OLG Celle
Az: 4 U 199/09
Urteil vom 29.06.2011
Die Berufung der Klägerin gegen das am 18. November 2009 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Verden wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin verfolgt mit ihrem Antrag das Ziel, den Beklagten zu untersagen, außerhalb sakraler Gottesdienste Musik in einer wahrnehmbaren Lautstärke zu spielen.
Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, eine wesentliche Beeinträchtigung sei nicht gegeben. Dies ergebe sich aus der von den Beklagten vorgelegten Schallpegelmessung des Herrn …. vom 3. März 2009. Es könne auch nicht wegen der besonderen Lage des Grundstücks der Klägerin eine wesentliche Beeinträchtigung festgestellt werden. Bei der vorzunehmenden Abwägung streite für die Interessen der Beklagten die Religionsfreiheit, die Weiterentwicklung des religiösen und gesellschaftlichen Lebens sowie die von dem Dom ausgehende und im Dom geübte ortsübliche Nutzung.
Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie führt aus, dass sich gegenüber früheren Jahren Veränderungen ergeben hätten. Die Kirche werde zunehmend nicht nur für Gottesdienste, sondern auch für Aufführungen und Orgelunterrichte benutzt. Es fehle eine Auseinandersetzung mit dem zeitlichen Umfang der Beeinträchtigung und der veränderten Nutzung des Doms. Im Dom werde nicht nur bloß religiös motivierte Musik gespielt. Das Landgericht habe übersehen, dass die Klägerin das von den Beklagten vorgelegte Parteigutachten des Herrn P. bestritten habe; im Übrigen hätte das Landgericht einen Ortstermin durchführen müssen. Eine Abwägung mit dem zugunsten der Klägerin streitenden Art. 14 GG sei nicht vorgenommen worden. Im Übrigen habe das Landgericht die Ortsüblichkeit falsch beurteilt.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 18. November 2009 verkündeten und am 23. November 2009 ihrem Prozessbevollmächtigten zugestellten Urteil des Landgerichts Verden, Az.: 7 O 162/09, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, außerhalb der sakralen Gottesdienste Musik in einer außerhalb des Doms nebst Nebengebäuden (Flurstück … der Flur … der Gemarkung V.) auf dem Grundstück …, V. (Flurstück … der Flur … der Gemarkung V.) wahrnehmbaren Lautstärke zu spielen.
Die Beklagten zu 1 und 2 stellen den Antrag, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 10. Mai 2010 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, gemäß Beschluss vom 15. Februar 2011 durch dessen schriftliche Erläuterung sowie gemäß Beschluss vom 21. März 2011 durch einen Ortstermin am 26. Mai 2011 in Anwesenheit des Sachverständigen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Die Beklagten haben bewiesen, dass die vom Orgelspiel ausgehende Lautstärke sich innerhalb der Richtwerte befindet; hingegen hat die Klägerin nicht bewiesen, dass es sich um eine wesentliche Beeinträchtigung handelt.
1. Die Klage ist mit dem gestellten Antrag zulässig. Die klagende Partei hat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Lärmschutzsachen in aller Regel keinen Anspruch auf bestimmte Maßnahmen zur Geräuschdämmung. Vielmehr ist es der Entscheidung des Einwirkenden überlassen, auf welche Weise er unzuträglichen Lärm vermeiden will. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Klägerin ihren Klagantrag auf Unterlassung von Lärm bestimmter Lautstärke gerichtet hat. Die sich hieraus ergebenden Konsequenzen – Verlagerung des Streits über die Wesentlichkeit einer Emission in das Vollstreckungsverfahren – hat der Bundesgerichtshof gesehen und als unvermeidlich hingenommen (BGH NJW 1993, 1656, 1657).
2. Der Klägerin steht jedoch kein Anspruch aus den §§ 1004, 906 BGB zu.
a) Ein Anspruch der Klägerin im Umfang des gestellten Antrages auf Unterlassung von Musikspiel in einer außerhalb des Doms wahrnehmbaren Lautstärke besteht schon von vornherein nicht. Die Klägerin hat gewisse, sozialadäquate Geräusche hinzunehmen, auch solche, die aufgrund eines Orgelspiels im Dom entstehen. Die Duldungspflicht gilt aber nicht für Geräusche, die über eine bestimmte Stärke und Häufigkeit hinausgehen, also entweder außerhalb der festgesetzten Normen liegen oder aber trotz deren Einhaltung als unerträglich einzustufen sind.
b) Ein Anspruch der Klägerin besteht aber auch nicht bzgl. solcher Geräuscheinwirkungen, weil sie eine unerträgliche Immission nicht bewiesen hat.
aa) Bei der Abwehr der Einwirkung durch Immissionen i. S. v. § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB trägt der Betroffene die Beweislast für Emission und Beeinträchtigung sowie Kausalität, der Einwirkende diejenige für die Unwesentlichkeit. Ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist, hängt von dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen ab und davon, was diesem auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist. Von einer unwesentlichen Beeinträchtigung ist gem. § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB in der Regel auszugehen, wenn Richtwerte nicht überschritten werden; dieser Unterschreitung kommt eine Indizwirkung zu. Es obliegt dann dem Betroffenen, die Indizwirkung erschütternde Umstände darzulegen und zu beweisen (Palandt-Bassenge, BGB, 70. Aufl., § 906 Rn 15; BGH NJW 2004, 1037, 1039; BGH NJW 2004, 1317, 1318f.). Dabei zählt auch die TA Lärm zu den von § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB erfassten Vorschriften, da die in § 66 Abs. 2 BImSchG genannten Vorschriften den Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG gleichstehen sollen (BT-Drs. 12/7425, S. 89).
bb) Der Senat hat entgegen dem Landgericht die angebotenen Beweise auf Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben. Hierfür waren folgende Gründe maßgebend, die der Senat bereits im Beschluss vom 25. Februar 2010 angesprochen hat:
Das Landgericht hat aufgrund des von den Beklagten vorgelegten Privatgutachtens angenommen, dass die von Orgel, Chor und Posaunenchor ausgehenden Lärmemissionen des Domes die einschlägigen Lärmwerte nicht überschritten. Dabei hat es übersehen, dass die Klägerin ausdrücklich im Schriftsatz vom 5. Oktober 2009 im zweitletzten Absatz auf Seite 3 (Bl. 115 d. A.) die auf das Privatgutachten gestützte Behauptung der Beklagten bestritten hat. Nach herrschender Auffassung stellt das von einer Partei vorgelegte Privatgutachten keinen Sachverständigenbeweis dar, sondern ist lediglich Teil des Parteivortrages. Hat, wie im vorliegenden Fall, der Gegner gegen das Gutachten Einwendungen erhoben, darf sich das Gericht ihm nicht ohne Darlegung der eigenen Sachkunde anschließen (BGH NJW-RR 2008, 1252). Soweit es, wie noch darzulegen ist, auf die Beachtung der Lärmwerte ankommt, hätte daher ein gerichtliches Sachverständigengutachtens eingeholt werden müssen (Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 402, Rn. 2). Nur ausnahmsweise könnte ein Privatgutachten den gerichtlichen Sachverständigenbeweis entbehrlich machen, wenn das Gericht es im Rahmen seiner Würdigung nach § 286 ZPO für ausreichend erhält, um die Beweisfrage zuverlässig zu beantworten; wenn ein Gericht auf diese Weise verfahren will, müsste es zuvor gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen (Zöller/Greger, a. a. O., § 402 Rn. 6 c). Dass ein solcher Hinweis, wonach das Landgericht trotz des Bestreitens der Klägerin die im Privatgutachten der Beklagten ermittelten Lärmwerte ohne objektive Begutachtung für richtig halten wolle, erteilt worden wäre, ist nicht ersichtlich; schon gar nicht, dass ein solcher Hinweis gemäß § 139 Abs. 4 ZPO aktenkundig gemacht worden wäre.
Unabhängig von der Frage, ob die Lärmwerte unter- oder überschritten werden, hätte das Landgericht nicht ohne einen Ortstermin entscheiden dürfen. Das Einhalten oder Überschreiten von Richtwerten indiziert lediglich die Unwesentlichkeit oder Wesentlichkeit der Lärmbeeinträchtigung. Die Lästigkeit eines Geräusches, die rechtlich für das Emissionsrecht entscheidend ist, hängt nicht allein von Messwerten, sondern von einer Reihe anderer Umstände ab, für die es auf das eigene Empfinden des Tatrichters ankommt, wobei er sich im Wesentlichen auf das Ergebnis der Augenscheinseinnahme zu stützen hat (BGH NJW 2001, 3119; OLGR Bremen, 2007, 501). Ob Geräuschemissionen wesentlich sind oder nicht, beurteilt sich nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und danach, was ihm unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (BGH, a. a. O.; ferner BGH NJW 2003, 3699). Schon deshalb zwingen die Umstände des Einzelfalles den Tatrichter in aller Regel dazu, sich über einen Ortstermin einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (ständige Rechtsprechung des BGH, BGHZ 121, 248 = BGH NJW 1993, 1656). Bei der Frage, ob nach den maßgeblichen Beurteilungskriterien die Lärmemission zumutbar ist, können sehr wohl die vom Landgericht zur Begründung der Klagabweisung herangezogenen Kriterien in Bezug auf das Interesse der Allgemeinheit an Kirchenmusik, Musikveranstaltungen, dem damit verbundenen Üben und der Ermöglichung von Übungsmöglichkeiten für Musikschüler berücksichtigt werden (vgl. BGH NJW 2003, 3699 für Lärm durch Rockkonzert, Volks- oder Gemeindefeste; BGHZ 121, 248 = NJW 1993, 1656, wonach im allgemeinen Interesse an einer kinder- und jugendfreundlichen Umgebung auch die Hinnahme von etwas höheren Grenzwerten für Lärm als Begleiterscheinung kindlichen und jugendlichen Freizeitverhaltens hinzunehmen sein können). Die Würdigung der Zumutbarkeit der Geräuschemissionen auch unter Berücksichtigung von Belangen des Allgemeinwohls setzt indessen zunächst einmal voraus, dass sich ein Gericht über das Ausmaß dieser Emissionen eine hinreichende tatsächliche Grundlage verschafft.
cc) Nach diesen Maßstäben und dem Umfang der durchgeführten Beweisaufnahme ist der Senat der Überzeugung, dass die Beklagten bewiesen haben, die von der Orgelmusik im Dom ausgehenden Emissionen hielten sich im Rahmen der einschlägigen Normen. Hingegen konnte der Senat nicht die Überzeugung gewinnen, die entstehenden Geräusche seien dennoch unverhältnismäßig und unerträglich. Dabei konnte die Beweisaufnahme auf die von der Hillebrand-Orgel ausgehenden Geräusche beschränkt werden, da die Klägerin erklärt hat, sie fühle sich hauptsächlich beeinträchtigt, wenn die Hillebrand-Orgel gespielt werde.
(1) Der Sachverständige hat bei seinen durchgeführten Messungen folgendes Ergebnis ermittelt: Es ist festzustellen, dass der für allgemeine Wohngebiete maßgebliche Immissionsrichtwert auch in schalltechnisch ungünstigen Situationen am Tage eingehalten wird. Der entsprechende Immissionsrichtwert für Mischgebiete wird – zum Teil deutlich – unterschritten. In der Zeit nach 22:00 Uhr wird sowohl der für allgemeine Wohngebiete als auch der für Mischgebiete maßgebliche Immissionsrichtwert im Messort „Freisitz/Terrasse“ in der Zeit nach 22:00 Uhr bereits bei einer Einwirkzeit der Geräuschimmissionen von 30 Minuten deutlich überschritten; im Messort „Fenster des Arbeitszimmers“ wird der Immissionsrichtwert für allgemeine Wohngebiete eingehalten bzw. bei einer Einwirkzeit von einer Stunde geringfügig überschritten; der entsprechende Immissionsrichtwert für Mischgebiete wird an diesem Messort an beiden Fällen auch unter Beachtung der beschriebenen Streubreite der fraglichen Geräuschimmissionen eingehalten. Innerhalb des Arbeitszimmers konnte der Sachverständige bei geschlossenen Fenstern nach subjektivem Höreindruck keine Orgelmusik wahrnehmen.
Die Einwendungen der Klägerin hat der Sachverständige mit der Stellungnahme vom 15. April 2011 beantwortet. Soweit die Klägerin auf das Messverfahren von Herrn P. abgestellt hat, war dem Sachverständigen hierzu eine Stellungnahme nicht möglich, da Angaben von Herrn P. zur Durchführung und Grundlage des von ihm durchgeführten Messverfahrens fehlten. Soweit der Sachverständige ausgeführt hat, Überschreitungen der Schallemissionsrichtwerte würden auf der Terrasse erst nach 22:00 Uhr auftreten, ist dies durch die Erklärung der Klägerin überholt, die diese im Ortstermin vom 26. Mai 2011 abgegeben hat. Hiernach hat sie ausgeführt, dass nach 22:00 Uhr im Wesentlichen die Zeit ist, in der sie ohne Lärmbeeinträchtigung durch die Orgel auf der Terrasse sitzen könnte. Die Notwendigkeit der Einrichtung weiterer Messpunkte im Garten der Klägerin hat der Sachverständige ebenfalls beantwortet und verneint; er hat sich an die nach der TA Lärm maßgeblichen Messpunkte gehalten.
Der Senat hat nach eigener Überprüfung des Gutachtens keine Bedenken gegen die Ordnungsgemäßheit und Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen. Diese sind logisch und in sich widerspruchsfrei. Insbesondere hat der Sachverständige dargestellt, wie er zu seinen Ergebnissen gekommen ist und hat die von der Klägerin gestellten Fragen und Bedenken ausgeräumt, ohne dass diese den weiteren Ausführungen noch entgegen getreten wäre. Soweit die Klägerin Bedenken gegen die Beteiligung des Organisten B. an der Beweisaufnahme hatte, sind diese dadurch ausgeräumt, dass der Sachverständige angegeben hat, er habe bei der von ihm durchgeführten Lärmmessung dem Organisten einen Gehilfen „zur Überwachung“ zur Seite gestellt. Bei der Durchführung des Ortstermins ist im Übrigen der Ehemann der Klägerin im Dom geblieben, während der Senat sich auf die Terrasse des Hauses der Klägerin begeben hat. Der Ehemann der Klägerin hat angegeben, der Organist habe mit derselben Lautstärke gespielt wie in dem Zeitpunkt, zu dem sich der Senat im Dom aufgehalten hat. Der Sachverständige hat erklärt, die von ihm wahrgenommene Lautstärke entspreche derjenigen bei der von ihm durchgeführten Messung. Soweit die Klägerin ausgeführt hat, sie habe die Lautstärke der von der der Orgel ausgehenden Musik früher als deutlich lauter empfunden, konnte im Rahmen der Beweisaufnahme nur auf die vom Sachverständigen ermittelten Ergebnisse und den Eindruck des Senats abgestellt werden. Zeugen waren ungeachtet des entsprechenden Beweisantritts der Klägerin nicht zu vernehmen, weil diese nur einen subjektiven Eindruck der Intensität der Geräusche wiedergeben können und es auf deren subjektiven Eindruck für die Entscheidung nicht ankommt.
(2) Der Senat vermag sich aufgrund der Eindrücke des Ortstermins nicht davon zu überzeugen, dass unter Berücksichtigung der oben angegebenen Maßstäbe, nämlich der Empfindung eines verständigen, durchschnittlichen Bürgers, die von der Orgel im Dom ausgehenden Beeinträchtigungen unerträglich seien. Hierfür sind folgende Überlegungen ausschlaggebend:
Nach den Eindrücken des Senats im Ortstermin verhält es sich so, dass bei einer „Einstellung auf leise“ die Orgel weder im Haus der Klägerin noch auf der Terrasse zu hören ist. Wird die Orgel mit allen gezogenen Registern, also Tutti, gespielt, ist sie auf der Terrasse des Hauses deutlich wahrnehmbar, im Hause der Klägerin so gut wie nicht.
Auf dem Grundstück der Klägerin sind mehrere Umweltgeräusche wahrnehmbar. Beim Ortstermin waren sowohl Straßenlärm als auch von der Eisenbahn und einem Flugzeug ausgehende Geräusche zu hören, mögen die beiden letzteren auch abhängig von den im Ortstermin vorherrschenden starken Windverhältnissen gewesen sein und die Orgel nicht übertönt haben. Zwar verhält es sich mit den von der Orgel ausgehenden Geräuschen anders, weil diese permanent über einen längeren Zeitraum auf das Grundstück der Klägerin einwirken. Dennoch ist auch hierbei zu berücksichtigen, dass jeder Organist irgendwann einmal eine Pause benötigt und nicht jedes Stück mit vollen Registern, also Tutti, gespielt wird. Im Übrigen handelt es sich auch bei den von der Orgel ausgehenden Geräuschen um solche unterschiedlicher Art, nämlich um Konzerte, Übungen u. ä. Die Klägerin hat sakrale Gottesdienste mit dem in der Berufung weiterverfolgten Antrag ausdrücklich ausgenommen.
Der Senat kann sich zwar vorstellen, dass Orgelmusik über einen längeren Zeitraum – wie jede Art von Musik – lästig ist, insbesondere wenn an der Orgel Unterricht gegeben wird. Dabei ist aber unter Berücksichtigung der bereits o.a. Aspekte bei der Entscheidung der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen zu beachten, dass die aus dem Dom kommenden Geräusche von der Orgel sich im Rahmen des Üblichen halten. Mit anderen Worten: Es sind domtypische Geräusche, die nicht deswegen entstehen, weil die übliche Nutzung des Domes überschritten wird. Denn es handelt sich bei der Orgelmusik um solche, die entweder für den Gottesdienst eingeübt wird oder um Konzerte oder um Übungen an der Orgel. Gerade bei letzteren Übungen ist darauf hinzuweisen, dass diese erforderlich sind, um am Musikinstrument selbst üben zu können, weil ansonsten eine Ausbildung zum Organisten nicht stattfinden kann. Dies gilt auch dann, wenn nunmehr an anderer Stelle eine Ausbildung zum Organisten möglich sein sollte; hieraus erwächst keine Verpflichtung der Beklagten, den Orgelunterricht zu verlagern.
Ferner ist zu bedenken, dass die Klägerin bereits seit 1972 auf ihrem an dem Dom unmittelbar benachbarten Grundstück lebt und der Dom zu diesem Zeitpunkt schon bestand. Die Geräusche haben sich ihrer Art nach auch nicht verändert. Sie haben nur in ihrer Intensität zugenommen. Hiermit musste die Klägerin allerdings rechnen und damit leben, da sich die Geräuscheinwirkungen – jedenfalls bislang – im Rahmen des Üblichen halten und weder die vorgegebenen Richtwerte überschreiten noch unerträglich sind.
Der Senat nimmt im übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen des Landgerichts im Rahmen der von diesem vorgenommenen Abwägung zwischen den Rechten der Klägerin und der gesellschaftlichen Bedeutung des V. Doms sowie der Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.
Die der Klägerin nachgelassenen und nicht nachgelassenen Schriftsätze vom
07. Juni 2011 gaben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Die Hinweise des Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf die Rechtsprechung im Miet- und Wohnungseigentumsrecht zum Musizieren in Mehrfamilienhäusern vermögen schon deshalb nicht zu greifen, weil innerhalb von Häusern andere Grundsätze gelten als im Anwendungsbereich der TA Lärm. Diese „dient dem Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und Geräuschen“ (Nr. 1 Anwendungsbereich), während beim engen Zusammenleben innerhalb eines Hauses – noch dazu bei bauartbedingten Unterschieden – eine allgemein gültige Abgrenzung, welche Geräusche normalerweise von einem Durchschnittsmenschen ertragen werden müssen und wie sie die TA Lärm regelt, nicht möglich ist. Ferner muss die Klägerin den bereits vom Landgericht zutreffend angesprochenen und oben erwähnten Gesichtspunkt berücksichtigen, dass bei der Abwägung, welche Geräusche einem Durchschnittsmenschen zumutbar sind, auch Belange der Allgemeinheit – anders als bei der Musikausübung innerhalb eines Mehrfamilienhauses – stärker ins Gewicht fallen. Auch wenn es die Klägerin subjektiv als störend empfindet, muss doch auch das Interesse der Allgemeinheit an der Pflege der Kirchenmusik und der Ausbildung von Organisten zum Tragen kommen – und dazu gehört auch das Üben.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Anlass zur Zulassung der Revision bot diese auf den konkreten Umständen des Einzelfalls beruhende Entscheidung nicht. Der Senat hat die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze beachtet und ist nicht von ihnen abgewichen.