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Innenraumfeuchtigkeit Gebrauchtwagen – erheblicher Mangel

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: VIII ZR 166/07

Urteil vom 05.11.2008

Vorinstanzen:

LG Duisburg, Az.: 3 O 308/05, Urteil vom 16.10.2006

OLG Düsseldorf, Az.: I-1 U 252/06, Urteil vom 30.04.2007


Leitsätze:

a) Zur Frage, unter welchen Umständen das Eindringen von Feuchtigkeit in den Innenraum eines verkauften Gebrauchtwagens als ein den Rücktritt des Käufers ausschließender geringfügiger Mangel („unerhebliche Pflichtverletzung“) i.S. des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB eingestuft werden kann.

b) Für die Beurteilung, ob ein Mangel als geringfügig i.S. des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB einzustufen ist, ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Käufers abzustellen. Ein zu diesem Zeitpunkt erheblicher Mangel wird nicht dadurch unerheblich, dass es im Verlauf der sich anschließenden Auseinandersetzung einem gerichtlich bestellten Sachverständigen gelingt, den Mangel zumindest provisorisch zu beseitigen.

c) Das Festhalten des Käufers an dem wirksam erklärten Rücktritt ist nur dann treuwidrig, wenn der Mangel nachträglich mit seiner Zustimmung beseitigt wird.


In dem Rechtsstreit hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2008 für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. April 2007 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 4. Juni 2007 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 16. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Gebrauchtwagen.

Der Kläger erwarb von der Beklagten mit Vertrag von Ende Juni/Anfang Juli 2004 einen gebrauchten Range Rover, Erstzulassung April 1996, mit einem Kilometerstand von 101.500 km zu einem Kaufpreis von 12.150 €. Schon bald nach der am 2. Juli 2004 erfolgten Auslieferung reklamierte der Kläger bei der Beklagten, dass Wasser in das Innere des Fahrzeugs eintrete. In Absprache mit der Beklagten wurde in der Folgezeit mehrfach versucht, das Fahrzeug abzudichten. Mit Schreiben vom 7. Mai 2005 informierte der Kläger die Beklagte darüber, dass wieder Wasserundichtigkeit im Bereich des vorderen rechten Fußraums und im Bereich des rechten Rücksitzes vorhanden sei. Er forderte die Beklagte zur Mängelbeseitigung auf und kündigte für den Fall des Fehlschlagens die Rückgabe des Fahrzeugs an.

Mit Schreiben vom 1. Juni 2005 erklärte der Kläger unter Hinweis auf erneut eingetretenes Wasser den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 11.500 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu verurteilen. Das Landgericht hat zu den behaupteten Mängeln ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt und darauf gestützt der Klage in Höhe von 11.376,61 € stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Der Kläger sei entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht berechtigt, vom Kauf zurückzutreten.

Zwar sei das Fahrzeug bei Übergabe gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB mangelhaft gewesen, da an mehreren Stellen und infolge unterschiedlicher Ursachen Feuchtigkeit eingedrungen sei. Die festgestellten Feuchtigkeitserscheinungen und deren Ursachen gäben dem Kläger jedoch – auch in ihrer Gesamtheit betrachtet – keinen Grund, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Der Rücktritt sei nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift könne der Gläubiger im Fall vertragswidriger Leistung vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich sei. So lägen die Dinge hier.

Die Erheblichkeit der Pflichtverletzung sei nach objektiven Gesichtspunkten, insbesondere nach dem objektiven Ausmaß der Qualitätsabweichung und der sich daraus ergebenden Beeinträchtigung des Äquivalenzinteresses des Käufers zu bestimmen. Dabei seien – wenn auch nicht ausschließlich – die Kriterien der Wertminderung und der Gebrauchsbeeinträchtigung heranzuziehen. Die Schwelle der unerheblichen Pflichtverletzung sei nicht mit der des geringfügigen Mangels im Sinne des § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB aF identisch; sie müsse deutlich höher angesetzt werden.

Zu fragen sei vorrangig, ob und in welchem Maße die Verwendung der Kaufsache gestört und/oder ihr Wert gemindert sei. Im Vordergrund stehe die Gebrauchstauglichkeit. Dabei sei im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass es sich um ein Gebrauchtfahrzeug handele, das bereits rund acht Jahre alt und über 100.000 km gelaufen sei. Hinzu komme, dass es sich nicht um eine normale Limousine, sondern um einen Geländewagen handele. Der verständige Durchschnittskäufer werde bei einem Geländewagen eher als bei einem normalen Pkw dazu bereit sein, Abstriche zu machen, was die Abdichtung gegen das Eindringen von Feuchtigkeit in das Wageninnere angehe.

Für Erheblichkeit spreche, dass zwei Kfz-Betriebe nicht in der Lage gewesen seien, das Eindringen von Feuchtigkeit nachhaltig und dauerhaft zu verhindern. Dabei sei auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen. Ein zu diesem Zeitpunkt erheblicher Mangel könne nicht dadurch unerheblich werden, dass es – wie hier – einem gerichtlich bestellten Sachverständigen gelungen sei, den Mangel zumindest provisorisch zu beseitigen.

Auf der anderen Seite stehe das Rücktrittsbegehren und damit die Klageforderung, wie jedes andere Recht, unter dem Vorbehalt des § 242 BGB. Insoweit könne es im Einzelfall durchaus treuwidrig sein, wenn ein Käufer an einem – wirksam erklärten – Rücktritt festhalte, nachdem der ursprünglich vorhandene Mangel in seiner Ursache und/oder seiner Auswirkung ganz oder teilweise beseitigt worden sei. Zwar dürfe eine eigenmächtige Mängelbehebung nach erklärtem Rücktritt dem Verkäufer nicht zugute kommen. Anders sei es jedoch, wenn der Käufer die Beseitigung des Mangels selbst veranlasst oder jedenfalls darin eingewilligt habe. Im Streitfall sei der gerichtlich bestellte Sachverständige quasi als Monteur tätig geworden. Dass dies gegen den Willen des Klägers geschehen sei, könne nicht festgestellt werden.

Die verbliebenen Feuchtigkeitserscheinungen insbesondere im Beifahrerfußraum hätten nicht genügend Gewicht, um der Rücktrittsklage stattgeben zu können. Um dieses Problem zu beheben, sei nach Ansicht des Sachverständigen kein großer Aufwand erforderlich, weder in zeitlicher noch in finanzieller Hinsicht. Die Abdichtung im Bereich des rechten Pollenfilterkastens dürfte nicht mehr als 200 € kosten.

II.

Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Das Berufungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 437 Nr. 2, §§ 323, 440, § 346 Abs. 1, § 348 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises – abzüglich gezogener Gebrauchsvorteile – in Höhe von 11.376,61 € Zug um Zug gegen Rückgabe des gekauften Fahrzeugs zu.

1.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das Fahrzeug bei Gefahrübergang gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil an mehreren Stellen Feuchtigkeit in das Fahrzeuginnere eindrang. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision, da ihr günstig, auch nicht angegriffen. Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, das Berufungsgericht habe die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs nicht festgestellt, sondern sie lediglich zugunsten des Klägers unterstellt, verkennt sie, dass die Unterstellung sich lediglich auf die von dem gerichtlichen Sachverständigen nicht aufgeklärte Ursache des Wassereintritts im Fußraum des Beifahrersitzes bezieht. Mangelhaft war das Fahrzeug auch insoweit aber schon deswegen, weil – aus welchen Gründen auch immer – Wasser in den Fußraum eindrang. Dass dies der Fall war, hat das Berufungsgericht auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens ausdrücklich – und rechtsfehlerfrei – festgestellt.

2.

Im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Klägers, auf den richtigerweise auch das Berufungsgericht abstellt, waren die Rücktrittsvoraussetzungen des § 323 Abs. 1 BGB erfüllt. Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung bedurfte es gemäß § 440 Satz 1 BGB nicht, weil die Nachbesserungsversuche der Beklagten selbst und eines von ihr eingeschalteten weiteren Kfz-Betriebs nach den rechtsfehlerfreien und von der Revisionserwiderung nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erfolglos geblieben waren, die Nacherfüllung somit fehlgeschlagen war (§ 440 Satz 2 BGB).

3.

Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Rücktritt sei gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil die in der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs bestehende Pflichtverletzung der Beklagten unerheblich sei.

a) Auch für die Beurteilung dieser Frage ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkennt, auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt war die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs dadurch eingeschränkt, dass aus bis dahin ungeklärter Ursache an mehreren Stellen Feuchtigkeit in das Wageninnere eindrang und zwei Fachbetriebe nicht in der Lage waren, Abhilfe zu schaffen. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass ein solcher Befund grundsätzlich als erheblicher Mangel einzustufen ist, weil er – so die Begründung des Berufungsgerichts – „für viele, wenn nicht gar für die meisten Interessenten ein Grund sein (wird), vom Kauf Abstand zu nehmen.“

b) Beizupflichten ist auch der weiteren Erwägung des Berufungsgerichts, dass ein im Zeitpunkt des Rücktritts erheblicher Mangel nicht dadurch unerheblich werden kann, dass es – wie hier – im Verlauf der sich anschließenden Auseinandersetzung einem gerichtlich bestellten Sachverständigen gelingt, den Mangel zumindest provisorisch zu beseitigen.

c) Mit Recht wendet sich die Revision jedoch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Mängel seien deswegen als unerheblich einzustufen, weil es sich bei dem verkauften Fahrzeug um einen acht Jahre alten Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von mehr als 100.000 km handelte und weil das Fahrzeug zur Kategorie der Geländewagen gehört. Das Berufungsgericht zeigt nicht auf, welche Umstände oder Erfahrungssätze seine Auffassungstützen sollen, der verständige Durchschnittskäufer eines derartigen Fahrzeugs werde eher als der Käufer eines normalen Pkw bereit sein, Abstriche zu machen, was das Eindringen von Feuchtigkeit in das Wageninnere angehe. Überdies weist die Revision zutreffend darauf hin, dass es sich bei dem Fahrzeug vom Typ Range Rover nicht um ein üblicherweise im Gelände eingesetztes Arbeitsfahrzeug, sondern um ein luxuriöses Fahrzeug handelt, das mit den großen – heute SUV genannten – Geländewagen der Hersteller Mercedes-Benz, BMW und Volkswagen vergleichbar ist. Es ist kein Grund zu erkennen, der den verständigen Durchschnittskäufer eines – auch älteren – Gebrauchtwagens dieser Kategorie veranlassen könnte, das Eindringen von Feuchtigkeit in das Wageninnere eher hinzunehmen als der Käufer einer Oberklassenlimousine.

4.

Schließlich hält auch die Erwägung des Berufungsgerichts, das Festhalten des Klägers an dem erklärten Rücktritt sei treuwidrig, den Angriffen der Revision nicht stand.

Wie der Senat zum Kaufgewährleistungsrecht in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung entschieden hat, bleibt das Wandelungsrecht des Käufers jedenfalls dann unberührt, wenn der Mangel durch eine – vertraglich nicht vereinbarte – Nachbesserung bis zum Vollzug der Wandelung zwar erfolgreich, aber ohne Zustimmung des Käufers, also eigenmächtig beseitigt worden ist; hat hingegen eine im Einverständnis des Käufers durchgeführte Nachbesserung zur vollständigen Behebung des Mangels geführt, so ist damit der Wandelung der Boden entzogen (Senatsurteil vom 19. Juni 1996 – VIII ZR 252/95, WM 1996, 1915 = NJW 1996, 2647, unter II 2 c). Ob diese Rechtsprechung sich in Anbetracht der dazu angestellten Erwägungen des Senats (aaO) ohne weiteres auf den an die Stelle der Wandelung getretenen Rücktritt des Käufers übertragen lässt, bedarf hier keiner vertiefenden Betrachtung. Sowohl nach der Rechtsprechung des Senats zur Wandelung als auch unter dem Gesichtpunkt treuwidrigen Verhaltens (§ 242 BGB) wäre der Kläger nur dann gehindert, an der durch den wirksam erklärten Rücktritt erlangten Rechtsposition festzuhalten, wenn die (provisorische) Mängelbeseitigung im Bereich des Schiebedachs durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen mit seiner Zustimmung erfolgt wäre. Davon geht auch das Berufungsgericht aus. Eine Zustimmung des Klägers hat es indessen nicht festgestellt, sondern sich statt dessen auf die Bemerkung beschränkt, es könne nicht festgestellt werden, dass die Mängelbeseitigung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen gegen den Willen des Klägers geschehen sei. Dass der Kläger den Reparaturmaßnahmen des Sachverständigen lediglich nicht entgegengetreten ist, wozu er nach erklärtem Rücktritt auch keine Veranlassung hatte, hindert ihn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, an seinem Rücktritt festzuhalten.

III.

Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil es weiterer Feststellungen nicht bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Klage begründet ist, ist die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

 

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