OLG Nürnberg
Az.: 7 WF 3447/03
Urteil vom 01.12.2003
Vorinstanz: AG Nürnberg – Az.: 111 F 1651/03
Leitsatz vom Verfasser (nicht amtlich!):
Wird der Unterhaltspflichtige nach einer Scheidung befördert, so führen die höheren Einkünfte nur dann zu einem höheren Unterhaltsanspruch des Ex-Ehegatten, wenn die Beförderung bereits im Zeitpunkt der Trennung „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ zu erwarten war. Nur wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann die Erwartung auf diese höheren Einkünfte die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben.
Sachverhalt:
Im Zeitraum von 1995 bis 1997 hat der Beklagte an einer Fortbildungsmaßnahme zum Sonderschullehrer teilgenommen, er war bisher als Hauptschullehrer tätig. Ab 1998 war er als Sonderschullehrer tätig. Im Juni 2000 trennten sich beide Ehegatten. Seit Juli 2002 sind die Ehegatten rechtskräftig geschieden. Im Oktober 2002 wurde der Beklagte zum Konrektor befördert. Aus der Ehe ist ein gemeinsames Kind hervorgegangen. Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab August 2002 und legt hierbei das neue Gehalt des Beklagten zugrunde.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin hat lediglich Anspruch auf nachehelichen Unterhalt unter Zugrundelegung der Sonderschullehrer-Bezüge des Beklagten. Bei der Beförderung zum Konrektor handelt es sich insoweit nicht um eine übliche „Regelbeförderung“, sondern um einen Karrieresprung. Nach einer Beförderung erzielte Einkünfte sind in die maßgeblichen ehelichen Lebensverhältnisse nicht einzubeziehen, wenn das Einkommen nach der Trennung eine unerwartete, vom Normalverlauf abweichende Entwicklung genommen hat. Als eine vom Normalverlauf abweichende Entwicklung muss auch ein Karrieresprung gesehen werden, der zum Zeitpunkt der Trennung nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war.
Urteil im Volltext:
In der Familiensache erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, folgenden B e s c h l u ß :
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg vom 16.09.2003 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Parteien sind seit 25.07.2002 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Aus der Ehe ist die am 21.11.1986 geborene Tochter hervorgegangen.
Der Beklagte war während des Zusammenlebens der Parteien zunächst als Hauptschullehrer (Besoldungsgruppe A 12) an der Schule zur individuellen Sprachförderung absolvierte er ein Studium der Sonderpädagogig als Nachqualifikatisen erfolgreicher Beendigung wurde er im Februar 1998 zum Sonderschullehrer (Besoldungsgruppe A 13) ernannt.
Im Juni des Jahres 2000 kam es zur Trennung der Parteien.
Ab September 2001 übernahm der Beklagte – ob ganz oder zusammen mit anderen Kollegen, ist zwischen den Parteien streitig -die Aufgaben des im Sommer 2001 in Ruhestand gegangenen Konrektors seiner Schule und nahm diese während des gesamten Schuljahres 2001/2002 wahr.
Im Oktober oder November 2002 wurde der Beklagte schließlich zum Konrektor (Besoldungsstufe A 14 L) an seiner Schule befördert.
Mit einer am 13.05.2003 beim Amtsgericht eingegangenen Klage vom 12.05.2003 hat die Klägerin den Beklagten auf nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab August 2002 in Anspruch genommen.
Sie hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie ab 01.06.2003 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 440 Euro sowie (für die Zeit von August 2002 bis Mai 2003) einen Unterhaltsrückstand von 1.811 Euro zu bezahlen.
Zur Begründung ihrer Ansprüche für, die Zeit ab Oktober 2002 hat sie ein Einkommen des Beklagten als Konrektor in Höhe von 3.370,16 Euro monatlich netto zugrundegelegt.
Mit Schriftsatz vom 12.05.2003 hat die Klägerin um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für ihren Antrag nachgesucht und ausgeführt, daß das Hauptsacheverfahren nur für den Fall der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe durchgeführt werden solle.
Mit Beschluß vom 16.09.2003 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Nürnberg
der Klägerin Prozeßkostenhilfe bewilligt, soweit sich die beabsichtigte Rechtsverfolgung auf einen nachehelichen Unterhalt ab 01.07.2003 in Höhe von monatlich 307,09 Euro und für die Zeit von August 2002 bis einschließlich Juni 2003 auf einen rückständigen Unterhalt von monatlich 317,59 Euro abzüglich geleisteter Zahlungen bezieht, und den Prozeßkostenhilfeantrag im übrigen zurückgewiesen.
Das Amtsgericht hat in dem Beschluß die Auffassung vertreten, daß als eheprägend nicht das Einkommen des Beklagten als Konrektor, sondern nur die Bezüge eines Sonderschullehrers mit der Besoldungsgruppe A 13 angesetzt werden könnten und letztere mit 2.801,37 Euro netto angenommen.
Das Amtsgericht hat im übrigen angeordnet, daß die Klägerin auf die Prozeßkosten monatliche Raten in Höhe von 395 Euro, fällig erstmals am 01.11.2003, zu bezahlen hat.
Gegen diesen ihr am 01.10.2003 zugestellten Beschluß hat die Klägerin mit einem am 23.10.2003 eingegangenen Schriftsatz vom 22.10.2003 Beschwerde eingelegt.
Mit dieser hat sie zum einen geltend gemacht, daß die monatlichen Raten auf 135 Euro zu ermäßigen seien. Diesem Begehren ist das Amtsgericht im Nichtabhilfebeschluß vom 04.10.2003 nachgekommen.
Im übrigen beantragt die Klägerin, ihr Prozeßkostenhilfe entsprechend dem von ihr eingereichten Klageentwurf vom 12.05.2003 zu bewilligen.
Insoweit macht sie geltend, daß entgegen der Auffassung des Amtsgerichtes die Einkünfte des Beklagten als Konrektor als eheprägend anzusehen und bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen seien.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde insoweit nicht abgeholfen.
II.
Die – nach der teilweisen Abhilfe hinsichtlich der Höhe der Raten – verbleibende zulässige Beschwerde der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin stützt ihren über die bewilligte Prozeßkostenhilfe hinausgehenden Antrag in ihrer Beschwerde allein auf das Argument, daß die seit Oktober 2002 ausgeübte Tätigkeit des Beklagten als Konrektor mit dem damit verbundenen höheren Einkommen „den ehelichen Lebensverhältnissen zuzuordnen“ sei, weil die Beförderung zur Zeit der Scheidung derart wahrscheinlich gewesen sei, daß die Ehegatten darauf ihre Lebensverhältnisse bereits hätten einstellen können.
Insoweit ist zunächst festzuhalten, daß es sich bei der Beförderung des Beklagten vom Sonderschullehrer (A 13) zum Konrektor (A 14 L) nicht um eine in dem vom Beklagten ausgeübten Beruf des Lehrers an einer Sonderschule übliche Regelbeförderung handelt, die die ehelichen Lebensverhältnisse ohne weiteres auch dann prägt, wenn sie nach der Scheidung erfolgt (vgl. dazu etwa Wendl/Staudigl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Auflage, Seite 512). Dies ergibt sich – ähnlich wie etwa im richterlichen Dienst im Verhältnis einer’R 2- zu einer R 3-Stelle (vgl. dazu etwa OLG Gelle, FamRZ 1999, 858) – bereits aus der – im Verhältnis zu den Lehrerplanstellen insgesamt – verhältnismäßig geringen Zahl von Stellen als Konrektor.
Die Beförderung des Beklagten ist daher – wie wohl auch von den Parteien übereinstimmend gesehen – als ein Karrieresprung zu beurteilen.
Die Einbeziehung der vom Beklagten nach der Beförderung tatsächlich erzielten Einkünfte in die für die Bedarfsberechnung maßgeblichen ehelichen Lebensverhältnisse würde zum einen voraussetzen, daß der Beförderung eine Entwicklung zugrundelag, die aus der Sicht der Scheidung bzw. der, Rechtskraft des Scheidungsurteils – hier 25.07.2002 – mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, und daß diese Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse bereits geprägt hat (vgl. etwa BGH, FamRZ 1986, 783, 785; BGH, FamRZ 1987, 459, 460; Wendl/Stau-digl/Gerhardt, a.a.O., Seite 527, 528).
Insoweit beruft sich die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung vor allem darauf, daß die vertretungsweise Ausübung der Stelle des in den Ruhestand getretenen Konrektors durch den Beklagten seit dem Herbst 2001 aus der Sicht des 25.07.2002 die erforderliche Wahrscheinlichkeit und Vorhersehbarkeit der wenige Wochen später tatsächlich erfolgten Beförderung begründet hätte. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit der Beförderung im Oktober/November 2002 aus der Sicht des 25.07.2002 wohl auch noch davon beeinflußt worden ist, ob zu diesem Zeitpunkt bereits eine Bewerbung seitens des Beklagten vorlag, wäre das Vorbringen der Klägerin möglicherweise dann erfolgversprechend, wenn die Wahrscheinlichkeit der Beförderung ausschließlich vom Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung her zu beurteilen wäre.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa FamRZ 1982, 576, 578; FamRZ 1987, 913, 915), die dieser jedenfalls für die Frage von Einkommenssteigerungen auf Seiten des Unterhaltspflichtigen nicht aufgegeben hat, und der auch die Literatur weiter folgt (vgl. etwa Wendl/Staudigl/Gerhardt, a.a.O., Seite 505, 513, 514),. ist die Scheidung nämlich dann nicht als der für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse maßgebliche Zeitpunkt anzusehen, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nach der Trennung, aber vor der Scheidung, , eine unerwartete, vom Normalverlauf abweichende Entwicklung genommen hat. Soweit die Einkommensverhältnisse dadurch einen – im Verhältnis zur Zeit des Zusammenlebens – ungewöhnlichen Aufschwung genommen haben, soll der Unterhaltsberechtigte daran keinen Anteil haben (vgl. etwa BGH, FamRZ 1982, 578). Als eine vom Normalverlauf abweichende Entwicklung muß aber auch ein Karrieresprung gesehen werden, der aus der Sicht des Zeitpunktes der Trennung nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war (vgl. etwa Wendl/Stau-digl/Gerhardt, a.a.O., Seite 514).
Wenn damit aber die Einbeziehung eines nach der Trennung, aber vor der Scheidung liegenden Karrieresprungs von dessen Wahrscheinlichkeit im Zeitpunkt der Trennung abhängt, dann muß dies erst recht gelten, wenn der Karrieresprung – wie hier -erst nach der Scheidung stattfindet.
Damit hängt die Einbeziehung der Bezüge des Beklagten als Konrektor in die ehelichen Lebensverhältnisse, davon ab, ob die im Oktober oder November 2002 erfolgte Beförderung auf einer Entwicklung beruht, die bereits bei der Trennung im Juni 2000 mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war.
Zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit in diesem Zeitpunkt kann die Ausübung des Postens des Konrektors seit Herbst 2001 nicht herangezogen werden, weil nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, daß diese im Sommer 2000 bereits geplant; war oder überhaupt im Raum stand.
Aus der Ende 1997 abgeschlossenen berufsbegleitenden Ausbildung des Beklagten (vom Hauptschullehrer) zum Sonderschullehrer läßt sich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der späteren Beförderung des Beklagten zum Konrektor an einer Sonderschule nicht herleiten. Zwar mag diese Ausbildung zum Sonderschullehrer Voraussetzung für die später erfolgte Beförderung zum Konrektor an einer Sonderschule gewesen sein (so auch die vom Beklagten vorgelegte Bestätigung der Regierung von 9MMHMIHB vom 03.07.2003, vgl. Bl. 56 d.A.). Anhaltspunkte dafür, daß bereits zum Zeitpunkt der Trennung mit der zu verlangenden hohen Wahrscheinlichkeit die spätere Beförderung zum Konrektor zu erwarten war oder der Beklagte auch nur eine – im Verhältnis zu anderen Sonderschullehrern – erhöhte Chance auf diesen Posten hatte, sind aber nicht vorgetragen oder ersichtlich. Auch in der Bestätigung der Regierung von V vom 03.07.2003 ist insoweit ausgeführt, daß die Bewerber mit sonderpädagogischer Ausbildung nach ihrer Qualifikation ausgewählt werden und ein. Zusammenhang von Nachqualifikation und Beförderung zum Sonderschulkonrektor nicht gegeben ist.
Da damit entgegen der Argumentation der Klägerin in der Beschwerdebegründung auf das Einkommen des Beklagten als Konrektor nicht abgestellt werden kann,und die Klägerin sonstige Einwände gegen die Unterhaltsberechnung des Amtsgerichts nicht erhoben hat, kann nicht von einer hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage über den im angefochtenen Beschluß des Amtsgerichts berücksichtigten Umfang hinaus ausgegangen werden. Die Beschwerde der Klägerin war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.