Landesarbeitsgericht Köln
Az: 7 Sa 844/08
Urteil vom 30.10.2008
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30.05.2008 in Sachen 2 Ca 1000/08 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung und in diesem Zusammenhang insbesondere um einen Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsschutzklage.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu veranlasst haben, die Kündigungsschutzklage einschließlich des Antrags auf nachträgliche Zulassung abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 30. Mai 2008 Bezug genommen. Bezug genommen wird ferner auf die erstinstanzlich beiderseits zu den Akten gereichten Schriftsatzanlagen sowie den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung der N Z vom 08.04.2008.
Das Urteil des Arbeitsgerichts vom 30.05.2008 wurde dem Kläger am 19.06.2008 zugestellt. Er hat hiergegen am 07.07.2008 Berufung einlegen und diese am 23.07.2008 begründen lassen.
Der Kläger meint, für den Antrag auf nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsschutzklage sei trotz bewiesenen früheren Zugangs der Kündigung darauf abzustellen, dass er, der Kläger, erst am 30.01.2008 Kenntnis von der Kündigung erlangt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er keinerlei Angelegenheiten des täglichen Lebens alleine vollbringen können. Die die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen habe er auch bereits in der Klageschrift vom 30.01.2008 angegeben, ebenso die Mittel für deren Glaubhaftmachung. Auch der Hinweis auf die nachzureichenden ärztlichen Atteste sei bereits in der Klageschrift erfolgt. Eine Konkretisierung der vorgetragenen Gründe sei auch erst nach Ablauf der 2-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 S. 1 KSchG zulässig. Die Konkretisierung sei durch Schriftsatz vom 09.04.2008 erfolgt.
Schließlich habe das Arbeitsgericht auch verkannt, dass die Klage nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zuzulassen gewesen sei. Die Beklagte habe durch die Aussage ihres Mitarbeiters gegenüber seiner Ehefrau, die Kündigung sei nur pro forma ausgesprochen worden, ihn, den Kläger und seine Ehefrau arglistig davon abgehalten, rechtzeitig Klage zu erheben. Er, der Kläger, habe seiner Ehefrau im Übrigen keinerlei Vertretungsbefugnis eingeräumt gehabt. Hierzu habe vor seiner Augenoperation aber auch keinerlei Anlass bestanden, da er mit einer Kündigung während seiner Krankheit nicht habe rechnen müssen.
Die Kündigung der Beklagten vom 27.12.2007 erfülle nicht die Voraussetzungen einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG. Insbesondere sei eine unzureichende Sozialauswahl erfolgt und der Betriebsrat entgegen § 102 BetrAVG vor der Kündigung nicht angehört worden.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
unter Abänderung des am 30.05.2008 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Köln, Aktenzeichen 2 Ca 1000/08, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.12.2007 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte hält das arbeitsgerichtliche Urteil vom 30.05.2008 für richtig und verteidigt dessen Entscheidungsgründe.
Wegen der Einzelheiten des klägerischen Sachvortrags in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 21.07.2008 und den weiteren Schriftsatz vom 02.09.2008 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.
II. Die Berufung des Klägers ist jedoch in der Sache unbegründet. Die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Köln hat den Rechtsstreit richtig entschieden. Die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils tragen dessen Ergebnis in überzeugender Weise. Zusammenfassend und ergänzend ist aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch das Folgende auszuführen:
Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die streitige ordentliche, betriebsbedingte, arbeitgeberseitige Kündigung vom 27.12.2007 gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam zu gelten hat, da der Kläger die Rechtsunwirksamkeit dieser Kündigung nicht rechtzeitig im Sinne von § 4 S. 1 KSchG geltend gemacht hat.
1. Die am 06.02.2008 beim Arbeitsgericht Köln eingegangene Kündigungsschutzklage war verspätet. Die Kündigung der Beklagten vom 27.12.2007 ist dem Kläger per Einwurfeinschreiben am 28.12.2007 rechtswirksam zugegangen.
a. Dass das Einwurfeinschreiben mit der Kündigung den Empfangsbereich des Klägers am 28.12.2007 erreicht hat, ergibt sich zum einen aus dem von der Beklagten vorgelegten sog. Sendestatus der Deutschen Post, der eine Zustellung am 28.12.2007 bescheinigt, zum anderen aus der vom Kläger selbst vorgelegten eidesstattlichen Versicherung seiner Ehefrau vom 08.04.2008, in welcher diese ausführt, dass sie das Kündigungsschreiben „irgendwann kurz vor oder nach dem Jahreswechsel 2007/2008 entgegengenommen“ hat.
b. Durch die Übergabe des Kündigungsschreibens an die mit dem Kläger in häuslicher Gemeinschaft lebende Ehefrau ist auch dessen Zugang an den Kläger im Rechtssinne bewirkt. Der Ehegatte, der Lebenspartner oder andere Familienangehörige oder sonst in der Wohnung des Adressaten lebende Personen gelten nach der Verkehrsanschauung als ermächtigt, eingehende Post für den Adressaten entgegenzunehmen (BAG, AP Nr. 7 zu § 130 BGB; KR § 4 KSchG, Rdnr. 106; HWK/Queke, § 4 KSchG, Rdnr. 28). Wird das Kündigungsschreiben von der Ehefrau des Empfängers in der gemeinsamen Wohnung entgegengenommen, so kann die Verkehrsanschauung davon ausgehen, dass der Kündigungsadressat nunmehr jederzeit die Möglichkeit hat, von der Kündigung Kenntnis zu nehmen. Der Zugang ist damit bewirkt. Es kommt nicht auf die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Empfänger an, sondern darauf, dass er hierzu grundsätzlich jederzeit die Möglichkeit hat, da sich die Sendung in seinem Empfangsbereich befindet, auf den er jederzeit Zugriff hat.
2. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die demnach verspätet erhobene Kündigungsschutzklage auch nicht gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG nachträglich zugelassen. Der Kläger hat nicht in der nach § 5 KSchG vorgeschriebenen Art und Weise dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert gewesen ist, die Klage rechtzeitig innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben.
a. Was die Verfahrensweise angeht, so hat das Arbeitsgericht zutreffend § 5 KSchG in der zum 01.04.2008 in Kraft getretenen Fassung angewandt (vgl. HWK-Queke, § 5 KSchG, Rdnr. 1 und 23 a).
b. Ein Antrag auf Zulassung einer verspäteten Kündigungsschutzklage ist gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 KSchG nur innerhalb von 2 Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Als Hindernis in diesem Sinne kommt hier nach der Behauptung des Klägers nur in Betracht, dass dieser erst am 30.01.2008 tatsächlich von der Kündigung Kenntnis hat nehmen können. Der Kläger hat am 30.01.2008 den Antrag auf nachträgliche Zulassung formulieren und – entsprechend § 5 Abs. 2 S. 1 KSchG in Verbindung mit der gleichzeitigen Klageerhebung – an das Arbeitsgericht absenden lassen, wo er am 06.02.2008 und mithin innerhalb von 2 Wochen nach dem 30.01.2008 eingegangen ist.
c. Gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 KSchG muss der Antrag jedoch die Angabe der die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und die Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten. Zur Begründung des Antrags auf nachträgliche Zulassung heißt es in dem Schriftsatz vom 30.01.2008 lediglich: „Der Antrag ist auch begründet, denn der Kläger brauchte mit der Kündigung nicht zu rechnen“.
d. Diese Begründung des Antrags auf nachträgliche Zulassung ist für sich betrachtet nicht verständlich. Warum ein Arbeitnehmer deshalb, weil er mit einer Kündigung nicht zu rechnen brauchte, dann, wenn er sie gleichwohl erhalten hat, dadurch gehindert sein soll, innerhalb von 3 Wochen Kündigungsschutzklage zu erheben, erschließt sich nicht.
e. Selbst dann, wenn man zugunsten des Klägers aber auch den in anderem Zusammenhang mitgeteilten weiteren Inhalt der Klagebegründung vom 30.01.2008 für die Begründung des Antrags auf nachträgliche Zulassung mit heranzieht, ergibt sich keine schlüssige Darlegung der Voraussetzung des § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG. Verwertbar wäre insoweit allenfalls folgende Passage: „Seit 03.12.2007 ist der Kläger krankgeschrieben. Er leidet unter einer akuten Augenerkrankung, weswegen er am 06.12.2007 und 29.01.2008 in der Uniklinik Köln operiert wurde. In der Zwischenzeit war keine Sehfähigkeit gegeben. Der Kläger hat die Kündigung daher erst heute zur Kenntnis nehmen können.
Beweis: 1. Ärztliche Atteste und Bescheinigungen, werden nachgereicht;
2. Einzuholendes Sachverständigengutachten“.
f. Diese Formulierungen erwecken bei dem objektiven Leser den Eindruck, dass der Kläger deshalb die Kündigung erst am 30.01.2008 habe zur Kenntnis nehmen können, weil er sich in der Zeit vom 06.12.2007 bis 29.01.2008 in der Uniklinik Köln befunden habe und/oder jedenfalls während dieser Zeit blind gewesen ist.
aa. Ersteres trifft nicht zu, wie im weiteren Verlauf des Rechtsstreits unstreitig geworden ist. Vielmehr befand sich der Kläger lediglich vom 05.12. bis 10.12.2007 und vom 28.01. bis 31.01.2008 in stationärer Krankenhausbehandlung.
bb. Auch dass in der Zeit vom 06.12.2007 bis 29.01.2008 bei dem Kläger „keine Sehfähigkeit gegeben“ war, dieser also blind gewesen sei, trifft nicht zu, wird jedenfalls durch die vom Kläger am 15.02. und 25.02.2008 nachgereichten ärztlichen Unterlagen und Bescheinigungen nicht bestätigt. Abgesehen davon hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass eine fehlende Sehfähigkeit für sich allein keine ausreichende Erklärung dafür bietet, dass ein Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm zuzumutenden Sorgfalt verhindert ist, Kündigungsschutzklage zu erheben; denn bekanntlich können ohne weiteres selbst blinde Menschen in der Lage sein, ihre eigenen Angelegenheiten in rechtlichen Dingen zu regeln oder zumindest Dritte mit solchen Regelungen zu beauftragen.
g. Der Kläger hat somit bis zum Ablauf der Antragsbegründungsfrist des § 5 Abs. 2 S. 2 KSchG am 13.02.2008 keinerlei ausreichende Tatsachen vorgetragen, die geeignet gewesen sein konnten, die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG zu rechtfertigen. Die ohnehin unzureichenden Angaben in der Klageschrift wurden überdies auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, da die nachgereichten ärztlichen Atteste und Bescheinigungen eine fehlende Sehfähigkeit des Klägers im Zeitraum 06.12.2007 bis 29.01.2008 gerade nicht belegen.
h. Zu Recht hat das Arbeitsgericht desweiteren angenommen, dass die sodann mit Schriftsatz vom 09.04.2008 vorgetragenen Behauptungen des Klägers zum Antrag auf nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsschutzklage nicht mehr als bloße Konkretisierung der bereits in der Antrags- bzw. Klageschrift vom 30.01.2008 angegebenen Gründe gewertet werden können, sondern einen im Kern völlig neuen Begründungssachverhalt beinhalten.
aa. Nunmehr will der Kläger nämlich darauf abstellen, dass seine Ehefrau, die das Kündigungsschreiben entgegengenommen gehabt habe, ihm erst am 30.01.2008 hiervon erzählt habe; dass er aufgrund seiner Erkrankung nicht nur physisch, sondern auch psychisch derart angeschlagen gewesen sei, dass er vor dem 30.01.2008 nicht in der Lage gewesen sei, im Sinne eines vernünftigen Gedankenprozesses den Erhalt des Kündigungsschreibens zu erfassen und seine Ehefrau oder sonstige Personen mit weiteren Anweisungen zu versehen; und schließlich, dass die Beklagte ihn arglistig von der rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten habe, da sie seiner Ehefrau telefonisch mitgeteilt habe, die Kündigung sei nur pro forma ausgesprochen worden, wobei er von diesem Telefonat wiederum erst am 09.04.2008 erfahren habe.
bb. Vor dem Schriftsatz vom 09.04.2008 war seitens des Klägers nicht einmal die Existenz einer Ehefrau mitgeteilt worden, geschweige denn, dass eine solche das Kündigungsschreiben entgegengenommen, es aber unterlassen hatte, ihm, dem Kläger hiervon vor dem 30.01.2008 Mitteilung zu machen.
cc. Der potentielle nachträgliche Zulassungsgrund ,unterlassene Weitergabe des Kündigungsschreibens durch einen als Empfangsboten auftretenden Familienangehörigen‘ ist in seinem Schwerpunkt gänzlich anderer Natur als die in der Antragsschrift vom 30.01.2008 angedeuteten vermeintlichen Zulassungsgründe.
i. Das Arbeitsgericht hat somit die im Schriftsatz vom 09.04.2008 entwickelte Begründung für den Antrag auf nachträgliche Zulassung, soweit sie über die in der Antragsschrift vom 30.01.2008 enthaltenen Andeutungen hinausgehen, zu Recht als im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 2 KSchG verspätet gewertet.
k. Dabei hat das Arbeitsgericht auch zurecht angenommen, dass der vom Kläger behauptete Inhalt der Telefonate seiner Ehefrau mit dem Mitarbeiter J ohnehin nicht geeignet ist, eine nachträgliche Zulassung der Kündigung unter Berücksichtigung von § 242 BGB zu rechtfertigen. Der Kläger behauptet in seinem Schriftsatz vom 21.05.2008 selbst, „von der vorsätzlichen Irreführung durch das falsche Versprechen der Beklagten, der Kläger brauche keine Klage einzureichen, da er automatisch einen neuen Arbeitgeber erhalte“, habe er erst am 09.04.2008 durch seine Ehefrau erfahren. Wie der Kläger jedoch durch Vorgänge, von denen er erst im April 2008 erfahren haben will, bereits im Januar 2008 von der rechtzeitigen Erhebung der Kündigungsschutzklage abgehalten werden konnte, erklärt er nicht. Ein Rückgriff auf den vom Kläger behaupteten Inhalt der Telefonate verbietet sich somit schon wegen evident fehlender Kausalität.
l. Bei alledem bedurfte es auch keiner Auflage mehr an den Kläger zu erläutern, wie es in Anbetracht der im Schriftsatz vom 09.04.2008 mitgeteilten Umstände zu erklären ist, dass die Ehefrau den Kläger ausgerechnet während seines zweiten stationären Krankenhausaufenthaltes in der Uniklinik Köln von dem Eingang des Kündigungsschreibens informiert hat und dass der Kläger offenbar aus dem Krankenhaus heraus die mit Schriftsatz vom 30.01.2008 erhobene Kündigungsschutzklage organisieren konnte.
III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor.