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Hundespielplatz – Mitverschulden eines Geschädigten im Rahmen der Tierhalterhaftung

OLG Celle – Az.: 20 U 49/13 – Beschluss vom 08.07.2014

Die Berufung der Klägerin gegen das am Urteil des Landgerichts V. (A.) vom 12. Juli 2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Hundespielplatz - Mitverschulden eines Geschädigten im Rahmen der Tierhalterhaftung
Symbolfoto: Von Sergey Fatin /Shutterstock.com

Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 1) aus Tierhalterhaftung sowie den Beklagten zu 2) wegen einer vertraglichen Nebenpflichtverletzung sowie Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen eines Unfalls auf einem Hundespielplatz in Anspruch, bei dem sie vom Hund des Beklagten zu 1) umgerannt wurde und sich u.a. einen Bruch des rechten Sprunggelenks zuzog.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Beklagten zu 1) scheide ein Anspruch aus § 833 BGB bereits wegen eines Haftungsausschlusses unter dem Gesichtspunkt des „Handelns auf eigene Gefahr“ aus. Die Klägerin habe sich durch die Teilnahme an der Hundespielschule, bei der eine große Anzahl von Hunden auf dem Platz frei herumlaufe, bewusst einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden, Gefahr ausgesetzt. Die Abläufe auf dem Hundespielplatz seien ihr auch aufgrund mindestens eines vorherigen Besuches bekannt gewesen. Spätestens nach Verlassen der Schleuse, in der sie, wie alle Hundehalter, ihrem Tier das Halsband abgemacht habe, und Betreten des Platzes habe sie sehen können, wie viele Hunde sich auf dem Platz befanden und um was für Hunde es sich handele. Der Vorfall habe sich auch nicht unmittelbar nach dem Betreten des Platzes ereignet. Vielmehr habe sich die Klägerin bereits mehrere Minuten auf dem Platz befunden. Für eine Einschätzung der Lage hätten jedoch wenige Sekunden ausgereicht, sodass sie sich durch das Verbleiben auf dem Platz der dortigen Gefahren bewusst ausgesetzt habe. Die Klägerin habe sich in Kenntnis der Anzahl der Hunde (nach ihrem eigenen Vortrag etwa 30) mitten auf den Platz gestellt, statt sich einen sicheren Standort längs des Zaunes oder des Unterstandes zu suchen, wo sie die Hunde im Blick gehabt hätte und sich keiner ihr hätte unbemerkt nähern können. Auch bei Ablehnung eines Haftungsausschlusses scheide eine Haftung des Beklagten zu 1) jedenfalls unter der Annahme eines die Haftung auf Null reduzierenden Mitverschuldens der Klägerin gemäß § 254 Abs. 1 BGB aus.

Ein Anspruch gegenüber dem Beklagten zu 2) bestehe ebenfalls bereits dem Grunde weder aus vertraglichen noch aus gesetzlichen Ansprüchen.

Gegen das klageabweisende Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt.

II.

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.

Der Senat hat hierzu in seinem Hinweisbeschluss vom 24. Januar 2014 ausgeführt:

„1.

Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass der Klägerin keine Schadensersatz – und Schmerzensgeldansprüche gegenüber den Beklagten zustehen.

a. Ein Anspruch gegenüber dem Beklagten zu 1) ergibt sich nicht aus § 833 Satz 1 BGB. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht eine Haftung des Beklagten zu 1) bereits dem Grunde nach ausgeschlossen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob auf Seiten der Klägerin wegen „Handelns auf eigene Gefahr“ bereits ein eigenständiger Grund für einen Haftungsausschluss verwirklicht ist oder ob eine Haftung jedenfalls wegen eines deutlich überwiegenden, die Tiergefahr als haftungsrelevante Unfallursache verdrängenden Mitverschuldens ausscheidet.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein die Haftung des Tierhalters auf Null reduzierendes Mitverschulden des Geschädigten dann gegeben, wenn sich dieser bewusst einer besonderen Gefahr ausgesetzt hat, die über das normalerweise bestehende Maß hinausgeht, weil der Geschädigte sich mit dem Tier in eine gefahrerhöhende Situation begibt (BGH, NJW 1992, 907; NJW-RR 2006, 814). Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Landgerichts gegeben. Wer sich auf einen extra dafür eingerichteten Hundespielplatz begibt, auf dem die Hunde sich frei bewegen können, muss davon ausgehen, dass die Tiere bei ihrem Spiel- und Raufverhalten ungestüm und wild agieren. Dies gebietet bereits die allgemeine Lebenserfahrung und gilt erst Recht, wenn – wie im gegebenen Fall – eine große Anzahl von Hunden unterschiedlichster Rassen aufeinandertreffen. Wer sich in einer solchen Situation mittig auf dem Spielplatz aufhält und seine Aufmerksamkeit darüber hinaus nicht dem Geschehen um sich herum widmet, der setzt sich Risiken aus, die über das Maß der gewöhnlich mit einem Tier verbundenen Gefahren deutlich hinausgehen. Es liegt auf der Hand, dass es beim Herumtollen einer großen Anzahl an Hunden zu einem ungestümen, unkontrollierten und wilden Verhalten kommt. Der Hundespielplatz dient gerade dazu, einen von Außenstehenden getrennten und gesicherten Raum zu schaffen, in dem die Tiere ihrer Natur beim Spiel freien Lauf lassen können.

Die Klägerin hätte sich daher bei Anwendung üblicher Sorgfaltspflichten einen geschützten Platz suchen müssen, insbesondere weil es sich nach den Feststellungen des Landgerichts nicht um eine angeleitete Trainingsstunde handelte, sondern sich die Tiere frei auf dem Gelände aufhalten und ohne Anleitung spielen sollten.

Dabei kann bereits dahin gestellt bleiben, ob sich die Klägerin noch zusätzlich dadurch gefährdete, dass sie sich in gerader Linie zu der die Hunde „freigebenden“ Schleuse und damit in deren mutmaßlicher Laufrichtung befand. Nach ihrem eigenen Vortrag ist zuvor auch ihr eigener Hund unmittelbar „losgeschossen“, als sich die Schleuse zum Spielplatz öffnete.

b. Auch die Haftung des Beklagten zu 2) hat das Landgericht ohne Rechtsfehler verneint.

(1). Ein Anspruch ergibt sich nicht aus vertraglicher Nebenpflichtverletzung. Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass es sich bei der Spielstunde nicht um eine unter Anleitung von Tiertrainern gestellte Maßnahme handelt, bei der den Beklagten zu 2) besondere Sorgfaltspflichten treffen. Entgegen der Ansicht der Klägerin traf den Beklagten hier lediglich die allgemeine in § 241 Abs. 2 BGB verankerte Pflicht, auf die Rechte und Rechtsgüter der Klägerin als Vertragspartnerin Rücksicht zu nehmen. Eine etwaige Aufklärungspflicht wegen eines für die Klägerin nicht erkennbaren Schadensrisikos bestand nicht. Vielmehr war für die Klägerin die Gefahr, auf der Mitte des Platzes von Hunden umgerannt zu werden, ersichtlich.

(2) Auch aus § 823 Abs. 1 BGB folgt kein Anspruch wegen einer etwaigen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Insbesondere bestand keine Pflicht des Beklagten, die Zahl der teilnehmenden Hunde zu begrenzen oder die Klägerin zu warnen. Richtigerweise erkennt das Landgericht an, dass bei Zurverfügungstellung des Hundespielplatzes eine Gefahrenquelle eröffnet wird. Dies hat nach einhelliger Meinung zur Folge, dass den Beklagten zu 2) eine Verkehrssicherungspflicht dergestalt trifft, dass er all diejenigen Vorkehrungen zu treffen hat, die erforderlich und ihm zumutbar sind, um die Schädigung Dritter möglichst zu verhindern (vgl. BGH, NJW 2007, 762 und NJW 2007, 1684). Richtigerweise kann von dem Pflichtigen nicht verlangt werden, Vorkehrungen zu treffen, die jegliche Schadenseintritte verhindern (vgl. Sprau/Palandt, 73. Aufl. 2013, § 823 Rn. 51). Vielmehr liegt dem Wesen der Verkehrssicherungspflicht zu Grunde, dass eine Risikoverteilung zwischen der gefährdeten Person und dem Pflichtigen vorgenommen wird. Die gefährdete Person ist dabei aber nur vor den Gefahren zu schützen, die sie selbst, im konkreten Einzelfall unter Anwendung der von ihr in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt, erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig hätte erkennen können. (OLG Hamm, NJW-RR 2006, 1100). Nicht davon erfasst sind, wie das Landgericht zutreffend feststellt, Gefahren, die jedem vor Augen stehen und vor denen sich der Betroffene ohne weiteres schützen kann. So liegt der Fall hier. Eine Beschränkung der Teilnehmerzahl verringert nicht die Gefahr, von einem Hund auf einem Hundespielplatz angerannt/umgerannt zu werden. Zudem wusste die Klägerin aufgrund der vorherigen Teilnahme an der Spielstunde, dass eine Begrenzung der Teilnehmerzahl gerade nicht erfolgte.

Ebenso wenig traf den Beklagten zu 2) eine Pflicht zur Warnung der Klägerin, dass diese sich an einem „gefährlichen“ Platz aufhielte. Bei Anwendung üblicher Sorgfaltsanforderungen ist für jedermann zu erkennen, dass mitten auf dem Platz ein höheres Gefahrenpotential besteht, umgerannt zu werden, als am Rande des Spielplatzes, an dem sich die Hunde wegen der örtlichen Gegebenheiten (Tische, Bänke und Unterstand) weniger aufhielten. Dies gilt erst recht, als die Klägerin bereits zuvor an der Spielstunde teilgenommen hatte und daher wusste – zumindest wissen musste -, dass die Hunde über den gesamten Platz laufen.

c. Das Urteil des Landgerichtes ist schließlich nicht deshalb fehlerhaft, weil nicht über alle Anträge entschieden wurde. Zutreffend wendet die Klägerin zwar ein, dass der Tatbestand des Urteils zunächst lediglich den in der Klageschrift vom 7. Dezember 2012 (Bl. 1 d.A.) gestellten Klageantrag enthielt und erst auf den Antrag der Klägerin durch Beschluss des Landgerichtes vom 12. August 2013 berichtigt wurde.

Dies führt jedoch nicht zu einer Änderung der rechtlichen Beurteilung. Der Antrag, der erst durch die Berichtigung Eingang in die Urteilsgründe fand, enthielt lediglich eine Klageerweiterung, hatte jedoch keine Bedeutung für die Haftung dem Grunde nach, über die allein das Landgericht entschieden hat.“

Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Klägerin geben dem Senat keinen Anlass, von seiner geäußerten Rechtsauffassung abzuweichen.

1. Aus dem Umstand, dass der Beklagte zu 2) die Veranstaltungen auf dem Hundespielplatz damit bewirbt, die Spielstunde werde von Trainern begleitet und es werde Aufsichtspersonal gestellt, ergeben sich weder ein höherer Sorgfaltsmaßstab für den Beklagten im Rahmen der Haftung aus § 241 Abs. 2 BGB noch eine andere Bewertung hinsichtlich der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Insbesondere konnte die Klägerin nicht erwarten, durch die Anwesenheit von Hundetrainern bzw. Aufsichtspersonal vor umherrennenden Hunden besser geschützt zu sein, und deswegen durfte sie die sich selbst geschuldete Sorgfalt nicht vernachlässigen. Denn der Unfall ereignete sich zur Zeit einer freien Spielstunde; dies war nach den Feststellungen des Landgerichts auch für die Klägerin erkennbar, die nach eigenem Vortrag bis zu 30 Hunde frei herumlaufen sah. Bei einem bewusst angelegten freien Spiel der Hunde war aus Sicht eines jeden Teilnehmers sogleich zu erfassen, dass anwesende Trainer und Aufsichtspersonal weder die Möglichkeit noch die Aufgabe hatten, die Hunde vor einem Zusammenprall mit mittig auf der Wiese befindlichen Menschen zu bewahren.

2. Der Vergleich mit einem Unfall auf einem freien Parkgelände verfängt nicht. Anders als bei einer freien Parkfläche, die einer Nutzung durch jedermann – und gegebenenfalls auch durch Hunde – gewidmet ist und bei der es in der Verantwortung eines Hundehalters liegt, nach Möglichkeit Dritte vor seinem Hund zu schützen, hat sich der Unfall auf einem Gelände ereignet, das gerade für das freie Herumlaufen und -tollen durch Hunde bestimmt ist.

Daran ändert sich nichts durch die Zahlung eines Entgelts, das hier schon für die Nutzung des speziell für Hunde angelegten Geländes gerechtfertigt sein konnte.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

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