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Kinderlärm als Reisemangel bei Kreuzfahrt – Reisepreisminderung

Lärmende Kinder auf Kreuzfahrt: Kein Anspruch auf Reisepreisminderung

Die Thematik des vorliegenden Falles dreht sich um den Konflikt, den lärmende Kinder während einer Kreuzfahrtreise erzeugen können und inwieweit dies als Mangel der Reiseleistung gilt. Das entscheidende Rechtsproblem liegt hier in der Frage, ob der verursachte Lärm durch Kinder während einer Kreuzfahrt einen Anspruch auf eine Reisepreisminderung begründet.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 47 C 278/19 >>>

Klageschrift und Hintergründe des Falls

Zwei Reisende, im Folgenden als Kläger bezeichnet, stellten einen Antrag auf Reisepreisminderung mit der Begründung, dass ihr Urlaub durch den anhaltenden Lärm der Kinder beeinträchtigt wurde. Sie argumentierten, dass diese ständige Geräuschkulisse ihren Urlaubsgenuss wesentlich minderte und daher als Mangel der Reiseleistung zu werten sei. Daraus ergibt sich die entscheidende Frage: Ist Kinderlärm während einer Kreuzfahrt ein Reisemangel?

Kernargumente und Erkenntnisse des Gerichts

Das Amtsgericht Rostock (Az.: 47 C 278/19) hatte hierüber zu entscheiden und verneinte dies in seinem Urteil vom 10.06.2020. Das Gericht argumentierte, dass lärmende Kinder ein allgemeines gesellschaftliches Phänomen sind und nicht speziell auf eine Kreuzfahrt beschränkt. Es ist daher für Reisende zu erwarten und zu akzeptieren, dass sie auf einer Kreuzfahrt auch mit Kindern und dem damit einhergehenden Lärm konfrontiert werden können.

Entscheidung und deren Auswirkungen

Das Gericht wies die Klage der Reisenden ab und entschied, dass diese die Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben. Darüber hinaus ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Kläger haben jedoch die Möglichkeit, die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden.

Bedeutung des Urteils im Reiserecht

Das Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf das Reiserecht und insbesondere auf die Definition dessen, was als Reisemangel gilt. Es stellt klar, dass der Lärm von Kindern auf einer Kreuzfahrt nicht als Mangel der Reiseleistung gewertet wird und folglich keinen Anspruch auf eine Reisepreisminderung begründet. Für Reisende bedeutet dies, dass sie bei der Planung ihrer Reise berücksichtigen müssen, dass sie mit lärmenden Kindern konfrontiert werden könnten und dies keinen Mangel darstellt.


Das vorliegende Urteil

AG Rostock – Az.: 47 C 278/19 – Urteil vom 10.06.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreites.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Der Streitwert wird auf 974,50 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger fordern die Minderung des Reisepreises für eine Kreuzfahrtreise auf Grund strittigen Kinderlärms.

Kinderlärm als Reisemangel bei Kreuzfahrt - Reisepreisminderung
Lärmende Kinder auf Kreuzfahrt? Kein Reisemangel, sagt das Gericht, und weist Klage auf Preisnachlass ab. Was bedeutet dies für die zukünftige Reiseplanung? (Symbolfoto: Gorloff-KV /Shutterstock.com)

Die Kläger hatten bei der Beklagten eine Donau-Kreuzfahrt vom 28.07. bis 04. 08. 2019 zu einem Preis in Höhe von 3.898,00 € gebucht. Ihnen war die Kabine 235 auf dem Kreuzfahrtschiff zugewiesen worden. Diese Kabine befindet sich eine Ebene unter dem Eingang, der Rezeption, der Bar und einer provisorisch eingerichteten Spielecke. Strittig ist, ob durch ein Kind ständig Lärm verursacht worden sei, der die Kläger erheblich gestört habe. Die Kläger fordern eine Minderung/Rückzahlung des Reisepreises im Umfang von 25 %.

Die Kläger behaupteten zunächst, zwischen der Bar und der provisorisch eingerichteten Spielecke sei permanent ein sehr aktives Kind hin und her gelaufen, was zu Erschütterungen in ihrer Kabine geführt habe. Es sei den Klägern in keiner Weise möglich gewesen, über die gesamte Reise in der Kabine oder auf Schiff Ruhe zu finden. Von den Klägern wurde am 01.08.2019 die ihrer Meinung nach vorhandene Hellhörigkeit der Kabine sowie ein „Getrampel des betreffenden Kindes“ moniert.

Nach entsprechenden Hinweis des Gerichts, dass das Kind nicht jeden Tag 24 Stunden habe hin und her laufen können tragen die Kläger nunmehr vor, das Kind sei bereits kurz nach dem Frühstück bis in den Abend (21.00 Uhr) hinein unter wildem Schreien umher gelaufen und umher getrampelt. Die Störung habe 12 bis 14 Stunden pro Tag angedauert. Auch habe das Kind in erheblicher Art und Weise beim Frühstück und bei sämtlichen sonstigen Mahlzeiten krakeelt. (letzteres unstreitig).

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 974,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.08.2019 zu zahlen, wobei die konkrete Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger die Kosten für die Inanspruchnahme außergerichtlicher anwaltlicher Hilfe in Höhe von 108,53 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über den jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, der Vortrag der Kläger sei unglaubwürdig und übertrieben. Kinderlärm sei als adäquat hinzunehmen. Den Beklagten sei keine bestimmte Altersbegrenzung bezüglich des Mindestalters von Reisenden zugesichert worden (letzteres unstreitig).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Minderungsanspruch und somit auch keinen Anspruch auf teilweise Rückzahlung des von ihnen für die Flusskreuzfahrtreise vom 28.07. bis 04.08. 2019 gezahlten Reisepreises.

Der überwiegend strittige und von den Klägern nicht bewiesene Sachvortrag rechtfertigt im Ergebnis keine Feststellung des Vorliegens eines Reisemangels. Kinderlärm ist grundsätzlich sozial adäquat und hinzunehmen. Kein Reisender kann ernsthaft erwarten, dass Kinder sich stets ruhig und gesittet verhalten. Der kindliche Bewegungsdrang sowie das Spielen und Herumtollen ist unvermeidbar mit Lärmimmissionen, die keinen Reisemangel darstellen. Dies gilt auch für kindgemäßes Essverhalten, das nicht den üblichen Tischmanieren entspricht ( LG Klewe RRa 1997, 54).

Der Bundesgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Minderungsansprüchen im Zusammenhang mit einem Wohnraummietvertrag entschieden, das Geräuschimmissionen, die ihren Ursprung in einem altersgerecht üblichen kindlichen Verhalten haben gegebenenfalls auch unter Inkaufnahme erhöhter Grenzwerte für Lärm und entsprechender Begleiterscheinungen kindlichen Verhaltens grundsätzlich hinzunehmen sind. Die insoweit zu fordernde erhöhte Toleranz hat unter Berücksichtigung von Art, Qualität, Dauer und Zeit der verursachten Geräuschimmissionen, des Alters und des Gesundheitszustandes des Kindes sowie der Vermeidbarkeit der Immissionen etwa durch objektiv gebotene erzieherische Einwirkungen seine Grenzen (NJW-RR 2017, 1290).

Hier tragen die Kläger das Verhalten eines Kindes vor, welches von der Zeit nach dem Frühstück, das heißt dem Vormittag bis in den Abend hinein gegen 21 Uhr durchgehend schreiend herumgerannt und herum getrampelt sei. Dieser Vortrag ist strittig und von den Klägern nicht bewiesen. Ein zulässiges Beweisangebot wird von den Klägern nicht unterbreitet.

Davon abgesehen ist der Vortrag der Kläger auch unglaubwürdig. Das Gericht hält es für schlicht unmöglich, dass ein Kleinkind täglich 12 bis 14 Stunden ununterbrochen herumschreit und herumrennt. Der Sachvortrag der Kläger „leidet“ offensichtlich an einer Übertreibung, denn die Kläger hatten mit der Klage zunächst auch vorgetragen, das sie auf Grund des Kindes „zu keiner Zeit“ in der Kabine oder auf dem Schiff ihre Ruhe hätten finden können.

Für die Bewertung, ob hier ein nicht mehr hinnehmbares Verhalten eines Kindes, welches zu erheblichen Störungen geführt habe, einen Mangel darstellen könnte ist lediglich der unstrittige Sachverhalt der Kläger heranzuziehen, dass das Kind in erheblicher Art und Weise beim Frühstück und bei sämtlichen sonstigen Maßnahmen herumkrakeelt habe. Dies genügt jedoch ebenfalls nicht für die Feststellung eines Mangels.

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Allein die Tatsache, dass das Kind bei den Mahlzeiten krakeelte, kann noch nicht auf einen Mangel geschlossen werden. Vielmehr ist insoweit noch von einem kindlichen sozial adäquat hinzunehmenden Verhalten auszugehen. Hinzu kommt, dass grundsätzlich in gewissen Umfang Verhalten anderer Reisender, welches nicht von ausreichender Rücksichtnahme auf die übrigen Reisenden geprägt ist, ebenfalls hinzunehmen ist. Im vorliegenden Fall beträfe dies eventuell fehlende oder unzureichende Einflussnahme der Eltern des Kindes auf dieses.

Soweit die Kläger das Krakeelen als „in erheblicher Art und Weise“ beschreiben stellt dies zudem eine subjektive Wertung da. Dabei soll nicht verkannt werden, dass für einen Reisenden auch kurzes Krakeelen bzw. wiederholtes Krakeelen störend sein kann, während dieses Verhalten bei objektiver Betrachtung noch als kindstypisch zu bewerten wäre.

Mangelns berechtigter Hauptforderungen besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Reiserecht: Dies ist das Hauptrechtsgebiet, das in dem Fall behandelt wird. Der Hauptstreitpunkt betrifft den Anspruch auf Minderung des Reisepreises wegen des behaupteten Reisemangels, der durch Kinderlärm verursacht wurde. In Deutschland ist das Reiserecht hauptsächlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 651a bis 651y BGB geregelt. Die Kläger berufen sich hier auf einen Mangel der Reiseleistung nach § 651i BGB, da sie den anhaltenden Kinderlärm als erhebliche Beeinträchtigung ihrer Kreuzfahrt erlebten. Der Reiseveranstalter ist nach § 651i Abs. 3 BGB dazu verpflichtet, bei Mängeln Abhilfe zu schaffen, sofern dies nicht unverhältnismäßig ist. Im vorliegenden Fall hat das Gericht entschieden, dass Kinderlärm grundsätzlich sozial adäquat und hinzunehmen ist und somit keinen Reisemangel darstellt.
  2. Mietrecht: Das Mietrecht wird hier in Bezug auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zitiert, das entschieden hat, dass Geräuschimmissionen, die ihren Ursprung in einem altersgerecht üblichen kindlichen Verhalten haben, grundsätzlich hinzunehmen sind. Die im Mietrecht geltenden Regelungen zur Lärmbeeinträchtigung (z.B. § 535 BGB zur Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters) werden hier als Analogie für die Bewertung des „Kinderlärms“ im Reiserecht herangezogen. Es wird also argumentiert, dass ähnlich wie im Mietrecht auch im Reiserecht eine gewisse Toleranz gegenüber kindlichem Lärm erwartet werden kann.
  3. Deliktsrecht: Das Deliktsrecht könnte in solchen Fällen relevant sein, wenn der Lärm so erheblich ist, dass er als Körperverletzung oder als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht angesehen werden könnte. Hier würden die §§ 823, 826 BGB relevant sein. Jedoch hat das Gericht in diesem Fall festgestellt, dass der von den Kindern verursachte Lärm nicht eine solche Schwelle erreicht, die eine solche rechtliche Bewertung rechtfertigen würde.
  4. Vertragsrecht: Da ein Reisevertrag zwischen den Klägern und dem Reiseveranstalter besteht, ist das Vertragsrecht involviert. Insbesondere die Regelungen des BGB zur Leistungsstörung (§§ 280 ff. BGB) könnten zur Anwendung kommen, wenn ein Mangel der Reiseleistung vorliegt. Hierbei muss der Schuldner (Reiseveranstalter) dem Gläubiger (Reisenden) Schadensersatz leisten, wenn er die geschuldete Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt.
  5. Familienrecht: Obwohl das Familienrecht nicht direkt in diesem Fall angewandt wird, wird es indirekt berührt, da die Verhaltensweisen von Kindern und die erzieherische Verantwortung der Eltern thematisiert werden. Insbesondere das Recht der Kinder auf kindgemäßes Verhalten und das Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder (Art. 6 GG, § 1631 BGB) spielen eine Rolle.

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