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Krankenversicherungsvertrag – vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung

Landgericht Dortmund

Az: 2 O 399/09

Urteil vom 17.12.2009


Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien bestehende Krankenversicherungsvertrag mit der Versicherungs-Nr.: ….. nicht durch Rücktritt und Kündigung der Beklagten vom 04.06.2009 beendet worden ist sondern unverändert fortbesteht.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von bis zu 13.000,00 € die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin hat unter dem 10.09.2008 bei der Beklagten den Abschluss einer Krankenversicherung beantragt. Die Gesundheitsfragen sind mit „Nein“ beantwortet. Unter dem 15.09.2008 nahm die Beklagte den Antrag an.

Als die Klägerin wegen ärztlicher Behandlung Leistungen aus der Krankenversicherung beanspruchte, brachte die Beklagte in Erfahrung, dass die Klägerin bereits vor Antragstellung einen Arzt aufgesucht hatte. Sie trat deshalb mit Schreiben vom 04.06.2009 vom Vertrag zurück mit der Begründung, dass die Klägerin bereits vor Antragstellung wegen einer COPD (chronische Lungenerkrankung) und einer Belastungsdyspnoe ärztlich behandelt worden war. Vorsorglich erklärte sie die Kündigung des Vertrages.

Die Klägerin behauptet, sie sei 2004 wegen psychovegetativer Belastung kurzfristig kurzatmig gewesen. Deswegen habe der Arzt, den sie konsultiert habe, eine Belastungsdyspnoe diagnostiziert. Eine chronische Lungenerkrankung habe sie nicht gehabt, eine solche Diagnose sei ihr auch nicht genannt worden. Sie habe dem Vermittler mitgeteilt, dass sie wegen kleinerer Erschöpfungszustände einmal behandelt worden sei. Der Vermittler habe geäußert, dass kleinere Erkrankungen nicht anzugeben seien.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Krankenversicherungsvertrag ungeachtet des Ausspruchs von Rücktritt und Kündigung fortbesteht.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass zwischen den Parteien bestehende Krankenversicherungsvertrag mit der Versicherungs-Nr. ## nicht durch den Rücktritt der Beklagten vom 04.06.2009 sowie der Vertragskündigung vom 04.06.2009 erloschen ist, sondern ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an den vertragsauflösenden Gestaltungserklärungen fest, weil die Klägerin im abgefragten Zeitraum in ärztlicher Behandlung war und die Behandlung im Antragsformular nicht aufgeführt ist. Sie hält es für unerheblich, welche Beschwerden der ärztlichen Konsultation zugrunde gelegen haben. Die von der Klägerin behauptete Mitteilung an den Versicherungsvertreter bestreitet sie und bemängelt, dass die Klägerin diese ihre Behauptung nicht unter Beweis gestellt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage ist begründet.
Das Feststellungsbegehren der Klägerin hat Erfolg, weil sich die Beklagte auf den ausgesprochenen Rücktritt vom Vertrag und dessen Kündigung nicht berufen kann, selbst wenn eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht durch die Klägerin vorgelegen haben sollte.

I.
Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien findet, da der Krankenversicherungsvertrag nach dem 31.12.2007 abgeschlossen worden ist, das VVG 2008 Anwendung (Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 VVG- Reformgesetz vom 23.11.2007, Bundesgesetzblatt I S. 2631).

II.
Es kann dahinstehen, ob Rücktritts- und (hilfsweise) Kündigungserklärung der Beklagten berechtigt waren, weil die Klägerin bei Beantwortung der Gesundheitsfragen im Antrag vom 10.09.2008 ihre vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt hat. Zweifel daran bestehen deswegen, weil die Klägerin bestreitet, unter einer chronischen Lungenerkrankung gelitten zu haben und behauptet, dass sie die einmalige ärztliche Konsultation im abgefragten Zeitraum dem Versicherungsvertreter mitgeteilt habe. Danach hätte sie nach der Auge-Ohr-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die ihren gesetzlichen Niederschlag in § 70 Satz 1 VVG gefunden hat, ihre vorvertragliche Anzeigepflicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Klägerin nicht gehalten, diese ihre Behauptung zu beweisen. Da sich die Beklagte auf eine Anzeigepflichtverletzung beruft, obliegt ihr der Beweis, dass die Klägerin eine solche Obliegenheitsverletzung begangen hat, § 69 Abs. 3 Satz 2 VVG. Obwohl das Gericht die Beklagte ausdrücklich durch Verfügung vom 26.10.2009 auf diese Vorschrift hingewiesen hat, durch die die vom Bundesgerichtshof im Rahmen der Auge-Ohr-Rechtsprechung vorgenommene Beweislastverteilung (vgl. nur BGH VersR 2009, 529) kodifiziert worden ist, hat die Beklagte sich auf ein schlichtes Bestreiten der Behauptung der Klägerin beschränkt, ohne ihrerseits Beweis für die Unrichtigkeit dieser Behauptung und damit eine Obliegenheitsverletzung der Klägerin anzutreten.

III.
Unabhängig von einer möglichen Berechtigung für Rücktritt und Kündigung des Krankenversicherungsvertrages stehen der Beklagten diese Rechte deswegen nicht zu, weil sie die Klägerin nicht durch gesonderte Mitteilung in zutreffender Art und Weise auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat, § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG.

Der im Antragsformular enthaltene Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung entspricht weder in formeller noch in materieller Hinsicht den Erfordernissen des Gesetzes.

Der Versicherungsantrag vom 10.09.2006 besteht aus insgesamt sechs Seiten. Auf der ersten Seite befinden sich Angaben zur versicherten Person und zum versicherten Tarif. Seite 2 des Antrages enthält in der ersten Hälfte Erklärungen des Antragstellers für die zu versichernde Person und in der zweiten Hälfte die ersten Gesundheitsfragen. Diese setzen sich auf der gesamten dritten Seite des Antrages fort.

Die vierte Seite des Antrages beginnt mit dem fettgedruckten „Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung“. Darunter befindet sich im Normaldruck und auch in sonst verwendeter Schriftgröße und Darstellungsform folgender Text des Hinweises:

„Die von Ihnen in diesem Antrag verlangten Angaben sind für den Vertragsschluss erheblich; ihre Angaben müssen daher wahrheitsgemäß und vollständig sein. Wenn Sie diese Anzeigepflicht verletzen, kann der Versicherer unter den Voraussetzungen des Versicherungsvertragsgesetzes abgestuft nach dem Grad ihres Verschuldens den Vertrag anpassen, den Vertrag unter Einhaltung einer Monatsfrist kündigen oder vom Vertrag zurücktreten. Im letzteren Fall verlieren sie mit sofortiger Wirkung ihren Versicherungsschutz; ist bereits ein Versicherungsfall eingetreten, ist der Versicherer nur dann zur Leistung verpflichtet, wenn die Anzeigepflichtverletzung weder arglistig erfolgt ist noch einen Umstand betrifft, der für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles oder für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich ist. Lassen sie sich bei Abschluss des Vertrages durch eine andere Person vertreten, werden sowohl ihre eigene Kenntnis und Arglist als auch die Kenntnis und Arglist ihres Vertreter berücksichtigt.“

Im zweiten Drittel der Seite 4 des Antrags befinden sich unter einer fettgedruckten Überschrift in Normalschrift Ausführungen zu einer Leistungsstaffel.

Im letzten Drittel der vierten Seite des Antrages sind wiederum unter einer fettgedruckten Überschrift in kleinerer als Normalschrift Angaben zum Beitragseinzug und zur Leistungsauszahlung enthalten.

Seite 5 des Antrages enthält im oberen Teil die von der Klägerin unterzeichnete Empfangsbestätigung über die mit dem Versicherungsantrag übergebenen Unterlagen wie Produktinformationsblatt und Versicherungsbedingungen. Im unteren Teil der Seite 5 befinden sich in Fettdruck die Schlusserklärungen mit dem Hinweis auf die dem Antrag beigefügten Erklärungen, u. a. die Erklärung zur Entbindung von der Schweigepflicht und die Einwilligung nach dem Bundesdatenschutzgesetz. Unterhalt dieser Schlusserklärungen befindet sich die Unterschriftsleiste mit Ort, Datum und den Unterschriften der Klägerin und des Vermittlers.

Dem Antrag angehängt sind auf Seite 6 die Erklärungen des Antragstellers, die insbesondere die Entbindung von der Schweigepflicht und die Einwilligung nach dem Bundesdatenschutzgesetz enthalten.

Schließlich enthält ein Beiblatt zum Antrag auf die Krankenversicherung vom 10.09.2008 die Erklärung des Vermittlers über die Erstellung einer Beratungsdokumentation und deren Aushändigung an die Klägerin sowie die von der Klägerin unterschriebene Bestätigung, diese Dokumentation der Beratung enthalten zu haben.

1. Der durch § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG erstmals geforderte Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung erfüllt so, wie er der Klägerin im Antrag vom 10.09.2008 erteilt worden ist, bereits in formeller Hinsicht nicht den Anforderungen des Gesetzes. Denn das Gesetz schreibt ausdrücklich eine „gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung“ vor. Der der Klägerin von der Beklagten erteilte Hinweis ist zwar in Textform, aber nicht durch die geforderte gesonderte Mitteilung erfolgt.

Allerdings werden in der Kommentarliteratur zum neuen VVG die Erfordernisse, die an eine gesonderte Mitteilung im Sinne des Gesetzes zu stellen sind, unterschiedlich beurteilt.

a) Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass eine gesonderte Mitteilung voraussetzt, dass dem Antragsteller neben dem eigentlichen Fragenkatalog ein weiteres Schriftstück zugeht, in dem ausschließlich die erforderliche Belehrung enthalten ist (Rolfs in Bruck-Möller, VVG, 9. Aufl. 2009, § 19 Rn. 115; Reusch, VersR 2007, 1313; Neuhaus, R + S 2008, 45, 52; derselbe in Voit-Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl. 2009, M Rn. 66). Folgt man dieser Auffassung, wird die der Klägerin erteilte Belehrung schon wegen fehlender Erteilung auf einem gesonderten nur die Belehrung enthaltendem Schriftstück der gesetzlichen Form nicht gerecht, da die Beklagte die Belehrung zum integralen Bestandteil ihres Antragsformulars gemacht hat.

b)
Ein anderer Teil der Literatur lässt es in formaler Hinsicht ausreichen, wenn die Belehrung durch einen etwa in Schrifttype und/oder –farbe hervorstechenden Hinweis erteilt wird, ohne dass diese auf einem separaten Schriftstück enthalten sein muss (Knappmann in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch 2. Aufl. 2009, § 14 Rn. 8; Härle in Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht, § 19 VVG Rn. 130; Schimikowski in HK-VVG, § 19 Rn. 32; derselbe R + S 2009, 353, 356; Marlow/Spuhl, Das neue VVG kompakt, 3. Aufl. 2009, S. 54; Leverenz, VersR 2007, 1313; Grote/Schneider, Betriebsberater 2007, 2689).

c)
Die unter a) wiedergegebenen Autoren können für ihre Auffassung in Anspruch nehmen, dass der Gesetzgeber selbst in der Begründung zu § 7 Abs. 1 VVG, der in Satz 3 2. Halbsatz ebenfalls eine gesonderte Erklärung fordert, ausdrücklich ein gesondertes Schriftstück als Wirksamkeitsvoraussetzung in die im Gesetz geforderte Erklärung verlangt. Dies könnte dafür sprechen, dass auch die in § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG geforderte gesonderte Mitteilung nur auf einem Extrablatt gemacht werden kann. Dennoch hält das erkennende Gericht die unter b) dargestellte Auffassung für vorzugswürdig. Nicht formale Kriterien sollten darüber entscheiden, ob dem Gesetz Genüge getan ist, sondern materiell- rechtliche Erwägungen, die berücksichtigen, ob mit dem erteilten Hinweis der Sinn und Zweck des Gesetzes erfüllt wird. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Schaffung der Hinweispflicht den Schutz des Versicherungsnehmers (amtliche Begründung, BT-Drucks. 16/3945, S. 65/66). Die damit beabsichtigte Warnfunktion zugunsten des Antragstellers kann nach Auffassung des Gerichts nicht nur dann erreicht werden, wenn der notwendige Hinweis auf die Rechtsfolgen der Antragspflichtverletzung in einem Extrablatt oder –Dokument ohne jeden weiteren textlichen Zusatz enthalten ist. Nach den Erfahrungen des Gerichts mit anderweitigen Belehrungserfordernissen etwa im Rahmen der so genannten Relevanzrechtsprechung bei der Belehrung des Versicherungsnehmers über die möglichen Folgen einer nach dem Versicherungsfall zu erfüllenden Obliegenheit kann der vom Gesetz vorgesehene Schutzzweck genauso gut, wenn nicht gar besser erreicht werden, wenn dem Antragsteller die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung im räumlichen Zusammenhang mit den Antragsfragen in einer hervorstechenden Art und Weise so zur Kenntnis gebracht werden, dass er sie bei der Beantwortung der Fragen und/oder der Unterzeichnung des Antrages nicht überlesen kann (Knappmann, a.a.O., Rn. 8; Schimikowski, a.a.O., Rn. 32 sowie R + S 2009, 353, 356).

Ob in diesem Zusammenhang zu fordern ist, dass der Hinweis den Antragsteller zeitlich vor der Beantwortung der Gefahrfragen erreichen muss, mithin im Text vor diesen zu stehen hat und es nicht ausreichen würde, wenn der Antragsteller den belehrenden Hinweis erst mit der Unterzeichnung des Antrags zur Kenntnis nimmt (Knappmann, a.a.O., Rn. 8; zustimmend Schimikowski, R + S 2009, 353, 356), erscheint dem Gericht durchaus fraglich. Nach den Erfahrungen des Gerichts aus zahlreichen Beweisaufnahmen zum Vorwurf einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung wird dem Antragsteller das Antragsformular in aller Regel vor Beantwortung der Gesundheitsfragen nicht ausgehändigt. Vielmehr bringt der Versicherungsvermittler dem Antragsteller die Gesundheitsfragen durch Verlesung der Fragen nahe und übernimmt selbst die Ausfüllung des Antrags. Dem Antragsteller wird das vom Vermittler ausgefüllte Formular zur (Durchsicht und) Unterschrift vorgelegt. Bei diesem Verfahrensablauf wird eine Kenntnisnahme des Hinweises durch den Antragsteller besser gewährleistet, wenn sich die Belehrung zumindest auch unmittelbar vor oder unter der Unterschriftsleiste befindet, weil dies der Bereich des Antragsformulars ist, den der Antragsteller bei der notwenigen Unterzeichnung des Antrages nicht übersehen kann. Würden sich die Hinweise lediglich vor den Antragsfragen befinden, wäre bei den häufig mehrseitigen Antragsformularen nicht gewährleistet, dass sie vom Antragsteller zur Kenntnis genommen werden, da erfahrungsgemäß längst nicht jeder Antragsteller die Eintragungen des Vermittlers bei den verlangten Antworten zu den Gesundheitsfragen kontrolliert und deshalb die Warnhinwiese all zu leicht übersehen kann. Deshalb hat es die Rechtsprechung bislang auch ausreichen lassen, wenn bei der bereits oben erwähnten Belehrung über die Rechtsfolgen einer nach dem Versicherungsfall zu erfüllenden Obliegenheit sich der entsprechende Hinweis in hervorstechender Form bei der Unterschriftsleiste befindet. Damit wird auch der gesetzgeberischen Intention hinreichend Rechnung getragen. Der Gesetzgeber hat in der Begründung zu § 19 Abs. 5 VVG ausgeführt, dass die Belehrung so rechtzeitig vor Vertragsschluss erfolgen muss, dass der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht noch erfüllen kann (BT-Drucks. 16/3945 S. 66). Diesem Gebot des Gesetzgebers kommt der Versicherer nach, wenn er den Hinweis in der gebotenen Deutlichkeit bei der Unterschriftsleiste platziert. Dass der Antragsteller in die Verlegenheit kommen kann, zuvor beantwortete Gesundheitsfragen korrigieren zu müssen, weil ihm die Bedeutung der wahrheitsgemäßen Beantwortung erst bei der Unterschrift unter den Antrag durch den dort befindlichen Warnhinweis deutlich vor Augen geführt worden ist (Bedenken in dieser Hinsicht bei Knappmann, a.a.O., Rn. 8), erscheint dem Gericht hinnehmbar, da sich der Antragsteller durch eine falsche Beantwortung der Fragen selbst in diese für ihn möglicherweise unangenehme Situation gebracht hat.

Dies berücksichtigend erfüllt die Belehrung der Beklagten nicht die formellen Anforderungen, die an einen gesetzmäßigen Hinweis zu stellen sind, worauf das Gericht ebenfalls bereits mit Verfügung vom 26.10.2009 hingewiesen hat. Denn die Belehrung befindet sich inmitten des Antragsformulars, weder vor den Gesundheitsfragen noch bei der Unterschriftsleiste. Es besteht die konkrete Gefahr, dass sie vom Antragsteller überhaupt nicht wahrgenommen wird, auch deshalb, weil sie sich vom übrigen Text auf Seite 4 des Antragsformulares nicht abhebt. Der Hinweis befindet sich auf Seite 4 des Antragsformulares neben weiteren Hinweisen zur Leistungsstaffel sowie zum Beitragseinzug und zur Leistungsauszahlung. Sämtliche Informationen sind in der (etwa) gleichen Art und Weise gestaltet, mit einer fettgedruckten Überschrift sowie mit einem in Normalschrift dargestellten Text. Der Hinweis auf die Folgen einer Anzeigenpflichtverletzung ist dadurch in keiner Weise hervorgehoben worden und sticht aus den übrigen Informationen nicht hervor. Damit erhält der Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung dieselbe Wertigkeit wie die übrigen Informationen auf Seite 4 des Antragsformulars. Ihm wird nach der äußeren Gestaltung nicht die besondere Bedeutung beigemessen, die ihm zur Erfüllung seiner Warnfunktion zukommen muss. Dass die Beklagte den Hinweis deutlicher hätte gestalten können, zeigt sie selbst bei der Unterschriftsleiste, wo sie in deutlich hervorstechendem Fettdruck die Schlusserklärung direkt über der Unterschriftsleistung platziert hat, die sich im Wesentlichen mit der Entbindung von der Schweigepflicht und der Einwilligung nach dem Bundesdatenschutzgesetz verhalten. Auch diese Informationen sind wichtig, entbinden aber den Versicherer nicht von der Verpflichtung, den Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung ebenfalls in markanter und hervorstechender Darstellung dem Antragsteller nahe zu bringen.

2. Auch inhaltlich stimmt der der Klägerin erteilte Hinweis auf die Folgen einer Anzeigenpflichtverletzung nicht mit den gesetzlichen Anforderungen überein.

a)
Inhaltlich fordert § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG eine nicht nur zutreffende, sondern auch unter Berücksichtigung der Warnfunktion des Hinweises möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis des Versicherungsnehmers eindeutige Belehrung (Knappmann, a.a.O. Rn. 9; Rolfs in Bruck/Möller a.a.O. Rn. 116). Danach reicht es sicherlich nicht aus, wenn der Versicherer den geforderten Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung auf die Darstellung seiner eigenen Rechte beschränkt, mag damit auch dem Wortlaut des Gesetzes Genüge getan sein. Um seiner Warnfunktion gerecht werden zu können, muss der Hinweis auch die den Versicherungsnehmer möglicherweise treffenden Folgen enthalten, die diesem bei einer Ausübung der Rechte des Versicherers drohen. Dazu hält es das Gericht für erforderlich, dass der Hinweis einerseits die dem Versicherer nach dem Grad des Verschuldens des Versicherungsnehmers eingeräumten Gestaltungsrechte (Rücktritt, Kündigung und Vertragsanpassung) erwähnt. Eine Bezugnahme auf eine Anfechtungsmöglichkeit bei arglistiger Täuschung ist nicht erforderlich (schadet aber auch nicht), weil § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG nur die in § 19 Abs. 2 bis Abs. 4 VVG eingeräumten Rechte erwähnt, nicht aber die in § 22 VVG geregelte Arglistanfechtung und zudem der arglistig Handelnde nicht schutzwürdig ist und deshalb auf eine Warnung durch den Versicherer nicht hoffen darf. Zum anderen müssen die dem VN nachteiligen Folgen der Ausübung von Rücktritts-, Kündigungs- oder Vertragsanpassungsrecht aufgezeigt werden, dass es insbesondere möglich ist, dass der Versicherungsnehmer bei einem Versicherungsfall schutzlos sein und er den Versicherungsschutz sogar rückwirkend verlieren kann.

Ob der Hinweis darüber hinaus auch enthalten muss, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen dem Versicherer die Gestaltungsrechte zustehen (so Knappmann, a.a.O., Rn. 9), erscheint dem Gericht durchaus zweifelhaft, da der Gesetzeswortlaut lediglich den Hinweis auf die Folgen der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung gebietet und die Widergabe der vollständigen Gesetzessystematik mit seiner eher verwirrenden Komplexität den Versicherungsnehmer eher überfordert, als dass er ihn in transparenter Weise vor den Gefahren einer Obliegenheitsverletzung warnt (Marlow/Spuhl, a.a.O., S. 55; Schimikowski, R + S 2009, 353, 356). Dies gilt um so mehr in der Krankenversicherung, für die sich die Voraussetzungen einer Kündigung wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht nach einer Gesetzänderung in § 194 Abs. 1 Satz 3 VVG ab dem 01.01.2009 im Jahre 2008 anders darstellen als nach dem 31.12.2008. Bei Antragstellung im Jahre 2008 müsste der Versicherer dann auch diese Unterschiede noch in den Hinweis aufnehmen. Das Gericht hält es für ausgeschlossen, dass dies noch in einer für den Antragsteller verständlichen Art und Weise gestaltet werden konnte.

Erst Recht erscheint dem Gericht ein Hinweis entbehrlich, dass ein Rücktritt wegen § 21 Abs. 2 VVG nicht notwendig die Leistungsfreiheit zur Folge haben muss (so aber Rolfs in Bruck/Möller, a.a.O., Rn. 118). Denn der Sinn und Zweck der Hinweispflicht besteht im Schutz des Versicherungsnehmers vor den ihm nachteiligen Folgen einer Anzeigenpflichtverletzung (amtliche Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/3945 S. 45/66) und nicht darin, ihn auf einen möglichen Erhalt seiner Ansprüche trotz Verletzung der Anzeigepflicht aufmerksam zu machen.

b)
Gemessen an alldem wird der Hinweis der Beklagten auch in materieller Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht. Auch darauf hat das Gericht die Beklagte mit Verfügung vom 26.10.2008 hingewiesen. Denn die Beklagte belehrt den Antragsteller dahingehen, dass er „im letzeren Fall“ mithin bei einem vom Versicherer ausgesprochenen Rücktritt mit sofortiger Wirkung seinen Versicherungsschutz verliert, unter Umständen auch dann, wenn bereits ein Versicherungsfall eingetreten ist. Dieser Teil des Hinweises ist einerseits für sich allein betrachtet zwar richtig, andererseits aber unvollständig und irreführend. Denn er erweckt den Eindruck, dass nur bei Erklärung eines Rücktritts der Versicherungsschutz für Zukunft und Vergangenheit entfallen kann. § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG erlaubt indes die rückwirkende Einfügung eines Risikoausschlusses im Wege der Vertragsanpassung, was ebenfalls zum Verlust des Versicherungsschutzes für einen eingetretenen oder zukünftigen Versicherungsfall führen kann. § 194 Abs. 1 Satz 3 VVG ordnet für die Krankenversicherung (sowohl für den im Jahre 2008 geltenden Rechtszustand, als auch für denjenigen, der nach dem 31.12.2008 Gültigkeit beansprucht) lediglich bei schuldloser Anzeigepflichtverletzung die Unanwendbarkeit von § 19 Abs. 4 VVG an, während dem Versicherer das Recht zur rückwirkenden Einführung eines Risikoausschlusses im Wege der Vertragsanpassung selbst bei leicht fahrlässiger Anzeigepflichtverletzung erhalten bleibt (amtliche Begründung, BT-Drucks. 16/3945 S. 111). Diese Rechtsfolge vorenthält die Belehrung der Beklagten. Sie ist damit unvollständig, irreführend und im Ergebnis unzureichend (ebenso Marlow/Spuhl, a.a.O., S. 55).

c)
Die falsche Belehrung hat nach § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG zur Konsequenz, dass der Beklagten Rücktritts- und Kündigungsrecht nicht zustanden und der Krankenversicherungsvertrag mit der Klägerin demnach unverändert fortbesteht, was auf den entsprechenden Antrag der Klägerin hin festzustellen war. Dabei kann offen bleiben, ob eine (zutreffende) Belehrung bei Arglist des Antragstellers entbehrlich ist (so Schimikowski HK-VVG, a.a.O., Rn. 32 unter Bezug auf die amtliche Begründung zu § 28 Abs. 4 VVG in BT-Drucks. 16/3945 S. 69; anderer Ansicht Knappmann, a.a.O., Rn. 12). Denn die Beklagte hat nichts vorgetragen, was auf ein mögliches arglistiges Verhaltender Klägerin hindeuten könnte. Ebenso kann offen bleiben, ob die hilfsweise erklärte Kündigung überhaupt zulässig war, weil nach § 206 VVG in der Fassung des Jahres 2009, dem Jahr, in dem die Kündigung ausgesprochen worden ist, jede Kündigung einer Krankenversicherung, die die Voraussetzung einer Pflichtversicherung erfüllt, durch den Versicherer ausgeschlossen ist.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und deren Abwendung auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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