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Kaufvertrags über Sportboot – Rückabwicklung wegen fehlender Osmosefreiheit

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 48/19 – Urteil vom 26.02.2020

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 16.5.2019 – Az: 9 O 203/16 – wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Kläger lediglich zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 EUR an den Beklagten verurteilt wird.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Das Urteil sowie das mit der Berufung angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des gesamten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 86.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt vom Beklagten nach dem Verkauf eines gebrauchten Sportbootes restliche Kaufpreiszahlung.

Der Kläger verkaufte an den Beklagten mit Kaufvertrag vom 8.6.2016 ein gebrauchtes Sportboot zum Kaufpreis in Höhe von 89.000 EUR. Der Beklagte leistete die vereinbarte Anzahlung in Höhe von 13.350 EUR. Den restlichen Kaufpreis in Höhe von 75.650 EUR bezahlte er nicht. Dieser war nach § 7 des Kaufvertrages nach erfolgreichem Osmosescheck fällig.

In § 7 des Kaufvertrages ist geregelt: „Das Schiff wird vor Übergabe an den Käufer noch einmal aus dem Wasser gekrant … und auf offensichtliche Osmose (sichtbare Blasenbildung am Rumpf) und auf eventuelle Schäden begutachtet … Sollte widererwartend Osmose vorhanden sein, übernimmt der Verkäufer die angefallenen Krankosten. Sowohl Käufer, als auch Verkäufer haben in diesem Fall das Recht, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Das hat in Schriftform binnen 3 Tagen nach Begutachtung zu geschehen …“

Dem endgültigen Kaufvertrag waren mehrere Entwürfe vorausgegangen, deren Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Während dieser Verhandlungen zwischen den Parteien schrieb die Ehefrau des Beklagten eine E-Mail vom 7.6.2016 an den Zeugen W., den der Kläger als Makler für den Verkauf des Bootes beauftragt hatte. In der E-Mail stand u.a.: „Eine Osmosefreiheit wurde von Herrn B. und Frau B. mündlich bestätigt und vereinbart, dass dies auch Gegenstand des Kaufvertrages wird.“ In einer E-Mail vom nächsten Tag schrieb die Ehefrau des Klägers an die Ehefrau des Beklagten: „Was Sie in Ihrer E-Mail vom 7.6.2016 geschrieben hatten, ist ja alles richtig. …“

Der Kläger war beim Verkauf des Gebrauchtbootes davon ausgegangen, dass der Schiffsrumpf nicht durch Osmose geschädigt war.

Ende Juli/Anfang August 2016 wurde das verkaufte Boot in der Werft in W. in Anwesenheit der Parteien sowie von Werftmitarbeitern, u.a. der Zeugen K. und H., aus dem Wasser gekrant. Die Parteien nahmen das Boot, dessen Rumpf zu diesem Zeitpunkt mit einer Antifoulingschicht überzogen war, in Augenschein. Eine Blasenbildung, die ein Zeichen für eine Schädigung des Schiffsrumpfs durch Osmose gewesen wäre, stellten sie augenscheinlich nicht fest. Eine sachverständige Begutachtung auf Osmoseschäden erfolgte zu diesem Zeitpunkt nicht. Der Beklagte beauftragte den Zeugen K. mit der Erneuerung der Antifoulingschicht. Bei den dazu erforderlichen Schleifarbeiten wurden Osmoseblasen entdeckt. Der Zeuge K. informierte den Beklagten darüber sofort am 8.8.2016. Der Beklagte benachrichtigte den Kläger und erklärte in seiner E-Mail vom 9.8.2016 gegenüber dem Kläger vorsorglich den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Später erfolgten mehrere sachverständige Untersuchungen, die ebenfalls Hinweise auf eine Osmoseschädigung des Bootsrumpfs ergaben.

Der Kläger hat behauptet, der Bootsrumpf sei nicht durch Osmose geschädigt. Bei der Übergabe des Bootes nach dem Kranen in der Werft in W. seien keine sichtbaren Osmoseblasen an dem Schiffsrumpf vorhanden gewesen. Es sei mit dem Beklagten vereinbart worden, dass nach der Besichtigung des Bootes kurzfristig entschieden werde, ob es beim Kauf bleibe oder nicht. Die Beschränkung des Rücktrittsrechts in § 7 des Kaufvertrages auf „sichtbare Blasenbildung“ sei im ursprünglichen Kaufvertragsentwurf nicht enthalten gewesen und erst in späteren Entwürfen hinzugefügt worden. Warum es zu diesen Änderungen gekommen sei, wisse er nicht.

Der Beklagte hat behauptet, der Schiffsrumpf sei durch Osmose geschädigt. Er habe dem Kläger von Anfang an deutlich gemacht, dass er nur ein gebrauchtes Boot ohne Osmoseschäden erwerben wolle. Deswegen sei die Regelung in § 7 des Kaufvertrages aufgenommen worden. Seine Ehefrau habe noch mit dem Zeugen W. telefoniert und sich erkundigt, ob die in § 7 des Kaufvertrages vom Zeugen W. gewählte Formulierung ausreichend die zugesicherte Osmosefreiheit zum Ausdruck bringe. Dies habe der Zeuge W. bestätigt und sie mit dem Hinweis, dass es sich um einen Standardvertrag handele, beruhigt.

Der Kläger hat vom Beklagten restliche Kaufpreiszahlung Zug um Zug gegen Übergabe des verkauften Bootes verlangt. Der Beklagte hat vom Kläger widerklagend Rückzahlung der geleisteten Anzahlung, abzüglich einer erhaltenen Versicherungsleistung sowie Ersatz von Treibstoffkosten und der Kosten der Erneuerung der Antifoulingbeschichtung verlangt.

Das Landgericht Saarbrücken hat ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Ba. eingeholt, diesen mündlich angehört und die Zeugen W., K., Sp.,, S. H. und J. H. vernommen. Anschließend hat es durch Urteil vom 16.5.2019 die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage hin verurteilt, an den Beklagten 6.018,60 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.217,45 EUR zu zahlen.

Kaufvertrags über Sportboot - Rückabwicklung wegen fehlender Osmosefreiheit
(Symbolfoto: Von sylv1rob1/Shutterstock.com)

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 16.5.2019 – 9 O 203/16 –

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 75.500 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.7.2016 Zug um Zug gegen Übergabe des Gebrauchtbootes C. M. S. und darüber hinaus vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2085,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.11.2016 zu zahlen,

2. festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Annahme des Gebrauchtbootes C. M. S. im Annahmeverzug befindet,

3. die Widerklage des Beklagten, soweit dieser mit Urteil vom 16.5.2019 stattgegeben wurde, abzuweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung des Klägers hat – bis auf einen Teil der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Beklagten – keinen Erfolg. Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage hin verurteilt, die geleistete Anzahlung abzüglich der Versicherungsleistung und das geliehene Geld für die Betankung des Bootes zur Überführung nebst außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten an den Beklagten (bezogen auf die berechtigten Widerklageforderungen) zu zahlen.

(1.)

Zu Recht und mit einer in jeder Hinsicht zutreffenden Begründung hat das Landgericht angenommen, dass der Beklagte durch seine Rücktrittserklärung vom 9.8.2016 wirksam vom Kaufvertrag vom 8.6.2016 zurückgetreten ist, so dass der von dem Kläger geltend gemachte Kaufpreiszahlungsanspruch nach den §§ 434, 437 Nr. 2, 323 und 346 BGB durch das Rückabwicklungsverhältnis erloschen ist.

(a)

Die Annahme des Landgerichts, es stehe nach dem Gutachten des Sachverständigen Ba. fest, dass der Rumpf des verkauften Bootes durch Osmose tatsächlich geschädigt ist, kann nicht bezweifelt werden. Selbst der vom Kläger zugezogene Privatsachverständige Ma. hat bei der Anhörung des Sachverständigen Ba. vor dem Landgericht Saarbrücken in der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2018 bestätigt, dass das Boot bei Abschluss des Kaufvertrages Osmoseschäden am Rumpf aufwies. Die Berufung erinnert dagegen auch nichts mehr.

(b)

Richtig hat das Landgericht auch angenommen, es läge deswegen ein Sachmangel vor, weil nach der Beschaffenheitsvereinbarung zwischen den Parteien im Kaufvertrag vom 8.6.2016 das verkaufte Boot frei von Osmoseschäden sein sollte und die Parteien ausdrücklich ein Rücktrittsrecht vereinbart haben, wenn ein Osmoseschaden festgestellt wird.

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Es ist nicht zu beanstanden, aus der E-Mail-Korrespondenz der Parteien vom 7.6.2016 bzw. 8.6.2016 darauf zu schließen, die Parteien hätten sich als Sollbeschaffenheit auf eine Osmosefreiheit geeinigt, also darauf, dass an dem Bootsrumpf keine Osmoseschäden vorhanden sind. Der Kläger ging unstreitig, was er bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht erneut bekräftigt hat, von einer Osmosefreiheit aus. Der Beklagte hat unstreitig darauf erheblichen Wert gelegt. In der E-Mail vom 7.6.2016 ist dies klar formuliert und in der E-Mail vom 8.6.2016 (Blatt 232 der Akten) von der Ehefrau des Klägers, die vom Kläger mit der näheren Konkretisierung der Absprachen zwischen den Parteien beauftragt war, so dass sich der Kläger ihre Erklärungen nach § 164 BGB zurechnen lassen muss, bestätigt worden.

Nicht zu beanstanden ist auch die weitere Annahme des Landgerichts, die von dem Zeugen W. vorgegebene Formulierung in § 7 des Kaufvertrages habe an dieser Vereinbarung der Parteien nichts verändert, insbesondere ein Rücktrittsrecht nicht auf eine besonders schwere Form einer osmotischen Schädigung beschränkt. Unstreitig und vom Zeugen W. bestätigt, stammt die Formulierung in § 7 des Kaufvertrages von ihm, ohne dass die Parteien darauf Einfluss genommen hätten. Das hat das Landgericht zutreffend begründet, worauf Bezug genommen wird. Der Kläger hat auch selbst bei seiner Anhörung vor dem Landgericht erklärt, er habe auf diese Formulierung keinen Einfluss genommen. Er hat nicht einmal behauptet, die Parteien hätten über einen bestimmten Grad einer Osmoseschädigung überhaupt gesprochen und das Rücktrittsrecht nur ab einem vereinbarten Grad einer osmotischen Schädigung vereinbaren wollen. Wenn dies aber nicht geschehen ist und die von dem Zeugen W. vorgegebene Formulierung „sichtbare Blasenbildung“ auf dessen Meinung beruhte, wie er dies bekundet hat, dass es keine osmosefreien Boote gäbe, die Wasser ausgesetzt waren, es den Kaufvertragsparteien aber um eine schädliche Osmose gehe, die nur vorliege, wenn Blasen vorhanden seien, überzeugt die Argumentation des Landgerichts, die Klausel so auszulegen, ein Rücktrittsrecht im Falle einer Schädigung durch Osmose anzunehmen.

Dagegen kann der Kläger auch nicht einwenden, im Laufe der Vertragsverhandlungen sei das Rücktrittsrecht für den Beklagten eingeschränkt worden. Die Behauptung des Klägers, in einem ursprünglichen Vertragsentwurf sei ein Rücktrittsrecht für den Fall eines Osmoseschadens weitergehend formuliert und erst später in dem Kaufvertrag zwischen den Parteien sei von offensichtlicher Osmose und einer sichtbaren Blasenbildung die Rede gewesen, ist vom Zeugen W. nicht bestätigt worden. Einen entsprechenden Entwurf hat der Kläger auch nicht vorgelegt. Es spricht demnach nichts dafür, dass die Parteien ihre mündliche Vereinbarung einer Osmosefreiheit des verkauften Bootes, also einer Osmoseschadenfreiheit in irgendeiner Form einschränken wollten.

(c)

Außerdem ist die vom Landgericht gewählte Auslegung des Vertrages im Sinne einer „schädigenden Osmose“ nicht einmal erforderlich, um im vorliegenden Fall das vereinbarte Rücktrittsrecht im Falle einer „offensichtlicher Osmose (sichtbare Blasenbildung am Rumpf)“ zu begründen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Ba. steht fest, dass es am Bootsrumpf zu einer Blasenbildung durch Osmose gekommen ist. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 19.3.2018 das Vorhandensein von Osmoseblasen bestätigt (Blatt 137 der Akten). Dies hat er auch bei seiner mündlichen Anhörung bekräftigt. Auch der vom Kläger zugezogene Privatsachverständige Ma. hat eine Blasenbildung nicht in Abrede gestellt. Die Ansichten der beiden Sachverständigen gingen nur insoweit auseinander als der Privatsachverständige Ma. es für zweifelhaft hielt, ob die vorhandenen Osmoseblasen bei einer bloßen Sichtprüfung auch ohne das Abschleifen, also eine genaue Untersuchung nach der Auskranung, zu erkennen waren. Er hat dazu in seinem Privatgutachten vom 24.9.2018 näher ausgeführt, dass die Osmoseblasen in sehr unterschiedlicher Ausprägung vorhanden sein können und es durchaus möglich ist, dass bei einer bloßen Inaugenscheinnahme des Bootes, gerade bei vorhandener Antifoulingbeschichtung keine Osmoseblasen nach dem Auskranen erkennbar gewesen sein müssen. Das Erkennen der Osmoseblasen nach dem Abschleifen, also das Vorhandensein der Osmoseblasen, hat der Privatsachverständige Ma. dagegen nicht in Abrede gestellt.

Die in § 7 des Kaufvertrages formulierte Voraussetzung einer sichtbaren Blasenbildung bei einer Begutachtung, wie es dort formuliert ist, liegt folglich vor. Osmoseblasen, die nach einem Entfernen der Antifoulingschicht durch Abschleifen an jeder Probestelle zu erkennen sind, stellen eine bei einer Begutachtung festgestellte offensichtliche Osmose (sichtbare Blasenbildung am Rumpf) dar. Anders wäre dies nur, worauf der Kläger abzielt, wenn man die Regelung in § 7 des Kaufvertrages so auslegen wollte, dass eine Blasenbildung bereits durch eine bloße Sichtprüfung ohne jedes Probeschleifen hätte erkennbar sein müssen. Für eine solche Auslegung gibt es aber keine Anhaltspunkte. Die Regelung spricht nicht von einer Sichtprüfung, sondern von einer Begutachtung. Eine Begutachtung einer Osmose ist aber nach den Ausführungen des Sachverständigen Ba. mehr als eine Sichtprüfung, vor allen Dingen, wenn eine Antifoulingbeschichtung aufgetragen ist. Auch die Aussage des Zeugen K. spricht dafür, dass dies jedem Fachmann klar ist, der ein Boot auf das Vorhandensein einer schädlichen Osmose untersucht. Weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Regelung kann folglich auf eine nichtssagende bloße Inaugenscheinnahme abgestellt werden.

(d)

Schließlich ist auch die weitere Annahme des Landgerichts Saarbrücken richtig und überzeugend begründet, dass der Beklagte den Rücktritt fristgerecht, nämlich binnen 3 Tagen nach Begutachtung erklärt hat.

Der Wortlaut von § 7 des Kaufvertrages ist eindeutig. Eine Frist für die Begutachtung ist nicht bestimmt. Erst nach der Begutachtung muss der Rücktritt binnen 3 Tagen erklärt werden, wenn Osmoseschäden festgestellt werden.

Deshalb war es entscheidend, wie der Begriff Begutachtung, der nicht näher konkretisiert ist, auszulegen ist. Das hat das Landgericht richtig gesehen und entschieden, dass damit entsprechend dem bereits Ausgeführten keine bloße Sichtprüfung gemeint ist, sondern eine fachgerechte Begutachtung, die ohne Entfernen der Antifoulingschicht nicht möglich ist. Diese ist frühestens durch die Mitarbeiter des Zeugen K. erfolgt. Ein Ergebnis lag am 8.8.2016 vor. Der Rücktritt am 9.8.2016 durch den Beklagten erfolgte damit innerhalb der vereinbarten 3 Tage und damit rechtzeitig.

(e)

Die Einwände in der Berufungsbegründung dagegen überzeugen nicht. Woraus der Kläger ableiten will, dass dem Beklagten ein Rücktrittsrecht nur zustehen sollte, wenn eine „augenscheinliche, bereits beim Auskranen sichtbare Blasenbildung“ vorhanden sein sollte, erklärt er nicht. Für diese Auslegung gibt es – wie ausgeführt – weder nach dem Wortlaut Anhaltspunkte noch nach Sinn und Zweck dieser Regelung. Wenn eine schädliche Osmose, die bereits zu Blasen am Bootsrumpf geführt hat, lediglich durch eine nähere Untersuchung mittels Probeschleifen und Entfernen der Antifoulingbeschichtung festgestellt werden kann, dann zielt das ausdrücklich verwendete Wort „begutachtet“ in § 7 des Kaufvertrages genau auf eine solche Untersuchung ab, und nicht auf eine laienhafte Inaugenscheinnahme.

Es erschließt sich auch nicht, dass es beiden Parteien erkennbar darum ging, schnellstmöglich nach dem Auskranen des Bootes Klarheit über das Vorliegen von Osmoseschäden zu erzielen. Für eine durchzuführende Begutachtung ist gerade keine Frist vereinbart worden. Der Kläger hat auch nicht behauptet, dass über eine solche gesprochen worden sei. Schließlich hatten es beide Parteien in der Hand, zeitnah eine solche fachgerechte Begutachtung durchzuführen. Es trifft deshalb auch nicht zu, wie der Kläger meint, dass der Beklagte es bei einer solchen Auslegung in der Hand gehabt habe, seine Rücktrittsmöglichkeit willkürlich hinauszuschieben. Der Kläger selbst konnte jederzeit nach dem Auskranen eine fachgerechte Begutachtung hinsichtlich Osmoseschäden durchführen lassen und damit ohne jede Mitwirkung des Beklagten eine mögliche Rücktrittsfrist in Gang setzen.

Nicht geteilt werden kann auch die Argumentation der Berufungsbegründung, dass aus der vereinbarten 3-tägigen Rücktrittsfrist nach Feststellung von Osmoseschäden durch eine Begutachtung darauf geschlossen werden soll, dass auch die Begutachtung selbst binnen 3 Tagen erfolgen sollte, woraus der Kläger insgesamt ableiten möchte, dass bereits die Sichtprüfung, also die zeitlich unmittelbar nachfolgende Besichtigung des Bootes nach dem Auskranen die Begutachtung darstellen sollte. Die 3-tägige Rücktrittsfrist bestimmt lediglich die Überlegungszeit des Beklagten nach der Feststellung der Schäden. Hierfür eine kurze Frist zu vereinbaren, trägt offensichtlich dem Umstand Rechnung, dass bei Fristbeginn die für die Entscheidung über einen Rücktritt notwendigen Feststellungen zu diesem Zeitpunkt erfolgt sind. Eine Aussage über einen Zeitraum, innerhalb dessen die Begutachtung durchgeführt werden musste, also gerade erst die Grundlagen für die Entscheidung geklärt werden mussten, lässt dies nicht zu. Die Parteien haben dafür keine Frist vereinbart, sondern dies ausdrücklich offengelassen. Daraus ist umgekehrt abzuleiten, dass sich die Parteien über den Aufwand der Begutachtung und die Person des Gutachters und die notwendige Zeit, einen solchen hinzuzuziehen im Unklaren waren und keine Regelung trafen.

Dem Beweisangebot auf Seite 6 der Berufungsbegründung (Blatt 404 der Akten) war nicht weiter nachzugehen. Es ist unstreitig, dass die Parteien mit der in den Kaufvertrag aufgenommenen 3-Tages-Frist einverstanden waren. Sie lief allerdings erst ab Begutachtung. Der Kläger hat nicht behauptet und unter Beweis gestellt, dass die Parteien eine 3-Tages-Frist ab der Auskranung und sofortiger Inaugenscheinnahme besprochen und vereinbart hatten, was in § 7 des Kaufvertrages zum Ausdruck kommen sollte.

Letztlich kann dem Kläger auch nicht gefolgt werden, den Auftrag an den Zeugen K. zur Erneuerung der Antifoulingbeschichtung als mangelfreie Abnahme des Bootes gegenüber dem Kläger und Verzicht auf eine Begutachtung und einen Rücktritt zu verstehen. Aus Sicht des Beklagten stellten sich diese Fragen zu diesem Zeitpunkt nicht. Der Kläger verlangte keine Erklärungen. Der Brandschaden war nicht repariert. Die Vertragsdurchführung lag insgesamt noch aus anderen Gründen in der Schwebe. Möglicherweise hat sich der Beklagte auch gerade durch die Erneuerung der Antifoulingbeschichtung weitere Erkenntnisse versprochen.

(2.)

Entsprechend hat das Landgericht auch der Widerklage in der Hauptsache stattgegeben.

(3.)

Allerdings schuldet der Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten aus den §§ 286, 280 BGB lediglich in Höhe von 650,34 EUR, denn die Geschäftsgebühr für die berechtigte Widerklageforderung kann lediglich aus einem Streitwert von 6.018,60 EUR errechnet werden. Nur in dieser Höhe waren die Forderungen des Beklagten berechtigt.

Die Berechnung aus einem Streitwert von 89.000 EUR, dem gesamten Kaufpreis, betraf dagegen die außergerichtlichen Bemühungen des Rechtsanwalts auf Beklagtenseite, um der Restkaufpreis, den der Kläger verlangte, abzuwehren. Insofern kommt lediglich ein Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB in Betracht. Dieser scheitert aber daran, dass dem Kläger nicht vorgehalten werden kann, seine Forderung halte einer Plausibilitätskontrolle nicht stand.

Die Geltendmachung letztlich unbegründeter Ansprüche führt nicht automatisch zu einer Haftung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Haftung scheidet nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB aus, wenn der Anspruchsteller nicht fahrlässig gehandelt und die Verletzung seiner Pflichten nach § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB nicht zu vertreten hat. Fahrlässig handelt der Gläubiger nämlich nicht schon dann, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist. Die Berechtigung seiner Forderung kann sicher nur in einem Rechtsstreit geklärt werden. Dessen Ergebnis vorauszusehen kann von dem Gläubiger im Vorfeld oder außerhalb eines Rechtsstreits nicht verlangt werden. Das würde ihn in diesem Stadium der Auseinandersetzung überfordern und ihm die Durchsetzung seiner Rechte unzumutbar erschweren. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) entspricht der Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr schon dann, wenn der eigene Rechtsstandpunkt plausibel ist. Mit dieser Plausibilitätskontrolle hat es sein Bewenden. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt (BGH, Urt. v. 16.1.2009 – V ZR 133/08 – NJW 2009, 1262).

Nach dem oben Gesagten, war die Ansicht des Klägers zu der Osmosefreiheit und der Auslegung der vertraglichen Abreden jedenfalls plausibel. Die Geltendmachung des Restkaufpreises war folglich keine schuldhafte Pflichtverletzung.

(4.)

Die Zinsansprüche, die das Landgericht zugesprochen hat, folgen aus den §§ 286, 288 BGB.

(5.)

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen.

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