbesondere folgende Gesichtspunkte sprechen: Auffinden eines hohen Bargeldbetrags, der versteckt gehalten oder zumindest an einem ungewöhnlichen Ort aufbewahrt wird, sowie dessen nicht plausibel erklärte Herkunft und eine szenetypische Stückelung der Geldscheine, weiterhin Verdachtsmomente aus der organisierten Kriminalität sowie einschlägige strafrechtliche Ermittlungsverfahren bzw. Verurteilungen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. März 2021 – 5 A 942/19 -, juris, Rn. 47; Beschluss vom 25. Juli 2019 – 5 B 227/19 -, Seite 3 des Abdrucks, n.v.; Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2015 – 10 CS 15.1435 -, juris, Rn. 22; Nds. OVG, Urteil vom 7. März 2013 – 11 LB 438/10 -, juris, Rn. 36 ff.; Söllner, NJW 2009, 3339 ff.

Ausgehend von diesen Grundsätzen bestanden vorliegend im maßgeblichen Zeitpunkt der Sicherstellung des Bargeldbetrages hinreichend konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr. Der Beklagte ist mit Recht davon ausgegangen, dass das sichergestellte Bargeld aus Betäubungsmittelgeschäften stammt respektive unmittelbar für unerlaubten Betäubungsmittelhandel eingesetzt werden sollte. Hiernach lag eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Gestalt der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung (§§ 29 ff. BtMG) vor.

Für die dahingehende Annahme streitet zunächst der Umstand, dass die ursprüngliche Beschlagnahme des Bargelds im Zuge eines Ermittlungsverfahrens erfolgt ist, in dem der – insoweit geständige – Kläger schon zum Zeitpunkt der Sicherstellung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden war (Urteil des LG A vom 28. Mai 2021 – 00 KLs 000 Js 00/00 -). Zwar lag dem Ermittlungsverfahren ein von der Polizei initiiertes Drogengeschäft zugrunde, aus dem der Kläger keine Erlöse erzielen konnte. Allerdings belegen die Erkenntnisse aus der Überwachung seines Mobiltelefons, dass der Kläger über enge Kontakte zu Lieferanten verfügte, die regelmäßig mehrere Kilogramm Kokain zum Abverkauf vorrätig halten. So äußerte er gegenüber einem Mittäter, dass er keine Probe des Kokains beschaffen könne, weil seine Lieferanten jeden Tag andere Ware (unterschiedlicher Qualität) hätten und dementsprechend auch der Preis variiere (Bl. 51 und 274 BA II). Derartige Kenntnisse über den Geschäftsablauf legen nahe, dass der Kläger selbst in der Vergangenheit über seine Lieferanten Betäubungsmittel erworben hat. Hierbei ist auch zu beachten, dass es sich um großvolumige Geschäfte handelte, welche erfahrungsgemäß unter äußerster Geheimhaltung als Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung durchgeführt werden. Darüber hinaus durfte der Beklagte aus der mitgehörten Anweisung des Klägers an seine Ehefrau während der laufenden Durchsuchungsmaßnahme, das „ganze Geld“ zu verstecken (Bl. 88 BA II), auf eine illegale Herkunft des Bargelds schließen. Hierfür sprach im Übrigen auch die in Anbetracht der Höhe des Betrages zumindest ungewöhnliche Aufbewahrungsart des Bargelds – in einem Damenrucksack auf einem unmittelbar hinter der Eingangstür befindlichen Garderobenschrank. Schließlich begegnet es keinen Bedenken, dass der Beklagte die Herkunft des Bargelds aus dem Verkauf von Shisha-Bars mit Blick auf die Höhe des Kaufpreises und die begonnene Pandemie sowie die fehlende Eintragung des Klägers im belgischen Handelsregister als unglaubhaft bewertete.

Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug genommen, denen die Kammer folgt.

Auch Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere stellte sich die Sicherstellung des Bargelds aus den vorgenannten Gründen nicht als willkürlich dar. Sie erweist sich auch als verhältnismäßig.

Soweit der Kläger geltend macht, dass die polizeiliche Sicherstellung die gerichtliche Entscheidung „umgehe“, nach der das Bargeld gerade nicht der strafrechtlichen Einziehung unterliege, geht sein Vorbringen fehl. Es verkennt, dass insoweit strikt zwischen präventiv-polizeilicher Sicherstellung auf der einen und repressiv-strafrechtlicher Einziehung auf der anderen Seite zu unterscheiden ist. Eine Korrelation zwischen beiden Maßnahmen besteht hierbei ebenso wenig wie ein Vorrangverhältnis in dem Sinne, dass die einen die andere ausschließen würden. Strafprozessualen Freigabeentscheidungen – sei es durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft – kommt deshalb keinerlei Bindungswirkung für außerhalb eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens erfolgende polizeirechtliche Sicherstellungen zu.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. März 2017 – 5 B 1114/16 -, S. 7 des Abdrucks, n.v.; VG Köln, Urteil vom 3. Mai 2018 – 20 K 7407/16 -, juris, Rn. 51 ff.; Graulich, in: Lisken/Denninger, 7. Auflage 2021, E Rn. 625 ff.

Desgleichen liegt kein widersprüchliches Verhalten des beklagten Landes vor. Der Einwand des Klägers, es sei widersprüchlich, dass das Land einerseits den Verkauf der Shisha-Bars bestreite und das Bargeld als mutmaßliches Drogengeld sichergestellt habe, ihn andererseits aber wegen unterbliebener Versteuerung der – als wahr angenommenen – Verkäufe steuerstrafrechtlich verfolgte, greift nicht durch. Er übersieht, dass das gegen ihn von der zuständigen Finanzverwaltung geführte (mittlerweile abgeschlossene) Steuerstraf- und Besteuerungsverfahren lediglich die Zeiträume von 2016 bis 2019 umfasste und die vorgeblichen Verkäufe der Shisha-Bars im Jahr 2020 nicht Gegenstand der Ermittlungen waren (Bl. 90 d. GA.).

II. Der Kläger hat einen Anspruch auf Herausgabe des sichergestellten Bargelds im Wert von 3.070,- EUR (1.). Einen Anspruch auf Herausgabe des übrigen Bargelds (im Wert von 44.865,- EUR) hat er hingegen nicht (2.).

1. Hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 3.070,- EUR hat der Kläger einen Anspruch auf Herausgabe des sichergestellten Bargelds gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW. Nach dieser Vorschrift sind die (sichergestellten) Sachen, sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind, an diejenige Person herauszugeben, bei der sie sichergestellt worden sind. Entscheidungserheblicher Zeitpunkt für die Frage des Wegfalls der Sicherstellungsvoraussetzungen und in der Folge des Bestehens des Herausgabeanspruchs ist abweichend von der Entscheidung über die Sicherstellung nicht der Erlass des Verwaltungsaktes, sondern – wie generell bei der allgemeinen Leistungsklage – die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz respektive der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. März 2021 – 5 A 942/19 -, juris, Rn. 66.

In diesem Zeitpunkt liegen die Voraussetzungen für eine Sicherstellung des in einem Portemonnaie in einer Kommode im Schlafzimmer aufgefundenen Bargelds (570,- EUR) sowie des in einer Kommode im Kinderzimmer in einer Schatulle gefundenen Bargelds (2.500,- EUR) nicht mehr vor. Weder besteht eine gegenwärtige Gefahr durch dieses Bargeld (§ 43 Nr. 1 PolG NRW) noch bedarf es der Sicherstellung, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen (§ 43 Nr. 2 PolG NRW).

Der Kläger konnte in dem Termin am 15. Februar 2023 zur Überzeugung der Kammer glaubhaft darlegen, dass das Bargeld insoweit nicht aus unerlaubtem Betäubungsmittelhandel stammt, sondern es sich zum einem um sog. Bayram-Geld seiner Kinder und zum anderen um Ersparnisse (seiner Ehefrau) handelt. Insbesondere werden seine Angaben durch die separate Aufbewahrung des Bargelds in für (Kinder-)Ersparnisse nicht ungewöhnlicher Form – Portemonnaie/Schatulle in Kommode – gestützt. Ein Grund, weshalb der Kläger einen vergleichsweise sehr geringen Betrag seiner Erlöse aus dem Betäubungsmittelhandel separat bei Kleidungsstücken seiner Ehefrau bzw. Kinder aufbewahren sollte, ist nicht ersichtlich.

2. Hinsichtlich des übrigen sichergestellten Bargelds im Wert von 44.865,- EUR scheidet ein auf § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW gestützter Herausgabeanspruch hingegen aus.

Die Kammer kann dahinstehen lassen, ob die Voraussetzungen für eine fortwährende Sicherstellung nach § 43 Nr. 1 PolG NRW insoweit im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegen. Denn das Herausgabeverlangen des Klägers ist jedenfalls rechtsmissbräuchlich, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass er selbst Eigentümer bzw. berechtigter Besitzer des Geldes ist.

Zwar wäre die sichergestellte Sache gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW – den Wegfall der Voraussetzungen für die Sicherstellung unterstellt – grundsätzlich an diejenige Person herauszugeben, bei der sie sichergestellt worden ist. Der Polizei soll danach nicht zugemutet werden, die Berechtigung (Eigentum bzw. Besitz) an der Sache zu prüfen. Eines Eigentumsnachweises bedarf es grundsätzlich nicht. Etwas anderes gilt aber dann, wenn für die Nichtberechtigung desjenigen, bei dem die Sache sichergestellt worden ist, konkrete Anhaltspunkte vorliegen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. September 2016 – 5 A 667/16 -, juris, Rn. 46 ff., Beschlüsse vom 11. August 2010 – 5 A 298/09 -, juris, Rn. 45, und vom 12. Februar 2007 – 5 A 1056/06 -, juris, Rn. 9; Bay. VGH, Urteil vom 15. November 2016 – 10 BV 15.1049 -, juris, Rn. 48; OVG Bremen, Urteil vom 19. April 2016 – 1 LB 200/15, juris, Rn. 53; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Juli 2017 – 17 K 3532/14 -, juris, Rn. 105; VG Köln, Urteil vom 2. Oktober 2014 – 20 K 4013/12 -, juris, Rn. 60.

So liegt der Fall hier. Es bestehen konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger nicht Eigentümer des sichergestellten Bargelds ist. Er vermag sich nicht mit Erfolg auf die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berufen. Nach dieser Vorschrift wird zugunsten des (Eigen-)Besitzers einer beweglichen Sache vermutet, dass er beim Besitzerwerb auch Eigentümer der Sache geworden ist. Die Eigentumsvermutung gilt dabei auch zugunsten des Besitzers von Bargeld.

Vgl. Ebbing, in: Erman, BGB, 16. Auflage 2020, § 1006 BGB, Rn. 16; Thole, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 1006, Rn. 47.

Die gesetzliche Vermutung kann durch den Beweis des Gegenteils (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 292 ZPO) widerlegt werden. Die Widerlegung ist beispielsweise dann gelungen, wenn das Abhandenkommen der Sache (vgl. § 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB), der Fremdbesitzwille des Besitzers oder der fehlende Eigentumserwerb bewiesen ist. Ob die Eigentumsvermutung widerlegt ist, entscheidet das Gericht nach seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen freien Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 286 Abs. 1 ZPO).

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. März 2021 – 5 A 942/19 -, juris, Rn. 77, Beschlüsse vom 11. August 2010 – 5 A 298/09 -, juris, Rn. 29, und vom 22. Februar 2010 – 5 A 1189/08 -, juris, Rn. 13; vgl. weiterhin BGH, Urteil vom 4. Februar 2002 – II ZR 37/00 -, juris, Rn. 6 f.

Wegen der Unzuverlässigkeit des Schlusses vom Besitz auf das Eigentum dürfen an die Widerlegung der Vermutung keine hohen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der Beklagte nicht gezwungen, jede abstrakt denkbare Erwerbsmöglichkeit auszuschließen. Vielmehr mutet ihm § 1006 BGB den Gegenbeweis nur innerhalb vernünftiger Grenzen und in dem durch den substantiierten Sachvortrag des Klägers als Besitzer abgesteckten Rahmen zu. Dabei kann die Eigentumsvermutung auch mithilfe von Indizien und Erfahrungssätzen widerlegt werden. Trotz Zubilligung dieser Beweiserleichterungen müssen allerdings zumindest Umstände bewiesen werden, die – wenn ein Dritter konkret das Eigentum beansprucht – das Eigentum eben jenes Dritten wahrscheinlicher erscheinen lassen als das Eigentum des Besitzers oder – in den sonstigen Fällen – die vom Besitzer behaupteten Erwerbstatsachen widerlegen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 2002 – 8 C 9.01 -, juris, Rn. 15; OVG NRW, Urteil vom 2. März 2021 – 5 A 942/19 -, juris, Rn. 79; Beschluss vom 11. August 2010 – 5 A 298/09 -, juris, Rn. 31; BGH, Urteil vom 19. Januar 1977 – VIII ZR 42/75 -, juris, Rn. 26, m.w.N.

Im Falle der Heranziehung von Indizien und Erfahrungssätzen ist die Eigentumsvermutung dann widerlegt, wenn diese mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit gegebenenfalls verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet. Völlig ausgeschlossen sein müssen Zweifel indes nicht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 2002 – 8 C 9.01 -, juris, Rn. 16; OVG NRW, Urteil vom 2. März 2021 – 5 A 942/19 -, juris, Rn. 81; Beschluss vom 11. August 2010 – 5 A 298/09 -, juris, Rn. 33; Bay. VGH, Beschluss vom 19. November 2010 – 10 ZB 10.1707 -, juris, Rn. 11; BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 – IX ZR 238/91 -, juris, Rn. 16, m.w.N.

Gemessen daran ist die Eigentumsvermutung widerlegt. Die Angaben des Klägers zur Herkunft des Bargelds sind unglaubhaft. Seiner Einlassung, wonach das sichergestellte Bargeld überwiegend aus dem Verkauf von zwei Shisha-Bars stamme, kann nicht gefolgt werden. Ob tatsächlich ein Verkauf der beiden Shisha-Bars an die Zeugen M und F stattgefunden hat oder es sich hierbei lediglich um vorgeschobene Strohmanngeschäfte gehandelt hat, bedarf keiner Entscheidung. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer jedenfalls fest, dass das sichergestellte Bargeld dem Kläger nicht von den beiden Zeugen in Erfüllung eines irgendwie gearteten Vertragsverhältnisses übergeben worden ist. Die dahin lautenden Angaben des Klägers, der Zeugen F und M sowie die vorgelegten Vertragsunterlagen sind in wesentlichen Punkten nicht stimmig und teilweise widersprüchlich.

So haben der Kläger und der Zeuge M erklärt, den Vertrag betreffend die Shisha-Bar in L am 20. März 2020 geschlossen und am selben Tag auch das Geld übergeben zu haben. Ebenso weisen der vorgelegte Vertragstext sowie die Quittung dieses Datum auf (Bl.145 f.; 449 d. GA.). Gleichwohl steht die dahingehende Datierung in unauflösbaren Widerspruch zu dem weiteren Vorbringen des Zeugen M. So hat dieser behauptet, dass es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses „noch kein Corona gegeben habe“ und weiter ausgeführt, man habe damals „von Corona nichts mitbekommen, geschweige denn, dass man im Internet habe darüber lesen können“. Bedenken hinsichtlich der Pandemie habe er beim Erwerb der Shisha-Bar folglich keine gehabt, schließlich habe man „mit der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Auswirkungen, etwa Kontakteinschränkungen“ damals noch nicht rechnen können (Bl. 446 f. d. GA.). Diese Angaben sind nachweislich unzutreffend. Denn bereits unter dem 16. März 2020 – mithin vier Tage vor dem vorgeblichen Vertragsschluss – wurden weitreichende Kontaktbeschränkungen und Ladenschließungen (erster sog. Lockdown) beschlossen, die sodann am 22. März 2020 in Kraft getreten sind.

Vgl. Leitlinien der Bundesregierung zum Kampf gegen die Corona-Epidemie vom 16. März 2020, www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/leitlinien-zum-kampf-gegen-die-corona-epidemie-vom-16-03-2020-1730942.

Schon weil die mit dem sog. Lockdown einhergehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens zum damaligen Zeitpunkt beispiellos waren und insbesondere der Betrieb von Shisha-Bars vollständig untersagt wurde,

vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 22. März 2020, GV. NRW 2020, S. 178a,

kann ausgeschlossen werden, dass diese dem Zeugen M beim Vertragsschluss unbekannt geblieben sind oder er sich an diese im Zeitpunkt seiner Vernehmung lediglich nicht mehr erinnern konnte. Dies gilt insbesondere deshalb, weil aus dem Schreiben der Industrie- und Handelskammer vom 23. Februar 2023 (Bl. 162 d.GA.) hervorgehen dürfte, dass er für eine zwei Tage vor dem vorgeblichen Vertragsschluss datierte Gaststättenunterrichtung (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 GastG) angemeldet gewesen ist, die pandemiebedingt kurzfristig abgesagt werden musste.

Desgleichen widersprüchlich sind die Angaben des Klägers und des Zeugen M im Hinblick auf die Anzahl der Vertragsausfertigungen. Während der Zeuge M ursprünglich behauptet hat, es habe lediglich ein Exemplar gegeben, hat er auf entsprechende Suggestivfragen des Prozessbevollmächtigen des Klägers sodann – in Übereinstimmung mit dem klägerischen Vortrag – erklärt, es habe zwei Exemplare gegeben. Seine sinngemäße Einlassung, er habe die Fragen des Beklagtenvertreters missverstanden bzw. nicht gewusst, was das Wort „Exemplar“ bedeute, ist als reine Schutzbehauptung zu werten (Bl. 449 f. d. GA).

Ebenso widersprechen sich die Angaben des Klägers und des Zeugen F im Hinblick auf den vorgeblichen Verkauf der Shisha-Bar in Belgien. Der Kläger hat einen Kontoauszug einer Frau I vorgelegt, aus dem die Valutierung eines Darlehens in Höhe von 38.804,87 EUR unter dem 17. März 2020 sowie eine Bargeldauszahlung in Höhe von 34.000 am 18. März 2020 hervorgeht (Bl. 180 d. GA.). Bei verständiger Würdigung ist die Vorlage des Kontoauszugs dahingehend auszulegen, dass der Kläger hierdurch die Herkunft des vom Zeugen F für den Erwerb der Anteile verwendeten Bargelds nachweisen wollte, zumal er der dahingehenden Lesart durch den Beklagten (Bl. 398 f. d. GA.) nicht widersprochen und Frau I überdies sogar als Zeugin für die Veräußerung der Anteile an der Shisha-Bar benannt hat. Demgegenüber hat der Zeuge F bei seiner Vernehmung erklärt, dass es sich bei dem von ihm dem Kläger übergebenen Bargeld im Wesentlichen um den Gewinn aus einer TV-Show aus dem Jahr 2019 gehandelt habe, welches er gemeinsam mit seinen weiteren Ersparnissen monatelang in einem „sicheren Versteck“ deponiert habe. Am Tag des Vertragsschlusses, dem 15. März 2020, habe er das Geld aus dem Verstock entnommen und sodann dem Kläger übergeben (Bl. 437 f. d. GA.).

Daneben sind die Angaben des Klägers auch in sich widersprüchlich. Während er sich im Strafverfahren ausweislich der Feststellungen des Strafgerichts dahingehend eingelassen hat, dass er seine Anteile für einen Kaufpreis von 2.500,- EUR von einem Herrn Z gekauft habe (Bl. 113 BA I), hat er im hiesigen Verfahren behauptet, die Anteile für 1.000,- EUR von einem Herrn S erworben zu haben (Bl. 3 f., 118 d. GA.).

Schließlich begründen die vorgelegten Verträge durchgreifende Zweifel am Wahrheitsgehalt des behaupteten Verkaufs der Shisha-Bars. Die – für die Kammer nicht bindende – Bewertung des LG A, wonach keine Anhaltspunkte bestünden, an der Richtigkeit der schon im Strafverfahren vorgelegten Kaufverträge zu zweifeln, wird ausdrücklich nicht geteilt. Augenfällig sind vor allem die evident widersprüchlichen Kaufpreisangaben. So wird in § 2 Nr. 1 des Vertrages betreffend die Shisha-Bar in L der Kaufpreis wörtlich mit „20.000 (in Worten Dreißigtausend) Euro“ angegeben (Bl. 183 d. GA.). In dem Vertrag betreffend die Shisha-Bar in Belgien heißt es unter § 2 Nr. 1 zur Höhe des Kaufpreises „35.000 (in Worten Dreißigtausend) Euro“ (Bl. 266 d. GA.). Handelte es sich um authentische Vertragsformulare, wäre unbedingt zu erwarten gewesen, dass derart divergierende Kaufpreisangaben vor Unterzeichnung bemerkt und korrigiert werden, zumal der Kläger nach eigenen Angaben eine kaufmännische Ausbildung absolviert hat. Selbst juristische Laien widmen der korrekten Angabe des Kaufpreises vor Unterzeichnung eines Vertrages besonderes Augenmerk – die Einlassung des Zeugen M, wonach ihm die Divergenz nicht aufgefallen sei und er „nur auf die Grunddetails wie seinen Namen und seine Anschrift“ geachtet habe (Bl. 447 d.GA.) respektive des Zeugen F: „Wenn da etwas nicht in Ordnung gewesen wäre, hätte ich nicht unterschrieben“ (Bl. 438 d. GA.) muten vor diesem Hintergrund lebensfremd an. Ebenso realitätsfern erscheint mit Blick auf die widersprüchlichen Kaufpreisangaben die Behauptung des Zeugen F, es habe sich jedenfalls bei dem Kaufvertrag betreffend die Shisha-Bar in Belgien um ein von einem Steuerberater formulierten Vertragstext gehandelt, den er lediglich um seine Anschrift habe ergänzen müssen (Bl. 438 d. GA.). Vielmehr vermitteln die Unterlagen in einer Gesamtschau unweigerlich den Eindruck, als sei zur Schaffung eines schriftlichen Nachweises der Herkunft des Bargelds überhastet und unreflektiert laienhaft ein Mustervertrag ausgefüllt worden. So stellen die Parteibezeichnungen in der Präambel, die Bezeichnung des Kaufgegenstands in § 1 Nr. 1 und die – widersprüchliche – Kaufpreisangabe in § 2 Nr. 1 sowie die Fälligkeitsbestimmung in § 2 Nr. 2 die einzigen individualisierten Angaben in beiden Vertragsformularen dar, wohingegen andere wesentliche Passagen der Vertragsformulare nicht ausgefüllt sind. Namentlich finden sich unter § 1 Nr. 2 jeweils keine Angaben zu einer etwaigen Handelsregistereintragung, obgleich jedenfalls die in Belgien befindliche Shisha-Bar ausweislich des beigezogenen Verwaltungsvorgangs im (belgischen) Handelsregister eingetragen ist (Bl. 28 BA I). Darüber hinaus wird der Kaufgegenstand in Bezug auf die Anteile an der Shisha-Bar in Belgien in § 1 Nr. 2 auch nicht korrekt bezeichnet. So wird dieser mit „20 % der Anteile des Unternehmens H“ angegeben, obgleich das Unternehmen laut belgischem Handelsregister unter „G“ firmiert und „H“ lediglich den Namen der von ihm betriebenen Betriebsstätte (Shisha-Bar) darstellt (Bl. 9 ff. BA I). Ferner sind in § 4 Nr. 2 der Verträge jeweils die Felder zu den dem Vertrag beigefügten Anlagen (Bilanzen etc.) nicht ausgefüllt. Auffällig ist hierbei insbesondere, dass § 4 Nr. 2 zwei verschiedene – sich gegenseitig ausschließende – Klausel-Alternativen enthält, ohne dass eine von ihnen durchgestrichen wäre. Im Ergebnis liegt deshalb eine widersprüchliche Regelung vor. Aufgrund der Hervorhebungen (“ oder optional z.B. „; Kursivdruck der zweiten Alternative) hätte sich es auch einer juristisch nicht geschulten Vertragspartei – jedenfalls aber einem Steuerberater – aufdrängen müssen, dass eine der Alternativen durch Durchstreichen der anderen auszuwählen ist. Darüber hinaus fehlt in § 5 Nr. 3 jeweils die Angabe, bis zu welchem Zeitpunkt der Käufer sein vertragliches Rücktrittsrecht ausüben kann und in § 10 ermangelt es jeweils an Angaben zu Dauer und Geltungsbereich des Wettbewerbsverbots sowie zu Fälligkeit („oder/und“) und Höhe einer ggf. zu leistenden Vertragsstrafe. Auch insoweit wäre im Falle authentischer Vertragsunterlagen selbst von juristischen Laien – erst Recht aber von einem Steuerberater – zu erwarten gewesen, dass, wenn sie keine entsprechenden Regelungen treffen wollten, dies durch Durchstreichen der jeweiligen Passagen kenntlich machen würden. Dies gilt schon deshalb, weil in den Fußnoten des Vertrages teilweise explizit auf das dahingehende Erfordernis („Nicht zutreffendes Wort streichen“, Fn. 14) hingewiesen wird. Im Übrigen spricht der Umstand, dass in beiden Verträgen noch die erläuternden Fußnoten des Vertragsmusters enthalten sind, auch für sich genommen gegen die Authentizität der Vertragsunterlagen. Schon da diese z.T. ausdrücklich auf eine einseitige Bevorzugung einer Vertragspartei durch einzelne Klauseln („verkäuferfreundlich“, Fn. 5 und 8) hinweisen, wäre zu erwarten gewesen, dass diese von der den Vertrag erstellenden Partei entfernt werden. Weiterhin nehmen die beiden Verträge jeweils Bezug auf insgesamt fünf verschiedene Anlagen (jeweils § 13), die der Kläger indes weder im hiesigen Verfahren noch im Strafverfahren vorgelegt hat, sodass deren Existenz in Zweifel zu ziehen ist. Gerade mit Blick darauf, dass das in der Shiha-Bar vorhandene Inventar („fun for four“-Spielgerät) – welches in den vorgelegten Bilanzen nicht aufgeführt wird – f ür den Zeugen M für die Bemessung des Kaufpreises maßgeblich gewesen sein soll (Bl. 447 d. GA.), wäre eine entsprechende Fixierung des Eigentumsübergangs an dem Inventar jedenfalls in diesem Vertrag unbedingt zu erwarten gewesen.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Vertrag betreffend die Shisha-Bar in L vom Kläger nicht unterschrieben worden ist und sich die – vorgeblich vom Kläger stammende – Unterschrift unter dem Vertrag hinsichtlich der Shisha-Bar in Belgien erheblich von den Unterschriften unterscheidet, die der Kläger unter der Prozessvollmacht seines Verteidigers und der Eröffnung des Haftbefehls geleistet hat (Bl. 7 BA I und Bl. 203 und 340 BA II). Mit dem Nachtrag zum Mietvertrag vom 20. Januar 2020 (Bl. 262 d. GA.) ist schließlich eine dritte Unterschriftsvariation in den vorgelegten Unterlagen ersichtlich.

Soweit der Kläger behauptet hat, dass es sich bei dem in mit „3180“ und „Sonntag“ respektive „Montag 1190″ beschrifteten Umschlägen befindlichen Bargeld um Tageseinnahmen aus der H-Bar handele, die er nach dem Verkauf seiner Anteile für den Zeugen F verwahrt habe, werden seine Angaben bereits durch die Einlassung des Zeugen F widerlegt. So hat der Kläger diesbezüglich ausgeführt, das Geld lediglich treuhänderisch für diesen verwahrt zu haben, nachdem er ihm in Belgien mit den Tagesabschlüssen geholfen habe, da er noch keine Erfahrungen in diesem Bereich gehabt habe (Bl. 4, 154 d. GA.). Diametral hierzu hat der Zeuge F auf Nachfrage erklärt, dass die Abrechnung der Tagesgeldkasse im Aufgabenbereich eines der beiden Hauptanteilseigner gelegen habe. Er selbst habe sich aufgrund seiner Minderheitsbeteiligung überhaupt nicht um die Tageskasse gekümmert, sondern lediglich gekellnert sowie als Security fungiert (Bl. 438 d. GA.). Im Übrigen steht die Höhe der vorgeblichen Tageseinnahmen 3.180,- EUR“ und „1.190,- EUR in eklatantem Widerspruch zu den aus den vorgelegten Bilanzen ersichtlichen Umsätzen der belgischen Shisha-Bar für das Jahr 2020 – Jahresumsatz in Höhe von ca. 75.000 EUR (Bl. 354 ff. d. GA.) -, sodass es schon aus diesem Grund vollkommen abwegig ist, dass es sich um – legale – in der Shisha-Bar generierte Einkünfte handelt.

Zudem erscheinen mit Blick auf die vorgelegten Bilanzen sowohl die Höhe des Verkaufspreises der Anteile an der H-Bar als auch der Erlös aus dem Verkauf der Shisha-Bar in L unglaubhaft. Während die Bilanzen der H-Bar für das Jahr 2019 einen Verlust in Höhe von ca. 8.500,- EUR sowie für das Jahr 2020 einen Gewinn in Höhe von lediglich 642,- EUR ausweisen (Bl. 354 ff. d. GA.), hat die Bar in L ausweislich der Unterlagen 2019 einen Gewinn in Höhe von ca. 8.000,- EUR und 2020 einen Verlust in vergleichbarer Höhe (ca. 8.200,- EUR) erwirtschaftet (Bl. 362 ff. d. GA.). In Anbetracht der vorgeblichen Verkaufspreise in Höhe von 20.000,- EUR respektive 35.000,- EUR für 20 % hätte der Kläger 2020 somit mit beiden Lokalitäten jeweils ein Vielfaches des Vorjahresgewinn erwirtschaftet. Insbesondere steht der angeblich für die Anteile an der H-Bar erzielte Erlös in auffälligem Missverhältnis zu dem vom Kläger selbst gezahlten Preis. So will er eigenen Angaben zufolge seine Anteile im Oktober 2019 für 1.000,- EUR (hiesiger Vortrag) respektive 2.500,- EUR (Vortrag im Strafverfahren) erworben haben, was in Anbetracht des vom Zeugen F vorgeblich gezahlten Betrages in Höhe von 35.000,- EUR eine exorbitante Wertsteigerung innerhalb eines Zeitraumes von lediglich einem halben Jahr bedeutet, ohne dass diese durch die vorgelegten Bilanzen auch nur annähernd plausibilisiert würde. Eine andere Bewertung ist selbst dann nicht angezeigt, wenn dem – unglaubhaften (hierzu sogleich) – klägerischen Vorbringen folgend Verbindlichkeiten in Höhe von 17.000,-EUR respektive 19.000,- EUR bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt werden. Auch in diesem Fall bliebe es bei einer erheblichen Wertsteigerung, die eingedenk der Bilanzen nicht ansatzweise nachvollziehbar ist. Vielmehr wäre aufgrund des Umstands, dass die Shisha-Bar während der Hälfte des Zeitraums in dem der Kläger seine Anteile gehalten haben will aufgrund wiederholter Schlägereien ordnungsbehördlich geschlossen gewesen ist,

vgl. https://radio2.be/XXX,

ein (erheblicher) Wertverlust zu erwarten gewesen.

Des Weiteren stehen die Angaben des Klägers zur Herkunft des Geldes mit der Gesamthöhe des sichergestellten Bargelds nicht Einklang. Die Richtigkeit sämtlicher seiner Angaben unterstellt hätten sich in der Wohnung 71.435,- EUR befinden müssen (55.000,- EUR Verkaufserlös der Shisha-Bars, 570,- EUR Bayram-Geld der Kinder, 2.500,- EUR Haushaltsgeld/Ersparnisse der Ehefrau, 9.000,- EUR „Corona-Hilfe“, 3.175,- EUR sowie 1.190,- EUR Tageseinnahmen „H“). Seine auf entsprechenden Vorhalt im Termin am 15. Februar 2023 erklärte Einlassung, er habe nach dem Verkauf seiner Anteile an der H-Bar noch Schulden in Höhe von 19.000,- EUR an den Geschäftsführer der H-Bar in bar beglichen, ist ebenfalls als Schutzbehauptung zu werten. Belege über die vorgebliche Zahlung hat der Kläger nicht vorgelegt. Ferner sind aus den vorgelegten Bilanzen weder Schulden in Höhe des in Rede stehenden Betrages noch eine entsprechende Ablösezahlung durch den Kläger ersichtlich. Außerdem erscheint sein Vorbringen insoweit widersprüchlich, da er in seiner Klageschrift sinngemäß ausgeführt hat, die Schulden lediglich „in Höhe von 20 %“ (Bl. 4 d. GA.), seinen Anteilen an der Shisha-Bar entsprechend, übernommen zu haben. Im Übrigen erscheint es bereits unglaubhaft, dass der Kläger nach dem bereits erfolgten Verkauf seiner Anteile noch zu einer derart hohen Zahlung verpflichtet gewesen sein soll – eine dahingehende Freistellungsverpflichtung geht aus dem vorgelegten Kaufvertrag nicht hervor.

Unglaubhaft ist zuletzt auch die Behauptung des Klägers, bei dem sichergestellten Bargeld handele es sich in Höhe eines Betrages von 9.000,- EUR um die ihm gewährte Corona-Soforthilfe, welche er von seinem Konto abgehoben und in der Folge bei sich zuhause in bar aufbewahrt habe. Zunächst sind aus den vorgelegten Kontoauszügen lediglich Auszahlungen in Höhe von 8.000,- EUR ersichtlich (Bl. 334 d. GA.). Darüber hinaus ist es gänzlich unplausibel, weshalb der Kläger den Betrag über drei Monate nach der Auszahlung noch in bar in seiner Wohnung aufbewahren sollte. Seine Einlassung, er habe den Betrag zuhause aufbewahrt, weil er die Soforthilfe im Falle einer erfolgreichen Gewerbeumschreibung hätte zurückzahlen müssen, ist abwegig. Zum einen wäre in diesem Fall zu erwarten gewesen, dass der Kläger den Betrag als Ganzes abhebt und nicht über einen Zeitraum von fünf Tagen insgesamt vier Auszahlungen vornimmt. Zum anderen hätte es bei einer befürchteten Rückzahlungsverpflichtung nahegelegen, den Betrag gar nicht erst von dem Konto abzuheben, zumal er die laufenden Kosten der Shisha-L ohnehin über sein Konto abgewickelt haben will und überdies ausweislich der vorgelegten Kontoabrechnungen für jede Ein- und Auszahlung Gebühren anfallen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Auszahlung der Corona-Soforthilfe nach dem vorgeblichen Verkauf erfolgt ist, sodass die staatliche Unterstützungsleistung an sich dem Zeugen M als neuem Betreiber zugestanden hätte. Etwaige Verzögerungen bei der Gewerbeumschreibung rechtfertigen keine abweichende Bewertung, denn ausweislich des vom Kläger vorgelegten Durchsuchungsberichts vom 16. Juni 2020 (Bl. 253 d. GA.) trat der Zeuge M zum Zeitpunkt der Sicherstellung jedenfalls faktisch als Betreiber der Shisha-Bar auf.

Nach alldem geht die Kammer aus den oben angeführten Gründen davon aus, dass es sich bei dem sichergestellten Bargeld insoweit um die Erlöse aus unerlaubten Betäubungsmittelgeschäften handelt.

Soweit der Kläger schriftsätzlich geltend gemacht hat, dass er an dem Betäubungsmittelhandel seines Onkels nicht beteiligt gewesen sei und die Beteiligung im Strafverfahren lediglich mit Blick auf eine zu erwartende Strafmilderung wahrheitswidrig eingeräumt habe, ist dies als – offensichtliche – Schutzbehauptung zu werten. Gleiches gilt für seine Einlassung, wonach er seine Ehefrau während der Durchsuchungsmaßnahme lediglich aus Furcht vor einer „unberechtigten“ Beschlagnahme angewiesen habe, das Geld zu verstecken.

Die hiernach zu vermutende Herkunft aus unerlaubtem Betäubungsmittelhandel erschüttert die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil der Kläger an den Erlösen aus unerlaubtem Betäubungsmittelhandel nicht wirksam Eigentum erwerben konnte. Denn aus dem gesetzlichen Verbot des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) folgt nach § 134 BGB die Nichtigkeit sämtlicher zur Durchführung eines solchen Geschäfts getroffenen schuldrechtlich und dinglich wirkenden Willenserklärungen. Diese erfasst damit neben der schuldrechtlichen Vereinbarung des Geschäfts auch die der Erfüllung des verbotenen Rechtsgeschäfts dienende Übergabe der Betäubungsmittel und die Hingabe von Bargeld zur vermeintlichen Kaufpreiszahlung.

Vgl. statt vieler: BGH, Urteil vom 15. April 2021 – 5 StR 371/20 -, juris; Rn. 17 m.w.N.; Armbrüster, in: MüKo, BGB, 9. Auflage 2021, § 134 Rn. 17.

Wegen der Rechtmäßigkeit der Sicherstellungsverfügung hat der Kläger auch keinen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch auf Herausgabe des sichergestellten Geldes im Wert von 44.865,- EUR.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. September 2016 – 5 A 667/16 -, juris, Rn. 29.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Das Unterliegen des Beklagten hinsichtlich der Klage auf Herausgabe des sichergestellten Bargelds ist als geringfügig anzusehen.

Die Auferlegung der Terminskosten zulasten des Zeugen M beruht auf § 98 VwGO i.V.m. § 380 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da dieser unentschuldigt nicht zur mündlichen Verhandlung am 15. Juni 2023 erschienen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird Bezug genommen auf die Beschlüsse der Kammer vom 15. Juni 2023 und 11. August 2023.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

 

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