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Betriebsvereinbarung über Beteiligung an Kantinenkosten

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Az.: 1 AZR 551/99

Urteil vom 11. Juli 2000

Vorinstanzen:

I. Arbeitsgericht Düsseldorf – Az.: 6 Ca X482/98 – Urteil vom 8. Dezember 1998

II. Landesarbeitsgericht Düsseldorf – 11 (16) Sa 162/99 – Urteil vom 12. Mai 1999


Leitsätze:

Arbeitnehmer können nicht durch Betriebsvereinbarung verpflichtet werden, die Kosten für das Kantinenessen auch dann zu tragen, wenn sie es nicht in Anspruch nehmen.


BUNDESARBEITSGERICHT

URTEIL

Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2000 für Recht erkannt:

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Mai 1999 – 11 (16) Sa 162/99 – wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß Zinsen aus dem für August 1998 einbehaltenen Teilbetrag von 153,30 DM erst ab 1. September 1998 zu zahlen sind.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten einbehaltenes Arbeitsentgelt.

Die Beklagte ist ein Catering-Unternehmen, das u.a. Fluggesellschaften beliefert. Die Klägerin wird in dem Betrieb am Düsseldorfer Flughafen gegen eine monatliche Grundvergütung von 2.843,75 DM brutto beschäftigt. Hinzu kommen Nacht- und Sonntagszuschläge sowie Schichtzulagen. Der Arbeitsvertrag der Parteien sieht die Anwendung der gültigen Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Regeln der Beklagten vor.

Die Beklagte unterhält für die in Düsseldorf tätigen etwa 460 Arbeitnehmer eine Kantine. Diese wird von der Beklagten bezuschußt. Die dort angebotenen Speisen stellt die Beklagte in ihrem Catering-Betrieb her. Bis Ende Juni 1998 konnten sich die Beschäftigten entweder zur ständigen Teilnahme an der Kantinenverpflegung anmelden oder Essenmarken erwerben, um von Fall zu Fall entscheiden zu können. Bei ständiger Teilnahme wurden für die Mahlzeiten Beträge von der Vergütung einbehalten, sofern die Arbeitnehmer im Betrieb anwesend waren. Der Preis für eine sog. Vollverpflegung betrug 7,20 DM. Sie bestand aus Frühstück und Mittagessen oder aus Mittagessen und „Vesper“. Einzeln kostete das Frühstück 2,60 DM, das Mittagessen 4,60 DM. Am 9. Juni 1998 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat mit Wirkung vom 1. Juli 1998 eine Betriebsvereinbarung. Sie lautet auszugsweise:

1. Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung gilt grundsätzlich für alle Mitarbeiterinnen des Betriebs Düsseldorf. Ausnahmen werden einvernehmlich zwischen Betriebsrat und Betriebsleitung geregelt. Folgende Ausnahmen kommen in Betracht:

– Teilzeitmitarbeiter/innen sind von der Vollverpflegung befreit; sie nehmen an dem Teil der Verpflegung teil, der in ihre Dienstzeit fällt

– gesundheitliche Gründe, die zu einer gravierenden Einschränkung der Nahrungsmittel führen, die der/die Mitarbeiter/in einnehmen darf (Nachweis durch das Attest eines Facharztes)

– ethnische Besonderheiten auf schriftlichen Antrag

2. Grundsatz

Jeder Mitarbeiter/in soll an Arbeitstagen in den Pausenzeiten ausreichend und angemessen verpflegt werden. Hierbei handelt es sich um eine Anwesenheitsverpflegung, die ausschließlich im Betrieb eingenommen werden darf.

3. Verrechnung/Preis

Jeder Mitarbeiter/in nimmt an der Vollverpflegung (Frühstück/Mittag oder Vesper/Abendessen) teil. Der Preis für die MA-Vollverpflegung beträgt bei Einführung pro Tag:

Vollzeit-MA DM 5,80

Teilzelt-MA DM 2,95

Mitarbeiter auf Abruf DM 5,80

Mitarbeiter ohne Verpflegung: Getränkepauschale DM 2,95

Die Verrechnung erfolgt über den Anwesenheitsnachweis………….

Obwohl die Klägerin die Kantine in den Monaten Juli und August 1998 nicht in Anspruch nahm, behielt die Beklagte auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung insgesamt 219,00 DM der Vergütung ein (Juli 65,70 DM, August 153,30 DM).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, hierzu sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen. Die Betriebsvereinbarung vom 9. Juni 1998 sei unwirksam, soweit sie ihr Zahlungspflichten auferlege, obwohl sie die Kantine nicht in Anspruch genommen habe. Die Betriebsvereinbarung verstoße bereits gegen den Tarifvorrang des § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG, weil § 26 MTV die bargeldlose Zahlung der (vollen) Vergütung vorsehe. Da dort auch betriebsfremde Personen Mahlzeiten einnähmen, handle es sich bei der Kantine um keine Sozialeinrichtung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Die zwangsweise Beteiligung an den Kosten der Kantine beinhalte eine unzulässige Lohnverwendungsbestimmung, die von dem Mitbestimmungsrecht nicht mehr gedeckt sei, zumindest aber § 75 Abs. 2 BetrVG verletze. Auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 4 und 10 BetrVG seien dem Betriebsrat keine Mitbestimmungsrechte eröffnet.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 219,00 DM nebst 4 % Zinsen an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Betriebsvereinbarung auch im Hinblick auf die Kostenbeteiligung für wirksam gehalten. Die Kantine sei eine Sozialeinrichtung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht erfasse auch die Beteiligung an den mit ihr verbundenen Kosten. Die Einbeziehung aller Mitarbeiter liege in deren eigenem Interesse. Sie gewähre mehr Planungssicherheit, verbessere dadurch die Qualität der Verpflegung und ermögliche es, die Preise niedrig zu halten. Der den Arbeitnehmern abverlangte Kostenbeitrag bleibe deutlich hinter dem tatsächlichen Aufwand zurück. Die Beklagte habe als lebensmittelverarbeitender Betrieb aus Gründen der Hygiene ein Interesse daran, daß ihre Mitarbeiter die Mahlzeiten nicht an ihrem Arbeitsplatz einnähmen. Zudem solle die Kantine dem Anreiz entgegenwirken, die hergestellten Lebensmittel selbst zu verzehren.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Beklagte war nicht berechtigt, die streitbefangenen Beträge vom Lohn der Klägerin für die Monate Juli und August 1998 abzuziehen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, daß die Betriebsvereinbarung den Arbeitnehmern die Zahlung des Entgelts für die Mahlzeiten auch dann auferlegt, wenn sie tatsächlich nicht an ihnen teilnehmen. Das zeigt sich an Nr. 3 Satz 1 und 3 der Betriebsvereinbarung, wonach jeder Mitarbeiter grundsätzlich an der Vollverpflegung teilnimmt und die Verrechnung über den Anwesenheitsnachweis erfolgt. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob die Betriebsparteien damit zum Ausdruck bringen wollten, daß die Arbeitnehmer an den Mahlzeiten tatsächlich teilnehmen müssen. Jedenfalls wollten sie sich des weniger einschneidenden Mittels bedienen und auch im Fall der unterbliebenen Kantinennutzung eine Zahlungspflicht in der von Nr. 3 Satz 2 der Betriebsvereinbarung bestimmten Höhe begründen. Diese Verpflichtung wird ferner aus Nr. 1 Satz 2 der Betriebsvereinbarung deutlich, der Ausnahmen von der Teilnahme an der Vollverpflegung nur in eng begrenzten Fällen vorsieht, die durch besondere Form- und Nachweiserfordernisse abgesichert sind.

II. Soweit die Betriebsvereinbarung eine Kostenbeteiligung an der Kantinenverpflegung auch dann festlegt, wenn dort keine Mahlzeiten eingenommen werden, ist sie unwirksam. Für die von der Beklagten geltend gemachten Ansprüche besteht keine Grundlage.

1. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 8 BetrVG reichen nicht so weit, daß die Betriebspartner den Arbeitnehmern auch dann eine Kostenbeteiligung an der Kantinenverpflegung auferlegen könnten, wenn diese an den Mahlzeiten nicht teilnehmen.

a) Die Regelung der Benutzung der Kantine unterfällt allerdings den zwei genannten Mitbestimmungstatbeständen. Sie ist eine Gestaltung des Zusammenlebens der Arbeitnehmer im Betrieb und damit als Frage des Ordnungsverhaltens mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Kantine ist ferner eine Sozialeinrichtung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Diese Norm sieht die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen vor, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist. Die Kantine dient sozialen Zwecken, da den Arbeitnehmern über das unmittelbare Arbeitsentgelt hinaus der weitere Vorteil der kostengünstigen Verpflegung gewährt wird, der keine unmittelbare Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung ist. Es ist unerheblich, daß die finanziellen Mittel für das Kantinenessen zum Teil von den Mitarbeitern aufgebracht werden. Die Kostenbeteiligung spricht gerade für die Notwendigkeit eines Mitbestimmungsrechts (ebenso zB Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 87 Rn. 332; Richardi BetrVG 7. Aufl. § 87 Rn. 663). Dem sozialen Zweck der hier mit einer eigenen Organisation versehenen Einrichtung steht es nicht entgegen, daß gelegentlich auch Gäste die Kantine nutzen dürfen, die dem Betrieb nicht angehören (Klebe in Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 7. Aufl. § 87 Rn. 210; Fitting/Kaiser/ Heither/Engels aaO § 87 Rn. 339). Die mit der Betriebsvereinbarung verbundene Änderung der bisherigen Nutzungsbedingungen der Kantine betrifft die Ausgestaltung der Sozialeinrichtung. Sie legt die Ordnung, nach der ihre Vorteile genutzt werden können, neu fest (vgl. BAG 15. September 1987 – 1 ABR 31/86 – AP BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr. 9 = EzA BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr. 15, zu B 111 b der Gründe). Soweit die Beklagte die Sozialeinrichtung Kantine bezuschußt und damit zusätzliches Entgelt leistet, verdrängt das speziellere Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, der alle Fragen der betrieblichen Lohngestaltung umfaßt (Fitting/Kaiser/Heither/Engels aaO § 87 Rn. 401).

b) Das Mitbestimmungsrecht umfaßt aber nicht auch die Beteiligung derjenigen Arbeitnehmer an den Kosten der Kantine, die ihre Leistungen nicht in Anspruch nehmen. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterwirft nur Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb der Mitbestimmung des Betriebsrats. Ein Mitbestimmungsrecht über die anläßlich einer Regelung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG anfallenden Kosten ist dem Gesetz dagegen nicht zu entnehmen. Die Kosten sind vielmehr von demjenigen zu tragen, in dessen Sphäre sie anfallen. Verursacht die Regelung eines mitbestimmungspflichtigen Tatbestands zusätzliche betriebliche Kosten, hat diese grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen (vgl. zu den Kosten für Arbeitskleidung BAG 1. Dezember 1992 – 1 AZR 260/92 – BAGE 72, 40, 44, zu II 1 a der Gründe, mwN).

Auch eine sog. Annexkompetenz zu der mitbestimmungspflichtigen Änderung der Nutzungsbedingungen der Kantine scheidet aus (vgl. dazu Senat B. März 1977 – 1 ABR 33/75 – BAGE 29, 40; 5. März 1991 – 1 ABR 41/90 – AP BetrVG 1972 § 87 Auszahlung Nr. 11 = EzA BetrVG 1972 § 87 Lohn und Arbeitsentgelt Nr. 15). Die Ausgestaltung der Kantinenbenutzung – insbesondere die Festlegung der Preise -ist nicht zwingend mit der Kostenbeteiligung der Arbeitnehmer verbunden, die das Kantinenessen nicht in Anspruch nehmen. Der Betriebsrat kann sein Mitbestimmungsrecht ausüben und die Kantinenbenutzung gemeinsam mit dem Arbeitgeber regeln, ohne diesen Mitarbeitern Kosten aufzuerlegen, und statt dessen lediglich die Nutzer der Kantine an den Kosten beteiligen. Die Arbeitnehmer, die die Kantinenverpflegung nicht beanspruchen, trifft weder eine gesetzliche noch eine arbeitsvertragliche Pflicht, zu den Kosten beizutragen.

Diese Überlegungen gelten entsprechend für § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Zugleich zeigt sich an ihnen, daß hinsichtlich der Verrechnungsbestimmung der Nr. 3 Satz 3 der Betriebsvereinbarung das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG über Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte nicht eröffnet ist. Nur soweit eine Verrechnung zulässig ist, hat der Betriebsrat über ihre Art und Weise mitzubestimmen (Richardi aaO § 87 Rn. 464).

2. Die Betriebspartner konnten die Arbeitnehmer auch nicht durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung zu einer Beteiligung an den Kosten heranziehen. Ihnen kommt zwar grundsätzlich eine umfassende Regelungskompetenz in sozialen Angelegenheiten zu, soweit der Gegenstand nicht nach § 77 Abs. 3 BetrVG durch Tarifvertrag geregelt ist oder üblicherweise geregelt wird. Grenzen der Regelungskompetenz ergeben sich aber neben dem gegenüber vertraglichen Regelungen zu beachtenden Günstigkeitsprinzip aus der Arbeitgeber und Betriebsrat nach § 75 Abs. 2 BetrVG obliegenden Verpflichtung, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Lohnverwendungsbestimmungen, die den Arbeitnehmer ausschließlich belasten, sind danach grundsätzlich unzulässig. Sie führen zu Einschränkungen der dem Arbeitnehmer zustehenden Freiheit, über seinen Lohn zu verfügen und greifen damit in seine außerbetriebliche Lebensgestaltung ein (vgl. Senat 1. Dezember 1992 – 1 AZR 260/92 – BAGE 72, 40, 46, zu 112 der Gründe; 20. Dezember 1957 – 1 AZR 237/56 – AP BGB § 399 Nr. 1; Fiting/Kaiser/Reither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 77 Rn. 52; Kreutz in GK-BetrVG 6. Aufl. § 77 Rn. 288).

Die der Klägerin auferlegte Kostenbeteiligung stellt eine unzulässige Lohnverwendungsbestimmung in diesem Sinne dar. Sie führt jedenfalls zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht der Klägerin auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Die von der Beklagten angeführten Gründe können diesen Eingriff nicht rechtfertigen.

a) Wie schon der an Art. 2 Abs. 1 GG orientierte Wortlaut deutlich macht, verpflichtet § 75 Abs. 2 BetrVG die Betriebsparteien, die durch das Grundgesetz geschützten Freiheitsrechte zu wahren. Art. 2 Abs. 1 GG erfaßt nicht nur einen Kernbereich, sondern schützt jede Form menschlichen Handelns ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigungsfreiheit für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt. Die über den Kernbereich der Persönlichkeit hinausgehende allgemeine Handlungsfreiheit wird allerdings durch die verfassungsmäßige Ordnung beschränkt. Zu dieser gehören auch die von den Betriebspartnern im Rahmen ihrer Regelungskompetenz geschlossenen Betriebsvereinbarungen. Die Pflicht der Betriebsparteien, die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu schützen, verbietet ihrerseits nicht jede Betriebsvereinbarung. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, der das Verhalten der Arbeitnehmer einer mitbestimmten Regelung unterstellt, wäre sonst bedeutungslos. In welchem Umfang die allgemeine Handlungsfreiheit begrenzt werden kann, bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der in § 75 Abs. 2 BetrVG konkretisiert ist. Die von den Betriebspartnern getroffene Regelung muß geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Innerhalb der Prüfung der Angemessenheit ist eine Gesamtabwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe erforderlich (BAG 19. Januar 1999 – 1 AZR 499/98 -BAGE 90, 316, 322 ff,, zu A113 der Gründe).

b) Diesen Anforderungen wird die Betriebsvereinbarung vom 9. Juni 1998 im fraglichen Punkt – der Kostenbeteiligung auch derjenigen Arbeitnehmer, die die Kantine nicht in Anspruch nehmen – nicht gerecht. Die Betriebsparteien verfolgen mit der Regelung mehrere Ziele. Zum einen soll sie die Planung der Zahl der verlangten Essen ermöglichen, die Qualität der Speisen verbessern und dazu beitragen, die Kosten zu senken. Zum anderen soll sie die Arbeitnehmer davon abhalten, an ihrem Arbeitsplatz zu essen oder die dort hergestellten Waren zu verzehren. Dabei kann unterstellt werden, daß die getroffene Regelung geeignet ist, die erstrebten Erfolge zu erreichen.

Zumindest was die beiden letzten Ziele anbelangt, ist die Kostenbeteiligung aber nicht erforderlich. Hierfür stehen die ebenso wirksamen milderen, weil für die Arbeitnehmer nicht mit Kosten verbundenen Mittel von Verboten zur Verfügung, die den Verzehr am Arbeitsplatz und den der Produkte der Beklagten untersagen. In Bezug auf letzteren Punkt bedarf es angesichts der Straftatbestände des Diebstahls und der Unterschlagung zudem keines Verbots der Arbeitgeberin. Soweit Planungssicherheit und Wirtschaftlichkeit der Kantine gesichert werden sollen, haben die Betriebspartner selbst die Grenzen ihres weiten Gestaltungsspielraums überschritten. Die Kostenbeteiligung ist unangemessen. Gewicht und Dringlichkeit des Regelungsziels sind unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Betriebs nicht als erheblich anzusehen, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat. Unsicherheit bei der Planung der vorzubereitenden Mahlzeiten ist wesenstypisches Merkmal jeder Kantine und darüber hinaus jedes Gastronomiebetriebs. Dieses Risiko darf nicht von der Sphäre der beklagten Trägerin der Sozialeinrichtung auf diejenigen Arbeitnehmer verlagert werden, die die Kantine nicht nutzen. Auch der wirtschaftliche Betrieb der Kantine fällt in den Bereich der Beklagten.

Weder Planungs- noch Wirtschaftlichkeitserwägungen vermögen somit den Eingriff in die private Lebensführung der Klägerin zu rechtfertigen. Er besteht jedenfalls in der Entgeltverwendungsbestimmung. Da die Kostenbeteiligung schon unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Handlungsfreiheit unverhältnismäßig ist, kann offenbleiben, ob dem Berufungsgericht darin beizupflichten ist, daß ein noch weitergehender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorliegt, weil die Klägerin möglicherweise mittelbar daran gehindert ist, über Art und Weise sowie Zeitpunkt ihrer Ernährung zu bestimmen.

III.

Das Landesarbeitsgericht hat danach der Klage zu Recht stattgegeben. Hinsichtlich der der Klägerin zugesprochenen Zinsen war allerdings zu berücksichtigen, daß sie Verzugszinsen aus dem für den Monat August einbehaltenen Betrag erst ab 1. September und nicht bereits ab 1. August 1998 verlangen kann. Dabei ist der Senat entsprechend dem von der Klägerin auch für den einbehaltenen Betrag für den Monat Juli angesetzten Zeitpunkt 1. August 1998 von einer Fälligkeit jeweils zum Monatsende ausgegangen.

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