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Kündigungsschutzklage – nachträgliche Zulassung

rLandesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz

Az: 8 Ta 122/07

Beschluss vom 20.08.2007


Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 22.03.2007 – 2 Ca 236/07 – aufgehoben.

Gründe:

I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen.

Die Klägerin ist seit dem 22.02.2000 bei der Beklagten als Brief- und Paketzustellerin beschäftigt. Unter dem Datum vom 17.01.2007 verfasste die Beklagte zwei Kündigungsschreiben, die jeweils sowohl den Ausspruch einer fristlosen als auch den vorsorglichen Ausspruch einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2007 beinhalten. In einem der beiden Schreiben führt die Beklagte zur Begründung der Kündigung aus, die Klägerin sei überführt, in ihrer Eigenschaft als Postzustellerin Nachnahmebeträge unterschlagen zu haben. Im zweiten Kündigungsschreiben begründete die Beklagte die Kündigung demgegenüber wie folgt: „Aufgrund des zwingenden und begründeten Verdachts der Unterschlagung von zahlreichen Nachnahmebeträgen ist das Vertrauensverhältnis zerstört.“

Beide Kündigungsschreiben wurden nach Behauptung der Beklagten am 18.01.2007 in den Hausbriefkasten der Klägerin eingelegt.

Am 02.02.2007 hat die Klägerin beim Arbeitsgericht Klage eingereicht mit folgenden Anträgen:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.01.2007 beendet wird.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

Der Klageschrift als Anlage beigefügt war eine Kopie des Kündigungsschreibens vom 17.01.2007, in welchem die Beklagte die Kündigung damit begründet, die Klägerin sei der Unterschlagung von Nachnahmebeträgen überführt. Die Existenz eines weiteren, anderslautenden Kündigungsschreibens lässt sich der Klageschrift nicht entnehmen. Zur Begründung des Klageantrages zu 2) hat die Klägerin in ihrer Klageschrift vorgetragen, sie wolle sich mit diesem allgemeinen Feststellungsantrag vor weiteren Kündigungen schützen. Darüber hinaus hat die Klägerin die Beklagte in der Klageschrift aufgefordert zu erklären, ob sie sich über die angegriffene Kündigung hinaus auf weitere Beendigungstatbestände berufen wolle.

Nachdem die Beklagte in ihrer Klageerwiderung auf die Existenz zweier Kündigungserklärungen hingewiesen hatte, teilte das Arbeitsgericht der Klägerin mit Hinweisbeschluss vom 01.03.2007 mit, die Klage richtet sich (bislang) wohl nicht gegen die seitens der Beklagten ausgesprochene Verdachtskündigung. Im Hinblick auf diesen, ihr am 02.03.2007 zugestellten Hinweisbeschluss hat die Klägerin am 15.03.2007 im Wege der Klageerweiterung beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die fristlose, hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung der Beklagten vom 17.01.2007 beendet worden ist bzw. wird. Zugleich hat die Klägerin insoweit die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragt.

Mit Beschluss vom 22.03.2007 hat das Arbeitsgericht den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückgewiesen. Gegen diesen, ihr am 23.04.2007 zugestellten Beschluss richtet sich die von der Klägerin am 07.05.2007 eingegangene sofortige Beschwerde.

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die am 02.02.2007 eingereichte Klage von vorneherein auch gegen die seitens der Beklagten ausgesprochene Verdachtskündigung gerichtet gewesen. Dies ergebe sich bereits bei richtiger Auslegung des Kündigungsschutzantrages (Klageantrag zu 1.). Darüber hinaus stelle sich eine Verdachtskündigung im Verhältnis zur Tatkündigung als wesensgleiches Minus dar, so dass sie nicht gesondert mit einer Klage angegriffen werden müsse, weil sie bereits von der gegen die Tatkündigung erhobenen Klage mit umfasst werde. Jedenfalls sei jedoch die dreiwöchige Klagefrist auch bezüglich der Verdachtskündigung durch die allgemeine Feststellungsklage (Klageantrag zu 2.) gewahrt worden. Erachte man die Klage – bezogen auf die Verdachtskündigung – gleichwohl als verspätet, so sei sie nachträglich zuzulassen, da die Fristversäumung ausschließlich auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe, welches ihr nicht zuzurechnen sei. Die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO finde nach zutreffender Ansicht keine Anwendung.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 22.03.2007 – 2 Ca 236/07 – abzuändern und den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage gegen die Verdachtskündigung vom 17.01.2007 als unzulässig abzuweisen, da keine Fristversäumung vorliegt,

hilfsweise,

die Klage gegen die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Verdachtskündigung der Beklagten vom 17.01.2007 nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts.

II.

Die statthafte sofortige Beschwerde der Klägerin ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

Das Arbeitsgericht hätte über den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage nicht entscheiden dürfen, da keine Fristversäumung gemäß den §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 Satz 1 KSchG vorlag. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist stets ein Hilfsantrag für den Fall, dass die Klage verspätet ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung ist über den Antrag zu befinden (BAG v. 28.04.1983 – 2 AZR 438/81 – u. v. 05.04.1984 – 2 AZR 67/83 -).

Der Antrag der Klägerin im Schriftsatz vom 13.03.2007 stellt keine verspätete Kündigungsschutzklage gegen die mit Schreiben der Beklagten vom 17.01.2007 ausgesprochene Verdachtskündigung dar. Zwar wurde diese Kündigung nicht bereits von dem in der Klageschrift gestellten Kündigungsschutzantrag (Klageantrag zu 1.) erfasst. Dieser bezieht sich nämlich – wovon das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist – ausschließlich auf die ebenfalls mit einem Schreiben vom 17.01.2007 ausgesprochene Tatkündigung. Entgegen der Ansicht der Klägerin wird eine Verdachtskündigung auch nicht ohnehin von der Klage gegen die Tatkündigung mit umfasst. Vorliegend wurde jedoch die Verdachtskündigung vom Feststellungsantrag (Klageantrag zu 2.) der Klägerin in der Klageschrift vom 02.02.2007 erfasst mit der Folge, dass eine auf diese Kündigung bezogene nochmalige Klageerhebung innerhalb der Dreiwochenfrist nach Kündigungszugang nicht mehr erforderlich war.

Die Klägerin hat mit ihrer in der Klageschrift erhobenen allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO auch die von der Beklagten mit Schreiben vom 17.01.2007 ausgesprochene Verdachtskündigung erfasst. Streitgegenstand dieser Feststellungsklage ist die Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz noch besteht. Erfasst werden daher von einem solchen Antrag sämtliche bis zur letzten mündlichen Verhandlung eintretenden Beendigungstatbestände. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich aus der Entscheidung des BAG vom 13.03.1997 (2 AZR 512/96, NZA 1997, 844 ) nicht, dass mit dem Feststellungsantrag nur zukünftige d. h. nach Rechtshängigkeit der Kündigungsschutzklage ausgesprochene Kündigungen erfasst werden. Vielmehr ist die neben einer Kündigungsschutzklage erhobene allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO, wonach das Arbeitsverhältnis auch nicht auf Grund anderer Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht, ohne Weiteres dahin auszulegen, dass sie sich nicht nur auf solche Beendigungstatbestände bezieht, die nach Klageerhebung eintreten, sondern auch auf solche, die vor diesem Zeitpunkt liegen. Bei der Auslegung ist der wirkliche Wille der klagenden Partei zu erforschen und dieser ging vorliegend dahin, den Bestand des Arbeitsverhältnisses überhaupt gesichert zu sehen. Das kommt neben dem Wortlaut des von der Klägerin erhobenen allgemeinen Feststellungsantrages auch in dessen Begründung auf Seite 3 der Klageschrift (= Blatt 3 d. A.) zum Ausdruck und entspricht überdies auch der Logik des Antrages. Ein Arbeitsverhältnis, welches schon bei Klageeinreichung in Folge einer bereits zuvor ausgesprochenen fristlosen Kündigung beendet war, konnte zwangsläufig nach Klageerhebung nicht mehr fortbestehen, d. h. der Bestand des Arbeitsverhältnisses als solcher sollte nicht nur für die Zeit nach Eintritt der Rechtshängigkeit festgestellt werden. Dies entspricht dem erkennbaren Sinn und Zweck des Antrages. Mit dessen Erhebung hat die Klägerin der Beklagten deutlich gemacht, sie wolle am Bestand des Arbeitsverhältnisses ungeachtet aller Kündigungs- bzw. Beendigungstatbestände festhalten. Für die Beklagte war ohne Weiteres erkennbar, dass die Klägerin mit ihrer Klage auch eine u. U. bereits ausgesprochene aber noch nicht in den Prozess eingeführte Kündigung angreifen wollte.

Da die allgemeine Feststellungsklage vom 02.02.2007 somit auch die Verdachtskündigung vom 17.01.2007 erfasst und innerhalb von drei Wochen nach deren Ausspruch beim Arbeitsgericht eingereicht wurde, liegt keine Versäumung der Klagefrist des § 4 KSchG vor. Die nach Maßgabe der Entscheidung des BAG vom 13.03.1997 (aaO.) erforderliche (nicht fristgebundene) Umstellung der Feststellungsklage in einen Antrag nach § 4 KSchG hat die Klägerin im Schriftsatz vom 13.03.2007 vorgenommen.

In Ermangelung einer Fristversäumung hätte daher über den Hilfsantrag der Klägerin nach § 5 KSchG nicht entschieden werden dürfen. Der angefochtene Beschluss war daher ersatzlos aufzuheben (vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 23.06.1998 – 4 Ta 79/98 – u. v. 24.02.2000 – 3 Ta 3/00). Das Arbeitsgericht wird in der Sache unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts zu entscheiden haben.

Gegen diese Entscheidung findet kein Rechtsmittel statt.

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