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Verkehrssicherungspflicht bei Spurrillen von in etwa 4 cm im Bereich einer Bushaltestelle

Spurrillen und Verkehrssicherungspflicht: Ein Richterspruch bringt Klarheit

Die Unfallgefahr durch Straßenunregelmäßigkeiten ist ein wiederkehrendes Thema in der Rechtsprechung. In dem vorliegenden Fall dreht sich alles um die Frage, ob Spurrillen von circa 4 cm Tiefe an einer Bushaltestelle eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darstellen und damit Schadensersatzansprüche begründen können. Der Kläger argumentierte, dass solche Unebenheiten eine Gefahr für den Straßenverkehr darstellen, insbesondere in Bereichen mit erhöhtem Verkehrsaufkommen wie Busbahnhöfen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-7 U 101/20 >>>

Bewältigung von Straßenunregelmäßigkeiten

In der ersten Instanz wurde entschieden, dass Schadensersatzansprüche gegen die beklagte Partei ausgeschlossen sind, da keine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorliegt. Die Unebenheit der Fahrbahn war für einen durchschnittlich vorsichtigen Verkehrsteilnehmer rechtzeitig erkennbar und eine angemessene Reaktion hätte erfolgen können. Die rechtliche Verpflichtung des Straßenbaulastträgers, jede potentielle Gefahrenquelle zu beseitigen, wurde verneint.

Die Rolle der Fahrbahnbeschaffenheit

Der Kläger behauptete, die Spurrillen seien eine Gefahr für den Verkehr, insbesondere an Bushaltestellen und Busbahnhöfen, wo ein erhöhter Verkehrsaufkommen herrscht. Das Gericht entgegnete jedoch, dass an solchen Orten im Allgemeinen mit solchen Fahrbahnunebenheiten zu rechnen sei. Sie entstehen in der Regel durch den Schwerlastverkehr, insbesondere durch das häufige Abbremsen und Anfahren von Bussen. Solche Unebenheiten sind in der Regel gut sichtbar und können bei entsprechender Sorgfalt gemeistert werden.

Die Rolle des Standortes und des Verkehrs

Des Weiteren argumentierte der Kläger, dass die besondere Situation eines stark frequentierten Busbahnhofs eine besondere Verkehrssicherungspflicht der Beklagten begründe. Das Gericht lehnte diese Ansicht jedoch ab. Es argumentierte, dass aufgrund der allgemeinen Erwartung, dass solche Unregelmäßigkeiten an Busbahnhöfen auftreten können, keine besondere Verkehrssicherungspflicht der Beklagten entsteht.

Auswirkung der Umweltbedingungen auf den Verkehr

Darüber hinaus argumentierte der Kläger, dass der Fall einer besonders tief stehenden Sonne eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten begründe. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass solche Situationen lediglich eine erhöhte Sorgfalt des Verkehrsteilnehmers erfordern. Es besteht keine Verpflichtung für den Verkehrssicherungspflichtigen, in solchen Situationen spezielle Maßnahmen zu ergreifen.

Insgesamt betonte das Gericht, dass die Unregelmäßigkeiten auf der Fahrbahn, insbesondere an stark frequentierten Orten wie Bushaltestellen und Busbahnhöfen, eine besondere Vorsicht erfordern. Allerdings begründen solche Situationen keine spezielle Verkehrssicherungspflicht für die Straßenbaulastträger, sondern eher eine erhöhte Sorgfaltspflicht für die Verkehrsteilnehmer.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: I-7 U 101/20 – Beschluss vom 29.12.2020

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Köln (5 O 8/20) vom 09.06.2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Beschluss ergeht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO.

Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss vom 10.11.2020 Bezug genommen. Dort hat der Senat ausgeführt:

„Im Ergebnis hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug genommen. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung bedarf es nur folgender Ergänzungen:

Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte kommen bereits dem Grunde nach nicht in Betracht.

Verkehrssicherungspflicht bei Spurrillen von in etwa 4 cm im Bereich einer Bushaltestelle
Spurrillen an Bushaltestellen: Unfallgefahr, aber keine besondere Verkehrssicherungspflicht laut Gericht. Erhöhte Sorgfalt ist gefordert. (Symbolfoto: Roman Babakin /Shutterstock.com)

Es fehlt an der vorgetragenen Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten.Die Unebenheit der Fahrbahn in Form der Spurrille war für einen durchschnittlich sorgfältigen Verkehrsteilnehmer rechtzeitig zu erkennen, so dass die Möglichkeit bestanden hätte, angemessen zu reagieren. Der Träger der Straßenbaulast ist nicht dazu verpflichtet, Straßen in einen völlig gefahrlosen Zustand zu versetzen. Gefahrenquellen, die bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt rechtzeitig erkennbar sind und auf die sich der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer rechtzeitig einzurichten vermag, sind – wie bereits im Urteil des Landgerichts sowie auch in der Klageschrift selbst zutreffend dargestellt – von dem grundsätzlich Verkehrssicherungspflichtigen nicht gezwungenermaßen auszuräumen. (BGH, Urteil vom 05. Juli 2012 – III ZR 240/11) Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass der durchschnittlich sorgfältige Fußgänger von einer Straße nicht denselben Zustand wie den eines Gehwegs erwarten darf und somit mit der Unebenheit der Fahrbahn rechnen musste. Dies ergibt sich aus der Üblichkeit des Auftretens von Spurrillen an Bushaltestellen sowie aus der angegebenen Höhendifferenz von in etwa 4 cm. Eine Erhebung der Fahrbahn mit einer Höhe von in etwa 4 cm stellt keinen verkehrswidrigen Zustand dar, da es sich dabei für Kraftfahrzeuge, die die Fahrbahn üblicherweise nutzen, um eine lediglich geringfügige Unebenheit des Bodens handelt.

Der Einschätzung des Klägers, es sei der örtlichen Besonderheit des Busbahnhofs geschuldet, dass es aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens nicht möglich sei, die Aufmerksamkeit auf die Beschaffenheit der Straße zu richten, wodurch eine erhöhte Verkehrssicherungspflicht der Beklagten entstehe, vermag der Senat nicht zuzustimmen. Soweit sich der Kläger auf die örtliche Besonderheit des Busbahnhofes und die damit verbundene notwendigerweise erhöhte Aufmerksamkeit hinsichtlich des regen Straßenverkehrs beruft, ist dem entgegenzuhalten, dass an Bushaltestellen und insbesondere an Busbahnhöfen, an welchen, wie sich aus der Natur der Sache heraus ergibt, ein vergleichsweise erhöhtes An- und Abfahren von Bussen stattfindet, besonders mit derartigen Unebenheiten der Fahrbahn in Form von Spurrillen zu rechnen ist. Dies ergibt sich daraus, dass derartige Spurrillen mit besonderer Häufigkeit an Bushaltestellen auftreten und dort regelmäßig zu finden sind, da jene als Spurrillen oder auch Spurrinnen bezeichneten Fahrbahnvertiefungen im Asphalt hauptsächlich durch die Nutzung durch Schwerlastverkehr und somit auch durch das häufige Abbremsen und Anfahren von Bussen entstehen. Mit derartigen Unebenheiten der Fahrbahn ist an Busbahnhöfen nicht nur üblicherweise zu rechnen, diese sind darüber hinaus in der Regel auch bei nur kurzer Begutachtung der Straßenbeschaffenheit aufgrund der deutlichen Wölbung im Asphalt gut zu erkennen und zu beherrschen. Insbesondere auch wegen der fehlenden Scharfkantigkeit ist eine derartige Unebenheit in Form einer solchen Wölbung der Straße regelmäßig unproblematisch zu beherrschen. Soweit sich der Kläger auf die besondere Gefährlichkeit aufgrund des stark frequentierten Busbahnhofes beruft, lässt sich aufgrund der Üblichkeit der vorliegenden Unebenheit daraus keine besondere Verkehrssicherungspflicht der Beklagten herleiten.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht im Fall der besonders tief stehenden Sonne, da auch eine derartige Situation lediglich eine erhöhte Sorgfalt des Klägers bei Überqueren der Straße erfordern und keine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten begründen kann. Der Verkehrssicherungspflichtige muss Gefahren lediglich in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise ausräumen (BGH, Urteil vom 05. Juli 2012 – III ZR 240/11). Von der Beklagten kann nicht erwartet werden, alle möglichen Licht- und Wetterverhältnisse im Hinblick auf die Entstehung von Unebenheiten in der Bodenbeschaffenheit vorauszusehen. Eine derartige Voraussicht ist schlichtweg unmöglich. Dem Kläger allein wäre es möglich gewesen, auf die besondere Situation der eingeschränkten Erkennbarkeit der Fahrbahnbeschaffenheit im konkreten Zeitpunkt des Überquerens durch äußerste Sorgfalt und Achtsamkeit angemessen zu reagieren.

Darüber hinaus teilt der Senat die Ansicht, dass den Kläger ein überwiegendes Mitverschulden gemäß § 254 BGB trifft. Durch das Überqueren der Fahrbahn ohne Beachtung der Bodenbeschaffenheit handelte der Kläger grob fahrlässig. In Ergänzung zu dem Urteil des Landgerichts ist festzuhalten, dass gerade aufgrund des klägerseits vorgetragenen erhöhten Verkehrsaufkommens eine besondere Sorgfalt bei Überqueren der Straße erforderlich gewesen wäre. Der Einwand, aufgrund des regen Straßenverkehrs wäre nicht genügend Zeit gewesen, auf die Beschaffenheit der Fahrbahn zu achten, geht fehl. Die Verkehrssituation an einem Busbahnhof mit einer Vielzahl an- und abfahrender Busse erfordert nach Auffassung des Senats aufgrund der durch den passierenden Straßenverkehr entstehenden Gefahr vielmehr eine erhöhte Achtsamkeit. Eine stark befahrene Fahrbahn sollte nicht besonders schnell, sondern vor allen Dingen besonders aufmerksam überquert werden. Dies muss insbesondere aufgrund der Unübersichtlichkeit durch das Abfahren verschiedener Busse zu unterschiedlichen Zeitpunkten sowie auch vor dem bereits dargestellten Hintergrund gelten, dass an Bushaltestellen und Busbahnhöfen erfahrungsgemäß deutlich häufiger Unebenheiten in Form von Spurrinnen auftreten als an anderen Stellen der Fahrbahn. Soweit der Kläger die besondere Gefährlichkeit der Örtlichkeit betont, stellt sich sein Verhalten während des Vorgangs des Überquerens als zu unachtsam dar.“

Eine Stellungnahme des Klägers ist hierzu nicht erfolgt, sodass zu einer weitergehenden Begründung kein Anlass besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 544 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Verkehrssicherungspflicht und Verkehrsrecht: Die Verkehrssicherungspflicht ergibt sich aus dem allgemeinen Rechtsprinzip, dass jeder Verkehrsteilnehmer dafür sorgen muss, dass von seiner Person oder seinen Sachen keine Gefahr für andere ausgeht. Dieses Prinzip wird auch auf die Betreiber und Besitzer von Verkehrsflächen wie Straßen und Bushaltestellen angewandt. In diesem Fall argumentiert der Kläger, dass die Beklagten ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen seien, da Spurrillen in der Fahrbahn eine Gefahr für den Verkehr darstellen. Das Gericht wies diese Ansicht jedoch zurück und erklärte, dass solche Unebenheiten in der Fahrbahn zu erwarten seien und von einem durchschnittlich sorgfältigen Verkehrsteilnehmer beherrscht werden können.
  2. Haftungsrecht: Dies bezieht sich auf die Rechtsnormen, die bestimmen, wann eine Person oder Organisation für Schäden, die einer anderen Person oder Organisation zugefügt wurden, haftbar gemacht werden kann. In diesem Fall behauptet der Kläger, dass die Beklagten für die Schäden haftbar gemacht werden sollten, die er durch die Unebenheiten in der Fahrbahn erlitten hat. Allerdings hat das Gericht entschieden, dass keine Haftung besteht, da die Straßenverhältnisse als vorhersehbar und üblich eingestuft wurden.
  3. § 97 ZPO (Zivilprozessordnung): Dies ist die gesetzliche Regelung in Deutschland, die bestimmt, dass die Kosten eines Rechtsstreits in der Regel der unterliegende Teil zu tragen hat. Im vorliegenden Fall hat das Gericht auf diese Regelung Bezug genommen, um seine Entscheidung zu rechtfertigen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen.
  4. § 544 ZPO (Zivilprozessordnung): Dies ist eine gesetzliche Regelung in Deutschland, die bestimmte Anforderungen an die Vollstreckbarkeit von Urteilen und anderen gerichtlichen Entscheidungen stellt. In diesem Fall hat das Gericht auf diese Regelung Bezug genommen, um seine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils zu begründen.

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