Rechtsstreit um Anwaltsgebühren: LG Bremen korrigiert Amtsgericht und fordert neue Entscheidung
In einem jüngst ergangenen Beschluss des Landgerichts Bremen (Az.: 4 T 330/22) vom 17. Februar 2023 wurde ein Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bremen aufgehoben. Der Fall dreht sich um die sofortige Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss, die am 12. Dezember 2022 eingelegt wurde. Das Kernproblem des Falles liegt in der Frage, ob eine spezielle Erhöhungsgebühr für den Anwalt, bekannt als Gebührentatbestand Nr. 1008 VV RVG, im Kostenfestsetzungsantrag berücksichtigt werden sollte oder nicht.
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Übersicht:
Die sofortige Beschwerde und ihre Zulässigkeit
Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt und ist somit zulässig. Das Amtsgericht Bremen hatte in seiner Entscheidung vom 29. November 2022 die Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG nicht berücksichtigt. Das Landgericht Bremen sah dies jedoch anders und hob den Beschluss des Amtsgerichts auf.
Die Rolle der Kostengrundentscheidung
Das Amtsgericht hatte zutreffend festgestellt, dass die Kostengrundentscheidung aus einem rechtskräftigen Beschluss vom 25. August 2022 für das Kostenfestsetzungsverfahren maßgeblich ist. Nach dieser Entscheidung haben die Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Landgericht Bremen bestätigte diese Sichtweise, fügte jedoch hinzu, dass die Erhöhungsgebühr hätte berücksichtigt werden müssen.
Bedeutung des Gebührentatbestands Nr. 1008 VV RVG
Die Kammer des Landgerichts Bremen argumentierte, dass die Voraussetzungen für den Gebührentatbestand Nr. 1008 VV RVG vorliegen. Dieser bezieht sich auf den tatsächlichen Auftrag, der dem Rechtsanwalt erteilt wird. Wenn der Anwalt beauftragt wird, mehrere Eigentümer zu vertreten, steht ihm der Mehrvertretungszuschlag zu. Dies gilt unabhängig davon, ob er nach materiellem Recht die „falschen“ Personen vertritt.
Verweisung an das Amtsgericht für eine neue Entscheidung
Das Landgericht Bremen hat das Verfahren an das Amtsgericht zurückverwiesen, um eine neue Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag vom 29. August 2022 zu treffen. Insbesondere soll das Amtsgericht die Höhe der Gebührenerhöhung klären, da hierzu bisher keine Feststellungen getroffen wurden.
Mit diesem Beschluss setzt das Landgericht Bremen ein klares Signal, dass die speziellen Anwaltsgebühren im Kostenfestsetzungsverfahren nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Es bleibt nun abzuwarten, wie das Amtsgericht Bremen die neue Entscheidung treffen wird.
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Das vorliegende Urteil
LG Bremen – Az.: 4 T 330/22 – Beschluss vom 17.02.2023
Auf die sofortige Beschwerde vom 12.12.2022 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bremen vom 29.11.2022 aufgehoben und das Verfahren mit der Maßgabe, den Kostenfestsetzungsantrag vom 29.08.2022 unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer neu zu bescheiden, an das Amtsgericht Bremen zurückverwiesen.
Dem Amtsgericht Bremen bleibt auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens vorbehalten.
Gründe:
Die sofortige Beschwerde vom 12.12.2022 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bremen vom 29.11.2022 ist zulässig (§§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat auch in der Sache vorläufigen Erfolg.
Zutreffend ist das Amtsgericht Bremen davon ausgegangen, dass die Kostengrundentscheidung aus dem rechtskräftigen Beschluss vom 25.08.2022 für das Kostenfestsetzungsverfahren maßgeblich ist. Danach haben die Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
In dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss ist die geltend gemachte Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG entgegen des Kostenfestsetzungsantrags nicht berücksichtigt worden. Nach Auffassung der Kammer liegen hingegen die Voraussetzungen dieses Gebührentatbestandes Nr. 1008 VV RVG vor.
Die anwaltlich vertretenen Kläger haben durch ihre Klage den Streitgegenstand bestimmt. Entsprechend ist der Beklagtenvertreter mandatiert worden und hat sich zum Verfahren „gemeldet“. Entscheidend für den Anfall des Gebührentatbestandes aus Nr. 1008 VV RVG ist der tatsächliche Auftrag, der dem Rechtsanwalt erteilt wird. Soll er die einzelnen Eigentümer vertreten, so erhält er den Mehrvertretungszuschlag, soll er hingegen die Gemeinschaft vertreten, so steht ihm der Mehrvertretungszuschlag nicht zu (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 25. Aufl. 2021, RVG VV 1008 Rn. 139a). Dabei ist unerheblich, ob er den nach materiellem Recht Falschen vertritt, also zB für mehrere Eigentümer tätig wird, obgleich nach § 9 a Abs. 2 WEG nur die Gemeinschaft ausübungs- oder wahrnehmungsbefugt ist. Entscheidend ist, für wen der Rechtsanwalt tätig sein sollte und nicht, für wen er nach materiellen Recht hätte tätig sein müssen. Das gilt sowohl für Aktiv wie für Passivverfahren (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 25. Aufl. 2021, RVG VV 1008 Rn. 139b). Die Umstellung eines Antrages, sei es auch durch die Änderung des Passivrubrums, ändert an dem Anfall des Mehrvertretungszuschlages nichts, wenn zunächst die einzelnen Wohnungseigentümer verklagt worden sind (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 25. Aufl. 2021, RVG VV 1008 Rn. 139b).
Da das Amtsgericht Bremen zur der Frage der Höhe (d.h. die konkrete Anzahl berücksichtigungsfähiger Auftraggeber) der Gebührenerhöhung noch keine Feststellungen getroffen hat, macht die Kammer von der Möglichkeit des § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch und verweist das Verfahren zur erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag vom 29.08.2022 zurück.