Skip to content

Hundehalterhaftung – Schmerzensgeld bei Hundebissen

OLG München – Az.: 32 U 2167/16 – Urteil vom 16.12.2016

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 08.04.2016, Az. 34 O 10032/14, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 40.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Höhe eines Anspruches auf Schmerzensgeld der Klägerin gegen die Beklagte als Hundehalterin.

Hundehalterhaftung - -Schmerzensgeld bei Hundebissen
(Symbolfoto: The Len/Shutterstock.com)

Die am 24.05.2010 geborene Klägerin befand sich am Nachmittag des 09.06.2012 auf dem Spielplatz am A Platz in M. Sie wurde dort von dem Hund der Beklagten in die rechte Wange gebissen.

Der Hund hatte bereits am 17.02.2011 bei einem anderen zu dem Zeitpunkt 10-jährigen Mädchen eine Bissverletzung an der Lippe verursacht.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von € 90.000,00, zum Ersatz der Unfallkosten in Höhe von € 1.964,24 und zum Ersatz von Operationskosten in Höhe von € 4.000,00 verurteilt. Die Beklagte hafte der Klägerin auf Schadensersatz nach § 833 BGB. Ein Mitverschulden der Klägerin scheide aus, sie müsse sich auch nicht ein etwaiges Mitverschulden ihrer Mutter zurechnen lassen. Die Drittwiderklage gegen die Mutter der Klägerin auf hälftige Freistellung von Zahlungsansprüchen Dritter hat das Landgericht abgewiesen.

Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz, des Verfahrensgangs und des Urteilsinhalts wird im übrigen Bezug genommen auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Nach Gewährung von Prozesskostenhilfe nur für einen Teil der von der Beklagten beabsichtigten Berufung im Beschluss vom 14.06.2016 wendet sich die Beklagte mit der Berufung nur noch gegen die Verurteilung zur Zahlung eines höheren Betrages als € 55.964,24.

Die Bemessung des Schmerzensgeldes basiere auf falschen Tatsachen. Das Landgericht sei fehlerhaft von einer vollständigen Durchtrennung des Gesichtsnervens ausgegangen. Dies sei jedoch von der Beklagten bestritten worden. Das Landgericht sei auch nicht auf den Verschuldensgrad eingegangen. Die Beklagte habe allenfalls fahrlässig gehandelt und den Unfall keineswegs billigend in Kauf genommen. Die Beklagte habe auch nicht gegen behördliche Auflagen verstoßen. Das Gericht habe auch die Vermögenslosigkeit der Beklagten berücksichtigen müssen. Auch die Anwaltskosten seien aus einem falschen Gegenstandswert berechnet.

Die Streithelferin ist mit Schriftsatz vom 15.09.2016 dem Berufungsverfahren auf Seiten der Klägerin beigetreten. Sie ist der Auffassung, die Beklagte habe die Verletzung der Klägerin durch den Hund der Beklagten jedenfalls billigend in Kauf genommen.

Die Beklagte beantragt: Das Urteil des Landgerichts München l vom 08.04.2016, Az. 34 O 10032/14 wird aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin einen Betrag zu zahlen, der die Gesamtsumme von EUR 55.964,24 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.04.2014 zu leisten hat. Die Klage wird insoweit abgewiesen.

Die Klägerin beantragt: Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt vor, neben den von dem Landgericht in dem Urteil angeführten Umständen lägen noch zahlreiche weitere Umstände vor, die im Rahmen der Bemessung des Schmerzensgeldes einen noch höheren Betrag rechtfertigten.

Die Haftpflichtversicherung der Beklagten ist dem Berufungsverfahren auf Seiten der Klägerin beigetreten. Es sei von bedingtem Vorsatz der Beklagten auszugehen. Schon aufgrund des Vorfalls am 17.02.2011 habe die Beklagte gewusst, dass ihr Hund gefährlich sei. Sie sei deswegen auch mehrfach von der Stadt angehört worden. Zudem hätten sich zahlreiche Schilder um den Spielplatz herum befunden, aus denen sich ein Hundeverbot ergeben habe.

Bezüglich der Einzelheiten des Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die von diesen im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze verwiesen; auf die richterlichen Hinweise im Senatsbeschluss vom 14.06.2016 und auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 29.09.2016 wird Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger erweist sich in der Sache als unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, den sie am 09.06.2012 durch den Hund der Beklagten erlitten hat. Die Beklagte haftet nach § 833 Satz 1 BGB als Halterin des Hundes. Wird durch ein Tier der Körper oder die Gesundheit eines Menschen beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, § 833 Satz 1 BGB.

Der Hund der Beklagten hat die Klägerin am 09.06.2012 auf dem Spielplatz am A Platz in M in die rechte Wange gebissen. Das Landgericht hat die Schadensersatzpflicht der Beklagten für die der Klägerin aus der Verletzung folgenden Schäden und Beeinträchtigungen zutreffend und umfassend festgestellt. Alle Tatbestände der Gefährdungshaftung, insbesondere auch § 833 Abs. 1 BGB, begründen einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Voraussetzung ist, dass eines der in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter verletzt wurde. Der Schädiger schuldet dann neben dem Ersatz des Vermögensschadens zugleich für den immateriellen Schaden eine billige Entschädigung in Geld (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 253 Rn. 5, 7).

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und den Hinweis des Senates in dem Beschluss vom 14.06.2016 verwiesen.

2. Nach der Beschränkung der Berufung ist noch darüber zu entscheiden, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin einen höheren Betrag als € 55.964,24 zu zahlen. Das Landgericht hat der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von € 90.000,00 zugesprochen. Die Beklagte wendet sich gegen eine Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld in dieser Höhe.

a) Das Landgericht hat in dem angegriffenen Urteil bei der Bemessung des Schmerzensgeldes vor allem auf die Schwere der Verletzung und die Folgen der Verletzung für die Klägerin abgestellt. Es hat dabei berücksichtigt, dass sich die Klägerin zahlreichen Operationen unterziehen musste und auch weitere Operationen erforderlich werden. Zudem lägen erhebliche bleibende Schäden vor, die mit enormen psychischen Belastungen verbunden seien. Durch die Verletzung weiche das Mädchen so stark von der Norm ab, dass dies auch jedem Fremden sofort auffalle. Die Klägerin könne eines der Augen nicht richtig schließen. Die Belastungen würden sich auch noch in das Erwachsenenalter hineinziehen. Es sei weiter das Verhalten der Klägerin selbst zu berücksichtigen. In die Bemessung der Höhe des zu zahlenden Betrages seien andere Urteile zu ähnlichen Verletzungen mit einzubeziehen. Das Landgericht hat dabei insbesondere auf ein Urteil des OLG Zweibrücken (Urteil vom 28.02.1996 – 1 U 210/94) abgestellt.

b) Die Beklagte ist unter Berufung auf ein von der Klägerseite als K 20 vorgelegtes Gutachten der Auffassung, dass der Bemessung des Schmerzensgeldes schon fehlerhafte und unvollständige Tatsachenfeststellungen zugrunde liegen. Denn daraus ergebe sich die Möglichkeit, dass lediglich eine Muskelverletzung vorliege. Das Landgericht hätte zudem auf den Verschuldensgrad eingehen müssen. Es habe nur ein fahrlässiges Verhalten der Beklagten vorgelegen. Schon deswegen müsse das Schmerzensgeld geringer sein. Die Beklagte habe nicht mit diesem Verhalten ihres Hundes rechnen müssen. Sie habe nicht gegen Auflagen der Stadt verstoßen. Der Bescheid mit weitergehenden Auflagen sei der Beklagten erst am 09.06.2012 zugestellt worden. Sie habe davon erst nach dem Schadensereignis Kenntnis erlangt. Die ein Hundeverbot aussprechenden Piktogramme auf den Oberseiten der außerhalb des Spielplatzes befindlichen Pfosten seien nicht zu erkennen gewesen.

c) Das Landgericht hat zu Recht den Betrag des der Klägerin nach § 253 Abs. 2 BGB zustehenden Schmerzensgeldes mit € 90.000,00 bemessen. Auch der Senat hält aufgrund einer eigenständigen Würdigung (vgl. MüKo/Oetker, 7. Aufl. § 253 BGB Rn. 74) der in der Berufung nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu berücksichtigen Tatsachen, der zulässig neu vorgetragenen Tatsachen zu den aktuellen Befunden und der Anhörung der Beklagten persönlich in dem Termin vom 29.09.2016 ein Schmerzensgeld in dieser Höhe für angemessen, aber auch ausreichend.

aa) Die Schmerzensgeldhöhe muss unter umfassender Berücksichtigung aller für die Bemessung maßgeblichen umstände festgesetzt werden und in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzungen stehen (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 253 Rn. 15). Dabei können in der Person des Verletzten liegende und in der Person des Schädigers liegende umstände unterschieden werden.

Auf Seiten des Verletzten sind beispielsweise zu berücksichtigen das Ausmaß und die Schwere der Verletzung, die Belastung durch Operationen, das Verbleiben dauernder Schäden, Behinderungen oder Entstellungen und das Alter des Verletzten (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 253 Rn. 16).

Benötigen Sie Hilfe vom Anwalt? Schildern Sie uns Ihr Anliegen und fordern online unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.

Als in der Person des Schädigers liegende umstände ist der Verschuldensgrad zu berücksichtigen, wenn das Verhalten vorsätzlich oder grob fahrlässig war. Für die Bemessung des Schmerzensgeldes ist es zwar regelmäßig gleichgültig, ob der Schädiger nur aus Gefährdung oder auch wegen Fahrlässigkeit haftet. Die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes ist aber jedenfalls noch bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Taten zu berücksichtigen (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 253 Rn. 4, 17). Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers sind in der Regel nicht zu berücksichtigen (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 253 Rn. 17).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen sind als in der Person der Verletzten liegende umstände hier die ganz erheblichen unmittelbaren und dauernden Folgen der Verletzung für die Klägerin zu berücksichtigen.

Die Klägerin musste sich seit dem Schadensereignis immer wieder Operationen unterziehen. Das Landgericht hat hier zutreffend zusätzlich darauf abgestellt, dass auch in Zukunft noch weitere Operationen erforderlich werden. Schon die Anzahl der bisher erfolgten Operationen lässt die Folgen der Verletzung als schwerwiegender erscheinen als die Verletzungsfolgen, die den von den Parteien zitierten Entscheidungen anderer Gerichte zugrunde lagen. Dies gilt umso mehr, als die Verletzung in frühem Kindesalter erfolgte, so dass schon wegen des Wachstums der Klägerin für die Defektdeckung im Wangenbereich bis zum Zeitpunkt des Ausgewachsenseins weitere Operationen zu erwarten und zu besorgen sind.

Auch das Alter der Klägerin rechtfertigt hier ein Schmerzensgeld, das über andere Fälle hinausgeht. Die Klägerin wurde von dem Hund der Beklagten im Alter von 2 Jahren gebissen. Seitdem ist die Kindheit wesentlich auch von Arztbesuchen und Krankenhausaufhalten und dem täglichen Umgang mit den Verletzungsfolgen geprägt. So sind zwar nach dem Attest der Augenärztin vom 10.10.2016, auf das sich auch die Beklagte beruft, die Lidspalten inzwischen fast gleich groß. Jedoch sind immer noch tagsüber benetzende Augentropfen und nachts ein Gel dringend erforderlich. Hinzu kommen für die Klägerin die psychischen Belastungen, auf die auch das Landgericht zutreffend abgestellt hat. Es ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht normal lachen kann, da sich der eine Mundwinkel aufgrund der Schädigung des Gesichtsnervs beim Lachen nicht hebt.

Auch die dauernden Folgen der Verletzung sind hier erheblich. Die Berufung greift das Urteil unter Berufung auf die Anlage K 20 dahin an, dass das Landgericht nicht festgestellt habe, ob lediglich eine Muskelschädigung vorliege. Tatsächlich hat in dem fachärztlichen Gutachten vom 31.12.2014 von Dr. D, das für die Versicherung .. erstellt und von der Klägerin vorgelegt wurde, die Ärztin festgestellt, dass sich nicht klinisch beurteilen lasse, ob ein Defizit der Gesichtsmuskulatur bestehe. Hingegen hat sie eine inkomplette Nervus facialis Parese rechts festgestellt. Weiterhin heißt es in dem Gutachten, dass sich zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens noch nicht abschließend feststellen lässt, ob sich die N. facialis Parese noch bessern wird, vgl. S. 33 des Gutachtens, K 20.

Anhaltspunkte dafür, dass nur eine Muskelschädigung vorliegt, sind nicht gegeben. Sämtliche Stellungnahmen der behandelnden Ärzte und auch der als Sachverständige herangezogenen Ärzte wie von Dr. D gehen von einer teilweisen N. facialis Parese neben einer Schädigung von Gesichtsmuskeln aus.

Jedoch ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen, dass ungewiss ist, ob irgendwann eine Heilung oder wenigstens erhebliche Verbesserung der derzeit vorhandenen Verletzungsfolgen eintreten wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass abgesehen von den bleibenden Folgen durch die psychischen Beeinträchtigungen ab dem frühen Kindesalter die rein körperlichen Beeinträchtigungen durch Heilungsprozesse oder weitere ärztliche Behandlungsmaßnahmen sich erheblich bessern oder aufhören. Der Senat hat dies in die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes mit einbezogen.

cc) Als in der Person des Schädigers liegende Umstände ist hier das grob fahrlässige Verhalten der Beklagten zu berücksichtigen. Der Grad des Verschuldens des Schädigers beeinflusst die Bemessung der Entschädigung (MüKoBGB/Oetker, 7. Aufl. § 253 BGB Rn. 48). Dies gilt auch für die Fälle der Gefährdungshaftung. Denn wenn auch bei einer verschuldensunabhängigen Haftung die am Verschulden des Schädigers ausgerichteten Schmerzensgeldbeiträge zu verringern sein mögen, sind diese jedoch bei einem hinzutretenden Verschulden des Schädigers wieder zu erhöhen (MüKoBGB/Oetker, 7. Aufl. § 253 BGB Rn. 48).

aaa) Nach der Überzeugung des Senates, insbesondere nach Anhörung der Beklagten in dem Termin vom 29.09.2016 lag bezüglich der Verletzung der Klägerin kein bedingter Vorsatz der Beklagten vor.

Bei einem bedingten Vorsatz muss der Täter die Tatbestandsverwirklichung nicht erstreben oder als sicher ansehen, sondern nur für den Fall ihres Eintritts in Kauf nehmen. Der Täter muss mit dem von ihm für möglich gehaltenen Erfolg einverstanden sein oder ihn wenigstens billigend in Kauf nehmen. Dabei sind Inkaufnehmen und Billigung nicht wirklich nötig, schon Gleichgültigkeit gegenüber dem für nicht unwahrscheinlich gehaltenen Erfolg genügt. Entscheidend ist, dass der Täter die reale Möglichkeit des Erfolgseintritts sieht und trotzdem handelt. Der Vorsatz wird nur verneint, wenn der Täter ernsthaft darauf vertraute, der Erfolg werde nicht eintreten oder er werde ihn abwenden können. Ebenso ist der Vorsatz gegeben, wenn der Täter die Augen vor der Schädigungsmöglichkeit verschließt oder „ins Blaue handelt“, ohne das Risiko des Erfolgseintritts nachzuprüfen (MüKoBGB/Grundmann, 7. Aufl., § 276 BGB Rn. 161).

Der Senat geht davon aus, dass die Beklagte keinesfalls die Verletzung eines Kindes billigend in Kauf nahm und demgegenüber auch nicht gleichgültig war. Ihre Einlassung im Rahmen der persönlichen Anhörung durch den Senat war insoweit glaubhaft. Obwohl der Hund der Beklagten bereits bei einer anderen Gelegenheit ein Kind verletzt hatte, ging die Beklagte nicht davon aus, dass der Hund erneut ein Kind beißen würde.

bbb) Jedoch handelte die Beklagte grob fahrlässig, als sie sich mit ihrem Hund auf den Kinderspielplatz begab, den Hund nicht an die kurze Leine nahm und den Hund auch nicht ununterbrochen beaufsichtigte.

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus (BGH, Urteil vom 08. Juli 2010 – III ZR 249/09 -, BGHZ 186, 152-164, Rn. 28; MüKoBGB/Grundmann, 7. Aufl., § 276 BGB Rn. 94).

Durch ihr Verhalten am 09.06.2012 hat die Beklagte in einer objektiv schwerwiegenden Art die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Als Halterin eines Hundes setzt die Beklagte generell den Verkehr einer Gefahr aus. Sie ist deshalb verpflichtet, alles Erforderliche zu unternehmen, dass anderen Menschen kein Schaden daraus erwächst, dass sie einen Hund hält und sich mit diesem im öffentlichen Raum bewegt. Die Beklagte hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im vorliegenden Fall in besonders schwerwiegender Weise außer Acht gelassen, weil sie mit einem Hund entgegen einem allgemeinen Verbot einen Kinderspielplatz aufgesucht hat, es sich dabei um einen Hund handelte, der in bestimmten Situationen für Kinder gefährlich ist, und sie außerdem diesen Hund nicht ausreichend beaufsichtigte.

Diese Sorgfaltspflichtverletzung war auch nicht subjektiv entschuldbar. Aufgrund des vorangegangenen Ereignisses am 17.02.2011 wusste die Beklagte, dass ihr Hund in bestimmten Situationen ein insbesondere für Kinder gefährliches Verhalten zeigt. Schon generell besteht für einen Hundehalter die Pflicht, in der Nähe von Kindern das Verhalten des Tieres besonders zu überwachen. Das gilt umso mehr, wenn bekannt ist, dass das Tier gerade für Kinder eine Gefahr darstellt. Es ist auch vernachlässigbar, ob die Beklagte die Hundeverbotszeichen auf den grünen Pfosten im konkreten Fall erkannt hat. Jedenfalls waren die Zeichen, aus denen sich ein Hundeverbot ergibt, objektiv erkennbar. Zudem stellt es in jedem Fall einen Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt dar, auf einen Bereich, der – wenn auch nicht abgezäunt – als Kinderspielplatz zu erkennen ist, einen Hund zu bringen, so dass dieser in die Nähe dort spielender kleiner Kinder kommen kann. Obwohl die Beklagte wusste, dass ihr Hund in bestimmten Situationen für Kinder eine Gefahr darstellt, führte die Beklagte ihren Hund an einen Ort, an dem sich kleine Kinder aufhielten, und beaufsichtigte den Hund dann auch nicht ausreichend. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte aufgrund der Anhörung wusste, dass die Stadt weitere Auflagen bezüglich der Hundehaltung plante.

Soweit also aufgrund der Ausgestaltung des Haftungstatbestandes in § 833 Satz 1 BGB als Gefährdungshaftung grundsätzlich von einer Herabsetzung des Schmerzensgeldes auszugehen ist im Vergleich zu anderen Fällen, die für die Haftung ein Verschulden voraussetzen, so wird dies im konkreten Fall wieder ausgeglichen dadurch, dass hier auf Seiten der Schädigerin als Verschuldensform grobe Fahrlässigkeit vorlag.

Die Entscheidung des Landgerichts war deshalb aufrechtzuerhalten und die Berufung zurückzuweisen.

3.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Entscheidung in einem Einzelfall, die keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos